Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 9. März 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/11476 18. Wahlperiode 10.03.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Keul, Renate Künast, Irene Mihalic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/11312 – Erkenntnisse und Konsequenzen des letztjährigen Justizgipfels zur Bekämpfung extremistischer Gewalt V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Auf dem vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) durchgeführten „Justizgipfel zur Bekämpfung extremistischer Gewalt“ (am 17. März 2016) wurde mit den anwesenden Justizministerinnen und Justizministern der Länder u. a. Folgendes vereinbart: Der Justizgipfel „begrüßte“ es, dass inzwischen ein regelmäßiger Austausch (zwischen dem Bundeskriminalamt – BKA –, den Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften und Verfassungsschutzbehörden) über politisch motivierte Taten und Tatmuster existieren würde. Neben den reinen Statistiken würden aber auch die Berichte der Staatsanwaltschaften an die Landesjustizverwaltungen eine wichtige Informationsquelle darstellen, die die Ausmaße politisch motivierter Kriminalität (PMK) und bestehende Schwierigkeiten der Ermittlungsbehörden aufzeigen können. Diese unterschiedlichen Informationskanäle wolle man fördern – sowohl zwischen den Ländern als auch mit dem Generalbundesanwalt – damit extremistische und terroristische Netzwerke frühzeitig erkannt werden können. Dazu hätten die zuständigen Behörden „gemeinsame Kriterien zur frühzeitigen Erkennung politisch motivierter Gewalt entwickelt“. Der Justizgipfel erklärte zudem, dass es „wichtig“ sei, auf Grundlage „aussagekräftiger Zahlen“ einen Überblick über die Entwicklung von PMK-Strafverfahren zu haben, „damit wir wissen, wie viele Delikte tatsächlich verfolgt wurden, wie viele zur Anklage kamen und zu welchen Ergebnissen die Gerichte bei der Aburteilung der Taten gelangten“. Man wolle sich daher dafür einsetzen, dass die „statistischen Erhebungsmerkmale abgestimmt und in den bestehenden IT- Systemen umgesetzt werden“. Der Bund versprach den Ländern, sie „bei der Koordinierung dieser Bemühungen [zu] unterstützen“. Und schließlich „begrüßte“ es der Justizgipfel auch, dass das Land Berlin zu einer länderoffenen Arbeitsgruppe (AG) eingeladen hatte, die sich mit der statistischen Erfassung speziell der Hasskriminalität befasse. Man wolle, „dass sichtbar wird, welche Dimensionen und Entwicklungstendenzen es im Bereich der Hasskriminalität gibt“. Die Teilnehmenden des Justizgipfels wollen daher auch diese AG unterstützen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11476 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. In welcher Form findet heute bereits der vom Justizgipfel erwähnte regelmäßige Informationsaustausch zwischen dem BKA, den Polizeibehörden, den Staatsanwaltschaften und den Verfassungsschutzbehörden über „politisch motivierte Taten und Tatmuster“ statt? a) Welche Behörden oder Behördenvertreter treffen sich hierfür, in welchem institutionellen Zusammenhang, in welchem Rhythmus, und in welcher Form werden Zwischenergebnisse dieser Treffen festgehalten? Der polizeiliche Informationsaustausch zu politisch motivierten Straftaten (einschließlich „Tatmuster“) erfolgt institutionalisiert über die polizeilichen Meldedienste . Bei den vom Bundeskriminalamt (BKA) in der Abteilung Staatsschutz (ST) des BKA bearbeiteten Ermittlungsverfahren, die, von wenigen Ausnahmen abgesehen , im Auftrag des Generalbundesanwalts (GBA) geführt werden, findet grundsätzlich ein Informationsaustausch über den Fort- und Ausgang des jeweiligen Verfahrens zwischen BKA (Verfahrensführer) und GBA (sachleitende Staatsanwaltschaft ) statt. Gleiches gilt für die wenigen Verfahren, die von der Abteilung ST des BKA im Auftrag einer Landesstaatsanwaltschaft bearbeitet werden. Bei eigenen Ermittlungsverfahren des BKA werden die Verfassungsschutzbehörden grundsätzlich beteiligt. Auch in anlassbezogenen Arbeitsgruppen oder fallbezogenen