Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 7. März 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/11462 18. Wahlperiode 09.03.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Irene Mihalic, Katja Keul, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/11303 – Umsetzung der Empfehlungen des 1. NSU-Untersuchungsausschusses – hier: Eine Verlaufsstatistik zu politisch motivierten Straftaten V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der 1. Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zum sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) hatte in seinen Abschlussbericht sinngemäß erklärt, dass für die Erstellung eines seriösen Lagebildes im Bereich der politisch motivierten Kriminalität eine möglichst exakte und aussagekräftige statistische Erfassung diesbezüglicher Straftaten von grundlegender Bedeutung ist. Und weil es seit den 90er-Jahren (auf Seiten der Polizei, als auch auf Seiten der Justiz) regelmäßig zu gravierenden Abweichungen sowohl in der Erfassung politisch motivierter Straftaten als auch (etwa im Hinblick auf den NSU) bei der Lagebilderstellung gekommen ist, hatte der damalige Untersuchungsausschuss- NSU als eines seiner zentralen Anliegen, die „Einführung eines verbindlichen gegenseitigen Informationsaustausches zwischen Polizei und Justiz (ggf. eine ‚Verlaufsstatistik PMK‘) – zumindest bei PMK-Gewaltdelikten“ empfohlen (Bundestagsdrucksache 17/14600, S. 861). Im Rahmen des 2. NSU-Untersuchungsausschusses trat in dieser Wahlperiode nun Folgendes zutage: Das Bundesministerium des Innern (BMI) habe bereits im Herbst 2012 eine Arbeitsgruppe unter der Fragestellung eingerichtet, ob die Einrichtung einer solchen Verlaufsstatistik möglich und wünschenswert sei. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) sei in dieser vertreten gewesen. An anderer Stelle heißt es, das Bundeskriminalamt (BKA) führe (im Benehmen mit dem BMI und dem BMJV) ein Pilotprojekt „Verlaufsstatistik“ durch. Im BKA existiere hierzu sogar eine „Unterarbeitsgruppe Verlaufsstatistik “. Das BMI habe es abgelehnt, das Thema der politisch motivierten Kriminalität (PMK) in die Arbeit dieses Pilotprojekts mit einzubeziehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11462 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Gleichwohl war die Frage einer solchen „Verlaufsstatistik“ Gegenstand des Workshops des Bundesjustizministeriums zur „Statistischen Erhebung zu rechtsextremistischen/fremdenfeindlichen Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland“ am 12. Februar 2016. Diese Informationen erstaunen die Fragesteller insofern, als die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage (in den Fragen 10 und 11) explizit nach der Umsetzung der o. g. Empfehlung des 1. Untersuchungsausschusses-NSU („Verlaufsstatistik PMK“) gefragt hatte, die Bundesregierung es aber unterlassen hatte, über die Existenz der o. g. Arbeitsgruppe/des Pilotprojekts zur Verlaufsstatistik bzw. über entsprechende (Zwischen-)Ergebnisse zu informieren (Bundestagsdrucksache 18/7830, S. 4f. Gleiches gilt übrigens auch für die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/9331, S. 20 f.) 1. Wurde innerhalb der Bundesregierung eine Projektgruppe zum Thema einer sog. Verlaufsstatistik eingerichtet, und wenn ja, wann, auf wessen Initiative hin, und wie lautet der genaue Projektauftrag? Die Bundesministerin der Justiz und der Bundesminister des Innern haben am 27. September 2011 vereinbart, dass das Bundesministerium des Innern (BMI) dieses Thema in der Frühjahrskonferenz 2012 mit den Innenministern und -senatoren der Länder (IMK) erörtert. Dabei wurde vereinbart, eine länderoffene Arbeitsgruppe unter Leitung des BMI und Beteiligung des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) einzurichten, die die Möglichkeiten für den Aufbau und die Nutzung einer Verlaufsstatistik prüfen soll. Das erste Treffen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Verlaufsstatistik (BLAG Verlaufsstatistik ) mit Vertretern der Innenressorts des Bundes und der Länder sowie des BMJ und des Bundeskriminalamts (BKA) fand am 19. September 2012 statt. 