Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 24. Februar 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/11337 18. Wahlperiode 28.02.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/11017 – Bedarfsgerechte Anlageberatung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Immer wieder klagen Kundinnen und Kunden über schlechte Anlageberatung. Viele sehen nicht ihr Interesse im Mittelpunkt der Beratung, sondern die Eigeninteressen der Bank oder der Beraterin beziehungsweise des Beraters. Eine Umfrage ergab, dass eine Mehrheit der Befragten lieber eine Direktbezahlung für die Beratung möchte (siehe www.dasinvestment.com/anleger-umfrage-deutschewollen -unabhaengige-anlageberatung-statt-honorarberatung/). Angesichts dessen bleiben jedoch die durchgeführten unabhängigen Beratungen weit dahinter zurück und die auf oftmals intransparenten Provisionen und Margen basierte Beratung bleibt der Normalfall. Dabei werden in vielen Fällen die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht bedarfsgerecht beraten. Dies verdeutlicht auch die mangelnde Wirkung von Beratungsprotokollen, die vermeintlich einen besseren Schutz der Kundinnen und Kunden gewährleisten sollten. Im aktuellen Zinsumfeld kommt hinzu, dass das Provisionsgeschäft für die Banken immer wichtiger wird (siehe www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/ Veroeffentlichungen/Monatsberichte/2016/2016_09_monatsbericht.pdf?__blob= publicationFile, S. 76). Die Gewerkschaft Deutscher Bankangestellten-Verband e. V., bestätigt, dass der Druck in den Banken aufgrund der Zinsentwicklungen gestiegen sei, dubiose Geschäfte abzuschließen (siehe DIE ZEIT: Gib mir dein Geld! vom 6. Oktober 2016, S. 21f.). Aktuell ergibt sich im Rahmen des Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetzes die Chance, für einen besseren Anlegerschutz in Deutschland zu sorgen. 1. Welche Evaluationen liegen der Bundesregierung bezüglich der Rolle von Beratungsprotokollen vor, und zu welchem Ergebnis kommen diese? Der Bundesregierung sind die im Folgenden aufgeführten Untersuchungen bekannt . Untersuchung durch die Stiftung Warentest (Finanztest Heft 8/2010, S. 25 ff.) In der Untersuchung wurde im Frühjahr 2010 die Anlageberatung der Banken durch Testkunden getestet. Wurden Beratungsprotokolle nicht ausgehändigt, führte dies zu einer Abwertung. Im Übrigen spielte das Beratungsprotokoll keine Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11337 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Rolle für die Bewertung in der Untersuchung. Nach dem Ergebnis der Untersuchung seien in 65 von 126 Fällen Beratungsprotokolle nicht ausgehändigt worden . Außerhalb der Bewertung wurden die Protokolle auf formale Punkte untersucht . Nicht alle Protokolle seien einwandfrei gewesen (bspw. nicht alle Vordrucke hätten vorgesehen, die Anliegen der Kunden nach ihrer Wichtigkeit zu sortieren ). Soweit in dem Test kritisiert wurde, dass nicht nach dem Beruf der Kunden gefragt bzw. dies nicht dokumentiert wurde, ist nach Kenntnis der Bundesregierung festzustellen, dass der Berater dies nur erfragen und erfassen muss, soweit dies für die Anlageberatung erforderlich ist. Auch konnte nicht überprüft werden, ob in allen Fällen, in denen kein Beratungsprotokoll ausgehändigt wurde, eine Anlageberatung im Sinne des Gesetzes vorlag. In dem Test wurde insoweit ausgeführt , dass eine Anlageberatung bereits vorliege, wenn über Finanzinstrumente gesprochen wurde. Dies geht über den Begriff der Anlageberatung hinaus. Thematische Arbeit der BaFin1 zum Beratungsprotokoll (2010)2 Ziel der im Frühjahr 2010 durchgeführten thematischen Arbeit war es u. a. zu prüfen, ob die Institute rechtzeitig die erforderlichen organisatorischen Rahmenbedingungen geschaffen haben und in welcher Art und Weise die Protokolle erstellt , ausgehändigt und archiviert werden. Ferner wurden Beratungsprotokolle angefordert und ausgewertet. Die Vorlagen von 15 Kreditinstituten und 37 Finanzdienstleistungsinstituten genügten nicht vollumfänglich den gesetzlichen Anforderungen. Ein häufiger Fehler war die fehlende Möglichkeit, neben den zwingend erforderlichen Kundenangaben weitere Kundenangaben zu dokumentieren . Auch bei der Nutzung der Beratungsprotokolle zeigten sich Defizite (bspw. wurden vorhandene Freitextfelder zur Dokumentation individueller Angaben der Kunden nur selten genutzt). Häufig genutzt wurden hingegen die Freitextfelder zur Dokumentation der genannten Gründe für die Empfehlung. Mehr als die Hälfte der Institute verlangte eine Unterschrift des Kunden. Zum Teil bestätigte der Kunde nur den Erhalt des Beratungsprotokolls, zum Teil sollte er aber auch dessen Richtigkeit und Vollständigkeit bestätigen. Einige Institute machten die Auftragsausführung nach einer Beratung von der Kundenunterschrift abhängig . Untersuchungen der Verbraucherzentralen und des vzbv (2012) zu Aufzeichnungspflichten in der Anlageberatung – Stärken Beratungsprotokolle die Rechte der Verbraucher?3 Bewertet wurden 50 Testberatungen aus dem Zeitraum September 2011 bis Februar 2012. Es ergaben sich Feststellungen bei nahezu allen erforderlichen Angaben im Beratungsprotokoll (falsche/fehlende Darstellung der finanziellen Verhältnisse ; fehlende individuelle Darstellung der Kundenanliegen; unklare Beschreibung der Risikobereitschaft; meist textbausteinhafte Begründung der Empfehlung , in 20 Prozent der Fälle sei keine Dokumentation ausgehändigt worden etc.). 