Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 22. März 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/11686 18. Wahlperiode 24.03.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Tressel, Stephan Kühn (Dresden), Peter Meiwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/11385 – Kontaminierte Kabinenluft in Flugzeugen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Verunreinigungen der Kabinenluft im Flugzeug durch eindringende schadstoffbelastete Dämpfe aus den Triebwerken stellen ein ernstzunehmendes Sicherheitsrisiko dar und gefährden die Gesundheit von Crew und Passagieren. War letzteres lange Jahre noch umstritten, zeigt nun eine klinische Studie des Instituts für Arbeits-, Umwelt- und Sozialmedizin der Universität Göttingen aus dem Jahr 2016, dass schädliche Stoffe aus den Triebwerken, welche in Blut und Urin von Betroffenen unmittelbar nach dokumentierten Vorfällen (sogenannte Fume bzw. Smell Events) nachgewiesen wurden, mit schwerwiegenden Erkrankungen im Zusammenhang stehen (Vortrag Collegium Ramazini in Carpi am 28. Oktober 2016; Tagungsband DGAUM 2016, S. 305 ff.: Bornemann, Seeckts, Müller , Heutelbeck: „Symptomatische Crewmitglieder nach inhalativer Intoxikation durch kontaminierte Kabinenluft (Arbeitsunfall „fume event“): Klinik und Stand der Frühdiagnostik“ (UMG); www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/ 15287394.2016.1219561?scroll=top&needAccess=true). Inzwischen steht somit fest, dass es sich nicht nur um ein Problem ausschließlich mit durch Triebwerksölrückstände verunreinigter Atemluft handelt. Die sog. Fume-Events (Vorfälle, bei denen schadstoffkontaminierte Atemluft in die Flugzeugkabine gelangt) werden sowohl vom Luftfahrt-Bundesamt (LBA) als auch von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) registriert. Beide Behörden verwenden dabei unterschiedliche Kategorien und erfassen abweichende Zahlen von Vorfällen, was einen Überblick über die Situation erschwert . So wurden laut Bundestagsdrucksache 18/7776 für das Jahr 2015 vom LBA 45 Meldungen über „Öl-Geruch“ erfasst, während die BFU 147 Störungen im Zusammenhang mit der Kabinenluft, davon 30 mit Hinweis auf Öl oder Ölgeruch , erfasste. Während das LBA alle ihm bekannt gewordenen Meldungen in die Datenbank „European Coordination Centre for Aircraft Incident Reporting System“ (ECCAIRS) übertrug, wurden von der BFU lediglich sechs Fälle von Störungen im Zusammenhang mit Kabinenluft und davon wiederum ein Fall mit Hinweis auf Ölgeruch in das ECCAIRS übertragen. Weiterhin hat die BFU vier ihr bekannt gewordene Fälle als „schwere Störung“ bewertet, davon einen mit Ölgeruch. Eine vergleichbare Klassifikation nimmt das LBA nicht Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11686 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode vor. Keine der Behörden hat in der Vergangenheit Sanktionen gegen betroffene Fluggesellschaften ergriffen, da solche „Störungen“ sowie deren Nicht- bzw. verspätete Meldung bislang nicht als sanktionswürdig eingestuft wurden (Bundestagsdrucksache 18/7776, Antwort zu den Fragen 15 und 16). Technische Lösungen des Problems stehen inzwischen zur Verfügung. Zuletzt wurde ein neues elektrisches Klimatisierungssystem der Liebherr-Aerospace Toulouse erfolgreich an einem Airbus A320neo getestet. Es verfügt über einen neuartigen Turbokompressor, der Außen- statt Zapfluft verwendet und daher gesundheitlich unbedenklich ist. Dieses System ist aber bisher nur als „Option“ auf Kundenwunsch erhältlich. Standardmäßig werden die Flugzeuge dieses Typs und der Flugzeug-Familie auch weiter mit einem Zapfluft-System ausgeliefert . Der US-Hersteller