Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 28. März 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/11741 18. Wahlperiode 29.03.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Corinna Rüffer, Dr. Harald Terpe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/11487 – Die Anwendung von Zwang bei Kindern und Jugendlichen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie in Heimen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Während die gesetzlichen Regelungen für untergebrachte bzw. sonst in einer Einrichtung befindliche betreute Erwachsene in den letzten Jahren umfassend geändert wurden, ist dies im Zusammenhang mit untergebrachten Kindern und Jugendlichen nicht der Fall. Soll eine erwachsene Person untergebracht, während einer Unterbringung gegen ihren Willen behandelt, fixiert oder isoliert werden, muss ein Betreuungsgericht diese Maßnahmen genehmigen. Zudem sind ärztlichen Zwangsmaßnahmen durch klare gesetzliche Kriterien enge Grenzen gesetzt. Bei Kindern steht bislang nur die freiheitsentziehende Unterbringung unter richterlichem Genehmigungsvorbehalt, was die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit einem Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 18/9804) ändern möchte. Auch nach Willen der Bundesregierung soll die familiengerichtliche Genehmigung für freiheitsentziehende Maßnahmen, wie Fixierungen und Isolierungen, bei Kindern eingeführt werden (Bundestagsdrucksache 18/11278). Regelungen zu ärztlichen Zwangsmaßnahmen enthält der Gesetzentwurf jedoch nicht. Ärztliche Zwangsmaßnahmen bei untergebrachten Kindern stehen weder unter Richtervorbehalt noch ist gesetzlich klargestellt, wann Behandlungen gegen ihren Willen überhaupt zulässig sind. Für diese Maßnahmen ist eine Zustimmung der Sorgeberechtigten ausreichendend. Die Anwendung von Zwang ist im Lichte der Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) zu bewerten, die mit ihrer Ratifizierung im Jahr 2009 Gesetzeskraft in Deutschland erlangt hat. Zudem sind die Schutzvorschriften der UN-Kinderrechtskonvention zu beachten, zu deren Leitprinzipien die Berücksichtigung des Kindeswillens sowie die Vorrangigkeit des Kindeswohls gehören. Die aktuelle Rechtslage birgt jedoch Risiken für das Kindeswohl und das Selbstbestimmungsrecht von Kindern. Denn ärztliche und freiheitsentziehende Zwangsmaßnahmen, wie Fixierungen, können gerade für untergebrachte Kin- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11741 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode der, die regelmäßig erhebliche seelische Vorbelastungen mitbringen, viel gravierender sein als die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung selbst. Zudem stehen die Sorgeberechtigten oftmals unter Druck, freiheitsentziehenden Maßnahmen vorab zustimmen zu müssen, wenn sie ein Heimplatz für ihr Kind suchen, denn viele Einrichtungen machen diese Zustimmung zur Aufnahmevoraussetzung . Der besonders schutzbedürftigen Gruppe der Kinder und Jugendlichen sollte besondere Aufmerksamkeit gelten. Fachkreise fordern daher, auch bei diesen Kindern neben den freiheitsentziehenden auch die ärztlichen Zwangsmaßnahmen nur mit Genehmigung des Familiengerichts zuzulassen, um die Anwendung von Zwangsbehandlungen zu vermindern und Rechtssicherheit zu schaffen (u. a. Gemeinsame Stellungnahme der Kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaft und der Fachverbände vom 27. Juni 2016). 