2. Ist es zutreffend, dass im Bundeskriminalamt eine (Unter-)Arbeitsgruppe zum Thema einer sog. Verlaufsstatistik eingerichtet wurde, und wenn ja, wann, und wie lautet der genaue Einsetzungsauftrag dieser (Unter-)Arbeitsgruppe (UAG)? Als Ergebnis des Treffens der BLAG Verlaufsstatistik am 19. September 2012 wurde vereinbart, eine Unterarbeitsgruppe (UAG) zu beauftragen, ein Grundlagenpapier zu erstellen, das die Bedeutung einer Verlaufsstatistik für die Kriminalpolitik und Justiz- sowie Polizeipraxis, den Ist-Zustand der Datenerfassung bei den Polizei- und Justizbehörden sowie die technischen, tatsächlichen und rechtlichen Fragestellungen für eine Verknüpfung der Daten der PKS mit Daten der Justizstatistiken darstellt. Diese UAG wurde jedoch nicht im BKA eingerichtet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11462 3. Wer nimmt an der Arbeit dieses Pilotprojekts bzw. der Arbeit der UAG des BKA teil, und wie oft finden im Rahmen des Pilotprojekts bzw. der UAG Treffen der Beteiligten statt? a) Welche anderen Ministerien (des Bundes bzw. einzelner Bundesländer) bzw. welche anderen Behörden oder Institutionen aus Bund und Ländern sind hieran beteiligt? Die Fragen 3 und 3a werden gemeinsam beantwortet. An der UAG nehmen Vertreter des BMI, BMJV, BKA, Statistischen Bundesamts (StBA) und des Bundesamts für Justiz (BfJ) teil, sowie Vertreter der Innenressorts der Länder Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Auf Einladung des BMI fanden bisher drei Treffen am 30. Juli 2013, am 12. November 2013 und am 30. April 2015 statt. Ein über den in der Antwort zu Frage 2 beschriebenen Arbeitsauftrag hinausgehendes Pilotprojekt wurde nicht eingerichtet. b) Sind hieran auch Datenschutzbeauftragte eingebunden, und wenn nein, warum nicht? c) Sind – zumindest an dem Pilotprojekt – auch externen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder sonstige Mitglieder aus der Zivilgesellschaft beteiligt? Wenn ja, welche, und in welchem Umfang? Und wenn nein, warum nicht? Die Fragen 3b und 3c werden gemeinsam beantwortet. Datenschutzbeauftragte, externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder sonstige Mitglieder aus der Zivilgesellschaft waren an der UAG aufgrund des allgemein gefassten Auftrages nicht beteiligt. Eine Beteiligung war zu diesem frühen Verfahrensstadium nicht angezeigt. 4. Auf welchen Zeitraum ist dieses Pilotprojekts bzw. die UAG ausgerichtet? Die Einrichtung der UAG bezog sich auf die Umsetzung des in der Antwort zu Frage 2 genannten Auftrages, nicht auf einen bestimmten Zeitraum. 5. Gibt es Zwischen- bzw. Abschlussberichte für dieses Pilotprojekt bzw. für die Arbeit der UAG? a) Wenn ja, von wann, und welchen Inhalts? b) Wenn nein, wann ist damit zu rechnen? Die Fragen 5, 5a und 5b werden gemeinsam beantwortet. Die UAG erarbeitet in Umsetzung des Auftrages der BLAG Verlaufsstatistik ein „Grundlagenpapier für eine Machbarkeitsstudie zu den Möglichkeiten und Bedingungen der Verknüpfung von Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik mit Daten der Justizstatistik zu einer Verlaufsstatistik“ sowie eine Projektskizze und einen Beschlussvorschlag für die Befassung der Gremien der IMK. Die Abstimmungen hierüber dauern noch an. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11462 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die Projektgruppe „Verlaufsstatistik“ und die Erfassung politisch motivierter Kriminalität 6. Beschäftigt sich diese Projektgruppe bzw. diese UAG damit, ob/inwiefern eine Verlaufsstatistik – wie vom 1. NSU-Untersuchungsausschuss empfohlen – auch sinnvoll zur besseren Erfassung politisch motivierter Kriminalität genutzt werden könnte? a) Wenn ja, mit welchem Ergebnis? b) Wenn nein, warum wurde dieser Prüfauftrag des 1. NSU-Untersuchungsausschusses nicht aufgegriffen, wenn man sich doch ohnehin mit der Thematik einer Verlaufsstatistik beschäftigt? Die Fragen 6, 6a und 6b werden gemeinsam beantwortet. Die Arbeit der UAG bezieht sich ausschließlich auf den in der Antwort zu Frage 2 beschriebenen Auftrag . Neben den Fragestellungen zur Verknüpfung der Daten der PKS mit denen der Justizstatistiken war die Einbeziehung weiterer Datenquellen im Auftrag an die UAG nicht vorgesehen. 