Boeing hat ein ähnliches System bereits seit dem Jahr 2011 in der Boeing 787 serienmäßig verbaut. Währenddessen steigt die Zahl der Betroffenen, die der Berufsgenossenschaft Verkehr (BG Verkehr) gesundheitliche Beschwerden aufgrund von Kabinenluftvorfällen anzeigen, von Jahr zu Jahr. Waren es im Jahr 2013 ausweislich auf Bundestagsdrucksache 18/3949 noch etwa 300 Versicherte, die Vorfälle beruhend auf etwa 100 Flügen anzeigten, stieg die Zahl in den folgenden Jahren erheblich. Im Jahr 2014 wurden laut Bundestagsdrucksache 18/7776 für ca. 420 Versicherte und im Jahr 2015 für 450 Versicherte Vorfälle angezeigt. Bislang hat die BG Verkehr erst ein Fume-Event und dessen Folgen für ein Besatzungsmitglied als Arbeitsunfall anerkannt (www.welt.de/politik/deutschland/ article155851415/Stewardess-von-Kabinenluft-vergiftet.html). Die bei solchen Vorfällen akzidentiell und individuell unterschiedlichen Symptome nach solchen Vorfällen, welche in der wissenschaftlichen Literatur in diesem Kontext auch als „aerotoxisches Syndrom“ subsummiert werden, sind bislang nicht als Berufskrankheit anerkannt. Berufsunfähigkeitsrenten werden den Betroffenen deswegen nicht gewährt. Neben das körperliche Leiden tritt für die Betroffenen damit noch die mit dem Verlust der Arbeitsfähigkeit verbundene finanzielle Notlage. Eine besondere zeitkritische Dimension erhält diese Problematik derzeit durch den Umstand, dass die bislang einzige medizinische Anlaufstelle in Deutschland , die „Sprechstunde für Fume Events“ in der arbeits- und umweltmedizinischen Ambulanz der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) seit dem 19. Dezember 2016 bis auf weiteres einen Annahmestopp für einschlägige Fälle verhängt hat. Somit ist derzeit keine sachgerechte und qualifizierte medizinische Betreuung von Betroffenen durch neue Vorfälle mit Kabinenluft mehr möglich. Hierbei gilt zu beachten, dass eine Universitätsklinik keinen Erstversorgungsauftrag hat, dies also ggf. durch örtliche Ambulanzen in Unfallkrankenhäusern geleistet werden müsste, diese aber in der Regel nicht über die notwendigen Informationen und Sachkenntnis verfügen (Vortrag Collegium Ramazini in Carpi am 28. Oktober 2016 / Tagungsband DGAUM 2016, S. 305 ff.: Bornemann , Seeckts, Müller, Heutelbeck: „Symptomatische Crewmitglieder nach inhalativer Intoxikation durch kontaminierte Kabinenluft (Arbeitsunfall „fume event“): Klinik und Stand der Frühdiagnostik“ (UMG) / www.tandfonline.com/ doi/full/10.1080/15287394.2016.1219561?scroll=top&needAccess=true). In diesem Zusammenhang sei auch auf das Rundschreiben der Vereinigung Cockpit vom 26. Januar 2017 verwiesen, in dem die Gewerkschaft mitteilt, dass „Kliniken, die das Thema ernst nahmen, keine Untersuchungen mehr vornehmen “. Bereits vorher hatte die Gewerkschaft Informationen von Mitgliedern erhalten , wonach den nach einem Arbeitsunfall im Zuge des berufsgenossenschaftlichen Verfahrens von Betroffenen zunächst zu kontaktierenden Durchgangsärzten nahegelegt wurde, „keine Überweisungen mehr nach Göttingen auszustellen“. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11686 1. Wie viele Fälle (sogenannte fume-/smell-/bad-smell-/odour-events) sind der Bundesregierung mit in der Kabine und/oder dem Cockpit vorkommenden Öldämpfen, Ölgeruch, Enteisungs- und/oder Hydraulikflüssigkeit oder Ähnlichem im Jahr 2016 bekannt gemacht worden? a) Wie viele Fälle davon sind im Jahr 2016 als Störungen bei deutschen Behörden (LBA und BFU) erfasst (bitte auch nachträglich für Vorjahre im Jahr 2016 gemeldete Fälle einzeln pro Jahr auflisten)? Im Jahr 2016 sind der Bundesstelle für Fluguntersuchung (BFU) 61 Ereignisse gemeldet