1 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). 2 Vgl. Jahresbericht der BaFin 2010, S. 180f. 3 www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/Beratungsprotokolle_Abschlussbericht_%20Finanzmarktwaechter_07_03_2012.pdf Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11337 Die vom vzbv festgestellten Ergebnisse lassen sich aus Sicht der Bundesregierung im Wesentlichen darauf zurückführen, dass Berater die Freitextfelder noch zu wenig nutzten und noch zu häufig standardisierte Textbausteine verwendeten. Dies hat sich nach Erkenntnissen der BaFin seit der Untersuchung des vzbv jedoch kontinuierlich verbessert. Einzelne Feststellungen gehen über die von der BaFin gestellten Anforderungen hinaus (bspw. die Feststellungen, dass die Dauer der Beratung in 79 Prozent der Fälle lediglich in Intervallen angegeben wurde, was die BaFin als ausreichend ansieht, um die Vorgabe des § 14 Absatz 6 Wertpapierdienstleistungs -Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV) zu erfüllen). Auch die Kritik, dass lediglich in 71 Prozent der Fälle Ausführungen zu den Kosten im Beratungsprotokoll enthalten sind, kann nicht nachvollzogen werden, da Kosten im Produktinformationsblatt anzugeben sind, auf welches nach der Verwaltungspraxis der BaFin (vgl. Besonderer Teil 6.2 4. der Ma- Comp4) verwiesen werden kann. Nicht zutreffend ist auch die Kritik daran, dass eine Kundenunterschrift verlangt wurde. Eine solche ist zwar gesetzlich nicht vorgesehen , aufsichtsrechtlich aber – insbesondere als reine Empfangsbestätigung – nicht zu beanstanden. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Evaluierung der Beratungsdokumentation im Geldanlage- und Versicherungsbereich durch das Institut für Transparenz GmbH (ITA) in Zusammenarbeit mit Skoposnext GmbH & Co. KG (2014)5 Die Studie befasst sich nicht nur mit dem Beratungsprotokoll nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), sondern auch mit Protokollen von gewerblichen Beratern und der Versicherungsbranche. Hinsichtlich des Beratungsprotokolls im Sinne des WpHG waren 24 Testberatungen (18 Bankberater, 3 Finanzmakler, 3 Honorarberater) relevant, bei denen in 75 Prozent der Fälle Unterlagen ausgehändigt wurden, von denen nach den Kriterien der Studie jedoch lediglich 9 Unterlagen als Beratungsdokumentationen zu qualifizieren gewesen seien. Die inhaltliche Analyse der Beratungsdokumentationen bezieht sich, bezogen auf das WpHG-Protokoll, auf diese 9 Beratungsdokumentationen. Es ergaben sich Feststellungen bei im Wesentlichen sämtlichen erforderlichen Angaben im Beratungsprotokoll . Dabei konnte bereits nicht nachvollzogen werden, ob in allen Fällen tatsächlich eine Anlageberatung im Sinne des Gesetzes vorlag. Bei Interessenten, die noch nicht Kunden des Wertpapierdienstleistungsunternehmens sind, werden Beratungsgespräche häufig zweigeteilt. In dem ersten Gespräch wird dann eine allgemeine Kundenerhebung durchgeführt, bei der gegebenenfalls auch über Gattungen von Finanzinstrumenten gesprochen, aber noch keine Einzelempfehlung ausgesprochen wird; d. h. eine Anlageberatung im Sinne des Gesetzes liegt noch nicht vor. Eine Anlageberatung erfolgt dann in einem zweiten Gespräch. Zudem ist die Studie in Bezug auf das Beratungsprotokoll nach WpHG mit einer Auswertung von 9 Protokollen nicht repräsentativ. 4 BaFin-Rundschreiben 4/2010 (WA) – MaComp (Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations - und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen) vom 7. Juni 2010, zuletzt geändert am 7. August 2014. 5 www.ita-online.info/system/comfy/cms/files/files/000/000/025/original/ Evaluierung_der_Beratungsdokumentation_im_Geldanlage_ und_Versicherungsbereich.pdf Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11337 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Untersuchung durch die Stiftung Warentest (Finanztest Heft 2/2016, S. 32 ff.) Die Untersuchung hatte die Anlageberatung durch Banken mit 160 Gesprächen durch Testkunden zum Gegenstand. Das Beratungsprotokoll floss auch hier nur insoweit in die Bewertung ein, als es zu einer Abwertung in den 15 Fällen kam, in denen kein Beratungsprotokoll ausgehändigt worden sei. 2. Warum sichern sich aus Sicht der Bundesregierung so viele Banken durch eine Kundenunterschrift auf den Beratungsprotokollen ab, obwohl diese eigentlich gar nicht vorgesehen ist? Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dieser Entwicklung ? Der Bundesregierung liegen keine Untersuchungen über mögliche Motive der Banken vor, eine Kundenunterschrift auf den Beratungsprotokollen zu verlangen. Der Gesetzgeber hat ausweislich der Gesetzesbegründung bewusst darauf verzichtet , eine Kundenunterschrift im WpHG vorzusehen (Bundestagsdrucksache 16/12814, S. 27). Aus diesem Regelungsverzicht kann jedoch kein Verbot einer Kundenunterschrift aus § 34 Absatz 2a WpHG gelesen werden. Hierzu führt der Gesetzgeber in der Begründung weiter aus: „Es steht der Bank jedoch frei, sich das Beratungsprotokoll vom Kunden – gegebenenfalls nach einer von diesem gewünschten Prüfungsfrist – unterzeichnen zu lassen.“ (Bundestagsdrucksache 16/12814, S. 27). 3. Welche Evaluationen liegen der Bundesregierung bezüglich der Herausgabe der Beratungsprotokolle vor? Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung seit 2014 zur Verbesserung der Beratungsdokumentation vorgenommen? Es liegen keine Untersuchungen vor, die sich speziell nur mit der Übergabe von Beratungsprotokollen befassen. Bei den meisten in der Antwort zu Frage 1 dargestellten Untersuchungen war die Übergabe von Beratungsprotokollen jedoch Gegenstand der Ergebnisse. Die Bundesregierung hat in ihrer Begründung zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz besonderen Wert auf persönliche Gespräche der BaFin mit den Mitarbeitern der Institute gelegt. Daher besuchte die BaFin im Jahr 2015 und 2016 insgesamt 377 Hauptniederlassungen, Filialen und vertraglich gebundene Vermittler und setzte sich in diesem Rahmen kontinuierlich für die stetige Verbesserung der Beratungsdokumentation ein. Bei diesen Besuchen wurden mit 575 Anlageberatern Interviews zu protokollierten Anlageberatungen und Kundenbeschwerden geführt. Insgesamt wurden in den Jahren 2015 und 2016 3 420 Protokolle direkt durch die BaFin geprüft. Die BaFin hat gegenüber den Unternehmen klargestellt, dass der Berater dem Kunden das Protokoll grundsätzlich in allen Situationen unverzüglich nach dem Abschluss der Anlageberatung zu überreichen hat. Durch Kundenbeschwerden, die der BaFin im Mitarbeiter- und Beschwerderegister angezeigt werden, kann diese zudem die von Banken und Sparkassen protokollierten Beratungsgespräche auf ihre Plausibilität prüfen. Die BaFin prüft über die gesetzlichen Anforderungen hinaus darauf, ob die Protokolle eine inhaltlich fundierte Dokumentation zum Nutzen der Kunden, der Banken selbst und der Aufsicht darstellen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11337 Neben diesen unmittelbaren Prüfungshandlungen durch die BaFin unterliegt die Pflicht zur Protokollierung einer Anlageberatung und zur Übergabe des Beratungsprotokolls an den Kunden der jährlichen Prüfung nach § 36 Absatz 1 WpHG durch Wirtschafts- und Verbandsprüfer. Bei jeder dieser Prüfungen werden stichprobenhaft Beratungsprotokolle u. a. daraufhin überprüft, ob diese überhaupt, richtig, vollständig und rechtzeitig erstellt und rechtzeitig zur Verfügung gestellt wurden. Ferner wird überprüft, ob Anlageberatungen vorliegen, ein Beratungsprotokoll aber nicht erstellt oder nicht zur Verfügung gestellt wurde. Stellt die BaFin Verstöße fest, drängt sie bei den betroffenen Unternehmen auf Abhilfe und ergreift gegebenenfalls weitere Verwaltungsmaßnahmen. Diese können von der Anforderung und Prüfung zusätzlicher Unterlagen und Daten bis hin zu Bußgeldern für die Unternehmen oder Verwarnungen und Tätigkeitsverboten für einzelne Mitarbeiter reichen. 4. Zu welcher Einschätzung kommt die Bundesregierung bezüglich der Rolle von Beratungsprotokollen, und welche Schlussfolgerungen zieht sie für die Umsetzung der Geeignetheitserklärung im Rahmen des Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetzes daraus? Das Beratungsprotokoll soll den Gesprächshergang der Anlageberatung wiedergeben . Es erlaubt, die Geeignetheit der Anlageempfehlungen in Einzelfällen und im Rahmen der jährlichen Institutsprüfungen zu überprüfen. Die Geeignetheitserklärung dient weniger der Wiedergabe des Gesprächshergangs der Anlageberatung als vielmehr der Darlegung der Gründe für die Anlageempfehlung. 5. Wie soll diese Erklärung demnach konkret ausgestaltet werden? Was hält die Bundesregierung davon, die in der Zweiten Europäischen Finanzmarktrichtlinie (MiFID 2) aufgeworfene Geeignetheitsprüfung stärker oder komplett zu einer Bedarfsanalyse auszubauen, wie es der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv) fordert (Antwort bitte ausführen, siehe www.vzbv.de/sites/default/files/vzbv_stellungnahme_anlageberatung.pdf, S. 9)? Die inhaltlichen Anforderungen an die Geeignetheitserklärung ergeben sich aus den europäischen Vorgaben (vgl. Artikel 25 Absatz 6 UA 2 MiFID II sowie Artikel 54 Absatz 12 der Delegierten Verordnung zur MiFID II vom 25. April 2016). Weitere Konkretisierungen werden durch die EU-Finanzmarktaufsichtsbehörde (ESMA) in Q&As vorgenommen (vgl. ESMA/2016/1444). Es ist somit anzugeben, welche Beratung erbracht wurde und wie sie auf die Präferenzen , Anlageziele und die sonstigen Merkmale des Privatkunden abgestimmt wurde. Zudem ist anzugeben, inwieweit die Empfehlung den Zielen und persönlichen Umstände des Kunden hinsichtlich der erforderlichen Anlagedauer, der Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden sowie seiner Risikobereitschaft und Verlusttragfähigkeit gerecht wird. Darüber hinaus ist dem Privatkunden in der Geeignetheitserklärung mitzuteilen, ob es die empfohlenen Dienstleistungen bzw. Finanzinstrumente erforderlich machen, dass der Privatkunde deren Bestimmungen regelmäßig überprüfen lässt. Vor dem Hintergrund dieser EU-Vorgaben, welche überwiegend in einer unmittelbar geltenden Delegierten EU-Verordnung enthalten sind, ist ein Ausbau der Geeignetheitserklärung zu einer Bedarfsanalyse europarechtlich problematisch und wäre mit der grundsätzlichen Vollharmonisierung und dem Grundsatz der 1:1-Umsetzung europäischer Vorgaben kaum vereinbar. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11337 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. Wie hat sich nach dem Kenntnisstand der Bundesregierung bei den Banken der Zinsüberschuss im Vergleich zum Provisionsüberschuss in den letzten zehn Jahren entwickelt (Antwort bitte anhand konkreter Zahlen ausführen und soweit keine Erkenntnisse über den gesamten Zeitraum vorliegen, bitten wir um Beantwortung in Form des vorhandenen Datenmaterials)? Die nachfolgende Auswertung basiert ausschließlich auf den in den Monatsberichten 6 der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Angaben. Es sei grundsätzlich erwähnt, dass unterschiedliche Geschäfte die Provisionserträge beeinflussen können. Dazu zählen z. B. Kontoführungsgebühren, Provisionen aus dem Wertpapiergeschäft oder Depotgebühren, Provisionen des Emissionsgeschäfts oder Bürgschaftsprovisionen. Alle Bankensektoren – Ausgewählte Angaben aus den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank (Ertragslage deutscher Kreditinstitute) in Mrd. €, wenn nicht anders angegeben 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Veränderung 2006 – 2015 Zinserträge 357,5 418,9 441,0 317,8 270,1 303,0 274,7 228,2 210,8 200,9 -43,8% Zinsaufwendungen 268,3 327,4 347,1 223,0 174,7 208,3 179,2 138,7 117,4 105,0 -60,9% Zinsüberschuss 89,2 91,5 93,9 94,8 95,4 94,7 95,5 89,5 93,4 95,9 7,5% Provisionserträge 38,4 42,2 42,6 40,7 42,0 41,0 40,0 40,6 42,6 44,5 15,9% Provisionsaufw. 8,6 10,5 13,2 13,6 13,7 12,8 12,5 12,6 13,3 14,1 64,0% Provisionsüberschuss 29,8 31,7 29,4 27,1 28,3 28,2 27,5 28,0 29,3 30,4 2,0% Operative Erträge7 130,7 125,6 110,2 129,3 128,7 128,2 131,8 122,6 123,8 127,9 -2,1% Zinsüberschuss / Operative Erträge 68,2% 72,9% 85,2% 73,3% 74,1% 73,9% 72,5% 73,0% 75,4% 75,0% 9,9% Provisionsüberschuss /Operative Erträge 22,8% 25,2% 26,7% 21,0% 22,0% 22,0% 20,9% 22,8% 23,7% 23,8% 4,2% 7. In wie viel Prozent der Fälle eines Filialgeschäfts werden nach Kenntnis der Bundesregierung hauseigene Produkte verkauft? Wie stehen diese Geschäfte im Zusammenhang mit dem bestmöglichen Kundeninteresse ? Der Bundesregierung liegen keine quantifizierbaren Erkenntnisse zum Anteil der Fälle des Verkaufs hauseigener Finanzinstrumente durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit Filialnetz vor. Jede Wertpapierdienstleistung muss mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse der Kunden erbracht werden – dies gilt auch beim Verkauf „hauseigener Produkte“. Werden Finanzinstrumente bevorzugt angeboten oder ist das Angebot eingeschränkt, so ist dies Bestandteil der Informationspflichten . Außerdem haben Institute organisatorisch sicherzustellen, dass sie Interessenkonflikte erkennen und eine Beeinträchtigung der Kundeninteressen vermeiden. 6 www.bundesbank.de/Navigation/DE/Publikationen/Berichte/Monatsberichte/monatsberichte.html 7 Zinsüberschuss + Provisionsüberschuss + Nettoergebnis des Handelsbestandes + Saldo der sonstigen betrieblichen Erträge und Aufwendungen = Operative Erträge (Definition gemäß Monatsbericht der Deutschen Bundesbank) Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/11337 Die Pflicht zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse der Kunden (§ 31 Absatz 1 Nummer 1 WpHG) wird auch beim Vertrieb hauseigener Finanzinstrumente durch verschiedene Transparenz-, Organisations- und Verhaltensgebote konkretisiert, deren Einhaltung durch die BaFin überwacht wird. Bevorzugen Wertpapierdienstleistungsunternehmen in der Anlageberatung Finanzinstrumente, Emittenten oder Wertpapierdienstleistungen oder gibt es diesbezüglich Einschränkungen, so müssen Privatkunden hierauf einen Hinweis erhalten (§ 5 Absatz 2 Satz 2 Nummer 2a WpDVerOV). Ferner haben Wertpapierdienstleistungsunternehmen organisatorisch sicherzustellen , dass sie Interessenkonflikte erkennen und eine Beeinträchtigung der Kundeninteressen vermeiden (§ 33 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 WpHG). Insbesondere die Ausgestaltung, Umsetzung und Kontrolle von Vertriebsvorgaben in der Anlageberatung darf keine Kundeninteressen beeinträchtigen (§ 33 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3a WpHG). Die dafür zuständigen Vertriebsbeauftragten dürfen von Wertpapierdienstleistungsunternehmen nur mit ihren Aufgaben betraut werden, wenn sie sachkundig und zuverlässig sind (§ 34d Absatz 2 Satz 1 WpHG in Verbindung mit § 2 der WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung). Beruht eine Anlageberatung auf Vorgaben eines Instituts an seine Mitarbeiter, Kunden auf ein bestimmtes Produkt anzusprechen (zentrale Vertriebsmaßnahme), so ist dies im Protokoll über die Anlageberatung von Privatkunden beim Anlass der Anlageberatung zu dokumentieren (Besonderer Teil 6.2 Teilzeichen 1 der MaComp) und damit dem Kunden offenzulegen. 