1. Wie viele freiheitsentziehende Unterbringungen eines Kindes in der Kinderund Jugendpsychiatrie sowie Einrichtungen der Jugend- oder Behindertenhilfe zur Abwendung einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung gemäß § 1631b des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wurden nach Kenntnis der Bundesregierung von 2006 bis 2016 jährlich genehmigt, angeordnet oder abgelehnt (bitte nach Art der Einrichtung, d. h. Kinder- und Jugendpsychiatrie , Heim der Jugendhilfe oder Heim der Behindertenhilfe sowie nach Kindern bis 12 Jahren, 12 bis 16 Jahren und 16 bis 18 Jahren sowie nach Geschlecht des Kindes aufschlüsseln)? Vor Einführung des am 1. September 2009 in Kraft getretenen Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) waren für die Genehmigung von freiheitsentziehender Unterbringungen sowohl die Vormundschaftsgerichte als auch die Familiengerichte zuständig. Die Vormundschaftsgerichte waren nach § 70 Absatz 2 Satz 1, Absatz 2 Satz 3 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) sowohl für die Unterbringung Volljähriger als auch Minderjähriger zuständig, soweit für diese ein Vormund oder Ergänzungspfleger bestellt war. Für die Unterbringung durch die sorgeberechtigten Eltern nach § 1631b BGB waren dagegen die Familiengerichte zuständig. Seit Einführung des FamFG und der Auflösung der Vormundschaftsgerichte sind für die Unterbringung Minderjähriger ausschließlich die Familiengerichte zuständig. Für den Zeitraum bis 2009 kann die Zahl der Unterbringungen daher zum einen der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Statistik „Familiengerichte “ – Fachserie 10 Reihe 2.2 – (F-Statistik) entnommen werden, welche die Unterbringung von Minderjährigen nach § 1631b BGB ausweist, zum anderen der vom Bundesamt für Justiz (BfJ) erstellten Zeitreihe zur Geschäftsentwicklung der freiwilligen Gerichtsbarkeit – Amtsgerichte (GÜ2), welche die Unterbringungen durch die Vormundschaftsgerichte ausweist, wobei letztere nur Volljährige und Minderjährige gemeinsam ausweist. Hierbei handelte es sich jedoch um die Zahl der anhängigen bzw. durchgeführten Verfahren, die nicht notwendigerweise in einer Unterbringung endeten. Ab 2010 werden lediglich die Zahlen zu den gerichtlichen Unterbringungsverfahren nach § 1631b BGB in der Fachserie des Statistischen Bundesamtes jährlich erfasst. Bei diesen Zahlen ist Folgendes zu beachten: Nicht erfasst ist der Ausgang der Verfahren, d. h. ob in dem Verfahren eine Genehmigung der freiheitsentziehenden Unterbringung erfolgt ist, die Genehmigung abgelehnt wurde oder sich das Verfahren in sonstiger Weise erledigt hat (z. B. weil der Minderjährige wieder Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11741 entlassen wurde oder von einer Unterbringung zwischenzeitlich wieder abgesehen wurde), d. h. die mitgeteilten Zahlen lassen keine Rückschluss auf die tatsächlich erteilten Genehmigungen zu. Ferner kann auf der Basis dieser Daten nicht beantwortet werden, inwiefern von einer gerichtlich erteilten Genehmigung tatsächlich Gebrauch gemacht wurde. Zu beachten ist ferner, dass parallel zu einem Hauptsacheverfahren häufig bereits ein Verfahren zum Erlass einer einstweiligen Anordnung eingeleitet wird, so dass es sich statistisch um zwei Verfahren , aber tatsächlich nur um einen Unterbringungsfall handelt. Zu berücksichtigen ist zudem, dass auch Verfahren zur Verlängerung oder Aufhebung einer Genehmigung als gesonderte Verfahren erfasst werden. Eine Aufschlüsselung nach Art der Verfahren, der Einrichtung sowie nach Alter und Geschlecht der untergebrachten Kinder und Jugendliche ist aus diesen Statistiken nicht möglich, da diese Merkmale dort nicht erfasst