worden, bei denen von in der Kabine und/oder dem Cockpit vorkommenden Öldämpfen, Ölgeruch, Enteisungs- und/oder Hydraulikflüssigkeit oder Ähnlichem berichtet wurde. Zwei dieser Fälle wurden durch die BFU als Störung, kein Fall als schwere Störung klassifiziert. Dem Luftfahrt-Bundesamt (LBA) wurden im Jahr 2016 33 Ereignisse gemeldet, wovon 32 als Störung bewertet wurden. Im Jahr 2016 wurde für Vorjahre kein Fall nachträglich gemeldet. b) Wie viele Fälle davon sind im Jahr 2016 als Störungen an die „European Aviation Safety Agency“ (EASA) gemeldet worden und in der Datenbank „European Coordination Centre for Aircraft Incident Reporting System“ (ECCAIRS) registriert? Sämtliche in der Antwort zu Frage 1a genannten Störungen sind in der ECCAIRS-Datenbank erfasst und liegen somit der EASA vor. c) Wie viele Fälle sind im Jahr 2016 als – „Meldung“, – „Störung“, – „schwere Störung“ oder – „Unfall“ bei deutschen Behörden erfasst und klassifiziert worden, und wie viele sind davon dann durch die BFU untersucht worden (bitte nach klassifiziertem Ereignis auflisten)? Wie viele dieser Fälle sind von der BFU als „nicht untersuchungswürdig“ eingestuft worden? Es wird auf die Antwort zu Frage 1a verwiesen. d) Nach welchen validen Vorgaben oder Kriterien werden diese Klassifizierungen bei der BFU auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 996/2010 vorgenommen, und worauf beruht die Entscheidung der BFU, ob es sich bei einem gemeldeten Vorfall um einen „untersuchungswürdigen“ oder einen nicht zu untersuchenden Fall handelt? Jede eingehende Meldung wird bei der BFU entsprechend der geltenden Rechtsvorschriften der Verordnung (EU) Nr. 996/2010, des FlUUG und des ICAO-Annex 13 dahingehend geprüft, ob die in den Regelwerken vorgegebenen Kriterien erfüllt sind. Hierzu werden unter anderem medizinische Daten, technische Befund- und Reparaturberichte sowie Stellungnahmen geprüft. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11686 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode e) Wie viele der in den Jahren 2008 bis 2016 bei der BG Verkehr eingegangene Unfallmeldungen wurden von der BFU als Störung, schwere Störung oder Unfall untersucht? Keine bei der Berufsgenossenschaft (BG) Verkehr eingegangene Unfallmeldung wurde anschließend von der BFU untersucht. f) Wie kann die BFU sicherstellen, dass sie in Fällen, in welchen erst mit zeitlicher Verzögerung im Nervensystem, an der Lunge und/oder an anderen Organen Störungen auftreten noch Zugriff auf alle untersuchungsrelevanten Informationen besteht (z. B. Cockpit-Voice-Recorder-Aufzeichnungen , Flugdatenschreiber etc.), welche für eine Untersuchung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 996/2010, Artikel 2 Nummer 17. Buchstabe d i. V. m. Artikel 5 Absatz 1 und 2 erforderlich sind? Grundsätzlich nutzt die BFU alle zur Verfügung stehenden Informationen und Quellen. Gemäß Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 996/2010 und §7 Absatz 1 Satz 1 LuftVO sind Flugunfälle und schwere Störungen unverzüglich der BFU zu melden. Um jederzeit sofort tätig werden zu können, ist die BFU 24 Stunden jeden Tag zu erreichen. 