Sachbearbeiterkonferenzen findet ein Informationsaustausch statt. Der GBA hat ein justizielles Ansprechpartnernetz Terrorismus/Extremismus aus Vertretern der General- und Schwerpunktstaatsanwaltschaften der Landesjustiz eingerichtet. Hier veranstaltet der GBA anderthalbjährig eine Informationsveranstaltung in Karlsruhe, an der rund 80 Ansprechpartner der Landesjustiz teilnehmen . Zudem hat der GBA mit den sogenannten Regionalkonferenzen eine neue Informations- und Diskussionsplattform zur Verbesserung des Informationsaustausches zwischen den Staatsanwaltschaften und Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder im Bereich Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus eingerichtet. Sie sollen unter Berücksichtigung regionaler Themenschwerpunkte dazu beitragen , die Analysekompetenz in den Länderstaatsanwaltschaften weiter zu stärken und frühzeitig Erkenntnisse auszutauschen. Nach einer ersten Serie von vier Regionalkonferenzen findet beginnend ab dem Juni 2017 eine Fortsetzung mit vier weiteren Regionalkonferenzen statt. Teilnehmer waren dabei auch das BKA, das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie die jeweiligen Landeskriminalämter (LKÄ) und die Landesämter für Verfassungsschutz (LfV). Ergänzend hat der GBA unter Beteiligung der Generalstaatsanwälte Merkblätter mit „Indikatoren zum Erkennen rechtsterroristischer Zusammenhänge“ für Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsbedienstete entwickelt. Ob und in welchem Umfang die im Rahmen der oben genannten Maßnahmen gegebenen Informationen in den Ländern weiter verteilt werden, obliegt den Ländern in eigener Zuständigkeit. Nach Kenntnis der Bundesregierung findet in mehreren Ländern ein Austausch der beteiligten Behörden in regelmäßigen Abständen statt. Der Informationsaustausch erfolgt im Übrigen nach Maßgabe der hierfür einschlägigen Vorschriften, insbesondere der Nr. 205, 207 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) sowie Nr. 11 der Mitteilungen in Strafsachen (MiStra). Schließlich werden einzelfallbezogen Informationen der beteiligten Sicherheits-, Strafverfolgungs- und Verwaltungsbehörden sowohl auf mündlichem als auch schriftlichem Wege ausgetauscht, soweit deren Zuständigkeiten tangiert und Abstimmungen hinsichtlich des weiteren Vorgehens erforderlich sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11476 Entsprechend der Empfehlung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Prüfung der Empfehlungen der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus und des Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages (Bundestagsdrucksache 17/14600) zur effizienteren Bekämpfung des Rechtsterrorismus ist Nr. 205 RiStBV „Unterrichtung der Behörden für den Verfassungsschutz in Staatsschutz- und anderen Verfahren“ im Hinblick auf frühere Defizite in der Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaften und Verfassungsschutz mit Wirkung zum 1. August 2015 neu gefasst worden. Eine der Änderungen ist beispielsweise die Ausgestaltung der Unterrichtung des Verfassungsschutzes durch die Staatsanwaltschaften in Nr. 205 Absatz 2 Satz 2 RiStBV im Gegensatz zur früheren Kann-Vorschrift nunmehr als Soll-Vorschrift. Auch die erfolgten Änderungen in Nr. 207 RiStBV sind zu nennen, die bereits heute verlaufsanalytische Aussagen ermöglichen. Bei bestimmten Delikten sind die Ermittlungs- und Strafverfahrensakten an das BKA zu übermitteln, wenn die Tat politisch motiviert ist. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass diese Übersendungsverpflichtung weiter ausgeweitet wird. Ergänzend wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 4 und 5 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Politisch motivierte Tötungsdelikte gegen Obdachlose“ auf Bundestagsdrucksache 18/11339 verwiesen. Um zukünftig die im „NSU-Komplex“ erkannten Defizite zu vermeiden und die regionale Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaften, Polizei und Verfassungsschutz zu stärken, werden nach Kenntnis der Bundesregierung in den Ländern Besprechungen zum Themenkreis Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus durchgeführt. Auch ein Erfahrungsaustausch von Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten zum Thema Bekämpfung politisch motivierter Kriminalität im Bereich Rechtsextremismus unter Beteiligung des Landespräventionsrats wurde in mindestens einem Land nach Kenntnis der Bundesregierung durchgeführt. b) In welchem Zusammenhang steht dieser Informationsaustausch mit der Arbeit des Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrums (GETZ)? Im „Gemeinsamen Terrorismus Abwehrzentrum“ (GTAZ) und „Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum“ (GETZ) findet regelmäßig ein allgemeiner, institutionalisierter Informationsaustausch zu Sachverhalten mit politisch motiviertem Hintergrund, insbesondere im Hinblick auf Personen, Organisationen und Modi Operandi, zwischen Polizei und Justiz statt. Am GTAZ und GETZ sind das BKA, das BfV, der Bundesnachrichtendienst, der Militärische Abschirmdienst, der GBA, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Bundespolizei, das Zollkriminalamt sowie alle 16 LKÄ und LfV teilnahmeberechtigt . Der Informationsaustausch innerhalb des GETZ zwischen den teilnehmenden Sicherheitsbehörden wird anhand einer ergänzten Tagesordnung nachgehalten . Informationen aus dem GETZ können auch in die Regionalkonferenzen des GBA eingebracht werden, da auch im GETZ ein Vertreter des GBA an allen lagerelevanten Besprechungen teilnimmt. Den jeweiligen Ansprechpartnern Terrorismus bei den Generalstaatsanwaltschaften werden die in der Regel zweimal wöchentlich erscheinenden Lageberichte des GETZ-R(echtsextremismus/-terrorismus) durch den GBA elektronisch zur Verfügung gestellt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11476 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 2. Fließen die Ergebnisse dieses behördlichen Informationsaustausches über politisch motivierte Taten und Tatmuster in die PMK-Statistiken des BKA bzw. in die Erhebung der Landesjustizverwaltungen zu „rechtsextremen und fremdenfeindlichen Straftaten“ ein? a) Wenn ja, wie sieht der Verarbeitungs- und Umsetzungsprozess der Ergebnisse dieses Informationsaustausches bei der Polizei bzw. bei der Justizverwaltung aus? b) Wenn nein, warum nicht? Auf polizeilicher Ebene erfolgt die Erfassung politisch motivierter Straftaten im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK). Bei Bekanntwerden einer politisch motivierten Straftat wird diese von den sachbearbeitenden Staatsschutzdienststellen der Polizei mittels Kriminaltaktischer Anfrage in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KTA-PMK) über das zuständige LKA an das BKA gemeldet. Es handelt sich beim KPMD- PMK um eine so genannte Eingangsstatistik, da die Erfassung grundsätzlich bereits am Beginn des Verfahrens erfolgt. Bis zur Abgabe des Verfahrens von der Polizei an die Staatsanwaltschaft werden bei Änderungen der Bewertung der Tat, bei bedeutsamen Ermittlungsfortschritten bzw. im Falle von weiteren Erkenntnissen – auch aus dem behördlichen Informationsaustausch über politisch motivierte Taten und Tatmuster – fortlaufend Nachtragsmeldungen an das BKA übermittelt. Somit fließen die Erkenntnisse zu den Tatumständen aus dem polizeilichen Ermittlungsverfahren in die polizeiliche PMK-Statistik ein. Auf Justizseite wird die Erhebung der Landesjustizverwaltungen zu „rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Straftaten“ auf Grundlage der von den Generalstaatsanwaltschaften übermittelten Erhebungsbögen der einzelnen Staatsanwaltschaften erstellt. Bei festgestellten Unstimmigkeiten ist von dort aus eine Überprüfung, ggf. unter Rückkoppelung mit den zuständigen Polizeidienststellen, vorzunehmen. Der Informationsaustausch auf lokaler Ebene kann deshalb Einfluss darauf Einfluss haben, dass die Bewertung des Einzelfalles einheitlich erfolgt . Insoweit ist aber zu beachten, dass sich die Einordnung eines Falles in der Justizstatistik bis zum Ende des Verfahrens ändern kann, wenn neue Erkenntnisse vorliegen. 