8. Wie groß ist der relative Anteil von unabhängigen Beratungen an Anlageberatungen , und wie groß ist die absolute Anzahl dieser Beratungen nach Kenntnis der Bundesregierung? Welche Entwicklungen sind dabei über die letzten drei Jahre zu beobachten, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Der Bundesregierung liegen keine Daten hinsichtlich der Anzahl der erbrachten Beratungen vor. Es können daher weder Aussagen zum relativen Anteil von Honorar -Anlageberatungen („unabhängige Beratungen“ im Sinne der Frage) noch deren Entwicklung in den letzten Jahren getroffen werden. 9. Was unternimmt die Bundesregierung, um die unabhängige Beratung zu stärken? Bereits mit dem „Gesetz zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente (Honoraranlageberatungsgesetz)“ wurde ein regulatorisches Umfeld geschaffen, das die (unabhängige) Honorar-Anlageberatung gegenüber der provisionsbasierten Beratung stärken soll. Mit der Schaffung eines Honorar -Anlageberater-Registers und der Etablierung eines entsprechenden Bezeichnungsschutzes (§§ 36c, 36d WpHG) wurde ein Instrument geschaffen, welches das Vertrauen in die dort genannten Unternehmen stärken soll, da die Eintragung mit der Prüfung der mit der Erbringung der Honoraranlageberatung verbundenen Pflichten einhergeht und die Erfüllung dieser Pflichten durch Vorlage eines Wirtschaftsprüfer-Testats nachgewiesen werden muss. Ferner wurde mit diesem Gesetz der Honorar-Finanzanlagenberater (§ 34h GewO) gesetzlich verankert , der eine unabhängige Beratung anbietet und nur vom Kunden vergütet wird. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11337 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Aktuell wird im Zuge der Umsetzung der Zweiten Europäischen Finanzmarkt- Richtlinie (MiFID 2) die Verpflichtung eingeführt, Kunden darüber zu informieren , ob eine Beratung unabhängig – und damit als unabhängige Honorar-Anlageberatung – erbracht wird oder nicht. Im Übrigen bleibt es jedoch dem Kunden überlassen, für welche Art der Beratung er sich entscheidet. 10. Welche Wettbewerbshindernisse bestehen nach Ansicht der Bundesregierung zwischen der unabhängigen und der nichtunabhängigen Anlageberatung ? Was tut die Bundesregierung gegen diese Hindernisse? Der Bundesregierung sind keine Beschränkungen im Wettbewerb zwischen der Honorar-Anlageberatung und der provisionsbasierten Anlageberatung bekannt. Anleger können ihre Anbieter frei wählen oder wechseln und brauchen sich nicht für nur ein konkretes Modell der Anlageberatung zu entscheiden. Auch Markteintritte in beide Marktsegmente sind, bei Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen , z. B. an die organisatorische Trennung der verschiedenen Formen der Anlageberatung , ohne Weiteres möglich. Die bestehenden Regelungen ermöglichen sowohl den grundsätzlichen Wettbewerb zwischen provisionsgestützter Anlageberatung und Honorar-Anlageberatung, als auch den Wettbewerb zwischen einzelnen Anbietern solcher Dienstleistungen. 11. Warum ist nach dem derzeitigen Referentenentwurf für ein Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz für die unabhängige Beratung nur ein Provisionsverbot für Anlageprodukte vorgesehen? Die Bundesregierung setzt mit dem Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz die entsprechenden Vorgaben der MiFID II zum unabhängigen Erbringen der Anlageberatung um. Der Anwendungsbereich der Regelung umfasst entsprechend dieser Vorgaben Anlageberatungen, die Finanzinstrumente und strukturierte Einlagen zum Gegenstand haben. Eine Erweiterung dieser Vorgaben auf andere Produkte entspricht nicht dem Ziel der 1:1-Umsetzung europäischer Vorgaben. 12. Welche Umgehungspraktiken von Finanzakteuren sind der Bundesregierung bekannt, um die Offenlegung von Vertriebsanreizen zu umgehen? Was tut die Bundesregierung dagegen? Strategien zur systematischen Umgehung und Verletzung der Pflicht zur Offenlegung von Zuwendungen (§ 31d Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 WpHG) wurden in der laufenden Aufsicht über Wertpapierdienstleistungsunternehmen durch die BaFin nicht festgestellt. Die BaFin kontrolliert die Einhaltung der Offenlegung insbesondere im Wege der Prüfung des Wertpapierdienstleistungsgeschäfts einschließlich Prüfungsschwerpunkten (§ 36 WpHG). Deren Ergebnisse zeigten Verstöße in Einzelfällen auf, aber keine Evidenz für systematische Umgehungen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/11337 13. Liegen der Bundesregierung Kenntnisse vor, wie sich der Anteil von Festpreisgeschäften im Vergleich zu Kommissionsgeschäften seit 2007 im Anlagebereich entwickelt hat, oder falls dies nicht der Fall ist, wie schätzt die Bundesregierung die Entwicklung ein? Der Bundesregierung liegen keine quantifizierbaren Erkenntnisse zum Anteil von Festpreis- und