Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 27. Februar 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/11339 18. Wahlperiode 28.02.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Monika Lazar, Irene Mihalic, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/11129 – Politisch motivierte Tötungsdelikte gegen Obdachlose V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach einer am 11. Januar 2017 von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. (BAGW) vorgelegten Übersicht, wurden im letzten Jahr mindestens 17 Obdachlose Opfer eines Tötungsdelikts. Seit 1989 gab es somit – so die BAGW – in Deutschland mindestens 502 Todesfälle durch Gewalt gegen wohnungslose Menschen. In acht der im letzten Jahre registrierten Fälle waren die Tatverdächtigen selber nicht wohnungslos. Solche Fälle hätten – so die Erfahrung der BAGW – immer wieder einen menschenverachtenden bzw. rechten Hintergrund. So würden sich z. B. die Tatumstände (Täterprofil, Gewaltexzesse ) bei Überfälle auf Obdachlose denen rechtsmotivierter Gewaltdelikte ähneln (so die Pressesprecherin der BAGW, Werena Rosenke, gegenüber dem Mindener Tageblatt am 20. März 2013). Vier Beispiele hierzu aus den letzten Jahren: Am 27. März 2011 wurde der Obdachlose Duy-Doan Pham in Neuss von zwei Männern zu Tode geprügelt. Das Gericht urteilte zwar, dass es hier um einen Mord zur Vertuschung eines vorausgegangenen Raubüberfalls handelte und dass zumindest beim Haupttäter kein rechtes Tatmotiv zu erkennen war. Allerdings hatte der zweite Mittäter erwiesenermaßen Kontakte zur Hooligan- und Neonazi-Szene. Er trug nach eigenen Angaben auch zwei Hakenkreuz-Tattoos und erklärte vor Gericht, Ausländer seien für ihn „Kanacken“. Dieser ideologische Kontext der Tat sollte – so das Gericht – nicht ignoriert werden (Quellen: Neuss-Grevenbroicher Zeitung, 18. Januar 2012 und www.opferfonds-cura.de/zahlen-und-fakten/erinnerungen/maerz/ duy-doan-pham/). Am 31. Mai 2011 stirbt der Obdachlose André Kleinau an den Folgen der schweren Kopfverletzungen, die ihm vier Tage zuvor von fünf Männern in Oschatz (Sachsen) zugefügt worden waren. Gegen zwei der Täter lagen eindeutige Hinweise (Fotos, Kleidung und Tattoos) auf eine Zugehörigkeit zur nordsächsischen Neonazi-Szene vor. Das Landgericht Leipzig verurteilte die Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11339 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Angeklagten wegen Totschlags bzw. unterlassener Hilfeleistung – ein sozialdarwinistisches Motiv sah das Gericht jedoch nicht als erwiesen an (www. opferfonds-cura.de/zahlen-und-fakten/erinnerungen/mai/andre-k/). Am 16. Juni 2012 prügeln drei Männer den von ihnen als „Penner“ bezeichneten Klaus-Peter Kühn in Suhl in zu Tode. Die Drei wurden im Jahr 2013 wegen Mordes verurteilt. Die Vorsitzende Richterin bescheinigte den Tätern eine „sozialdarwinistische Lebenseinstellung“ (www.opferfonds-cura.de/ zahlen-und-fakten/erinnerungen/juni/klaus-peter-kuehn/). Am 23. Oktober 2014 wurde ein Obdachloser aus Ruanda in Limburg von drei Männern zu Tode geprügelt: Ein Hassdelikt – so das erkennende Gericht und später auch der Bundesgerichtshof (BGH-Beschluss vom 14. Januar 16 – 2 StR 449/15). Sozialdarwinistische Morde sind übrigens häufig von äußerster Brutalität gekennzeichnet : In mindestens vier Fällen wurde seitens der Gerichte die exzessive Gewaltausübung daher als ein Element gewertet, das geeignet erschien, aus sich heraus einen „sozialdarwinistischen“ und damit rechten Tathintergrundes zu begründen – so etwa die stundenlangen Folterungen des damals 17jährigen Marinus Schöberl im Juli 2002 im brandenburgischen Dorf Potzlow (Die Zeit, 20. März 2013). Bei der Ermordung von Ronald Masch am 1. Juni 2002 meint die zuständige Staatsanwaltschaft, dass ohne die Gesinnung der Täter, bestimmte Menschen als „minderwertig“ abzuqualifizieren, die extreme Brutalität des Tötungsdelikts nicht erklärbar sei (ebd.). Das Landgericht Neuruppin meinte, auch in der Brutalität des Mordes an dem Obdachlosen Bernd Köhler in der Nacht zum 22. Juli 2008 in Templin das „neonazistische Menschenbild“ der beiden Täter zu erkennen: Die Strafkammer verglich die Täter mit „Folterknechten, die sich Hitler genommen hat, um die KZ zu betreiben“ (ebd.). Und in dem o. g. Fall Klaus-Peter Kühn schloss das Landgericht Meiningen u. a. aus der unfassbaren Gewalthandlung gegenüber dem Tatopfer auf die „sozialdarwinistische Lebenseinstellung“ der Täter: Diese hätten den Wohnungslosen „nicht mehr als Mensch wahrgenommen“ (ebd.). Die Registrierung politisch motivierter Angriffe auf Obdachlose ist häufig unklar : Zum Beispiel