Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 17. Februar 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/11246 18. Wahlperiode 20.02.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Irene Mihalic, Monika Lazar, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/10933 – „Reichsbürger“ – Anhaltspunkte für eine Bewegung in Waffen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Zahlreiche Behörden und Gerichte werden seit Jahren und dabei zunehmend mit Bürgerinnen und Bürgern konfrontiert, die als sogenannte Reichsbürger, Germaniten oder Selbstverwalter usw. (im Folgenden lediglich als „Reichsbürger“ bezeichnet) die Bundesrepublik Deutschland als Staat als inexistent ansehen. Damit wollen sie sich in erster Linie der Anwendung der deutschen Rechtsordnung entziehen, insbesondere, wenn sie sich Steuer- und Bußgeldfestsetzungen oder Vollzugsmaßnahmen und Pfändungen oder ähnlichen belastenden Maßnahmen ausgesetzt sehen. Sie stellen aber auch im Übrigen das Gewaltmonopol des Staates grundsätzlich infrage. Häufig korrespondiert dies mit der Auffassung , sich selbst durch Waffen „schützen bzw. verteidigen“ zu wollen. Dabei scheint ideologisch bedingt eine besondere Affinität zu Waffen zu bestehen. Nicht nur die Fälle von Übergriffen gegenüber Hoheitsträgern aus diesem „Reichsbürger“-Spektrum mehren sich, auch wurden inzwischen zahlreiche Widerrufsverfahren in Bezug auf waffenrechtliche Erlaubnisse eingeleitet. Es gibt daher gute Gründe anzunehmen, dass von dieser Bewegung eine besondere Gefahr für die Innere Sicherheit ausgeht. Das Waffenrecht ist dabei ein guter Gradmesser, denn gerade das Waffengesetz (WaffG) muss dafür Sorge tragen, dass der Waffenbesitz nur für Personen ermöglicht wird, die das Vertrauen verdienen, in jeder Hinsicht ordnungsgemäß und verantwortungsbewusst mit der Waffe umzugehen. Eine, das staatliche Gewaltmonopol negierende, Grundeinstellung steht daher im eklatanten Widerspruch zu diesem Ziel. Die Frage, welche Erkenntnisse über die Bewaffnung von „Reichsbürgern“ vorliegen und wie die Bundesregierung mit dieser staatsnegierenden und -bedrohenden Bewegung umgeht, ist daher von erheblicher Bedeutung für die Innere Sicherheit. Noch bis September 2016 (vgl. Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 18/9551) sah die Bundesregierung keine Notwendigkeit, die „Reichsbürgerbewegung“ gemäß § 3 Absatz 1 und 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) seitens des Bundesamtes für Verfassungsschutz näher untersuchen zu lassen. Ausdrücklich wurde der Bewe- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11246 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode gung damals noch „bundesweite Relevanz“ abgesprochen und die „Ernsthaftigkeit der politischen Bestrebung“ (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/9161) der „Reichsbürger“ wurde seitens der Bundesregierung bezweifelt. Spätestens seit am 19. Oktober 2016 in Georgensgmünd/Bayern ein „Reichsbürger“ auf Polizisten schoss und dabei einen von ihnen tödlich verletzte, ist die besondere (ideologische) Nähe der „Reichsbürger“ zu Waffen und deren aggressives Vorgehen gegen Hoheitsträger nicht mehr zu bezweifeln. Bemerkenswert ist ferner, dass sowohl in einigen Bundesländern als auch beim Bund nun Fälle von „Reichsbürgern“ (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/9161, vgl. SPIEGEL ONLINE, 21. Oktober 2016) in den Reihen der Polizei bekannt geworden sind. In Bayern wurden bereits zwei Beamte suspendiert. Weitere Fälle melden Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und Berlin auf Rückfragen der Medien. Häufig handelte es sich um (politisch motivierte) Verstöße gegen die Verfassungstreue, die eine Nähe zum Nationalsozialismus und damit eine rechtsextreme Gesinnung beinhalten. Letztlich dürfte bereits die Propagierung des „Reichsbürgertums“ nicht vereinbar mit der beamtenrechtlichen Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes bzw. der Verfassungstreue allgemein sein und das Ansehen des öffentlichen Dienstes schädigen. Es ist deshalb folgerichtig, dass die Bundesregierung angekündigt hat, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die „Reichsbürger“ endlich aktiv beobachten wird (vgl. Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Mündliche Frage 19 des Abgeordneten Volker Beck (Köln) vom 14. Dezember 2016, Plenarprotokoll 18/208). Unabhängig davon erklärte das Bundesministerium des Innern laut der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 3. November 2016, man rechne damit, bis Jahresende (2016) „einen genaueren Überblick “ über die „Reichsbürger-Szene“ zu haben. 