werden. Zahlen für das Jahr 2016 liegen aktuell noch nicht vor. Tabelle 1: zu § 70 Abs.1 S.2 Nr. 1a FGG bzw. § 1631b BGB GÜ 2 Verfahren nach § 70 Abs. 1 S 2 Nr. 1a FGG“ 1, 2) F-Statistik Unterbringung nach § 1631 b BGB Verfahren insgesamt (Hauptsacheverfahren und einstweiligen Anordnungen) Familiensachen i.e.S. 3), d.h. ohne einstweilige Anordnungen 2005 4.527 7.383 2006 2.692 6.016 2007 2.775 8.240 2008 3.592 9.252 2009 3.712 9.830 2010 10.969 7.805 2011 11.791 7.085 2012 13.024 7.117 2013 13.470 6.897 2014 13.662 6.212 2015 14.304 6.112 1) Daten werden seit 2010 nicht mehr differenziert erhoben. 2) In Baden-Württemberg sind gemäß §§ 36, 37 LFGG im OLG-Bezirk Stuttgart (wüttembergischer Landesteil) für die Geschäfte des Vormundschaftsgerichts und damit für Betreuungs-, Vormundschafts - und Pflegschaftsverfahren weitgehend die Notariate zuständig. Zum Zuständigkeitsbereich der Amtsgerichte gehören lediglich die im Rahmen dieser Verfahren anfallenden Einzelmaßnahmen , die unter Richtervorbehalt stehen. Diese Notariate sind in der Geschäftsübersicht der Amtsgerichte nicht erfasst. 3) Ohne abgetrennte Folgesachen, einstweilige Anordnungen, Abhilfeverfahren und Lebenspartnerschaftssachen . Diese Kategorie wird erst seit 2010 erhoben. Quelle: Bundesamt für Justiz, Geschäftsübersichten der Amtsgerichte für die Jahre 2005 bis 2009. Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.2, Tabelle 2.1. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11741 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Tabelle 2: Hilfen zur Erziehung (einschl. Hilfen für junge Volljährige) mit richterlicher Genehmigung für eine Unterbringung mit Freiheitsentzug nach § 1631b BGB (Deutschland; 2008-2015; begonnene und am Jahresende andauernde Hilfen)* Unterbringung mit richterlicher Genehmigung nach § 1631b BGB für §§ 34, 35 SGB VIII Unterbringung nach §§ 34, 35 SGB VIII insgesamt Anteil der Unterbringungen mit richterlicher Genehmigung insgesamt (in %) Begonnene Hilfen Andauernde Hilfen am Jahresende Begonnene Hilfen Andauernde Hilfen am Jahresende Begonnene Hilfen Andauernde Hilfen am Jahresende 2008 467 974 35.309 62.177 1,3 1,6 2009 457 932 37.007 64.249 1,2 1,5 2010 502 1.053 37.739 66.678 1,3 1,6 2011 539 1.120 38.575 68.844 1,4 1,6 2012 637 1.236 39.052 70.089 1,6 1,8 2013 637 1.288 40.022 72.728 1,6 1,8 2014 665 1.345 43.085 75.785 1,5 1,8 2015 620 1.469 53.277 85.523 1,2 1,7 * Angaben für 2016 liegen nicht vor. Für das Jahr 2006 wurde das Datum im Rahmen der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik nicht erhoben sowie für das Jahr 2007 aufgrund einer Umstellung der Erhebung von einer Untererfassung auszugehen ist. Die Darstellung berücksichtigt Leistungen der Hilfen zur Erziehung gem. §§ 34 und 35 SGB VIII in Verbindung mit § 27 SGB VIII. Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Hilfe zur Erziehung, Eingliederungshilfe , Hilfe für junge Volljährige; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11741 Tabelle 3: Hilfen zur Erziehung (nur Heimerziehung gem. § 34 SGB VIII) mit richterlicher Genehmigung für eine Unterbringung mit Freiheitsentzug nach § 1631b BGB nach Altersgruppen (Deutschland; 2008-2015; begonnene und am Jahresende andauernde Hilfen)* Unterbringung nach § 1631b BGB für § 34 SGB VIII Unterbringung nach § 34 SGB VIII insgesamt Begonnene Hilfen Andauernde Hilfen am Jahresende Begonnene Hilfen Andauernde Hilfen am Jahresende 2008 unter 12 J. 111 244 9.325 14.563 12 bis unter 15 J. 130 201 7.682 13.114 15 bis unter 18 J. 175 360 12.306 22.068 2009 unter 12 J. 106 222 