erklärte die Bundesregierung zunächst, in den Jahren 2001 bis 2008 gäbe es keine politisch motivierten Todesfälle an Obdachlosen (Bundestagsdrucksache 16/12634, S. 7). Ein halbes Jahr später bestätige sie jedoch zwei Fälle (Dieter Manzke (2001) und Bernd Köhler (2008); Bundestagsdrucksache 16/14122, S. 8). Drei weitere Fälle (Gerhard Fischröder (2003), Andreas Pietrzak (2006), Karl-Heinz Teichmann (2008)) sind seit nunmehr über zwei Jahren Gegenstand einer sog. Altfallprüfung des Gemeinsamen Extremismusund Terrorismusabwehrzentrums. Die Todesfälle André Kleinau (2011) bzw. Klaus-Peter Kühn (2012 – s. o.) seien hingegen „aufgeklärt und abgeurteilt und wurden [daher] auch nicht in die Altfallüberprüfung mit einbezogen“ (Bundestagsdrucksache 17/14754, S. 9). Überhaupt ist im Hinblick auf die sachgerechte Einordnung dieser Zahlen Folgendes zu bedenken: Zum einen ist gerade bei einer sozial derart ausgegrenzten Gruppe, wie Obdachlosen – so die BAGW – von einer sehr hohen Dunkelziffer auszugehen. Das läge daran, dass nur ein Teil dieser Straftaten von den Opfern bei der Polizei angezeigt werde. Zum anderen würden sich Tatumstände, die auf einen rechten Tathintergrund schließen lassen – so die Erfahrung der BAGW – häufig erst in der gerichtlichen Hauptverhandlung offenbaren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11339 Auch seitens der polizeilichen Aufklärung gibt es Defizite, politisch motivierte Gewalt- oder Tötungsdelikte gegen soziale Randgruppen (wie insbesondere bei Obdachlosen) zu erkennen bzw. sachgerecht einzuordnen. Bei keiner anderen Opfergruppe ist die Diskrepanz zwischen den polizeilichen Statistiken und denen der Zivilgesellschaft so groß (vgl. Die Zeit vom 20. März 2013). Dieser Befund wird gestützt durch eine empirische Untersuchung des Max-Planck-Instituts für Ausländisches und Internationales Strafrecht („Sozialkonstruktion und strafrechtliche Verfolgung von Hasskriminalität in Deutschland“, Berlin 2011). Seit der Reform des polizeilichen Systems zur Erfassung politisch motivierter Kriminalität in Deutschland im Jahr 2001 werden auch sog. Hassdelikte berücksichtigt . Und dazu gehören auch Straftaten aufgrund des gesellschaftlichen Status des Tatopfers. Im „1. Periodischen Sicherheitsbericht“ der Bundesregierung wurde erläutert, dass mit dieser letztgenannten Kategorie „Straftaten gegen Obdachlose und Sozialhilfeempfänger“ erfasst werden sollten – und zwar, weil „die von den rechten Tätergruppen als Asoziale diskriminiert und herabgewürdigt werden [, schließlich ist] die Vorstellung von ‚minderwertigem Leben‘ und vom ‚Recht des Stärkeren‘ Teil der rechtsextremistischen Ideologie“ (S. 274). Festzustellen ist jedoch, dass die Polizei seit ein paar Jahren im Bereich der „Straftaten aufgrund des gesellschaftlichen Status des Tatopfers“ nicht nur Angriffe gegen Obdachlose oder anderweitig sozial ausgegrenzte Personen erfasst, sondern auch solche Gewalttaten die „in der gesellschaftlichen Stellung des Opfers [Polizeibeamte] oder in dem Besitz hochwertiger Fahrzeuge [Nobelkarossen ] begründet [sind]“ (Bundestagsdrucksache 18/740, S. 5) – und dass dies diese Delikte zumeist aus einer linken Tatmotivation begangenen werden. Indem die Bundesregierung innerhalb der Kategorie „Straftaten aufgrund des gesellschaftlichen Status des Tatopfers“ nicht nur (wie ursprünglich beabsichtigt ) sozialdarwinistische (und damit in der Regel: rechtsmotivierte) Gewaltdelikte erfasst, sondern auch andere Fälle politisch motivierter Kriminalität stellt sich die Bundesregierung nicht nur gegen den Forschungsstand in der deutschen kriminologischen Wissenschaft (vgl. Deutsches Forum Kriminalprävention: „Primäre Prävention von Gewalt gegen Gruppenangehörige – insbesondere: junge Menschen“ Berlin 2004, S. 155; Alke Glet: „Sozialkonstruktion und strafrechtliche Verfolgung von Hasskriminalität in Deutschland“, Berlin 2011, S. 109 und 120 f. oder Bärbel Bongartz: „Hassverbrechen und ihre Bedeutung in Gesellschaft und Statistik“, Mönchengladbach 2013). Die Erfassungspraxis der Bundesregierung gerät auch in Konflikt mit den Empfehlungen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (O- SZE). Diese steht nämlich auf dem Standpunkt, dass unter dem Begriff „gesellschaftliche Gruppe“ nur solche Personengruppen subsumiert werden sollten, die schon „in der Vergangenheit gesellschaftlich unterdrückt und diskriminiert gewesen sind“ (Gesetze gegen „Hate Crime, Warschau 2011, S. 40). Der Einbeziehung von Kategorien in die Hasskriminalität, die z. B. „mit Vermögen oder Klasse zusammenhängen“ berge die „Gefahr“ in sich, das Hasskriminalitäts- Konzept „zu untergraben“ und