3. Wurden seitens des Justizgipfels Schwachstellen oder Reformbedarfe im Hinblick auf den derzeitigen Informationsaustausch erkannt? Wenn ja, welche, und durch welche konkreten Maßnahmen möchte der Justizgipfel diesen Informationsaustausch verbessern? Der Justizgipfel diente der Information der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und dem Meinungsaustausch; seine Ergebnisse finden sich in der veröffentlichten Abschlusserklärung (www.bmjv.de/SharedDocs/Artikel/DE/2016/03172016_ Justizgipfel.html). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11476 4. Wie lauten die Ergebnisse und gewonnenen Erkenntnisse des Workshops des Bundesjustizministeriums zur „statistischen Erhebung zu rechtsextremistischen /fremdenfeindlichen Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland“ vom 12. Februar 2016? a) Inwiefern ist es zutreffend, dass auf diesem Workshop u. a. zwischen den Ländern zum Teil deutliche Unterschiede im Hinblick auf die technische Durchführung der Erfassung politisch motivierter Straftaten respektive bei der statistischen Erfassung einzelner Deliktgruppen festgestellt wurden , und wenn ja, bei wie vielen Ländern wurden Defizite welcher Art bei der Erfassung politisch motivierter Straftaten respektive welcher Deliktgruppen (z. B. „Hakenkreuz-Schmierereien“) festgestellt, und welche Lösungsvorschläge wurden diesbezüglich auf dem Workshop oder im Nachgang dazu nach Kenntnis der Bundesregierung erörtert? Entsprechend der Zielsetzung des von dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 12. Februar 2016 veranstalteten Workshops zum Thema „Statistische Erhebungen zu rechtsextremistischen/fremdenfeindlichen Straftaten “ standen zum einen die Verbesserung der bestehenden Erhebung der Daten und zum anderen deren Veröffentlichung im Fokus der Erörterung. Thema war aber auch die technische Durchführung, also die jeweiligen Konzepte der Datengewinnung. Dabei zeigten sich deutliche Unterschiede. Teilweise wird noch händisch oder mit selbst erstellten elektronischen Hilfen erfasst, teilweise sind die Erhebungsmerkmale aber auch bereits in den elektronischen Eingabemasken der IT-Fachverfahren eingearbeitet oder entsprechende Arbeiten in Planung . Von der „technischen Durchführung“ zu unterscheiden ist die Bewertung von Straftaten wie zum Beispiel eine von unbekannten Tätern begangene „Hakenkreuz -Schmiererei“, bei denen die Ermittlung und Festlegung der für die Tat maßgeblichen Motivation mitunter problematisch ist. Anhaltspunkte dafür, dass die diesbezügliche teilweise unterschiedliche Handhabung die Verlässlichkeit der Datenerhebung insgesamt in Frage stellen würde, gab es nicht. b) Ist es zutreffend, dass auf diesem Workshop zum Teil ebenfalls unterschiedliche Berichtspflichten der jeweiligen Staatsanwaltschaften gegenüber den Landesjustizverwaltungen festgestellt wurden, und wenn ja, bei wie vielen Ländern wurden Unterschiede welcher Art festgestellt, und welche Lösungsvorschläge wurden diesbezüglich auf dem Workshop erörtert ? Die Praxis der Berichtspflichten der Staatsanwaltschaften gegenüber den Landesjustizverwaltungen wurde anlässlich des Workshops erörtert. Die Länder nutzen dieses Instrument, um über politisch bedeutsame Straftaten und Strafverfahren schnell und umfassend unterrichtet zu werden. Im Einzelnen ist die Handhabung in den Ländern aber sehr unterschiedlich. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11476 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode c) Ist es zutreffend, dass auf diesem Workshop empfohlen wurde, Möglichkeiten zur Verbesserung der diesbezüglichen statistischen Erhebungsmethoden zu prüfen, und wenn ja, welche Verbesserungsmöglichkeiten wurden empfohlen (z. B. der Abschied von der – spätestens seit dem Jahr 2001 – veralteten Systematik der Landesjustizverwaltungen, denn jene erfassen ja anders als die Polizei noch immer nicht politisch motivierte Kriminalität in all ihrer Breite, sondern lediglich „rechtsextreme und fremdenfeindliche Straftaten“)? Gegenstand