7. Inwiefern macht es im Rahmen der Prüfung einer solchen „Verlaufsstatistik “ – die ja die Behandlung von Vorgängen nachzeichnen soll, die von der Polizei an die Justiz übergeben werden – Sinn, hier auch zu prüfen, ob die Erfassungssysteme der Polizei (hier: das „Definitionssystem PMK“) und jene der Justiz kompatibel sind – oder ob ein Anpassungs-, Veränderungsbzw . Optimierungsbedarf erkennbar ist? a) Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist man hier gekommen? b) Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 7, 7a und 7b werden gemeinsam beantwortet. Die UAG hatte sich ausschließlich mit der Betrachtung der Allgemeinkriminalität zu beschäftigen. Eine Überprüfung der Kompatibilität der Erfassungssysteme von Polizei und Justiz war nicht Teil des Auftrages. 8. War dieses Pilotprojekt bzw. das Thema „Verlaufsstatistik“ auch Gegenstand der Bund-Länder Arbeitsgruppe zur Überprüfung des polizeilichen Definitionssystems PMK? a) Wenn ja, inwiefern, und mit welchem Ergebnis? b) Und wenn nein, warum nicht? Die Fragen 8, 8a und 8b werden gemeinsam beantwortet. Die Arbeit der UAG war nicht Gegenstand der Bund-Länder Arbeitsgruppe zur Überprüfung des Definitionssystems PMK (BLAG PMK). Im Hinblick auf die Gründe wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Im Rahmen der BLAG PMK wurde jedoch thematisiert, dass die Polizei insbesondere im besonders sensiblen Bereich der politisch motivierten Gewaltkriminalität auf verlässliche Rückmeldungen der Justiz angewiesen ist. Da gegenwärtig noch keine Regelung für den Justizbereich existiert, die entsprechende Rückmeldungen gewährleistet, hat die BLAG PMK in ihrem Abschlussbericht in den Handlungsempfehlungen außerhalb des KPMD-PMK die Notwendigkeit verlässlicher Rückmeldungen festgestellt und die Ausweitung der Aktenübersendungsverpflichtung in Nummer 207 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) als möglichen gangbaren Weg bezeichnet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11462 9. War die Frage einer „Verlaufsstatistik“ Gegenstand des Workshops des Bundesjustizministeriums zur „Statistischen Erhebung zu rechtsextremistischen /fremdenfeindlichen Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland“ am 12. Februar 2016? a) Wenn ja, inwiefern, und mit welchem Ergebnis? b) Und wenn nein, warum nicht? Die Fragen 9, 9a und 9b werden gemeinsam beantwortet. Die Frage war nicht Gegenstand des Workshops. Bei diesem standen Aspekte der Verbesserung der bestehenden Erhebung entsprechender Daten und deren Veröffentlichung, nicht aber eine Erweiterung um verlaufsanalytische Aussagen im Fokus. 10. An welcher Stelle hat sich die Bundesregierung mit welchen konkreten Vorschlägen tatsächlich „dafür ein[ge]setzt, dass die Übersendungsverpflichtung [nach der 2015 veränderten Nr. 207 RiStBV] auf alle Fälle politisch motivierten Gewaltdelikte ausgeweitet wird“ (zit. nach: Bundestagsdrucksache 18/7830, S. 4 f.)? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die Übersendungsverpflichtung erneut ausgeweitet wird. Hierzu hat sie einen entsprechenden Formulierungsvorschlag zur Erweiterung des Deliktskatalogs in Nummer 207 RiStBV erstellt, um diesen der Liste der als Gewaltdelikte zu erfassenden Straftatbestände im Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität anzugleichen. Die Bundesregierung hat den Formulierungsvorschlag in der Sitzung des RiStBV- Ausschusses am 21./22. April 2016 in Hannover eingebracht und sich für eine entsprechende Erweiterung von Nummer 207 RiStBV eingesetzt. Daraufhin wurde § 109h des Strafgesetzbuches (StGB) aufgenommen. Im Hinblick auf die Aufnahme der weiteren Strafvorschriften hatten die Länder noch Erörterungsbedarf. Das Thema wird daher auch in der nächsten Sitzung, deren Termin noch nicht feststeht, erörtert werden. 11. Warum hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die in den Fragen 10 und 11 ja explizit nach der Umsetzung der Empfehlung des 1. Untersuchungsausschusses -NSU zur „Verlaufsstatistik PMK“ gefragt hatte, nicht über die Existenz des in Rede stehenden Pilotprojekts bzw. über die UAG des BKA informiert (ebd.)? Die BLAG Verlaufsstatistik und die UAG beschäftigten sich nicht mit der Umsetzung der Empfehlung des 1. PUA-NSU zur „Verlaufsstatistik PMK“. Insofern war dieser Sachverhalt von der Fragestellung in den Fragen 10 und 11 der Kleinen Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 18/7830 vom 8. März 2016) nicht umfasst. Ergänzend wird auf die Antwort zu den Fragen 6 und 7 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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