2. Welche Flugzeugmuster sind bei Meldungen, Störungen, schweren Störungen und Unfällen im Zusammenhang mit Kabinenluft nach Kenntnis der Bundesregierung betroffen (bitte nach Flugzeugtyp einzeln auflisten)? Eine Unterscheidung nach Flugzeugmuster der bei der BFU eingegangenen Meldungen , die weder als Flugunfall noch als schwere Störung oder Störung klassifiziert wurden, wurde nicht durchgeführt. Flugzeugmuster der Meldungen an das LBA: LFZ Hersteller - Typ 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 AIRBUS - A300 2 AIRBUS - A319 2 2 7 3 3 9 7 AIRBUS - A320 3 3 2 7 9 9 3 AIRBUS - A321 3 1 6 8 3 6 AIRBUS - A330 5 6 13 5 10 2 AIRBUS - A340 1 1 1 2 1 3 1 AIRBUS - A380 5 10 5 ATR - ATR72 1 BAE - AVRO146RJ 6 3 2 1 BOEING - 737 1 4 2 3 3 4 2 BOEING - 747 1 1 BOEING - 757 8 17 13 19 20 1 4 BOEING - 767 1 3 4 1 1 BOEING - 777 1 BOEING - 787 1 CANADAIR - CL600 1A11 2 1 1 2 CESSNA - 560 1 DE HAVILLAND - DHC8 1 1 5 1 EMBRAER - ERJ190 1 2 1 Fokker - F28 1 LEARJET - 35 1 LEARJET - 60 1 MCDONNELL DOUGLAS - MD11 2 3 5 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11686 3. Welche Triebwerke (bitte unter Angabe der Hersteller und Informationen darüber, ob es sich um Zwei- bzw. Dreiwellentechnologie handelt) sind von den technischen Problemen bei Meldungen, Störungen, schweren Störungen und Unfällen nach Kenntnis der Bundesregierung besonders häufig betroffen ? Bei den von der BFU durchgeführten Untersuchungen ist eine Aussage zu dem konkret betroffenen Triebwerkshersteller und Triebwerksmuster im jeweiligen Zwischen- bzw. Abschlussbericht enthalten. Schwerpunkte bzgl. bestimmter Hersteller , Muster oder Triebwerkstechnologien können daraus nicht erkannt werden. Bei den Meldungen an das LBA ist keine Auskunft möglich. 4. Welche gesetzlichen Vorgaben obliegen den Fluggesellschaften bei Vorfällen /Störungen im Zusammenhang mit Kabinenluft (Meldungsverfahren und sich an ein Ereignis anschließende Wartungs- und Reinigungsverfahren)? Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung unterschiedliche Meldewege bei den unterschiedlichen Fluggesellschaften? Wie ist sichergestellt, dass die Fluggesellschaften die gesetzlichen bzw. auch die spezifischen Hersteller-Vorgaben einhalten? Die Fluggesellschaften haben ein Instandhaltungssystem nach den gesetzlichen Vorgaben eingerichtet. Im Falle eines Fume Events werden in der Regel die relevanten Systeme überprüft und ggf. Teile und/oder das Triebwerk ausgetauscht, sofern es entsprechende Befunde im Rahmen der Überprüfung gibt. 5. Gab es in den letzten zehn Jahren Beanstandungen von Seiten der EASA, weil sich deutsche Fluggesellschaften nicht an die vorgeschriebenen Meldeund Wartungs-/Reinigungsverfahren gehalten haben? Wenn ja, um welche Beanstandungen handelt es sich, und wie hat die Bundesregierung hierauf reagiert? Nein. 6. Wie stellt die Bundesregierung durch ihre nachgeordneten Behörden sicher, dass die Betreiber von Flugzeugen den vorgeschriebenen Wartungs- und Reinigungsverfahren nach einem sog. Fume-Event nachkommen? Bei einem dem LBA bekannt gewordenen Fume Event wird regelmäßig überprüft , was das Luftfahrtunternehmen im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung ermittelt hat und wie die Beanstandung abgearbeitet worden ist. Dabei sind die technischen Vorgaben des Luftfahrzeugherstellers anzuwenden und einzuhalten. 7. Welche Möglichkeiten stehen den zuständigen Behörden zur Verfügung, um Verstöße der Fluggesellschaften gegen Wartungs-/Reinigungs- und Meldevorschriften zu sanktionieren, und wie häufig wurde hiervon in den vergangenen zehn Jahren Gebrauch gemacht? Verstöße gegen Vorschriften zur Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit können gemäß § 58 Absatz 1 Nummer 13 des Luftverkehrsgesetzes i. V. m. § 16 der Verordnung zur Prüfung von Luftfahrtgerät (LuftGerPV) i.V. m. Verordnung (EU) Nr. 1321/2014 und Verordnung (EU) Nr. 748/2012 als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden. Diese Vorschrift richtet sich an Betriebe, die Luftfahrzeuge entwickeln , herstellen, instandhalten und die Prüfung der Lufttüchtigkeit durchführen . Seit 2013 wurden 60 Verstöße registriert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11686 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 8. Hat das erfolgreich getestete Klimatisierungssystem der Liebherr-Aerospace Toulouse für Flugzeuge des Herstellers Airbus nach Kenntnis der Bundesregierung inzwischen Marktreife erreicht? Wenn ja, welche Maßnahmen hat die Bundesregierung als Anteilseigner des Herstellers Airbus ergriffen, um die Nutzung der technischen Neuerung zu verbreiten? Wenn nein, welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die Marktreife weiter voranzutreiben? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 9. Wird sich die Bundesregierung für ein Verbot von zapfluftgetriebenen Lüftungssystemen einsetzen, da nunmehr eine gesundheitlich unbedenkliche technische Lösung vorhanden ist? Die Musterzulassung von Luftfahrtgerät ist Aufgabe der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA). Der Bundesregierung liegen zu einer angeblich gesundheitlich unbedenklichen technischen Lösung keine Erkenntnisse vor. 10. Wie viele Airbus 320neo Familie mit wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bislang verkauft und sind in Betrieb gekommen (bitte nach Fluggesellschaften aufschlüsseln), und welche Produktions- und Verkaufszahlen werden für die Jahre 2016 bis 2021 prognostiziert (bitte ebenfalls nach Fluggesellschaften aufschlüsseln)? Zahlen über den Verkauf und den Betrieb von Flugzeugen der Airbus A320neo Familie oder Prognosen über künftige Verkäufe liegen der Bundesregierung nicht vor. In Deutschland sind fünf A320neo (A320-271N) zugelassen (Stand: 9. März 2017). 11. Wie viele Fälle aufgrund gesundheitlicher Beschwerden wegen des Verdachts von Vorkommnissen mit kontaminierter Kabinenluft wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Berufsgenossenschaft Verkehr (BG Verkehr) im Jahr 2016 gemeldet? Im Jahr 2016 gingen bei der BG Verkehr ca. 830 Meldungen ein. 12. In wie vielen dieser Fälle wurden von anderen deutschen Behörden (LBA, BFU, Umweltbundesamt – UBA –, Bundesinstitut für Risikobewertung – BfR) Akten und Informationen im Zusammenhang mit Störungen/Vorfällen mit kontaminierter Kabinenluft beigezogen, wenn ja, mit welchem Ergebnis, wenn nein, warum nicht? Zwischen BG Verkehr und BFU sowie anderen Behörden und Institutionen findet ein intensiver fachlicher Austausch statt. 13. In wie vielen dieser Fälle fand ein Kommunikationsaustausch mit der betroffenen Fluggesellschaft über einschlägige Vorfälle außerhalb der jährlichen Arbeitstreffen statt? Die BG Verkehr ist nach § 17 SGB VII verpflichtet, die Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten in ihren Mitgliedsunternehmen zu überwachen und diese zu beraten. Aus diesem Auftrag ergeben sich ein kontinuierlicher Informationsaustausch mit den Mitgliedsunternehmen und eine Ab- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/11686 stimmung bei der Durchführung erforderlicher Arbeitsschutzmaßnahmen. In konkreten Einzelfällen führt die BG Verkehr Unfalluntersuchungen oder Ermittlungen von Berufskrankheiten unmittelbar in den Unternehmen durch. 14. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung unternommen, damit insbesondere die Risiken von kontaminierter Kabinenluft auch sachgerecht in den gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsanalysen der deutschen Fluggesellschaften abgebildet werden? Welche deutschen Fluggesellschaften sind nach Kenntnis der Bundesregierung dieser Verpflichtung nachgekommen, welche nicht, und welche Sanktionen wurden diesbezüglich verhängt, und wenn keine, warum nicht? Die Verordnung (EU) Nr. 965/2012 fordert unter ORO.GEN.200, dass alle Betreiber ein Managementsystem zu