Deutscher Bundestag Drucksache 18/1171 18. Wahlperiode 15.04.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/958 – Berichte über deutsche Djihadisten in Gefangenschaft der Freien Syrischen Armee Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mehrere Männer aus Deutschland, die sich djihadistischen Kampfverbänden in Syrien angeschlossen hatten, sollen sich in Gefangenschaft bewaffneter syrischer Oppositionsgruppen befinden. Das berichtete das ARD-Politikmagazin „REPORT MAINZ“ am 4. März 2014. Im Interview mit der ARD behauptete ein Brigadeführer der Freien Syrischen Armee (FSA), der sich Abu Yasin nennt, die FSA habe zwölf deutsche Salafisten gefangen genommen. Die zwischen 22 und 38 Jahre alten Männer seien Kämpfer des Al-Qaida-Ablegers „Islamischer Staat im Irak und Syrien“ (ISIS), einer Gruppierung, die für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen in den von ihr kontrollierten Gebieten verantwortlich gemacht wird. Zwischen der vor allem aus ausländischen Kämpfern bestehenden ISIS und gemäßigteren Strömungen der gegen die Regierung des Präsidenten Baschar al-Assad kämpfenden Gruppierungen kommt es seit einigen Monaten auch zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Einige der gefangenen deutschen Kämpfer sollen bei einem Angriff von ISIS auf eine FSA-Kaserne in der Nähe des syrisch-türkischen Grenzübergangs Bab al-Hawa festgesetzt worden sein. Sicherheitskreise bestätigten laut „REPORT MAINZ“ die Angaben des FSAKommandanten weitgehend. So habe die FSA-Brigade „Nour Eddin Zinki“ am 17. Januar 2014 im Norden Syriens mindestens vier deutsche Staatsbürger gefangenen genommen (www.swr.de/report/presse/syrien-kriegsgefangene/-/ id=1197424/did=12979132/nid=1197424/4glqcq/index.html). 1. Inwieweit trifft nach Kenntnis der Bundesregierung ein Bericht des ARDPolitikmagazins „REPORT MAINZ“ über die Gefangennahme von deutschen Djihadisten durch die Freie Syrische Armee zu? a) Wie viele Djihadisten aus Deutschland befinden sich seit wann in GefanDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 14. April 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. genschaft der FSA, und wie viele davon sind deutsche Staatsangehörige? b) Wo und unter welchen Umständen wurden die Djhadisten aus Deutschland gefangenen genommen? Drucksache 18/1171 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode c) Aus welchen Gruppierungen und aus welchen deutschen Städten stammen die Gefangenen? d) Wie alt sind sie jeweils? e) Treffen die Angaben von „REPORT MAINZ“ zu, dass die Gefangenen der al-Qaida-nahen Gruppierung ISIS angehören? Wenn nein, welchen Kampfverbänden gehören die deutschen Djihadisten an? f) Auf welchen Reisewegen sind die jetzt in Gefangenschaft geratenen Djihadisten aus Deutschland nach Syrien gelangt, und inwieweit gibt es Hinweise dafür, dass die Einreise über die Türkei erfolgte? Es liegen keine Erkenntnisse vor, dass sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt deutsche Staatsangehörige in Gefangenschaft der Freien Syrischen Armee (FSA) befinden . Direkte Anfragen der Bundesregierung bei Vertretern des FSA Supreme Military Council ergaben insoweit keine Bestätigung einer Gefangennahme von deutschen Staatsangehörigen durch von der FSA koordinierte Brigaden. Hinsichtlich der Angaben von „REPORT MAINZ“ gibt die Bundesregierung keine Stellungnahme ab. Die Fragen beziehen sich auf Umstände, die potenziell strafverfahrensrelevant sind. Im Hinblick auf die konkrete Fragestellung und den eng begrenzten Sachverhalt könnte eine Beantwortung eine Individualisierung einzelner Personen ermöglichen und Rückschlüsse auf möglicherweise geführte strafrechtliche Ermittlungen zulassen, wodurch ein etwaiger Untersuchungszweck gefährdet wäre. Aus dem Rechtsstaats- und dem Gewaltenteilungsprinzip folgt das Gebot, die Durchführung von Ermittlungsverfahren nicht durch die Preisgabe einzelner Erkenntnisse zu gefährden, um so den staatlichen Rechtsdurchsetzungsanspruch durch die hierfür zuständigen Organe der Rechtspflege nicht zu gefährden. 2. Besteht ein Kontakt der Bundesregierung zu den FSA-Einheiten, die die deutschen Djihadisten gefangen halten? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. a) Hat sich die Bundesregierung um Kontakt zu den FSA-Einheiten bemüht , die die deutschen Djihadisten gefangen halten? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. b) Hat die FSA selber in dieser Angelegenheit den Kontakt zur Bundesregierung oder anderen deutschen Stellen gesucht? Der Bundesregierung sind keine Kontakte der FSA im Sinne der Fragestellung an deutsche Stellen bekannt. 3. Welche Schritte unternimmt die Bundesregierung, um eine Freilassung der gefangenen deutschen Djihadisten zu erreichen? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1171 4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die derzeitige Situation der von der FSA gefangen gehaltenen Djihadisten aus Deutschland? a) An welchem Ort werden die Gefangenen nach Kenntnis der Bundesregierung festgehalten? b) Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über den Gesundheitszustand der gefangenen deutschen Djihadisten einschließlich möglicher Verwundungen bei vorangegangen Kampfhandlungen? c) Inwieweit hat die Bundesregierung Hinweise auf Misshandlungen und Folterungen der Gefangenen durch FSA-Angehörige? 5. Inwieweit haben sich die jetzt in Gefangenschaft der FSA befindlichen Djihadisten aus Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung an Kriegsverbrechen gegen Zivilistinnen und Zivilisten, Angehörige syrischer Sicherheitskräfte und der Armee oder Angehörige konkurrierender Verbände der syrischen Opposition beteiligt? 6. Inwieweit haben sich die jetzt in Gefangenschaft der FSA befindlichen Djihadisten aus Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung an Kampfhandlungen gegen syrische Regierungstruppen oder konkurrierende bewaffnete Verbände der Opposition beteiligt? Die Fragen 4 bis 6 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 7. Wie viele der jetzt in Gefangenschaft der FSA befindlichen Djihadisten aus Deutschland waren den deutschen Sicherheitsbehörden als Gefährder oder als Kontaktperson bekannt, und gegen wie viele wurden von Seiten der Sicherheitsbehörden in der Zeit vor ihrer Ausreise welche Maßnahmen zur Beobachtung oder zur Prävention von Straftaten (insbesondere Bewegungsbeschränkungen und Ausreiseverbote) ergriffen? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 8. Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland Ermittlungsverfahren gegen die in Syrien gefangen gehaltenen Djihadisten wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung oder anderer Straftaten eingeleitet, und wenn ja, wann, gegen wie viele der jetzt gefangen gehaltenen Djihadisten und aufgrund des Verdachts auf welche Straftatbestände? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über in den Ländern geführte Ermittlungsverfahren im Sinne der Fragestellung vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 9. Liegen der Bundesregierung tatsächliche Anhaltspunkte für gewalttätige Bestrebungen von in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrten Djihadisten vor, oder bleibt es weiterhin bei der abstrakten Gefährdungseinschätzung , dass von ihnen aufgrund der militärischen Ausbildung und Erfahrung in Syrien und der ideologischen Radikalisierung in diesem Umfeld eine erhöhte Gefahr ausgeht? Der Konflikt in Syrien und die Teilnahme einer nicht unerheblichen Anzahl deutscher Staatsangehöriger bzw. von aus Deutschland stammenden Personen Drucksache 18/1171 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode ist grundsätzlich geeignet, die Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland zu beeinflussen. Hierbei gehen die Bundessicherheitsbehörden bereits seit geraumer Zeit davon aus, dass von aus Jihadschauplätzen zurückkehrenden Islamisten eine hohe abstrakte Gefährdung ausgeht, die sich unterschiedlich manifestieren kann. Einerseits haben diese Personen Kampferfahrung im gewaltsamen Jihad gesammelt und möglicherweise darüber hinausgehende Ausbildungen, z. B. im Umgang mit Sprengstoff, erhalten sowie in Teilen einen nicht unerheblichen Radikalisierungs - oder Traumatisierungsprozess durchlaufen. Andererseits erhöht