1. Wie hoch ist das Personenpotenzial der „Reichsbürger“ in Deutschland nach Einschätzung der Bundesregierung? Nach Einschätzung der Bundesregierung liegt das Personenpotenzial von „Reichsbürgern“ derzeit bei etwa 10 000 Personen. 2. Wie groß ist die Zahl der „Reichsbürger“, die nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit als „Gefährder“ eingestuft werden? Nach Kenntnis der Bundesregierung ist derzeit ein „Reichsbürger“ als „Gefährder “ eingestuft. 3. Gibt es bei der Einstufung von „Reichsbürgern“ als „Gefährder“ eine Abstufung ? Wenn ja, nach welchen Kriterien erfolgt diese, und welche Kategorien werden aktuell angewandt? Bei der Einstufung von „Reichsbürgern“ als „Gefährder“ gibt es keine Abstufung. 4. Wie groß ist die Zahl der „Reichsbürger“, die nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit als „relevante Personen“ eingestuft werden? Nach Kenntnis der Bundesregierung werden derzeit drei „Reichsbürger“ als „relevante Personen“ eingestuft. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11246 5. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Verbindungen von Rechtsextremen und sog. Reichsbürgern? Nach Kenntnis der Bundesregierung werden von der in der Antwort zu Frage 1 genannten Anzahl etwa 500 bis 600 Personen als Rechtsextremisten eingeschätzt. Darüber hinaus verfügen weitere Rechtsextremisten über Kontakte in die „Reichsbürger “-Szene. 6. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu kameradschaftlich strukturierten „Reichsbürger“-Netzwerken und Gruppierungen in Deutschland? Die „Reichsbürger“-Szene agiert überwiegend in Form von Stammtischen bzw. regelmäßigen Treffen und vernetzt sich über das Internet. a) Wie viele solcher Gruppierungen gibt es Stand heute mit welchem Personenpotential ? Die Anzahl der Gruppierungen ist der Bundesregierung nicht bekannt. b) Was ist bekannt über die Strategien und Ziele solcher Netzwerke/Gruppierungen ? Die kameradschaftlich strukturierten „Reichsbürger“-Netzwerke und Gruppierungen verfolgen nach Kenntnis der Bundesregierung unterschiedliche Ziele und Strategien. Diverse Gruppierungen versuchen, weitere Anhänger zu gewinnen und ihre jeweiligen Ansichten weiter zu verbreiten. Manche hoffen, so einen eigenen Staat aufbauen zu können. Bei anderen stehen Gewinnerzielung und „Geschäftemacherei “ im Mittelpunkt. 7. Welche weiteren Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu dem „Reichsbürger “ aus Georgengmünd, der am 19. Oktober 2016 auf Polizisten geschossen und dabei einen tödlich verletzt hatte, vor allem hinsichtlich dessen Kontakten in die Reichsbürger-Szene und zu Rechtsextremisten? a) Auf welcher Grundlage (Bedürfnis) war dem Täter eine waffenrechtliche Erlaubnis erteilt worden? b) Welche und wie viele der aufgefundenen Waffen wurden legal erworben und auf seinen Namen angemeldet? c) Gibt es Hinweise auf Netzwerke, innerhalb derer Waffen ausgetauscht und möglicherweise staatsschutzrelevante Taten geplant wurden? Die Fragen 7 bis 7c werden gemeinsam beantwortet. Die Fragen beziehen sich auf Umstände, die Gegenstand von laufenden Ermittlungen der zuständigen Strafverfolgungsbehörden in Bayern sind. Um die laufenden strafrechtlichen Ermittlungen nicht zu gefährden und vor dem Hintergrund der im Grundgesetz festgelegten Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nimmt die Bundesregierung zu Einzelheiten des Sachverhaltes keine Stellung . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11246 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 8. Welche Fälle sind der Bundesregierung seit 2009 (bitte nach Jahren aufschlüsseln ) bekannt, in denen „Reichsbürger“ gegen Staatsbedienstete welche Straftaten verübten? Wie schätzt die Bundesregierung diese Entwicklung ein? Der Bundesregierung liegen keine Informationen im Sinne der Fragestellung vor. Straftaten von „Reichsbürgern“ gegen Staatsbedienstete sind im Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität (PMK) derzeit nicht recherchierbar . Rückwirkend zum 1. Januar 2017 ist nun der Oberbegriff „Reichsbürger/ Selbstverwalter“ in den Themenfeldkatalog PMK aufgenommen worden. Straftaten gegen Staatsbedienstete durch „Reichsbürger“ sind grundsätzlich Phänomen prägend bzw. immanent und resultieren aus der Tatsache, dass jene im Kontakt mit Behörden(-mitarbeitern) deren hoheitlichen Befugnisse nicht anerkennen . Straftaten, die in diesem Zusammenhang begangen werden, reichen von Beleidigungen über Nötigungen und Erpressungen bis hin zu Widerstandsdelikten und anderen Gewaltdelikten. 