Deutscher Bundestag Drucksache 18/1135 18. Wahlperiode 11.04.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Sevim Dağdelen, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/703 – Abwicklung der Hauptstelle für Befragungswesen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Hauptstelle für Befragungswesen (HBW) ist eine Dienststelle des Bundesnachrichtendienstes (BND) und untersteht direkt dem Bundeskanzleramt. Bis vor kurzem arbeitete die HBW verdeckt und ihre Zugehörigkeit zum BND wurde von Seiten der Bundesregierung stets geleugnet bzw. nicht bestätigt. Über die Struktur der HBW machte die Bundesregierung auch bei Anfragen im Parlament keine genauen Angaben. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befragen offen und verdeckt Flüchtlinge in Deutschland, die politisches Asyl beantragen . Nach der Antwort der Bundesregierung auf eine Mündliche Frage des Abgeordneten Jan Korte (Fraktion DIE LINKE.) vom 28. November 2013 wurde die HBW vom BND „seit längerem einer Effizienzkontrolle unterzogen […], in deren Rahmen die personelle Ausstattung der HBW schrittweise reduziert wurde und wird“. Laut Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister des Innern, Dr. Ole Schröder, werde dabei „die organisatorische Auflösung der HBW, mit dem Ziel die Befragungen direkt in den Krisenregionen im Ausland zu intensivieren“ (ebd.), angestrebt. Während der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder am 28. November 2013 für die Bundesregierung erklärte, dass „die Weitergabe von GSMMobilfunkdaten für eine konkrete Zielerfassung nicht hinreichend präzise ist“ und dementsprechend die Bundesregierung auch nicht in den US-Drohnenkrieg verwickelt sei, kommt die Enthüllungsplattform „The Intercept“ zu anderen Ergebnissen: Die Ziele für Drohnenangriffe würden oft auf Grundlage von Datenauswertungen und Handyortungen, die auch aus Informationen des Weitergabeverbandes der Partnerdienste stammen, bestimmt. Dabei werde die Identität der Zielperson nicht von Agenten im Einsatzgebiet geprüft. Der Bericht bezieht sich auf Informationen von Beteiligten, die durch Analysen von Edward Snowdens Unterlagen bestätigt würden (vgl. https://firstlook.org/theintercept/ Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundeskanzleramtes vom 17. März 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. vom 10. Februar 2014). Drucksache 18/1135 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Überzeugung gelangt , dass die Beantwortung der Fragen 4, 5, 6, 8 (teilweise), 10 und 11 nicht offen erfolgen kann. Die Antworten sind aus Gründen des Staatswohls geheimhaltungsbedürftig . Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen des Bundesnachrichtendienstes (BND) sind im Hinblick auf die künftige Auftragserfüllung besonders schutzbedürftig. Der Schutz des Aufklärungsprofils und der einzelnen Aufklärungsfähigkeiten stellen für die Aufgabenerfüllung des BND einen wichtigen Grundsatz dar. Er dient der Aufrechterhaltung der Effektivität nachrichtendienstlicher Informationsbeschaffung. Eine Veröffentlichung von Einzelheiten zu den Aufklärungsaktivitäten ließen Rückschlüsse auf aktuelle Aufklärungsschwerpunkte und die nachrichtendienstliche Erkenntnislage zu. Eine Kenntnisnahme durch Unbefugte würde insoweit eine Schwächung der Aufgabenerfüllung des BND zur Folge haben. Darüber hinaus unterliegen Fragen der Zusammenarbeit des BND mit ausländischen Behörden einem besonderen Schutz. Im Rahmen der Zusammenarbeit der Nachrichtendienste werden Einzelheiten über die Ausgestaltung der Kooperation vertraulich behandelt. Eine öffentliche Bekanntgabe solcher Informationen entgegen der vorausgesetzten Vertraulichkeit ließe einen Rückgang von Informationen aus diesem Bereich befürchten, was wiederum zu einer Verschlechterung der Abbildung der Sicherheitslage durch den BND führen könnte. Es bestünde weiterhin die Gefahr, dass unmittelbare Rückschlüsse auf die Arbeitsweise, die Methoden und den Erkenntnisstand der anderen Nachrichtendienste gezogen werden können. Aus den genannten Gründen würde eine Beantwortung in offener Form für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland schädlich sein. Daher sind die Antworten zu den genannten Fragen ganz oder teilweise als Verschlusssache gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) mit dem VS-Grad „VS-Vertraulich“ eingestuft. Sie werden in dieser Form an die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages übermittelt. 1. Wie weit ist die angesprochene Effizienzkontrolle fortgeschritten, wer genau unternimmt sie nach welchen Kriterien, und welche (Zwischen-)Ergebnisse hat sie erbracht? Vom BND zur Wahrnehmung des gesetzlichen Auftrags eingesetzte Mittel und Strukturen unterliegen einem laufenden Prozess des internen Controllings. Überprüft wird das Verhältnis von Mittelansatz und Zweckerfüllung. 2. Wie hat sich der Personalbestand der HBW seit dem Jahr 2000 entwickelt? Der Personalbestand hat seit dem Jahr 2000, in dem ungefähr 80 Personen bei der Hauptstelle für Befragungswesen (HBW) beschäftigt werden, auf zuletzt 40 Mitarbeiter abgenommen. 