ihr Engagement vor Ort das eigene Ansehen in der heimischen islamistischen Szene, wodurch nach der Rückkehr eine einfachere und zielgerichtete Indoktrinierung und Rekrutierung weiterer Personen stattfinden kann. Sachverhalte aus der Vergangenheit belegen zudem, dass derartig ausgebildete Personen befähigt und willens sind, Anschläge im In- und Ausland durchzuführen . Es muss daher zumindest mit einkalkuliert werden, dass dieser Personenkreis – je nach Motivation – bei seiner Rückkehr nach Deutschland auch Anschläge gegen deutsche Interessen und Einrichtungen in Betracht zieht. Den Bundessicherheitsbehörden liegen derzeit keine tatsächlichen Anhaltspunkte für konkret geplante gewalttätige Bestrebungen von in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrten Jihadisten im Sinne der Frage vor. 10. Wurden durch Behörden des Bundes Versuche unternommen, Rückkehrer aus Syrien zu einer Kooperation zu bewegen, um sie nachrichtendienstlich im Sinne einer Verbesserung bzw. weiteren Qualifizierung der Lageeinschätzung zu Syrien oder einzelnen syrischen Regionen abschöpfen zu können , wenn nein, warum nicht, und wenn ja, waren diese Versuche erfolgreich , und welche neuen Erkenntnisse (bspw. zur Unterstützung djihadistischer Gruppierungen durch ausländische Staaten oder mit deren Duldung, Proliferationswege für Waffen und andere militärische Ausrüstung, Unterstützerstrukturen in den EU-Staaten etc.) haben sie erbracht? Die Reisebewegungen deutscher Extremisten nach Syrien werden von den deutschen Sicherheitsbehörden nachrichtendienstlich intensiv aufgeklärt. Die Befragung von Syrien-Rückkehrern stellt dabei eine mögliche Form der nachrichtendienstlichen Aufklärung des Fallkomplexes dar. Grundsätzlich sind derartige Maßnahmen im Einzelfall hinsichtlich der möglichen Ergiebigkeit zu prüfen. Nach Einschätzung der Bundesregierung kommen insbesondere stark radikalisierte Rückkehrer für eine Kooperation im Sinne der Frage grundsätzlich nicht in Betracht. 11. Gab es in den laufenden Asylverfahren für syrische Asylsuchende oder bei den Aufnahmeverfahren im Rahmen der humanitär motivierten Aufnahmeprogramme von Bund und Ländern Fälle, in denen die Erteilung eines Schutzstatus oder die Aufnahme in die Bundesrepublik Deutschland verweigert wurde, weil gegen die betreffende Person der Verdacht bestand, in Syrien an Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschheit oder djihadistischen /terroristischen Bestrebungen beteiligt gewesen zu sein (bitte jeweils Anzahl der Fälle nach Jahren auflisten)? Unter den abgeschlossenen Asylverfahren für syrische Asylbewerber ist nur ein Fall der Ablehnung des Flüchtlingsschutzes nach § 60 Absatz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG) wegen Vorliegens des Ausschlussgrundes gemäß § 3 Absatz 2 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) im Jahr 2013 bekannt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1171 Im Rahmen des humanitären Aufnahmeverfahrens des Bundes für Flüchtlinge aus Syrien wurde kein Fall bekannt, bei dem jemand im Verdacht steht, in Syrien an Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder jihadistischen/ terroristischen Bestrebungen beteiligt gewesen zu sein. 12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über das Agieren von djihadistischen Aktivisten in der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf Drohungen und Straftaten gegen syrische Asylsuchende und Flüchtlinge sowie deutsche Staatsbürger syrischer Herkunft, die von djihadistischen Kreisen als „feindlich“ eingestuft werden? 13. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung im Rahmen des Austausches europäischer Sicherheitsbehörden über das Agieren von djihadistischen Aktivisten in EU-Ländern wie Belgien und den Niederlanden in Bezug auf Drohungen und Straftaten gegen syrische Asylsuchende und Flüchtlinge sowie Staatsbürger der EU-Mitgliedstaaten syrischer Herkunft, die von djihadistischen Kreisen als „feindlich“ eingestuft werden? Die Fragen 12 und 13 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Gesamtherstellung: H. 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