9. Welche Fälle sind der Bundesregierung seit 2009 (bitte nach Jahren aufschlüsseln ) bekannt, in denen „Reichsbürger“ gegen das Waffengesetz und/oder Sprengstoffgesetz verstießen, und wie schätzt die Bundesregierung dies in Bezug auf das Gefahrenpotenzial der „Reichsbürger“ ein? Verstöße gegen das Waffengesetz und/oder Sprengstoffgesetz durch „Reichsbürger “ sind im Kriminalpolizeilichen Meldedienst noch nicht recherchierbar, so dass eine konkrete Aufschlüsselung im Sinne der Fragestellung nicht möglich ist. Bislang vorliegende Erkenntnisse deuten allerdings auf eine hohe Waffenaffinität der „Reichsbürger“-Szene hin. Vor dem Hintergrund, dass staatliche Autorität und Legitimität, insbesondere auch das staatliche Gewaltmonopol, nicht anerkannt und im Gegenzug die eigene Wehrhaftigkeit und ein angebliches Recht auf bewaffneten „Widerstand“ nach eigenem Ermessen propagiert werden, ist von einem hohen Gefahrenpotenzial durch die Szene auszugehen. Dieses Gefahrenpotenzial hat sich zuletzt in der Tat von Georgensgmünd/Bayern am 19. Oktober 2016 konkretisiert. Darüber hinaus wurden am 25. Januar 2017 in einem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwaltes wegen Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung gegen Angehörige einer Gruppierung, die sich um einen als „Reichsbürger “ bekannten „Gefährder“ gebildet hatte (siehe Antwort zu Frage 2), bei Durchsuchungsmaßnahmen unter anderem auch scharfe Schusswaffen, Munition und Schwarzpulver aufgefunden. Die Gruppierung soll seit Frühjahr 2016 in Planungen eingetreten sein, bewaffnete Angriffe auf Polizisten als Repräsentanten des Staates, Asylsuchende und Menschen der jüdischen Glaubensgemeinschaft zu begehen . Erkenntnisse zu konkreten Anschlagsplanungen liegen derzeit allerdings nicht vor. 10. Wie viele offene Haftbefehle gegen „Reichsbürger“ können aktuell nicht vollstreckt werden (bitte nach Bundesland aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegen keine Informationen im Sinne der Fragestellung vor. Im polizeilichen Informationssystem INPOL besteht bislang kein personengebundener oder ermittlungsunterstützender Hinweis (PHW/EHW) „Reichsbürger “, so dass die Anzahl entsprechender Fälle derzeit nicht aufgeschlüsselt werden kann. Die Einführung eines ergänzenden PHW/EHW „Reichsbürger / Selbstverwalter “ ist derzeit noch in der Prüfung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11246 11. Welche Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen „Reichsbürger“ als eigene „Polizei“ oder ähnliche „Hoheitsgewalt“ (sowohl gegenüber Bürgerinnen und Bürgern auch gegenüber staatlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ) auftraten (bitte nach Bundesland aufschlüsseln)? Der Bundesregierung ist bekannt, dass es im Zusammenhang mit Aktivitäten von Mitgliedern des sogenannten „Deutschen Polizeihilfswerks“ („DPHW“) Ende 2012 zu Nötigungen und auch Gewaltdelikten gegen Gerichtsvollzieher und Finanzbeamte gekommen ist. Hierbei traten Aktivisten des „DPHW“ polizeiähnlich uniformiert und mit entsprechenden Phantasieausweisen ausgestattet, schwerpunktmäßig in Thüringen und Sachsen, auf. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. 12. Welche Fälle sind der Bundesregierung seit 2009 (bitte nach Jahren aufschlüsseln ) bekannt, in denen „Reichsbürger“ als eigene „Polizei“ oder ähnliche „Hoheitsgewalt“ (sowohl gegenüber Bürgerinnen und Bürgern auch gegenüber staatlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern) auftraten und zeitgleich über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügten (bitte nach Bundesland aufschlüsseln)? Im Jahr 2013 wurde im Zusammenhang mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Dresden gegen Mitglieder des „DPHW“ wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 des Strafgesetzbuches festgestellt, dass Beschuldigte im legalen Besitz von Schusswaffen waren. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. 13. Welche Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen sich „Reichsbürger “ mittels Waffengewalt/bewaffnet gegen staatliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stellten? Der Bundesregierung liegen Erkenntnisse zu wenigen Fällen von bewaffneten Widerstandshandlungen gegen staatliche Bedienstete, insbesondere gegen Polizisten , vor. Das Spektrum der eingesetzten „Waffen“ reicht von Holzknüppeln, Eisenstangen, Reizstoffsprühgeräten bis hin zu Schusswaffen. Am 25. August 2016 fand eine Zwangsräumung des Hauses eines „Reichsbürgers “ in Sachsen-Anhalt statt. Im Vorfeld hatte dieser über seine Internetseite dazu aufgerufen, sich gegen die Maßnahme zu wehren und seinen Staat zu verteidigen . Die Spezialkräfte der Polizei wurden beim Betreten des Grundstückes sofort attackiert, mit Steinen beworfen und von dem Grundstücksbesitzer mit einer Waffe bedroht. Im weiteren Verlauf kam es zu einem Schusswechsel, bei dem ein Polizeibeamter und der „Reichsbürger“ selbst verletzt wurden. Am 19. Oktober 2016 sollten in Georgensgmünd/Bayern mehrere Beschlüsse des Amtsgerichtes Roth anlässlich eines Vollzugs des Waffengesetzes, des Bundesjagdgesetzes sowie des Sprengstoffgesetzes gegen einen „Reichsbürger“ umgesetzt werden. Beim Eindringen der Einsatzkräfte in das Objekt kam es zum Schusswechsel. Bei dem Einsatz wurden vier Polizeibeamte verletzt, einer verstarb wenig später. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11246 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 14. Inwiefern liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, wonach „Reichsbürger “ besonders häufig a) über Jagd- und Sportwaffen und/oder entsprechende Erlaubnisse verfügen ? b) Erlaubnisse auf der Grundlage „Brauchtumsschützen oder Brauchtumspflege “ erteilt werden? c) der Erwerb und Besitz von Schusswaffen oder Munition durch Waffenoder Munitionssammler erfolgt? Wenn ja, sieht die Bundesregierung Defizite in der Prüfung der Bedürfnisse und/oder Zuverlässigkeit- und Eignungsprüfung, und wie beabsichtigt sie diese zu beseitigen? Die „Reichsbürger“-Bewegung wird seit November 2016 von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder bundesweit als Sammelbeobachtungsobjekt bearbeitet. Daher liegen derzeit noch keine abschließenden Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. Nach ersten Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder sollen ca. 700 „Reichsbürger“ oder „Selbstverwalter “ eine waffenrechtliche Erlaubnis besitzen. Der Vollzug des Waffenrechts obliegt gemäß Artikel 83 des Grundgesetzes den Ländern als eigene Angelegenheit. Die Zuverlässigkeit gemäß § 5 des Waffengesetzes ist aus rechtsstaatlichen Gründen stets im Einzelfall zu prüfen. Die Sicherheitsbehörden des Bundes wirken in Zusammenarbeit mit den Landesbehörden auf den Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse von „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern “ hin. 15. Wie viele Anträge auf den sogenannten kleinen Waffenschein wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2009 gestellt (bitte nach Jahren aufschlüsseln )? Die Beantragung eines „kleinen Waffenscheins“ ist kein Speicheranlass gemäß § 3 des Nationalen-Waffenregister-Gesetzes. Die aktuelle Zahl im Nationalen Waffenregister gespeicherter „kleiner Waffenscheine“ wird in der Antwort zu Frage 24 dargestellt. 16. Wie viele erlaubnisfreie Waffen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2009 insgesamt in Deutschland erworben (bitte nach Jahren aufschlüsseln )? 17. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor, wonach „Reichsbürger “ besonders häufig Inhaber des „kleinen Waffenscheins“ sind und erlaubnisfreie Waffen erwerben? Die Fragen 16 und 17 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/11246 18. Sieht die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem bundesweiten massiven Anstieg der Anträge auf den „kleinen Waffenschein“ und der Nachfrage und dem Erwerb von erlaubnisfreien Waffen eine steigende Gefahr für die innere Sicherheit? 19. Beabsichtigt die Bundesregierung, im Zusammenhang mit dem bundesweiten massiven Anstieg der Anträge auf den „kleinen Waffenschein“ und der Nachfrage und dem Erwerb von erlaubnisfreien Waffen etwaige Maßnahmen zu ergreifen? Die Fragen 18 und 19 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, inwieweit Personen, denen ein „kleiner Waffenschein“ erteilt wird, diesen auch tatsächlich nutzen, um Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen (SRS-Waffen) zu führen. Die Bundesregierung beobachtet daher kontinuierlich die Entwicklung der erteilten „kleinen Waffenscheine“ und wird – soweit erforderlich – entsprechende Maßnahmen ergreifen. 20. Welche Fälle sind der Bundesregierung bekannt, bei denen Sportschützen /Schützenvereine falsche Nachweise für Waffenbesitzkarten ausgestellt haben (vgl. dpa, 2. Januar 2017, Waffenbesitzkarte gegen Geld: Schützenvorstand vor Gericht)? Sind in solchen Fällen auch „Reichsbürger“ beteiligt oder haben so Waffenbesitzkarten erlangt? Der Vollzug des Waffenrechts obliegt den Ländern gemäß Artikel 83 des Grundgesetzes als eigene Angelegenheit. Informationen zu Einzelfällen des Vollzugs liegen der Bundesregierung nicht vor. 21. Bleibt die Bundesregierung bei ihrer Auffassung (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Kooperation der Sicherheitsbehörden in der Terrorismusbekämpfung – EUweite Bekämpfung illegaler Feuerwaffen“ auf Bundestagsdrucksache 18/7292, Antwort zu Frage 50), eine gesetzlich vorgegebene, systematische Abfrage bei den Landesverfassungsschutzämtern