3. Gibt es einen Zeitplan für die Auflösung der HBW, und wenn ja, wie sieht dieser konkret aus? Wenn nein, wann ist mit einem konkreten Zeitplan zu rechnen, und welchen Auflösungstermin strebt die Bundesregierung derzeit an? Es ist beabsichtigt, die HBW zum 30. Juni 2014 aufzulösen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1135 4. Wie sehen die Befragungen, die nach Angaben des Bundesministeriums des Innern „direkt in den Krisenregionen im Ausland“ intensiviert werden sollen , aktuell konkret aus, wo werden diese jeweils durchgeführt, welche Zielgruppe ist für die Befragungen vorgesehen, und auf welchen Wegen werden sie rekrutiert? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung und die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegte Antwort verwiesen.* 5. Seit wann führt der BND solche Befragungen im Ausland durch, und wer nahm bisher daran teil? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung und die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegte Antwort verwiesen.* 6. Wer wird sie künftig in welcher Form durchführen, und wird zusätzliches BND-Personal dafür direkt in den Krisenregionen eingesetzt? Wenn ja, wo, in welchem Umfang, und welche Kosten entstehen dadurch? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung und die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegte Antwort verwiesen.* 7. Welche Motive sieht die Bundesregierung bei den Befragten für ihre Teilnahme ? Als Hauptmotiv der Auskunftserteilung im Rahmen der freiwilligen Befragungen war die Information über bestehende Fluchtgründe und die Situation im jeweiligen Heimatland – insbesondere betreffend Menschenrechtsverletzungen und Versorgungslage – festzustellen. 8. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Befragungen durchgeführt werden, die nicht vollständig auf freiwilliger Basis erfolgen? Wenn ja, weshalb? Für Befragungen durch den BND kann dies ausgeschlossen werden. Ergänzend wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung und den in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegten Antwortteil verwiesen.* 9. Werden den Befragten vor oder nach der Befragung für die Lieferung von nachrichtendienstlich interessanten oder sicherheitsrelevanten Informationen Gegenleistungen in Aussicht gestellt bzw. entgegengebracht? Wenn ja, in welcher Form? Nein. * Das Bundeskanzleramt hat die Antwort als „VS-Vertraulich“ eingestuft. Die Antwort ist in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden. Drucksache 18/1135 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Wie viele Befragungen werden in welchen Krisenregionen bislang jeweils durchgeführt (bitte nach Jahr und Region bzw. Land differenzieren)? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung und die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegte Antwort verwiesen.* 11. Sind Befragungen in ähnlichem Umfang, wie sie bisher die HBW in Deutschland durchführte, geplant, und wie viele Befragungen sollen künftig in welchen Ländern durchgeführt werden? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung und die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegte Antwort verwiesen.* 12. Werden die Erkenntnisse aus den Befragungen im Ausland (z. B. von Flüchtlingen in Flüchtlingslagern) in den Weitergabeverbund der Partnerdienste und darüber hinaus auch an andere ausländische Dienste weitergegeben ? Wenn ja, in welcher Form und in welchem Umfang geschieht dies auf jeweils welcher Rechtsgrundlage (bitte für den Zeitraum 2001 bis 2014 nach ausländischem Dienst, Anzahl der Übermittlungsfälle und jeweiliger Rechtsgrundlage aufschlüsseln)? Der in der Frage erwähnte „Weitergabeverbund“ wird im Anschluss an die in der Vorbemerkung der Fragesteller erwähnte Antort auf die Mündlichen Frage des Abgeordneten Jan Korte in der 3. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. November 2013 (Plenarprotokoll 18/3, Anlage 16) auf das koordinierte Befragungswesen der HBW unter Beteiligung von Nachrichtendiensten alliierter Partner bezogen. Mit Auflösung der HBW ist auch die Aufgabe des bisherigen integrierten Befragungswesens verbunden. Der allgemeine Erkenntnisaustausch mit ausländischen Nachrichtendiensten im Rahmen der Auftragserfüllung nach dem Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BNDG) bleibt unberührt. 13. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, wozu ausländische Partnerdienste die Informationen aus den Befragungen von Asylbewerbern verwendet haben, und wenn ja, welche sind dies? Die Bundesregierung geht davon aus, dass Informationen aus den Befragungen in das allgemeine Lagebild der ausländischen Nachrichtendienste eingeflossen sind. * Das Bundeskanzleramt hat die Antwort als „VS-Vertraulich“ eingestuft. Die Antwort ist in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1135 14. Kann die Bundesregierung mit Sicherheit ausschließen – auch vor dem Hintergrund der in der Vorbemerkung der Fragesteller dargestellten neuen Erkenntnisse der Enthüllungsplattform „The Intercept“ –, dass die im Rahmen des Weitergabeverbundes der Partnerdienste durch deutsche Nachrichtendienste eingespeisten Daten, darunter auch Erkenntnisse aus den Befragungen der HBW, durch Partnerdienste für extralegale Tötungen , Entführungen, in die Zielbestimmung bei Drohnenoperationen oder andere Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit genutzt werden? Wenn ja, wie? Wenn nein, welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie daraus ? Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse hinsichtlich einer etwaigen Verwendung von übermittelten Informationen zu den in der Frage genannten Zwecken. Der BND übermittelt Informationen an ausländische Nachrichtendienste auf Grundlage der einschlägigen Vorschriften des BNDG unter Beachtung bestehender Übermittlungsverbote und unter Verwendung von Zweckbindungsklauseln . Diesbezüglich wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. verwiesen (vgl. Bundestagsdrucksache 18/215, Antwort zu Frage 26). 15. Inwieweit kann die Bundesregierung die in der Vorbemerkung der Fragesteller dargestellten Erkenntnisse der Enthüllungsplattform „The Intercept “ bestätigen, welche Auswirkungen hat dies in Bezug auf ihre bisherigen Auskünfte, wonach die Handydaten für eine konkrete Zielerfassung für Drohnenangriffe nicht ausreichend sein sollen, und welche Konsequenzen zieht sie hieraus (bitte ausführen)? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 9 auf Bundestagsdrucksache 18/640 des Abgeordneten Andrej Hunko vom 10. Februar 2014 verwiesen. 16. Werden ausländische Partnerdienste weiterhin die Möglichkeit haben, den BND um konkrete Fragen an Asylbewerberinnen und Asylbewerber etwa zur Lagebeurteilung in einer bestimmten Region und die Antworten darauf zu bitten? Es wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen. Nach Auflösung des Befragungsverbundes der HBW besteht keine solche Möglichkeit. 17. Werden Asylbewerberinnen und Asylbewerber auch an andere Dienste zur Befragung „vermittelt“? Wenn ja, in welchem Umfang geschah dies in den letzten Jahren (bitte für den Zeitraum 2001 bis 2014 nach Anzahl, Land und ausländischem Nachrichtendienst aufschlüsseln)? An den Befragungen durch die HBW waren Nachrichtendienste alliierter Partner beteiligt. Diesbezüglich wird auf die Antwort auf die Mündlichen Frage des Abgeordneten Jan Korte in der 3. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. November 2013 (Plenarprotokoll 18/3, Anlage 16) verwiesen. Eine darüber hinausgehende „Weitervermittlung“ hat der BND nicht vorgenommen. Drucksache 18/1135 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 18. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Verfahren von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der HBW bzw. von ausländischen Diensten befragt wurden, ohne dass diese zuvor erklärt haben, von welcher Behörde sie kommen und zu welchem Zweck sie befragen (bitte begründen)? Für den BND kann dies ausgeschlossen werden. Im Rahmen der Befragungen der HBW legitimieren sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber den zu befragenden Personen mit dem Dienstausweis der HBW. 19. Hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern, Dr. Ole Schröder, in der Fragestunde am 28. November 2013 in Beantwortung einer Frage (vgl. Plenarprotokoll 18/3, S. 212 f.) die bisher geübte Praxis aus Eigeninitiative aufgegeben, die Zugehörigkeit der HBW zum BND zu leugnen bzw. jedenfalls nicht zu bestätigen, oder wurde der Bruch mit dieser Praxis amtsintern vereinbart, und welche Gründe waren dafür ausschlaggebend? Die öffentliche Bekanntgabe der Zugehörigkeit der HBW zum BND folgte im Anschluss an eine Überprüfung des bestehenden Systems, die im Ergebnis zu einer Umstrukturierung des vom BND betriebenen Befragungswesens führte. Insoweit wird auf das Plenarprotokoll 18/3, Anlage 16, verwiesen. 20. Ist die Bundesregierung bereit, sämtliche in dieser Sache bisher gestellten Anfragen und aus genannten Gründen nicht beantworteten oder nur vertraulich behandelten Antworten jetzt, rückwirkend, vollständig zu beantworten ? Dies ist nicht vorgesehen. 21. Warum ist es jetzt nicht mehr erforderlich, bei Befragungen von Asylsuchenden die „Legende HBW“ aufrecht zu halten, um diese vor dem unter Umständen gefährlichen Vorwurf zu schützen, mit dem BND zusammenzuarbeiten, bzw. wieso wurde diese Legendenbildung früher für sinnvoll und effektiv gehalten und jetzt nicht mehr? Die Aufgabe der Legende „HBW“ folgte der Entscheidung zur Umstrukturierung des Befragungswesens des BND. Für aktuell praktizierte Befragungsansätze ist diese nicht mehr erforderlich. 22. Inwieweit sind Befragungen von Asylsuchenden überhaupt noch verantwortbar , wenn die Legendenbildung einer Befragung durch die HBW durch die Auskünfte des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Ole Schröder jetzt nicht mehr möglich ist? Es wird auf die Antwort zu Frage 21 verwiesen. Gesamtherstellung: H. 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