9.289 15.359 12 bis unter 15 J. 138 200 8.248 13.700 15 bis unter 18 J. 174 348 13.219 22.501 2010 unter 12 J. 113 255 9.299 16.163 12 bis unter 15 J. 138 218 8.501 14.535 15 bis unter 18 J. 200 387 13.537 23.046 2011 unter 12 J. 114 268 9.897 17.297 12 bis unter 15 J. 165 249 8.786 14.959 15 bis unter 18 J. 194 404 13.621 23.719 2012 unter 12 J. 168 330 9.901 17.908 12 bis unter 15 J. 177 267 8.774 15.250 15 bis unter 18 J. 230 424 13.924 24.117 2013 unter 12 J. 185 373 10.066 18.765 12 bis unter 15 J. 152 275 8.414 15.470 15 bis unter 18 J. 225 428 14.504 25.096 2014 unter 12 J. 192 391 10299 19072 12 bis unter 15 J. 181 282 8913 15830 15 bis unter 18 J. 228 428 16446 26259 2015 unter 12 J. 178 385 9.773 18.883 12 bis unter 15 J. 154 295 9.453 16.221 15 bis unter 18 J. 222 460 25.332 33.005 * Angaben für 2016 liegen nicht vor. Die Darstellung berücksichtigt Leistungen der Hilfen zur Erziehung gem. §§ 34 und 35 SGB VIII in Verbindung mit § 27 SGB VIII. Anders als für die Tabelle 3 bleiben Hilfen für junge Volljährige unberücksichtigt. Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Hilfe zur Erziehung, Eingliederungshilfe , Hilfe für junge Volljährige; versch. Jahrgänge; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11741 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Zu freiheitsentziehenden Unterbringungen von Kindern und Jugendlichen haben die nachgenannten Länder auf Anfrage ergänzend folgende Informationen gegeben : Berlin: Seit 2012 wurden im Kontext des damaligen Berliner PsychKG jährliche Abfragen zu den Unterbringungen in den Kliniken durchgeführt. Dabei wurde im Sinne einer Vergleichsgröße auch die Zahl der Unterbringungen nach § 1631b BGB in der Kinder- und Jugendpsychiatrie abgefragt. Diese sind wie folgt: 2012: 51 Personen 51 Fälle 2013: 71 Personen 71 Fälle 2014: 73 Personen 96 Fälle 2015: 90 Personen 122 Fälle Daten für 2016 liegen noch nicht vor. Hamburg: Eine Aufschlüsselung nach Einrichtungen, Alter oder Geschlecht ist in Hamburg nicht möglich. Erledigte Verfahren mit Verfahrensgegenstand Unterbringung nach § 1631b BGB 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Amtsgericht 133 172 169 206 236 249 306 302 318 277 332 Quelle: Justizbehörde Hamburg: Zentralamt Referat Kennzahlen und Statistik – Z 14/32 – Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/11741 Niedersachsen: Übersicht über die Fälle der Unterbringungen nach § 1631b BGB bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften des Landes Niedersachsen: Amtsgerichte II. Familiensachen 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 1. Familiensachen (F) Zugänge 61.506 68.556 65.237 64.757 64.585 62.327 65.223 63.142 Erledigungen 58.766 65.286 68.208 65.175 66.045 62.685 65.901 66.871 Endbestand 38.803 42.075 39.122 38.702 37.224 36.859 36.182 32.455 2. Von den erledigten Verfahren in Nr. 1 betrafen m) Unterbringung nach § 1631b BGB 406 1.354 1.452 1.829 2.069 2.043 2.065 2.187 3. Unter den Verfahren in Nr. 2 betrafen Verfahren über einstweilige Anordnungen m) Unterbringungen nach § 1631b BGB 33 179 371 497 651 957 1.177 1.414 Oberlandesgerichte und Generalstaatsanwaltschaften B. Familiensachen 1. Berufungsverfahren und Beschwerden gegen Endentscheidungen (UF) Zugänge 2.989 3.438 3.666 3.529 3.367 3.453 3.234 2.996 Erledigungen 3.003 3.287 3.654 3.662 3.451 3.435 3.303 3.045 Endbestand 1.121 1.272 1.285 1.152 1.068 1.086 1.020 971 2. Von den erledigten Verfahren in Nr. 1 m) Unterbringung nach § 1631b BGB 4 31 24 36 36 27 13 26 Zu beachten ist dabei, dass die Verfahren nach § 1631b