erstellen haben, in dem der Betreiber Risiken für den Luftverkehr, ihre Bewertung, Maßnahmen zur Senkung und zur Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen beschreibt. Alle deutschen Luftfahrtunternehmen haben ein solches Managementsystem eingerichtet, dass sowohl bei der Genehmigung als auch in der fortlaufenden Aufsicht geprüft wird. 15. Inwieweit ist das Human-Biomonitoring bei unfallartigen Ereignissen, wie sie bei Kabinenluftvorfällen anzunehmen sind, gemäß den arbeitsmedizinischen Regeln (AMR 6.2 herausgegeben vom BMAS) und Vorgaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) anzuwenden? a) Haben die Arbeitsmedizinischen Regeln dieses Human-Biomonitoring nach Ansicht der Bundesregierung dabei keine Gültigkeit mehr? b) Warum wird ansonsten nicht auf dieses vorgegebene Überwachungsprocedere zurückgegriffen? c) Welchen Stellenwert haben die von den Fluggesellschaften in diesem Kontext in der Vergangenheit durchgeführten Luftmessungen im Vergleich zu den durchgeführten medizinischen Human-Biomonitorings? d) Wie wird von der Bundesregierung oder den nachgeordneten Behörden und/oder Institutionen (z. B. BG-Verkehr) sichergestellt, dass diese Art von spezifischen Unfallereignissen, bei den dafür zuständigen Durchgangsärzten angemessen versorgt, sichergestellt werden kann, bzw. dass die Möglichkeiten der Hinzuziehung anderer Fachärztegruppen nach fachlich freiem Ermessen der Durchgangsärzte gewährleistet ist? Die BG Verkehr hat ein medizinisches Standardverfahren entwickelt und gegenüber den D-Ärzten kommuniziert, um einen einheitlichen Anamnese- und Untersuchungsstandard sicherzustellen. D-Ärzte können nach eigenem Ermessen Fachärzte hinzuziehen, wenn dies aus ärztlicher Sicht erforderlich ist. Darüber hinaus können Beschäftigte nach Kabinenluftvorfällen eine Wunschvorsorge nach § 7 der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) bei einem Arzt nach (in der Regel beim Betriebsarzt) in Anspruch nehmen. Über die dabei zum Einsatz kommende Untersuchungsmethode, einschließlich der Indikation eines Biomonitorings, entscheidet der Betriebsarzt (näher §§ 5a, 6 Absatz 1 und 2 ArbMedVV in Verbindung mit AMR 6.2, insbesondere Abschnitt 3.4 Absatz 5). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11686 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 16. Geht die Bundesregierung aufgrund der aktuellen neuen Erkenntnisse immer noch davon aus, dass es zwischen dem Auftreten von Kabinenluftvorfällen und den in der Folge diagnostizierten Erkrankungen von durch solche Ereignisse Betroffenen keinen Zusammenhang gibt? Einen möglichen Zusammenhang zwischen Störungen der Kabinenluftanlage und Erkrankungen von Passagieren oder Besatzungsmitgliedern hat die Bundesregierung nie ausgeschlossen. Vielmehr hat sich die Bundesregierung dafür eingesetzt, dass sich die zuständige europäische Agentur EASA des Themas annimmt. 17. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Entstehung neuer Erkenntnisse auch im klinischen Bereich (Diagnostik und Therapie der mit Kabinenluftvorfällen assoziierten Erkrankungen) im Interesse der schon jetzt Betroffenen hinreichend und zügig unterstützt wird? Die Untersuchung der möglichen Ursachen für Störungen der Kabinenluftanlage und deren gesundheitlichen Auswirkungen sind Aufgabe der EASA. Darüber hinaus wertet die BG Verkehr international veröffentlichte wissenschaftliche Arbeiten zum Thema aus und bringt eigene Projekte – wie die Untersuchung von Urinproben auf Metabolite von TCP und anderen Organophosphaten – in die internationale wissenschaftliche Forschung und Diskussion ein. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333