im Rahmen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeits- und Eignungsüberprüfung sei nicht erforderlich ? Wenn ja, warum? Die Bundesregierung prüft derzeit geeignete Ansätze, die sicherstellen können, dass Waffenbehörden für die Zuverlässigkeitsprüfung nach § 5 des Waffengesetzes davon Kenntnis erhalten, ob eine Person, die eine Waffe besitzt oder den legalen Besitz einer solchen anstrebt, als Extremist eingestuft ist. 22. Welche Erlasse von Bundesländern sind der Bundesregierung bekannt, wonach nun systematisch eine Identifizierung von Inhaberinnen und Inhabern waffenrechtlicher Erlaubnisse als „Reichsbürger“ und sodann eine (erneute) Überprüfung der Zuverlässigkeits- und Eignungsprüfung bei „Reichsbürgern “ erfolgen soll, und wie bewertet die Bundesregierung dies? Auf die Antwort zu Frage 20 wird verwiesen. Darüber hinaus obliegt der Bundesregierung keine Bewertung der Vollzugspraxis in den Ländern. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11246 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 23. Bleibt die Bundesregierung bei ihrer Auffassung (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Schusswaffen in Deutschland“ auf Bundestagsdrucksache 18/7741, Antwort zu Frage 35), bei der Zugehörigkeit zur „Reichsbürgerbewegung“ lägen nicht bereits „Anhaltspunkte“ für die Bezweiflung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit vor, vielmehr sei „die Zuverlässigkeit im Einzelfall zu prüfen“? Die Zuverlässigkeit gemäß § 5 des Waffengesetzes ist aus rechtsstaatlichen Gründen stets im Einzelfall zu prüfen. Insofern bleibt die Bundesregierung bei ihrer Auffassung, wie sie aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Schusswaffen in Deutschland“ auf Bundestagsdrucksache 18/7741, Antwort zu Frage 35, hervorgeht. 24. Wie viele erteilte waffenrechtliche Erlaubnisse, Ausnahmen, Anordnungen, Sicherstellungen und Verbote zu Personen gemäß dem Nationalen Waffenregister -Gesetz (NWRG) sind jeweils aktuell im Nationalen Waffenregister (NWR) registriert, und wie viele „Reichsbürger“ verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung über eine waffenrechtliche Erlaubnis bzw. wurden Ausnahmetatbeständen zur Erlaubnispflicht i. S. v. § 12 WaffG erfasst (bitte nach Art der Erlaubnis/Besondere Erlaubnistatbestände aufgliedern gemäß Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 18/7741)? Mit Stand vom 31. Dezember 2016 sind nachstehende waffenrechtliche Erlaubnisse bzw. Waffenbesitzverbote im Nationalen Waffenregister gespeichert: Standard-Waffenbesitzkarte 1.616.122 Waffenhandelserlaubnis 3.435 Stellvertretererlaubnis Waffenhandel 276 gewerbliche Waffenherstellungserlaubnis 571 Stellvertretererlaubnis Waffenherstellung 26 private Waffenherstellungserlaubnis 93 Ausnahmegenehmigung verbotene Waffe/Munition 1.285 Ausnahmegenehmigung vom Verbot des Führens 473 Sportschützen-WBK (ab 01.04.2003) 115.220 Schießerlaubnis 3.923 Waffentrageberechtigung 8.717 Einfuhrerlaubnis 1.684 Ausfuhrerlaubnis 4.584 Allgemeine Ausfuhrerlaubnis in EU-Mitgliedstaaten 280 Europäischer Feuerwaffenpass 66.466 Mitnahmeerlaubnis 107 Waffenbesitzkarte für Sammler 10.005 Sportschützen-WBK (bis 31.03.2003) 146.791 Waffenbesitzkarte für Sachverständige 148 Waffenbesitzkarte für Vereine 8.830 Mitbenutzererlaubnis zur gemeinsamen WBK 15.903 Munitionserwerbsschein 7.322 Kleiner Waffenschein 469.741 Waffenschein 11.916 Waffenbesitzverbot 18.884 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/11246 Alle Angaben stehen unter dem Vorbehalt der andauernden Datenbereinigung im Nationalen Waffenregister (NWR). Das NWR enthält keine Speicherkategorie „Reichsbürger“. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 14 verwiesen. 25. Wurden entsprechende Daten zu „Reichsbürgern“ nach § 10 NWRG an Waffenbehörden , Polizeien des Bundes und der Länder, Justiz- und Zollbehörden , Steuerfahndung sowie Nachrichtendienste übermittelt? Der Bundesregierung ist bekannt, dass die Landesämter für Verfassungsschutz zur Überprüfung waffenrechtlicher Erlaubnisse von „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern “ ihre Erkenntnisse insbesondere durch Abfragen des NWR nach § 10 des Gesetzes zur Errichtung eines Nationalen Waffenregisters (NWRG) gewonnen haben. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 14 und 24 verwiesen . 26. Wie viele Personen sind im NWR aktuell gespeichert, deren waffenrechtliche Erlaubnis widerrufen wurde? Mit Stand 25. Januar 2017 sind im NWR 15 199 Personen gespeichert, deren waffenrechtliche Erlaubnis widerrufen wurde. 27. Wie viele erteilte waffenrechtliche Erlaubnisse von „Reichsbürgern“ sind seit 2009 (bitte nach Jahren aufschlüsseln) nach Kenntnis der Bundesregierung widerrufen worden? 