öffne dem „Missbrauch Tür und Tor“ (a. a. O. S. 48). Wie zutreffend die Warnung der OSZE ist, zeigt die PMK-Statistik (PMK: politisch motivierte Kriminalität) der Bundesregierung: Denn jetzt werden darin eben nicht nur die Fälle sozialdarwinistisch motivierter Gewalt erfasst (also solche Gewalt, die sich gegen „gesellschaftlich unterdrückte und diskriminierte“ Personen richtet), sondern ganz unterschiedliche Formen von PMK-Gewalt. Die ursprüngliche Absicht der Bundesregierung wird damit auf den Kopf gestellt, nämlich endlich einen Datensatz zu haben, der speziell die „Gewaltdelikte rechtsorientierter Täter gegen sozial Ausgegrenzte (z. B. Obdachlose) [ausweist , die bislang] häufig nicht in der Staatsschutzstatistik […] erfasst werden“ (1. PSB, S. 262). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11339 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Wie viele politisch motivierte Tötungsdelikte (sowohl vollendet, als auch versucht) gegen Obdachlose, Sozialhilfeempfänger etc. hat die Bundesregierung in den Jahren 1990 bis 2016 registriert (bitte nach folgenden Parametern : a. Datum, b. Tatort, c. Tatvollendung/Tötungsversuch, d. Tatmotiv – gesellschaftlichen Status/Sozialdarwinismus, Fremdenfeindlichkeit etc. – und e. PMK-Phänomenbereich – Rechts/Links/Ausländer/Sonstige – aufschlüsseln )? Angaben zu politisch motivierten Straftaten werden durch das jeweils zuständige Landeskriminalamt im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes – Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) in Form von Kriminaltaktischen Anfragen – Politisch motivierte Kriminalität (KTA-PMK) an das Bundeskriminalamt übermittelt. Detailinformationen zu Opfern/Geschädigten (z. B. Obdachlose, Sozialhilfeempfänger) sind hierbei nicht als Pflichtfelder vorgesehen. Aus diesem Grund sind die genannten Opfereigenschaften keine Erfassungskriterien in der Fallzahlendatei LAPOS des Bundeskriminalamtes (BKA) und nicht automatisiert recherchierbar. Die von dem Statistischen Bundesamt jährlich, zuletzt für das Jahr 2015 herausgegebene Strafverfolgungsstatistik [Fachserie 10 Reihe 3; www.destatis.de] weist die wegen eines Tötungsdelikts Abgeurteilten und Verurteilten aus. [Besondere] Opferattribute [wie Obdachlose/r] werden in den Strafrechtspflegestatistiken jedoch nicht erfasst, weshalb die vorliegenden Daten nicht in Beziehung zu der Fragestellung gesetzt werden können. Entsprechendes gilt auch für die „Erhebung der Landesjustizverwaltungen über Verfahren wegen rechtsextremistischer/fremdenfeindlicher Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland“ des Bundesamtes für Justiz. Zudem sind die abgefragten Begriffe „Obdachlose“, „Sozialhilfeempfänger “ und „gesellschaftlicher Status“ keine Kategorien, nach denen Straftaten in Verfahrensregistern der Bundesanwaltschaft erfasst werden. 2. Wie viele politisch motivierte Gewaltdelikte gegen Obdachlose, Sozialhilfeempfänger etc. hat die Bundesregierung in den Jahren 1990 bis 2016 registriert (bitte nach folgenden Parametern: a. Datum, b. Tatort, c. StGB-Norm, d. Tatmotiv – gesellschaftlichen Status/Sozialdarwinismus, Fremdenfeindlichkeit etc. – und e. PMK-Phänomenbereich – Rechts/Links/Ausländer/ Sonstige – aufschlüsseln)? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Kann die Bundesregierung die Beobachtung der BAGW bestätigen, dass Obdachlose – so wie andere sozial und gesellschaftlich ausgegrenzte Gruppen – gegen sie gerichtete Straftaten häufig nicht polizeilich anzeigen bzw. dass sich der politische Hintergrund eines Gewaltdelikts aufgrund des gesellschaftlichen Status häufig nicht im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens , sondern erst im Zuge der gerichtlichen Hauptverhandlung offenbart ? Das BKA teilt die – auch unter Kriminologen verbreitete – Einschätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW), dass Obdachlose gegen sie gerichtete Straftaten häufig nicht anzeigen, systematische empirische Erkenntnisse aus Untersuchungen in Deutschland, die diese Vermutung untermauern würden, sind der Bundesregierung jedoch nicht bekannt. Dies gilt ebenso für „andere soziale und gesellschaftliche von Gruppen mit Ausgrenzungserfahrungen“ (mit Ausnahme der Gruppen der Strafgefangenen und behinderten Frauen, für die inzwischen fundierte Dunkelfelduntersuchungen vorliegen, welche die Annahme einer geringen Anzeigebereitschaft erhärten). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11339 Zur Beantwortung der Frage, ob seitens der Bundesregierung bestätigt werden kann, „[…] dass sich der politische Hintergrund eines Gewaltdelikts […]“ gegen Obdachlose „[…] aufgrund des gesellschaftlichen Status häufig nicht im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens, sondern erst im Zuge der gerichtlichen Hauptverhandlung offenbart“ wird, ist folgendes anzumerken. Dass die Sachlage und rechtlichen Gesichtspunkte vom Ermittlungs- bis zum Hauptverfahren noch Änderungen unterliegen können liegt in der Natur der Sache und ergibt sich beispielsweise aus § 265 der Strafprozessordnung – „Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage.“ Spezifische Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen der Bundesregierung aber nicht vor. Nr. 207 der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) sieht vor, dass die Staatsanwaltschaft bei politisch motivierten Straftaten gegen das Leben (Absatz 2 Nummer 5) und gemeingefährlichen PMK-Delikten nach den §§ 306 ff. des Strafgesetzbuchs –StGB (Absatz 2 Nummer 6) alsbald nach Abschluss des Verfahrens dem BKA die Verfahrensakten zur Auswertung übersendet. Die Gewaltdelikte im Sinne des KPMD-PMK – Körperverletzungen, Brand- und Sprengstoffdelikte, Landfriedensbruch, Gefährliche Eingriffe in den Schiffs-, Luft-, Bahn- und Straßenverkehr, Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung, Widerstandsdelikte , Sexualdelikte) umfassen jedoch einen wesentlich größeren Deliktsbereich als den in Nummer 207 RiStBV enumerativ aufgelisteten Tatbestände. Ein belastbarer, flächendeckender Überblick über den weiteren Verfahrensverlauf , ist daher bereits auf Grundlage von Rückmeldungen gemäß Nummer 207 RiStBV nicht möglich. 4. Welche Erfahrungen hat die Bundesregierung mit der im Jahr 2015 eingeführten Änderung von Nr. 207 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) gemacht hat, wonach die Staatsanwaltschaft in Fällen politisch motivierter Brandstiftungs- und Sprengstoffdelikte bzw. bei Tötungsdelikten (§§ 211, 212 und 227 des Strafgesetzbuchs – StGB) ihre Akten nach Abschluss des Verfahrens dem Bundeskriminalamt (BKA) zur Auswertung übersendet? Die Änderung erbrachte in der Praxis noch nicht die erwünschte Verbesserung des Informationsflusses. Aus diesem Grund setzt sich die Bundesregierung für eine Änderung der Nummer 207 RiStBV ein. Diese hat zum Ziel, den Aufwand zu verringern und der Regelung vor dem Hintergrund einer qualitativ und quantitativ unterschiedlichen Übersendungspraxis durch die Staatsanwaltschaften zu einer einheitlicheren Handhabung zu verhelfen. Anstelle der Übersendung der gesamten Verfahrensakten (in einem Fall waren es mehr als 40 Bände Ermittlungsund Beiakten) soll zunächst die Abschlussentscheidung übersandt werden. Weitere Bestandteile der Verfahrensakten (bspw. Vernehmungsprotokolle) sollen erst bei zusätzlichem Auswertungsbedarf auf Anforderung des BKA beigezogen werden . Außerdem setzt sich die Bundesregierung gegenüber den Ländern dafür ein, dass der Straftatenkatalog in Nummer 207 RiStBV entsprechend der Straftatenliste im Definitionssystem PMK erweitert wird. Ziel ist es, die Abschlussentscheidungen bei allen PMK-Gewaltdelikten auswerten zu können. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11339 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 5. Wenn die Polizei aus den ihr gemäß Nr. 207 RiStBV zur Verfügung gestellten Akten erkennt, dass ein Gericht im Hinblick auf die in Rede stehende politische Tatmotivation zu einem anderen Urteil gelangt ist, als die ursprüngliche polizeiliche Einschätzung, wird die polizeiliche PMK-Statistik dann – nach Kenntnis der Bundesregierung – nachträglich korrigiert? Wenn ja, wer ist für diese nachträgliche Korrektur der PMK zuständig; das BKA oder das ursprünglich zuständige Landeskriminalamt? Und aufgrund welcher Verfahrensregeln erfolgt diese dann ja wohl abschließende Korrektur? Wenn nein, warum nicht? Läuft dann nicht Nr. 207 RiStBV ins Leere? Nach den Richtlinien für den KPMD-PMK ist mit Entscheidungen von Staatsanwaltschaften und Gerichten wie folgt zu verfahren: „Ergehen der Polizei bekannte Entscheidungen der Staatsanwaltschaft oder eines Gerichts, dass die Gründe, die zur Aufnahme in den KPMD-PMK geführt haben oder wesentliche Angaben der Abschluss-KTA-PMK nicht zutreffen, so unterrichten die Staatsschutzdienststellen das zuständige Landeskriminalamt. Dieses prüft, inwieweit in der Verbunddatei ‚Innere Sicherheit‘ erfasste Daten zu löschen oder zu verändern sind und unterrichtet das BKA.“ Im BKA werden die entsprechenden Änderungen in die BKA Fallzahlendatei LAPOS übernommen und sind somit recherchierbar. Die offiziellen Jahresfallzahlen PMK werden mit dem Stichtag 31. Januar des jeweiligen Folgejahres erhoben. Nachträgliche Meldungen werden erfasst, fließen jedoch – sofern die Änderungsmeldung nicht bis zum jeweiligen Stichtag der Erhebung der Jahresfallzahlen PMK beim BKA eingeht, nicht mehr in die jeweilige Jahresstatistik ein. 6. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass sozialdarwinistische Morde häufig von äußerster Brutalität gekennzeichnet sind, sodass in einigen Fällen das erkennende Gericht bereits die exzessive Gewaltausübung als ein Element gewertet hat, das geeignet ist, aus sich heraus einen „sozialdarwinistischen“ und damit rechten Tathintergrundes zu begründen? Und wenn ja, inwiefern werden die Polizei bzw. die Justiz geschult, etwaige Zusammenhänge zwischen einem Gewaltexzess und einer politischen Tatmotivation frühzeitig zu erkennen (wenn also die extreme Brutalität eines Tötungsdelikts – nur – über eine „sozialdarwinistische Lebenseinstellung“ oder ein „neonazistisches Menschenbild“ des/der Täter erklärbar erscheint)? Die Feststellung und Bewertung der Beweggründe und Ziele des Täters obliegt dem jeweiligen Gericht. Im Übrigen hat das Gericht nach § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB bei der Strafzumessung auch die Art der Ausführung einer Tat zu berücksichtigen , etwa im Falle besonderer Brutalität. Verallgemeinerungsfähige Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen der Bundesregierung jedoch nicht vor. Im Rahmen der Fortbildung von Staatsanwältinnen und Staatsanwälten sowie Richterinnen und Richtern wird die komplexe Thematik des (politischen) Extremismus als Herausforderung an Gesellschaft und Justiz regelmäßig behandelt. So bietet die Deutsche Richterakademie – eine von Bund und Ländern gemeinsam getragene, überregionale Fortbildungseinrichtung für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte aus ganz Deutschland – regelmäßig Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/11339 Fortbildungsveranstaltungen an, die in interdisziplinär ausgerichteten Tagungen umfassend vielfältige Fragestellungen zum (Rechts-)Extremismus untersuchen. Weiterhin führt das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte ein zweijähriges Projekt durch, mit dem verschiedene Fortbildungsmodule für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Strafrichterinnen und Strafrichter im Themenfeld Rassismus unter Berücksichtigung des menschenrechtlichen Rechtsrahmens entwickelt, erprobt und zur Verankerung in den Aus- und Fortbildungsstrukturen der Bundesländer bereitgestellt werden. Die in Kooperation mit drei Modellländern erarbeiteten Fortbildungsmodule sollen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Richterinnen und Richter dabei unterstützen, angemessen auf rassistische und hassmotivierte Taten zu reagieren, im Strafverfahren mit den Erfahrungen von Rassismus-Betroffenen umzugehen und diesen damit wirksamen und diskriminierungsfreien Zugang zum Recht zu ermöglichen. Im Rahmen des Hochschulstudiums des Fachbereichs Kriminalpolizei der Hochschule Bund beim Bundeskriminalamt wird die Thematik (politischer) Extremismus als Herausforderung für den gesellschaftlichen und institutionellen Umgang umfänglich behandelt. Ein Schwerpunkt des Studiums fokussiert den Phänomenbereich PMK. Darüber hinaus wird die Thematik im Kontext der Gewaltkriminalität behandelt. Unterstützt und vertieft wird dies im Rahmen eines interkulturellen Kompetenztrainings. Dies ist Bestandteil des gesamten Studienverlaufs. Es bestehen unter anderem dazu Kooperationen mit externen Institutionen (Fritz- Bauer Institut, Villa ten Hompel). Hierbei wird sich umfänglich der Reflexion polizeilichen Handelns gewidmet. 7. Ist der Mord an Klaus-Peter Kühn – im Lichte des Urteils der zuständigen Richterin, wonach die Täter aus einer „sozialdarwinistischen Lebenseinstellung “ handelten – in der PMK-Statistik des BKA als rechtsmotivierte, sozialdarwinistische Tat registriert worden, und wenn nein, warum nicht? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zu dem Mord an Klaus-Peter Kühn am 16. Juni 2012 in Suhl vor. Das Delikt ist vom Land Thüringen nicht als politisch motivierte Straftat eingestuft. Zu der Frage des Grundes der Nichteinstufung kann die Bundesregierung keine Aussage treffen. Die Einstufung einer Straftat als politisch motiviert wird von der örtlich zuständigen sachbearbeitenden Dienststelle vorgenommen. 8. Was hat die sog. Altfallprüfung mutmaßlich rechter Todesfälle im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum im Hinblick auf die drei Todesfälle von Obdachlosen Gerhard Fischröder (2003), Andreas Pietrzak (2006), Karl-Heinz Teichmann (2008) erbracht? Die drei Todesfälle wurden in die Altfallprüfung der AG Fallanalyse im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum Rechts (GETZ-R) einbezogen . Sie waren durch die zuständigen Länder nicht als Fälle der PMK -rechtseingestuft . Die Überprüfung ergab in keinem dieser Fälle eine Änderung dieser Bewertung durch die Länder. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11339 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Vor dem Hintergrund dessen, dass, wenn man die Antworten der Bundesregierung auf die beiden Kleinen Anfragen der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksachen 17/14754, S. 8 f. und 18/5758, S. 22 bis 25) nebeneinander legt, signifikante Abweichungen bei den den beiden Phänomenbereichen PMK-rechts und PMK-links zugeordneten politisch motivierten Gewaltdelikten aufgrund des gesellschaftlichen Status in den letzten 15 Jahren festzustellen sind (z. B. wurden im Jahr 2015 für das Jahr 2005 nachträglich zehnmal so viele rechtsmotivierte und nur halb so viele linksmotivierte Gewaltdelikte angegeben, wie noch zwei Jahre zuvor), ist zu fragen, wie die Bundesregierung es erklärt, dass der fragestellenden Fraktion innerhalb von zwei Jahren (2013 und 2015) in derart vielen Fällen zum Teil so gravierend andere Angaben mitgeteilt wurden? Die in der Fragestellung genannten Fallzahlentabellen wurden einer Überprüfung unterzogen. Aufgrund eines Büroversehens kam es zu einer fehlerhaften Darstellung bei der Aufstellung der Gewaltdelikte mit dem Unterthema „Gesellschaftlicher Status“ in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Die polizeiliche Erfassung von Hasskriminalität als Politisch motivierte Straftaten“ (Bundestagsdrucksache 17/14754). In der nachfolgenden Tabelle werden die korrigierten Fallzahlen der Gewalt- und Gesamtdelikte mit dem Unterthema „Gesellschaftlicher Status“ für die Jahre 2001 bis 2016 aufgeführt. Jahr/ PHB 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 PMK -links- 10* 6 8 17 40 32 85 39 23 19 23 34 76 93 178 104 PMK -rechts 18 15 13 10 11 10 8 11 47 66 53 58 48 71 48 47 PMK -Ausl.- 1 0 0 0 0 3 1 1 4 1 4 5 2 14 3 5 PMK- Sonstige 3 0 2 3 3 4 0 0 17 27 31 39 58 74 34 24 Jahr/ PHB 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 PMK -links- 98 39 70 6 6 6 17 12 160 77 131 44 27 47 58 38 PMK -rechts 9 5 2 13 9 0 15 10 49 35 33 47 44 35 170 47 PMK -Ausl.- 1 0 0 0 0 1 0 0 6 1 3 2 1 2 7 6 PMK- Sonstige 1 0 2 0 6 0 7 0 24 25 21 19 28 22 85 33 *Die Gewaltdelikte sind durch Fettdruck hervorgehoben Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/11339 Beim Vergleich dieser korrigierten Zahlen und der übrigen Aufstellungen in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN „Die polizeiliche Erfassung von Hasskriminalität als Politisch motivierte Straftaten“ (Bundestagsdrucksache 17/14754) mit den Tabellen in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN „Politisch motivierte Kriminalität in Deutschland im Jahr 2014“ (Bundestagsdrucksache 18/5758) ist zu berücksichtigen, dass letztere zwar eine Aufschlüsselung bestimmter Gewaltdelikte, jedoch nicht die Summe aller Gewaltdelikte und auch nicht die Anzahl der Gesamtdelikte enthalten. Aufgrund der unterschiedlichen Anfragen war die Datenbasis jeweils eine andere, so dass eine direkte Vergleichbarkeit nicht möglich ist. 10. Ist die Bundesregierung – angesichts der bei der Beantwortung der Kleinen Anfragen mitgeteilten Zahl der rechtsmotivierten Gewaltdelikte aufgrund des gesellschaftlichen Status (Bundestagsdrucksachen 17/14754, S. 8 f. und 18/5758, S. 23) – wirklich der Auffassung, dass die von der Polizei erfassten Straftaten die Realität sachgerecht widerspiegeln – angesichts der Bedeutung des Sozialdarwinismus/der Ideologie der Ungleichheit für das rechte Weltbild und das hohe Aggressionspotential von rechtsmotivierten Personen gegenüber Obdachlosen, bzw. gegen sozial ausgegrenzte Personen oder sozial abweichenden Auftretens? Der KPMD-PMK ist ein gemeinsames System von Bund und Ländern. Es gewährleistet bundesweit eine einheitliche, detaillierte und systematische Erhebung der gesamten Straftaten zur PMK. Dadurch wird eine verlässliche Datenbasis für polizeiliche Auswertungen, statistische Aussagen, Führungs- und kriminalpolitische Entscheidungen sowie die kriminologische Forschung zum Zwecke der Prävention und Repression geschaffen. Der KPMD-PMK ermöglicht durch eine mehrdimensionale Erfassung eine differenzierte Betrachtung der PMK. Somit können Aussagen zu Deliktsqualität, Themenfeldern, Phänomenbereichen und extremistischen Ausprägungen getroffen werden. Der KPMD-PMK hat sich aus polizeilicher Sicht bewährt und lebt von der konsequenten Anwendung. Die Bewertungshoheit/Einzelfallbewertung der Sachverhalte liegt nach dem Tatortprinzip überwiegend, der föderalen Kompetenzverteilung entsprechend, bei den Ländern. Die Vorschriften zum KPMD-PMK werden fortlaufend auf die Erforderlichkeit einer Anpassung überprüft. Im Hinblick auf nicht angezeigte Straftaten wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 11. Welche linksmotivierten Tötungsdelikte aufgrund des gesellschaftlichen Status hat die Bundesregierung jenseits der Fallgruppe von Obdachlosen, Sozialhilfeempfängern etc. in den Jahren 1990 bis 2016 registriert (bitte nach Datum, Tatort sowie dem Tatmotiv aufschlüsseln – vgl. hierzu auch: Bundestagsdrucksache 18/5758, S. 23)? 