Kommissionsgeschäften bei der Ausführung von Wertpapiergeschäften vor. Aus der laufenden Aufsicht über Wertpapierdienstleistungsunternehmen durch die BaFin ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine „Flucht“ in Festpreisgeschäfte . In einer Marktabfrage der BaFin aus dem Jahr 2011 konnte nicht festgestellt werden, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihre Geschäftsbedingungen anlässlich des Inkrafttretens des Finanzmarktrichtlinienumsetzungsgesetzes umstellten, um seitdem Kommissionsgeschäfte vermehrt meiden zu können. Eine solche Veränderung gab es nach übereinstimmender Angabe der Wertpapierdienstleistungsunternehmen seinerzeit nicht, sondern es verblieb bei der vorherigen Praxis des Angebots sowohl von Festpreis- als auch Kommissionsgeschäften . 14. Warum sieht die Bundesregierung weiterhin keine konsequente Offenlegung von allen finanziellen Vertriebsanreizen, insbesondere im Fall von (hausinternen ) Festpreisgeschäften, und Abschlussgebühren im § 70 des Entwurfes des Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetzes (WpHG-E) vor? Nach dem Entwurf des Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetzes und den darüber hinaus bestehenden europäischen Regelungen müssen Zuwendungen sowie die Kosten und Nebenkosten einer Anlage umfassend offengelegt werden. Nach dem Entwurf des Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetzes sollen nach Maßgabe des § 70 Absatz 1 WpHG-E Zuwendungen, die darauf ausgelegt sind, die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern, angenommen werden dürfen, wenn sie gegenüber dem Kunden offengelegt werden. Zuwendungen sind nach § 70 Absatz 2 WpHG-E Provision, Gebühren oder sonstige Geldleistungen sowie alle nichtmonetären Vorteile. Durch diese Regelungen werden die Vorgaben aus Artikel 24 Absatz 9 der Richtlinie 2014/65/EU 1:1 umgesetzt . Darüber hinaus ist der Kunde über die anfallenden Kosten und Nebenkosten nach § 63 Absatz 7 Satz 3 Nummer 2 WpHG-E zu informieren. Die der Informationspflicht unterliegenden Kosten und Nebenkosten ergeben sich aus Artikel 50 Absatz 2 in Verbindung mit Anhang II der Delegierten Verordnung zur Richtlinie 2014/65/EU, die nach deren Inkrafttreten im Inland unmittelbar gilt. Gemäß Erwägungsgrund 79 dieser Delegierten Verordnung erstreckt sich die Offenlegungspflicht bzgl. Kosten und Gebühren auch auf Margen im Festpreisgeschäft. 15. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass diese Ausnahme von der Umsetzung der MIFID 2 nicht EU-rechtskonform ist? Die Umsetzung des Artikel 24 Absatz 9 MiFID II erfolgt konsequent und eng am Wortlaut der europäischen Richtlinie. Eine Ausnahme oder Erleichterung im Hinblick auf die Vorgaben nach Artikel 24 Absatz 9 der Richtlinie ist im Regierungsentwurf des Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetzes nicht vorgesehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11337 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 16. Warum ist es aus Sicht der Bundesregierung nicht sinnvoll, dass Unternehmen im Finanzbereich nur noch mit Nettotarifen (Ausweisung der Produkte ohne die eingerechnete Provision etc.) werben dürfen? Die MiFID II enthält keine Vorgaben zu einem verpflichtenden Ausweis von Nettotarifen . Eine derartige Vorgabe würde über die 1:1-Umsetzung von MiFID II- Regelungen hinausgehen. Durch das Zusammenspiel der Offenlegung von Zuwendungen einerseits und der Informationspflichten gegenüber Kunden anderseits wird bereits durch die MiFID II-Regelungen eine umfassende Transparenz sichergestellt. 17. Wie beurteilt die Bundesregierung die Deckelung von Provisionen und anderen Vertriebsanreizen? 18. Hat die Bundesregierung die Wirkung einer Deckelung von Provisionen und anderen Vertriebsanreizen überprüft? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 17 und 18 werden gemeinsam beantwortet. Eine Deckelung von Provisionen und Vertriebsanreizen würde über die europäischen Vorgaben hinausgehen und zu einer Preisregulierung führen. Preise sollen sich im freien Wettbewerb bilden. Durch die geplanten gesetzlichen Vorgaben wird die Transparenz weiter erhöht. 19. Welche Erkenntnisse zieht die Bundesregierung aus den Erfahrungen mit dem Verbot von Provisionen in Großbritannien und den Niederlanden? Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung für ihre eigenen Handlungsansätze? In Großbritannien ist Anlageberatern seit dem 1. Januar 2013 die Annahme von Provisionen aus dem Vertrieb von Finanzinstrumenten untersagt. Kunden, die eine Anlageberatung in Anspruch nehmen, müssen für die Dienstleistung ein einmaliges oder regelmäßiges Honorar entrichten. Im beratungsfreien Geschäft ist Wertpapierfirmen dagegen die Annahme von Zuwendungen nach wie vor erlaubt. Die Auswirkungen der Regulierung wurden vom britischen Finanzministerium (HM Treasury) und der britischen Finanzaufsichtsbehörde FCA (Financial Conduct Authority) untersucht (Financial Advice Market Review). Demnach bestehen Angebotslücken, weil sich Anbieter auf wohlhabende oder einkommensstarke Kunden konzentrieren und weil viele Kunden die hohen Honorare nicht bezahlen können oder wollen8. Dabei sei der Beratungsbedarf in UK – insbesondere für die Altersvorsorge – aufgrund der Komplexität und der Vielzahl der angebotenen Produkte gestiegen. In den Niederlanden wurde Wertpapierfirmen die Annahme von Zuwendungen schrittweise seit dem 1. Januar 2013 untersagt; ein generelles Verbot zur Annahme von „Vertriebsvergütungen“ (Kick-backs) gilt seit dem 1. Januar 2015. Die niederländische Finanzaufsichtsbehörde AFM (Autoriteit Financiële Markten ) stellte fest, dass das Angebot der Anlageberatung – insbesondere die Präsenzberatung – rückläufig ist9. Eine breitere Untersuchung der langfristigen Folgen ist im Jahr 2017 vorgesehen. 