28. Wie viele „Reichsbürger“ wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2009 (bitte nach Jahren aufschlüsseln) jeweils zur Rückgabe der Waffenbesitzkarten zur Unbrauchbarmachung der darin eingetragenen Waffen bzw. deren Überlassung an einen Berechtigten aufgefordert, und wurde dies vollzogen ? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 27 und 28 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Antworten zu den Fragen 20 und 24 wird verwiesen. 29. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen sich bei Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis Betroffene der Vollstreckung entziehen, in dem sie ihren Wohnsitz ummelden, und wie beabsichtigt die Bundesregierung, etwaige Vollzugsdefizite (ggf. auch gesetzlich) zu beseitigen? Die Bundesregierung sieht keinen Anlass zu gesetzlichen Anpassungen. Gemäß § 49 des Waffengesetzes in Verbindung mit § 3 Absatz 1 Nummer 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ist für die örtliche Zuständigkeit einer Waffenbehörde der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen und nicht seine melderechtliche Situation maßgeblich. 30. Wie viele „Reichsbürger“ sind bzw. waren 2016 Angestellte oder Beamte von Bundesbehörden, und wie viele davon hatten direkten oder mittelbaren Zugriff zu Dienstwaffen (bitte nach Bundesbehörde aufschlüsseln)? Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern sind gegen fünf Beamte und einen Angestellten der Bundespolizei wegen Aktivitäten mit Bezug zur sogenannten „Reichsbürger“-Bewegung dienst- bzw. arbeitsrechtliche Maßnahmen anhängig. Nach dem derzeitigen Stand der Verwaltungsermittlungen ist bislang Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11246 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode in keinem dieser Fälle ersichtlich, dass die Betroffenen einer der bekannten Gruppierungen der Reichsbürger angehören könnten. Ausreichende Erkenntnisse dazu, dass einer der Betroffenen die Geltung des Grundgesetzes so explizit in Frage gestellt hat, dass die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme bzw. eine Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses in Betracht kommen könnte (vgl. Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Mai 2015, Aktenzeichen 10 M 4/15, zitiert nach juris), gibt es bislang ebenfalls noch nicht. Die betroffenen Beamten und der betroffene Angestellte verrichten weiterhin ihren Dienst in der Bundespolizei. Die Sicherheitsbehörden des Bundes prüfen in jedem Einzelfall, insbesondere im Rahmen von dienst- bzw. arbeitsrechtlichen Verfahren, den Entzug von Dienstwaffen . Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz gibt es ein Verfahren gegen einen potentiellen Reichsbürger. Das Disziplinarverfahren wurde gegen den Beamten im Januar 2016 eingeleitet. Im Dezember 2016 wurde Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eingereicht. Der Betroffene hatte und hat keinen direkten oder mittelbaren Zugriff zu Dienstwaffen. Bezogen auf Angestellte und Beamte im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung wurden 2016 drei Fälle bearbeitet, in denen diese zivilen Angehörigen der Bundeswehr Bezüge zur „Reichsbürger“-Bewegung aufwiesen. In keinem dieser Fälle gab es bislang einen Nachweis über die Zugehörigkeit zur genannten Bewegung. Die Betroffenen hatten und haben keinen direkten oder mittelbaren Zugriff zu Dienstwaffen. Im Übrigen sind der Bundesregierung keine „Reichsbürger“, die Angestellte oder Beamte von Bundesbehörden sind bzw. 2016 waren, bekannt. 31. Wie schätzt die Bundesregierung die Gefahr ein, dass „Reichsbürger“ versuchen , Behörden gezielt zu unterwandern? Der Bundesregierung ist bekannt, dass sich „Reichsbürger“ mitunter gezielt an Behördenvertreter wenden, um diese von ihren Ansichten zu überzeugen. Daher ist ganz grundsätzlich auch von Unterwanderungsversuchen auszugehen. Bei den in der Antwort zu Frage 30 genannten Fällen der Bundespolizei handelt es sich um langjährige Mitarbeiter, deren Einstellung in die Bundespolizei lange vor dem ersten Auftreten der „Reichsbürger“-Bewegung erfolgte. Daher wird nach bisherigen Erkenntnissen ausgeschlossen, dass die bekannten Fälle das Ergebnis einer gezielten Unterwanderung sind. Im Rahmen des Bewerbungsverfahrens für den Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei erfolgt unter anderem auch eine Überprüfung auf bestehende Sicherheitsrisiken . Die spätere Übertragung besonderer sicherheitsrelevanter Aufgaben erfolgt – das positive Votum des Dienstvorgesetzten vorausgesetzt – erst nach entsprechender Sicherheitsüberprüfung. Durch dieses mehrstufige Verfahren ist die Gefahr der Unterwanderung grundsätzlich nicht gegeben. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/11246 32. Wie viele „Reichsbürger“ waren nach Kenntnis der Bundesregierung 2016 Angestellte oder Beamte von Landesbehörden, und wie viele davon hatten direkten oder mittelbaren Zugriff zu Dienstwaffen (bitte nach Bundesland aufschlüsseln)? Zu laufenden arbeitsrechtlichen bzw. dienstrechtlichen Verfahren von Landesbehörden nimmt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der im Grundgesetz festgelegten Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern keine Stellung. 33. Wie viele Verfahren wurden seit 2009 (bitte nach Jahren aufschlüsseln) jeweils gegen Bundesbeamte im Zusammenhang mit der Identifizierung als „Reichsbürger“ ggf. mit welcher abschließenden Disziplinarmaßnahme geführt ? Im Jahr 2013 wurde Disziplinarklage gegen einen Beamten der Bundespolizei erhoben. Ein Teil der von dem Beamten vertretenen und ihm vorgeworfenen Positionen weist Bezüge zu der „Reichsbürger“-Bewegung auf. Im Jahr 2016 wurden vier Disziplinarverfahren gegen Beamte der Bundespolizei mit Bezug zur sog. Reichsbürgerbewegung eingeleitet. Alle Verfahren sind noch nicht abgeschlossen . Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz gibt es ein Verfahren gegen einen potentiellen Reichsbürger. Das Disziplinarverfahren wurde gegen den Beamten im Januar 2016 eingeleitet. Im Dezember 2016 wurde Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eingereicht. Im Übrigen sind der Bundesregierung keine Disziplinarverfahren gegen Bundesbeamte im Zusammenhang mit der Identifizierung als „Reichsbürger“ bekannt. 34. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um Beamte hierzu zu sensibilisieren? Der Bundesregierung ist es wichtig, über das Phänomen „Reichsbürger“ aufzuklären und dieses Wissen in der Bevölkerung – und damit auch im öffentlichen Dienst – zu verankern. Bereits im Rahmen der Ausbildung an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung werden die im Curriculum des Grundstudiums in den Studiengebieten „Staatsrechtliche und politische Grundlagen des Verwaltungshandelns“ und „Rechtliche Grundlagen des Verwaltungshandelns“ verankerten Grundsätze des besonderen Dienst- und Treueverhältnisses von Beamten sowie das Einstehen für die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gelehrt. Bei der Berufung in das Beamtenverhältnis wird, etwa anlässlich der Vereidigung , ausdrücklich auf die allgemeinen Pflichten aus dem Beamtenverhältnis hingewiesen . Zu nennen ist hier vor allem das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung (vgl. § 60 Absatz 1 Satz 3 des Bundesbeamtengesetzes ). Einer entsprechenden Pflichtverletzung von Beamten wird nachgegangen. Daneben werden in den Bundesbehörden in unterschiedlicher Intensität Sensibilisierungsmaßnehmen durchgeführt. Es werden teilweise Vorträge durchgeführt, um insbesondere Vorgesetzte und Führungskräfte in die Lage zu versetzen, Radikalisierungstendenzen jedweder Art zu erkennen und die notwendigen Maßnahmen einzuleiten. Teilweise werden bei Bedarf auch Handreichungen und Publikationen zum Phänomen „Reichsbürger“ zur Verfügung gestellt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11246 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Bei der Bundespolizei werden die Themen „Politischer Extremismus/Terrorismus “ sowohl in der Laufbahnausbildung als auch im Rahmen der dienstlichen Fortbildung behandelt. Neben Themen von grundsätzlicher Bedeutung (z. B. die Bedeutung des Pluralismus für die freiheitlich demokratische Grundordnung, die wehrhafte Demokratie, Parteiverbote) werden auch ausgewählte Themen auf der Grundlage des jeweils aktuellen Bundesverfassungsschutzberichts und gegenwärtigen Ereignissen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität vermittelt. Aus Anlass der im Jahr 2016 eingeleiteten Disziplinarverfahren mit Bezug zur „Reichsbürger“-Bewegung erfolgte eine Information und Besprechung zu dieser Thematik im Rahmen der Behördenleitertagung. Als Ergebnis wurde beschlossen , dass die vorhandenen Fortbildungsinhalte um das Thema „Reichsbürger“- Bewegung/Staatsfeindlichkeit erweitert werden. Darüber hinaus erfolgt die Sensibilisierung der Beamtinnen und Beamten im Zusammenhang mit der Reichsbürgerbewegung anlassbezogen auf Grundlage von polizeilichen Erkenntnissen und Lageinformationen. Schließlich beschäftigen sich auch zahlreiche Projektpartner aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ seit Jahren mit der Problematik der „Reichsbürger“. So setzt sich auch das aus dem Bundesprogramm geförderte „demos-Institut für Gemeinwesenberatung“ (Träger der Mobilen Beratung des Landes-Demokratiezentrums in Brandenburg) intensiv mit dem Thema auseinander und bietet unter anderem Schulungen für Mitarbeitende des Öffentlichen Dienstes an. 35. Wie viele Waffen wurden nach Kenntnis der Bundesregierungen im letzten Jahr bei Durchsuchungen von Gruppierungen oder Einzelpersonen gefunden , die sich der „Reichsbürgerbewegung“ zuordnen lassen, und in wie vielen Fällen handelte es sich um Legalwaffen bzw. illegale Waffen? Der Bundesregierung liegen keine Informationen im Sinne der Fragestellung vor. Es wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. 