12. Welche linksmotivierten Gewaltdelikte aufgrund des gesellschaftlichen Status hat die Bundesregierung jenseits der Fallgruppe von Obdachlosen, Sozialhilfeempfängern etc. in den Jahren 1990 bis 2016 registriert (bitte nach a. Datum, b. Tatort, c. StGB-Norm und d. Tatmotiv aufschlüsseln)? Die Fragen werden im Zusammenhang beantwortet. Die „Fallgruppen jenseits von Obdachlosen und Sozialhilfeempfängern“ können nicht beziffert werden, da sie nicht automatisiert recherchierbar sind. Insoweit wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11339 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 13. Seit wann werden politisch motivierte Gewalttaten gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte bzw. auf „hochwertige Fahrzeuge (Nobelkarossen)“ als Hassdelikte aufgrund der „gesellschaftlichen Stellung“ des Tatopfers bzw. des Tatobjekts erfasst (vgl. Bundestagsdrucksache 18/740, S. 5)? Seit Einführung des KPMD-PMK im Jahr 2001 werden ausgehend von den Motiven zur Tatbegehung und den Umständen der Tat politisch motivierte Straftaten entsprechenden Themenfeldern (Oberbegriffe/Unterthemen) zugeordnet. Da eine Tat praktisch auch mehrere Themenfelder betreffen kann, ist eine gleichzeitige Erfassung in verschiedenen zutreffenden Themenfeldern möglich. Dies erlaubt eine differenzierte, mehrdimensionale Auswertung und Lagedarstellung. Dabei muss die Tat nicht zwingend auch Unterthemen zugeordnet werden. Sollte ein entsprechendes Unterthema nicht vorhanden sein, reicht die Angabe eines Oberbegriffes . Die Zuordnung zu Themenfeldern des Themenfeldkataloges erfolgt nach polizeifachlicher Bewertung des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Tatumstände, Motivlage und des Tathintergrundes. Politisch motivierte Straftaten gegen Polizeibeamte werden grundsätzlich dem Unterthema „Polizei“ im Oberbegriff „Innen- und Sicherheitspolitik“ zugeordnet. Weiterhin ist zu prüfen, ob auch das Unterthema „gegen den Staat, seine Einrichtungen und Symbole“ anzugeben ist. Sollten nach polizeifachlicher Bewertung des Einzelfalles und Berücksichtigung aller Umstände der Tatbegehung und Motivation des Täters auch weitere Themenfelder in Betracht kommen (z. B. Unterthema „Gesellschaftlicher Status“), sind diese auch anzugeben. Straftaten gegen „hochwertige Fahrzeuge (Nobelkarossen)“ können nach polizeifachlicher Bewertung des Einzelfalles bei entsprechender Motivation dem Unterthema „Gesellschaftlicher Status“ im Oberthema „Hasskriminalität“ zugeordnet werden. Entscheidend sind immer die konkreten Tatumstände und die Motivation des Täters. 14. Aus welchen Unterlagen des PMK-Definitionssystem (wie z. B. den „Richtlinien für den Kriminalpolizeilichen Meldediensten in Fällen PMK“ oder den „Verfahrensregeln zur Erhebung von Fallzahlen im Bereich PMK“ oder dem „Themenfeldkatalog zur KTA-PMK“) ergibt sich für die zuständigen Polizeibeamtinnen bzw. Polizeibeamten (respektive für die kriminologische Wissenschaft) diese vom Ersten Periodischen Sicherheitsbericht der Bundesregierung ja stark abweichende Erfassungspraxis? Wie bereits in der Antwort zu Frage 13 ausgeführt werden politisch motivierte Straftaten gegen Polizeibeamte grundsätzlich dem Unterthema „Polizei“ im Oberbegriff „Innen- und Sicherheitspolitik“ zugeordnet. Bezüglich der allgemeinen Zuordnung von Straftaten zu entsprechenden Themenfeldern des KPMD- PMK im Allgemeinen und dem Unterthema „Gesellschaftlicher Status“ im Besonderen wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. Die entsprechende Erläuterung , welche Straftaten unter das Unterthema „Gesellschaftlicher Status“ zu subsumieren sind, ist im Themenfeldkatalog PMK geregelt. Eine „stark abweichende Erfassungspraxis“ zu den Ausführungen im ersten periodischen Sicherheitsbericht ist für die Bundesregierung nicht ersichtlich. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/11339 15. Steht die Erfassung von Gewalttaten gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte bzw. auf „hochwertige Fahrzeuge (Nobelkarossen)“ aufgrund ihrer daraus abgeleiteten „gesellschaftlichen Stellung“ (vgl. Bundestagsdrucksache 18/740, S. 5) im Einklang mit den o. g. Ausführungen der Bundesregierung im Ersten Periodischen Sicherheitsbericht bzw. denen der OSZE aus dem Jahr 2011? Wenn ja, bitte ausführen? Wenn nein, wie gedenkt die Bundesregierung, diesen Widerspruch aufzulösen ? Widersprüche zwischen den Regularien des KPMD-PMK und den in der Vorbemerkung der Fragesteller benannten Ausführungen im 1. Periodischen Sicherheitsbericht sind nach Auffassung der Bundesregierung nicht erkennbar. Die in der Vorbemerkung genannte Einschätzung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), auf die in der Frage Bezug genommen wird, dass unter den Begriff „gesellschaftliche Gruppe“ nur solche Personengruppen subsumiert werden sollten, die schon in der Vergangenheit gesellschaftlich unterdrückt und diskriminiert gewesen sind und die Einbeziehung von Kategorien, die z. B. „mit Vermögen oder Klasse zusammenhängen“ die „Gefahr berge, das hate crime-Konzept zu untergraben und Möglichkeiten des Missbrauchs Tür und Tor zu öffnen, teilt die Bundesregierung nicht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund , dass die Straftaten, die aufgrund eines (vermeintlich) „niedrigeren“ gesellschaftlichen Status begangen werden, überwiegend in dem Phänomenbereich PMK-rechts erfasst werden. Insofern ermöglicht die Erfassungssystematik, umfassende , phänomenübergreifende Lageerkenntnisse im Hinblick auf Straftaten im Zusammenhang mit dem gesellschaftliche Status des Opfers zu generieren. Bezüglich der Zuordnung zu den entsprechenden Themenfeldern wird auf die Antworten zu den Fragen 13 und 14 verwiesen. 16. Ist es zutreffend, dass die PMK-Statistik des BKA für das Jahr 2015 zwar 206 rechts- und 1 430 linksmotivierte Gewaltdelikte gegen die Polizei ausweist , aber nur insgesamt nur 15 rechts- und 17 linksmotivierte Gewaltdelikte „aufgrund des gesellschaftlichen Status des Tatopfers“ (www.bmi. bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Nachrichten/Pressemitteilungen/2016/ 05/pmk-2015.pdf?__blob=publicationFile.)? Wenn ja, ist dann nicht – allein vor dem Hintergrund derart stark abweichender Zahlen – die Erfassung von Gewalttaten gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte als Hassdelikt aufgrund deren „gesellschaftlicher Stellung “ wirklich hilfreich, oder sollte man diese politisch motivierte Gewalt nicht besser an einer anderen – sachnäheren – Stelle im PMK-Themenfeldkatalog einordnen? Die Aussage ist zutreffend. Es entspricht der gängigen Erfassungspraxis, dass politisch motivierte Straftaten gegen Polizeibeamte grundsätzlich dem Unterthema „Polizei“ im Oberbegriff „Innen- und Sicherheitspolitik“ (und nicht dem Unterthema „Gesellschaftlicher Status“) zugeordnet werden. Die Erfassungssystematik des KPMD-PMK hält die Bundesregierung für sachgerecht . Im Hinblick auf die mehrdimensionale Erfassung wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11339 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 17. Wäre es also aus Sicht der Bundesregierung nicht sachgerechter, wie folgt vorzugehen: a) Erfassung politisch motivierter Angriffe gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte im PMK-Themenfeld „Innen- und Sicherheitspolitik“/Unterthema : „Polizei“ oder im Themenfeld „Konfrontation/Politische Einstellung “/Unterthema: „Gegen den Staat, seine Einrichtungen und Symbole “; b) Erfassung politisch motivierter Angriffe auf „Nobelkarossen etc.“ im Themenfeld „Sozialpolitik“/Unterthema „Umstrukturierung“? Und wenn nein, warum nicht? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 13, 14 und 16 verwiesen. 18. War die verbesserte Erfassung von Hassdelikten durch die Polizei – nach Kenntnis der Bundesregierung – Thema der im Sommer 2016 beendeten Evaluierung des polizeilichen PMK-Definitionssystems? Wenn ja, wurden im Zuge dessen Änderungen vereinbart bzw. empfohlen (z. B. im Hinblick auf die Registrierung von „Straftaten aufgrund des gesellschaftlichen Status“), und wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Die verbesserte Erfassung von Hassdelikten durch die Polizei war Thema in der zur Überarbeitung des Meldedienstes eingesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppe „KPMD-PMK“. Diese hatte bezüglich des Themenfeldkataloges die Ergänzung von Erläuterungen zu den Unterthemen der Hasskriminalität empfohlen, was inzwischen umgesetzt wurde. Zum Unterthema „Gesellschaftlicher Status“ wurde die Erläuterung „gegen niedere oder höhere soziale Schicht gerichtet“ eingefügt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333