8 vgl. Final Report of Financial Advice Market Review www.fca.org.uk/publication/corporate/famr-final-report.pdf, S.24ff. 9 vgl. Rede von Theodor Kockelkoren vom 18.11.2014, www.afm.nl/en/professionals/nieuws/2014/nov/speech-tk-ban-inducements Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/11337 Im Einklang mit der MiFID II, die ein Nebeneinander von provisionsfreier und der provisionsgestützter Anlageberatung zulässt, wird im Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz daher an der bisherigen Praxis festgehalten. Dadurch soll sowohl der Zugang zum Kapitalmarkt für alle Anleger als auch die Wirtschaftlichkeit der Beratungsdienstleistung in der Breite weiterhin gewährleistet werden. 20. Welche langfristigen Ziele hat die Bundesregierung im Bereich der Anlageberatungen (bitte anhand von konkreten Zahlen unterlegen)? Ziel ist es, dass eine anlegergerechte Beratung erfolgt. Welche Art der Anlageberatung in Anspruch genommen wird, beruht auf Entscheidungen der Anleger. Die Bundesregierung stellt hierzu weder quantitative Ziele noch Prognosen auf. 21. Wäre die Umsetzung der Richtlinie aus Sicht der Bundesregierung ein geeigneter Anlass, auch Finanzanlagevermittler der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) oder einer anderen zentralen Behörde zu unterstellen? Wenn nein, warum nicht? Die Finanzanlagenvermittler unterliegen nach der Gewerbeordnung Bestimmungen , die den vergleichbaren Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes entsprechen . Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die Aufsichtszuständigkeiten zu verändern. 22. Welche Schritte hat die Bundesregierung abgesehen von den Beratungsprotokollen unternommen, damit Anlegerinnen und Anleger leichter den Beweis der Falschberatung erbringen können, und sieht die Bundesregierung hier weitere Maßnahmen vor, um die Beweislast für die Anlegerinnen und Anleger zu erleichtern? Die zukünftigen Anforderungen an die Dokumentation durch europäische Vorgaben und das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz, wie die Aufzeichnungspflicht von Telefongesprächen und elektronischer Kommunikation bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und die Geeignetheitserklärung sehen regelmäßig einen Anspruch des Kunden auf Übergabe der Aufzeichnungen vor. 23. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die Qualifikationsanforderungen an Anlageberaterinnen und Anlageberater derzeit ausreichend und für alle Formen der Beratung weitestgehend einheitlich und verbindlich geregelt sind (Antwort bitte begründen)? Falls nein, welche Maßnahmen will die Bundesregierung abgesehen von den in der Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie vorgesehenen Schritte ergreifen, um in Zukunft verbesserte verbindliche Qualifikationsstandards von Beraterinnen und Beratern sicherzustellen? Die Anforderungen an die Sachkunde von Anlageberatern (§ 34d Absatz 1 WpHG) sind einheitlich geregelt. Wertpapierdienstleistungsunternehmen haben vor einer Betrauung von Mitarbeitern deren Sachkunde sicherzustellen, welche anhand eines konkreten Katalogs von Kenntnissen und praktischen Erfahrungen definiert ist (§ 1 Absatz 1 Satz 2 und 3 WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung) und zu deren widerleglichem Nachweis Berufsqualifikationen dienen können (§ 4 Satz 1 Nummer 1 und 2 WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung). Berufsqualifikationen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder des Europäischen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11337 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Wirtschaftsraums können anerkannt werden (§ 5 Absatz 1 WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung ). Der Anforderungskatalog wird zum 3. Januar 2018 zu konkretisieren und zu erweitern sein, indem die Anforderungen der Zweiten Europäischen Finanzmarktrichtlinie sowie der Leitlinien der Europäischen Wertpapierund Marktaufsichtsbehörde für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen (ESMA/2015/1886) in nationales Recht umgesetzt werden. Diese Anforderungen sind angemessen und sind durch europäisches Recht harmonisiert. Die Anforderungen an die Qualifikation von Finanzanlagenvermittlern (§ 34f GewO) erscheinen ebenfalls angemessen, um Anleger vor unqualifizierter Beratung und unsachgemäßer Vermittlung von Finanzanlagen zu schützen. Nicht nur der Gewerbetreibende, sondern auch das bei der Beratung und Vermittlung mitwirkende Personal muss über einen Sachkundenachweis verfügen. Durch die Sachkundeprüfung sind die notwendigen Kenntnisse über die fachlichen und rechtlichen Grundlagen über Finanzanlagen sowie über die Kundenberatung nachzuweisen. Diese Anforderungen werden, soweit erforderlich, an die für Anlageberater künftig geltenden Regelungen angepasst. 