36. Wird die „Reichsbürgerbewegung“ mittlerweile seitens der Bundesregierung als rechtsextreme Bewegung angesehen auch angesichts dessen, dass sie nicht nur den Staat Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennt, sondern ein Fortbestehen des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 proklamiert , und wenn nein, in welchen Kontext wird die Bewegung sonst eingeordnet ? Die „Reichsbürger“-Bewegung wird seitens der Bundesregierung nicht als in sich homogene rechtsextreme Bewegung angesehen. „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter “ werden seit November 2016 von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder bundesweit als Sammelbeobachtungsobjekt bearbeitet. Es handelt sich um Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen, unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren und deshalb in aller Regel die Besorgnis besteht, dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen. Die unterschiedlichen Gruppierungen der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ beziehen sich auf unterschiedlichste historische und völkerrechtliche Situationen Deutschlands unter anderem in den Jahren 1871, 1914, 1918, 1933 und 1937. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/11246 Für die Verwirklichung ihrer Ziele treten sie aktiv ein, z. B. mit Werbeaktivitäten oder mit aggressiven Verhaltensweisen gegenüber den Gerichten und Behörden der Bundesrepublik Deutschland. Der so definierten heterogenen Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter ist gemeinsam die fundamentale Ablehnung des Staates und seiner gesamten Rechtsordnung . Bestrebungen, die eine derart grundsätzliche Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland, ihrer Gesetze und Institutionen beinhalten, bieten hinreichend tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen gemäß § 3 Absatz 1 Nummer 1, 1. Alternative i. V. m. § 4 Absatz 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVerfSchG), unabhängig davon, dass diese Bestrebungen nur zum Teil dem Rechtsextremismus zugeordnet werden können. Indem sie die Gesetzgebung und verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland ablehnen, wenden sie sich zugleich gegen die in § 4 Absatz 2 litera b) BVerfSchG genannte „Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht“. Dies gilt ebenso, wenn sie von Behörden und Gerichten fordern, geltendes Recht nicht anzuwenden. 37. Wird anders als noch im September 2016 (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE auf Bundestagsdrucksache 18/9737) die Zugehörigkeit oder Anhängerschaft eines Tatverdächtigen zur „Reichsbürgerbewegung“ bzw. einer ihr zuzurechnenden Gruppierung oder Ideologie im Rahmen des „Kriminalpolizeilichen Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität“ (KPMD-PMK) erhoben? a) Wenn ja, in welchem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität “ erfolgt die Erfassung? b) Wenn nein, wieso erachtet die Bundesregierung es aus sicherheitspolitischen Gründen nicht für notwendig, die Zugehörigkeit zu Organisationen, die die Existenz des Staates Bundesrepublik Deutschland leugnen, als meldepflichtigen Tatbestand des KPMD-PMK zu etablieren? Straftaten von „Reichsbürgern“ wurden rückwirkend zum 1. Januar 2017 im Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität (KPMD – PMK) unter dem Oberbegriff „Reichsbürger/Selbstverwalter“ aufgenommen. Der Oberbegriff wird keinem Phänomenbereich zugeordnet. 38. Wie viele durch „Reichsbürger“ verübte politisch motivierte Straftaten sind für das Jahr 2016 zu verzeichnen (bitte um Aufgliederung nach Delikten)? 39. Ist der Bundesregierung bekannt, ob Reichsbürger Straftaten gegen Geflüchtete , ihre Unterkünfte bzw. Unterstützerinnen und Unterstützer begangen haben , und wenn ja, wie viele (bitte nach Straftatbeständen und Bundesländern aufschlüsseln)? Die Fragen 38 und 39 werden gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Antworten zu den Fragen 7 bis 7c und 8 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333