der Empfehlung zur Prüfung weiterer Verbesserungsmöglichkeit war insbesondere der Erhebungsbogen, dessen aktuelle Fassung auf der Homepage des Bundesamtes für Justiz (Startseite → Themen → Bürgerdienste → Justizstatistik → Rechtsextremistische und fremdenfeindliche Straftaten) und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (Startseite → Service → Statistiken → Rechtsextremistische und fremdenfeindliche Straftaten) veröffentlicht ist. Auf den Workshop zurückgehende wesentliche Änderungen sind die nunmehr getrennte Erfassung der §§ 86, 86a des Strafgesetzbuches (StGB) und die nach Delikten differenzierte Erfassung einer fremdenfeindlichen Motivation (auch gegen vermeintliche Ausländer). 5. Inwiefern fließen die vom Justizgipfel erwähnten Berichte der Staatsanwaltschaften an die Landesjustizverwaltungen derzeit in den behördlichen Informationsaustausch ein, und wie möchte der Justizgipfel diese „wichtige Informationsquelle “ künftig effektiver nutzen? Der Bundesregierung liegen dazu keine detaillierten Informationen vor, weil es sich um die originäre Zuständigkeit der Landesjustizverwaltung handelt. Durch die Berichtspflichten soll sichergestellt werden, dass die vorgesetzten Behörden zeitnah über relevante Sachverhalte informiert und damit in die Lage versetzt werden, einen Sachverhalt hinsichtlich der Sach- und Rechtslage zu beurteilen. Nur auf diesem Wege ist sichergestellt, dass die in § 147 GVG gesetzlich verankerte Aufgabe der Dienstaufsicht sachgerecht wahrgenommen werden kann. In Verwaltungsvorschriften der Länder sind die Kriterien festgelegt, nach denen die Fachaufsicht in politisch bedeutsamen Fällen durchzuführen ist. Die Berichte dienen zum einen als Grundlage für eine etwaige Berichterstattung im Rechtsausschuss des jeweiligen Landtages. Zum anderen fließen die hierin enthaltenen Informationen etwa zu Art und Umfang der Ermittlungen in die Personalbedarfsplanung sowie Evaluierung etwaigen gesetzgeberischen Änderungsbedarfs ein. Des Weiteren ermöglichen die Erkenntnisse aus diesen Berichten teilweise auch, die von den örtlichen Staatsanwaltschaften vorgelegten Ergebnisse für die Erhebung zu rechtsextremistischen/fremdenfeindlichen Straftaten auf ihre Plausibilität zu prüfen. So ist nach Kenntnissen der Bundesregierung in einem Land auf Grundlage der Berichte ein umfangreiches Handlungskonzept zur Bekämpfung von strafbarer Hetze im Netz erstellt worden, welches den Justiz- und Polizeibehörden seit Oktober 2016 zur Verfügung steht. Der Gipfel diente insoweit dem Erfahrungsaustausch. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/11476 6. Wurde beim Justizgipfel bzw. im Zuge der Umsetzung seiner Beschlüsse über die Verbesserung des behördlichen Informationsaustauschs auch eine strukturierte Einbeziehung des – ja unbestritten qualifizierten – Fachwissens der Zivilgesellschaft über Form und Ausmaß politisch motivierter Kriminalität in Deutschland erwogen bzw. empfohlen? a) Wenn ja, was wurde diesbezüglich empfohlen? b) Wenn nein, warum nicht? Auf die in der Antwort zu Frage 3 genannte Veröffentlichung der Abschlusserklärung wird verwiesen. 7. In welcher Weise – und durch wen – sollen die statistischen Erhebungsmerkmale für rechtsmotivierte Straftaten besser abgestimmt werden bzw. wurden sie bislang abgestimmt, und in welchem Dokument wurden diese Verbesserungen niedergelegt? Abstimmungen zu den Erhebungsmerkmalen erfolgen stets in Zusammenarbeit des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz mit dem Bundesamt für Justiz und den Landesjustizverwaltungen. Sofern Änderungen erfolgen, werden diese im Erhebungsbogen sowie – bei Bedarf – in der dazugehörigen Ausfüllanleitung niedergelegt. In dem nach dem Justizgipfel aktualisierten und für das Jahr 2016 bereits verwendeten Erhebungsbogen (s. Anlage) wird die fremdenfeindliche Motivation in Tabelle 1 nunmehr deliktsdifferenziert erfasst, wobei die §§ 86, 86a StGB jetzt getrennt ausgewiesen werden. Auch in Tabelle 4 wurde die fremdenfeindliche Motivation in einer weiteren Zeile aufgenommen. Zudem wurde in Tabelle 5 „Verurteilungen nach verhängter Sanktion“ die Zeile (C) „darunter wegen Straftaten aufgrund fremdenfeindlicher Motivation“ ergänzt. Dadurch wird die Kongruenz der Tabelle 5 mit der Tabelle 4 (Erfassung der Verfahrenserledigung) gewahrt und die Aussagekraft der Statistik erhöht. 