24. Wie viele Beschwerden von Verbraucherinnen und Verbrauchern hat die BaFin im letzten Jahr erhalten (mit der Bitte um Kategorisierung anhand der Beschwerdegründe sowie Institutsgruppen)? Welcher Fall sorgte im vergangenen Jahr für die meisten Beschwerden? In wie vielen Fällen wurden aufsichtsrechtliche Maßnahmen (unter anderem Bußgelder) gegen die betroffenen Institute ergriffen? Wenn ja, welche? Im Jahr 2016 beschwerten sich Verbraucher bei der BaFin in 493 Fällen über Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Davon entfielen 220 Fälle auf Sparkassen , Landesbanken und Genossenschaftsbanken, 154 Fälle auf Privat- und Auslandsbanken sowie 119 Fälle auf Finanzdienstleistungsinstitute. Die Beschwerdefälle wiesen teilweise mehrere Beschwerdegründe auf: Sie betrafen in 146 Fällen die Verwaltung und den Service für Kunden (einschließlich Depotgeschäft), in 83 Fällen die Ausführung von Aufträgen, in 35 Fällen Themen aus Anlageberatungen , in 31 Fällen Kundeninformationen, in 21 Fällen Gebühren, in 14 Fällen Themen der Finanzportfolioverwaltung sowie in 218 Fällen weitere Beschwerdegründe . Die meisten Beschwerden erhoben Verbraucher im Bereich der Verwaltung und des Kundenservices (einschließlich Depotgeschäft). Auf der Grundlage von Beschwerdesachverhalten, die Kunden von Wertpapierdienstleistungsunternehmen an die BaFin adressierten, griff die BaFin festgestellte Defizite auf, adressierte sie an die betroffenen Wertpapierdienstleistungsunternehmen und überwachte die notwendigen Änderungen. Darüber hinaus zeigten Wertpapierdienstleistungsunternehmen der BaFin in das sogenannte Mitarbeiter- und Beschwerderegister solche Beschwerden an, die Privatkunden aufgrund der Tätigkeit von Anlageberatern dort erhoben. Im Jahr 2016 belief sich die Anzahl der angezeigten Beschwerden auf 4 996. Davon meldeten Privatbanken 1 633 Beschwerden, Sparkassen und Landesbanken 1 837, Genossenschaftsbanken 1 463 sowie Finanzdienstleistungsinstitute 63. Eine Kategorisierung dieser Beschwerden anhand von Beschwerdegründen ist der BaFin nicht möglich, da Beschwerdeinhalte keiner Anzeigepflicht unterfallen (vergleiche Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/11337 § 34d Absatz 1 Satz 4 des Wertpapierhandelsgesetzes in Verbindung mit § 8 Absatz 4 Satz 1 der WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung). Nach Auswertung solcher Beschwerden sprach die BaFin im Jahr 2016 eine Verwarnung gegenüber einem Mitarbeiter aus. Anfang des Jahres 2017 erfolgte eine weitere Verwarnung, die auf der Auswertung von gehäuften Beschwerden in der Datenbank beruhte. 25. Wie viele Kontakte von Whistleblowern mit der BaFin erfolgten, wo es um die Themen Beratung von Verbraucherinnen und Verbrauchern ging? Was waren die Themen? Wie wurden die aufgeworfenen Missstände durch die BaFin weiterverfolgt, und warum wurden gewisse Missstände nicht weiterverfolgt? Seit der Einrichtung der Hinweisgeberstelle bei der BaFin am 2. Juli 2016 sind zwei Hinweise mit Bezügen zur Anlageberatung von Verbrauchern eingegangen. Bereits im Vorzeitraum sind anonyme Hinweisgeber an diejenigen Bereiche der BaFin herangetreten, die die Anlageberatung durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen beaufsichtigen. Dort gab es seit 2012 acht Hinweise. Themen waren die Beeinträchtigung von Kundeninteressen durch unzulässige Vertriebsvorgaben , Vertriebsanreize oder unzulässigen Vertriebsdruck oder der Vertrieb oder die Empfehlung ungeeigneter Finanzinstrumente. Soweit die Hinweise eingeordnet werden konnten, ging ihnen die BaFin im Wege von Abfragen bei den Wertpapierdienstleistungsunternehmen insbesondere zu Vertriebsstrukturen und Umsatz - und Vertriebszahlen sowie durch Aufsichtskontakte vor Ort nach. Die Besuche erfolgten bei Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit Filialnetz teilweise in allen Einheiten von Vertriebsgebieten. Aufgrund der so gewonnen Erkenntnisse ergriff die BaFin Maßnahmen, darunter zwölf Verwarnungen. Teilweise bestätigten sich die Hinweise nicht. 26. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit, Testkundinnen und Testkunden für die Überprüfung der Anlageberatung durch die BaFin einzusetzen ? Gibt es hierfür konkrete Pläne? Die Schaffung einer gesetzlichen Ermächtigung der BaFin zum Einsatz sogenannter Testkunden mit verdeckter Identität ist sorgfältig geprüft worden. Derartigen Testanlageberatungen, mit deren Hilfe Wertpapierdienstleistungsunternehmen sowie ihre Mitarbeiter überwacht werden könnten, stehen Bedenken hinsichtlich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Anlageberater entgegen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333