8. Und in welchen IT-Systemen sollen diese Verbesserungen dann durch welche Maßnahmen umgesetzt werden? Die Änderungen werden in den Programmen zur Geschäftsstellenautomatisierung umgesetzt. Die Zuständigkeit für die in der Justizpraxis zur Anwendung kommenden IT-Systeme liegt bei den Ländern. 9. Welches Gremium hat wann – wie vom Justizgipfel erwähnt – die „gemeinsame [n] Kriterien zur frühzeitigen Erkennung politisch motivierter Gewalt entwickelt“ bzw. beschlossen? a) Handelt es sich hier tatsächlich um „gemeinsame“ – also um für die Polizei und die Justiz gleichermaßen verbindliche – Kriterien? b) Wie lauten diese Kriterien, und in welchem Dokument sind diese niedergelegt ? Der Bundesregierung ist kein entsprechendes Gremium bekannt; es wurde auch auf dem Gipfel kein derartiges Gremium erwähnt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Fragen 1, 7 und 8 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11476 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Worin bestand bzw. besteht die versprochene Koordinierungsleistung des Bundes, um die einschlägigen statistischen Erhebungsmerkmale und die Umsetzung der erfassten PMK-Delikte in den bestehenden IT-Systemen zu verbessern? Der Bund hat zugesagt, dass die Länder bei der Koordinierung ihrer Bemühungen unterstützt werden. Das Bundesamt für Justiz hat in Abstimmung mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und den Justizministerien der Länder die Erhebungsmerkmale angepasst, um die Statistik noch aussagekräftiger zu machen. Insoweit wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 11. Hat sich der Justizgipfel – im Hinblick auf seinen Wunsch zu „wissen, wie viele [PMK-]Delikte tatsächlich verfolgt wurden, wie viele zur Anklage kamen und zu welchen Ergebnissen die Gerichte bei der Aburteilung der Taten gelangten“ – auf seiner Tagung im März 2016 oder auch in der Phase der Umsetzung seiner Beschlüsse – mit der Empfehlung des 1. Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages zum sog. Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) auseinandergesetzt, nämlich der „Einführung eines verbindlichen gegenseitigen Informationsaustausches zwischen Polizei und Justiz (ggf. eine ‚Verlaufsstatistik PMK‘) – zumindest bei PMK-Gewaltdelikten “ (s. Bundestagsdrucksache 17/14600, S. 861)? a) Wenn ja, mit welchem Ergebnis? b) Wenn nein, warum nicht? Auf die Antwort zu Frage 1a wird verwiesen. Ergänzend wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 4 und 5 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Politisch motivierte Tötungsdelikte gegen Obdachlose“ auf Bundestagsdrucksache 18/11339 verwiesen . 12. In welcher institutionellen Form und mit welchen konkreten Ergebnissen hat der Bund dafür Sorge getragen, die Beschlüsse des Justizgipfels zusammen mit den Ländern umzusetzen? Der Justizgipfel fand auf Einladung von Bundesjustizminister Heiko Maas statt und diente dem Erfahrungsaustausch über die Verfolgung extremistischer Straftaten . Der Justizgipfel ist daher kein institutionelles Gremium, sondern ein informelles Forum zum Meinungsaustausch der Justizministerinnen und Justizminister von Bund und Ländern. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/11476 13. Beteiligt sich das BMJV an der länderoffenen AG zur besseren statistischen Erfassung von Hassdelikten, und wenn ja, inwiefern? a) Ist auch das Bundesamt für Justiz in die Arbeit dieser länderoffenen AG eingebunden, und wenn ja, inwiefern? b) Hat die Bundesregierung eigene Anliegen oder Ziele, die sie in dieser länderoffenen AG verfolgt? Wenn ja, welche? Und wenn nein, sieht die Bundesregierung tatsächlich keinerlei Verbesserungsbedarf im Hinblick auf die statistische Erfassung von Hassdelikten durch die Justiz? Die länderoffene Arbeitsgruppe geht auf einen Beschluss der 84. Konferenz der Justizministerinnen und -minister der Länder zurück. Auf Initiative des Landes Berlin wurden die Arbeiten im Frühjahr 2016 aufgenommen. Diskutiert wurden bislang insbesondere die mögliche Definition von „Hasskriminalität“ und einzelne Untergruppen, die statistisch gesondert erhoben und ausgewiesen werden sollen. Zudem wurde die technische Umsetzung der Erhebung bis hin zu deren Veröffentlichung diskutiert. An diesen Diskussionen haben sich das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sowie das Bundesamt für Justiz mit dem Anliegen beteiligt, dass es zu einer Erhebung und Veröffentlichung justizieller Daten zur Hasskriminalität kommt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11476 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode (1) (2) (3) (4) (6) (7) (8) (9) (A) 0 darunter: (B) 0 (C) 0 (D) 0 (1) (2) (3) (1) (2) (3) (4) (5) UJs Js insgesamt Kinder Jugendliche Heran-wachsende Erwachsene Insgesamt (A) 0 0 (A) 0 (D) 0 0 (D) 0 (A) (D) (2) (3) (6) (7) (A) (C) (D) (1) (2) (3) (4) (6) (7) (8) (9) (10) insgesamt darunter Bewährung darunter Bewährung insgesamt darunter Bewährung (A) 0 0 (C) 0 0 (D) 0 0 darunter wegen Straftaten aufgrund femdenfeindlicher Motivation (auch solche gegen vermeintliche Ausländer) Verurteilungen zu Strafarrest: darunter wegen Straftaten mittels Internet (Verwendung des Internets - auch E-Mail - als wesentliches Tatmittel) Hinweis zu Tabellen 1 und 4: Durch die neue Darstellung der fremdenfeindlichen Straftaten kann diesen Tabellen nicht mehr entnommen werden, wie viele dieser Taten mittels Internet begangen wurden Verurteilung (Verurteilte) insgesamt nach §§ 153 ff. StPO insgesamt (Sämtliche Ermittlungsverfahren ) Ermittlungsverfahren eingeleitet wegen §§ … StGB a) wegen antisemitischer Bestrebungen b) wegen Straftaten aufgrund fremdenfeindlicher Motivation (auch solche gegen vermeintliche Ausländer) c) wegen Straftaten mittels Internet (Verwendung des Internets - auch E-Mail - als wesentliches Tatmittel) 86a 223 ff., 340211, 212 Land: sonstige Entscheidung / Verfahren beendet auf sonstige Weise Freispruch Andere Erledigung (Gericht) (2) (3) Einstellung (durch StA oder Gericht) nach § 170 Abs. 2 StPO (außer: Täter nicht ermittelt) mehr als 6 Monate bis 1 Jahr 5. Verurteilungen nach verhängter Sanktion (4) (1) Beschuldigte (Anzahl der Personen) Insgesamt 0 3. Erlassene Hafbefehle Haftbefehl erlassen gegen darunter wegen Straftaten mittels Internet (auch E-Mail) (1) zu Geldstrafe (auch durch Strafbefehl und § 59b) Jugendliche bis 6 Monate (4) Abschließende Entscheidung der StA bezüglich des Verfahrens: Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO da Täter nicht ermittelt Verurteilungen (Tabelle 4, Spalte (5)) nach der schwersten verhängten Sanktion insgesamt nach §§ 45, 47 JGG Erwachsene mehr als 1 bis 2 Jahre Heranwachsende 4. Abschluß der Ermittlungs- und Strafverfahren 1. Ermittlungsverfahren wegen rechtsextremistischer/fremdenfeindlicher Straftaten Ermittlungsverfahren Sonstige Delikte86 125, 125a (5) 2. a) Eingeleitete Ermittlungsverfahren 0 darunter wegen Straftaten mittels Internet (Verwendung des Internets - auch E-Mail - als wesentliches Tatmittel) darunter wegen Straftaten mittels Internet (Verwendung des Internets - auch E-Mail - als wesentliches Tatmittel) mehr als 2 Jahre 130, 131 306 ff. (5) Abschließende Entscheidung bezüglich des jeweiligen Beschuldigten/Angeklagten darunter wegen Straftaten aufgrund fremdenfeindlicher Motivation (auch solche gegen vermeintliche Ausländer) 2. b) Anzahl der ermittelten Beschuldigten Aussetzung der Verhängung einer Jugendstrafe § 27 JGG: Siehe Hinweis Siehe Hinweis darunter wegen Straftaten mittels Internet (Verwendung des Internets - auch E-Mail - als wesentliches Tatmittel) zu Erziehungsmaßregeln / Zuchtmitteln zu Jugend- oder Freiheitsstrafe (auch durch Strafbefehl) (5) insgesamt BfJ, Stand : 6/2016 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333