BGB erst seit Inkrafttreten des Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) am 1. September 2009 erhoben worden sind, so dass die Zahlen für das Jahr 2009 erheblich geringer sind, da nur vier Monate erfasst worden sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11741 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Sachsen: Nach Auskunft des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz werden nach der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz über die statistische Erhebung bei den ordentlichen Gerichten und Staatsanwaltschaften (VwV Geschäftsstatistik der ordentlichen Gerichte und Staatsanwaltschaften) vom 15. Dezember 2016 (nicht veröffentlicht) in Familiensachen (F-Statistik) die Anzahl der erledigten Verfahren mit dem Verfahrensgegenstand „Unterbringung nach § 1631b BGB“ erfasst. Eine weitere Differenzierung nach der Art der Verfahrenserledigung , nach der Art der Einrichtung und gegebenenfalls der Dauer der freiheitsentziehenden Unterbringungen sowie Alter und Geschlecht des Kindes findet innerhalb der statistischen Erhebung nicht statt. Die Zahl der erledigten Verfahren nach § 1631b BGB stellt sich für die Jahre 2006 bis 2016 wie folgt dar: 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 337 496 443 308 567 548 586 635 621 670 627 2. Sollte die Zahl der freiheitsentziehenden Unterbringungen gemäß § 1631b BGB in den letzten zehn Jahren gestiegen sein, worauf führt die Bundesregierung den Anstieg zurück? Die vom Statistischen Bundesamt herausgegebene F-Statistik lässt zwar in den letzten zehn Jahren eine Steigerung der Zahl der Verfahren auf Unterbringung nach § 1631b BGB erkennen. Allerdings ist der Statistik nicht zu entnehmen, wie diese Verfahren ausgegangen sind, ob sie also auch tatsächlich zu einer freiheitsentziehenden Unterbringung geführt haben. Eine systematische Analyse der Ursachen für die gestiegenen Fallzahlen ist der Bundesregierung mithin nicht bekannt. Nach Experteneinschätzung dürfte jedoch die allgemein gestiegene Sensibilisierung für die rechtlichen, menschenrechtlichen und ethischen Aspekte von Zwangsmaßnahmen in der psychiatrischen Versorgung dazu geführt haben, dass die Notwendigkeit gerichtlicher Genehmigungen von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen auch bei Kindern und Jugendlichen immer stärker gesehen wird und demzufolge auch die Anträge angestiegen sind. Diese gestiegene Sensibilisierung wird sowohl von den Fachgesellschaften und Fachverbänden wie auch von der Bundesregierung ausdrücklich begrüßt. Auch die Zahl der Unterbringungen im Rahmen der Hilfen zur Erziehung, ist zwischen 2008 und 2015 parallel zu den Fallzahlen insgesamt gestiegen. Der Anteil der Unterbringungen mit einer richterlichen Genehmigung an allen Unterbringungen im Rahmen der Heimerziehung (§ 34 SGB VIII) sowie der intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuungen (§ 35 des Achten Buches Sozialgesetzbuch –Kinder und Jugendhilfe – SGB VIII variiert zwischen 2008 und 2015 zwischen 1,2 Prozent und 1,6 Prozent (begonnene Hilfen) bzw. zwischen 1,5 Prozent und 1,8 Prozent (andauernde Hilfen am Jahresende). Der prozentuale Anteil ist also für den benannten Zeitraum konstant. Dies legt die Vermutung nahe, dass die zu beobachtenden Zunahmen bei den Unterbringungen mit einer richterlichen Genehmigung vor dem Hintergrund der Gesamtfallzahlenentwicklung einzuordnen ist. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/11741 3. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung regionale Unterschiede hinsichtlich der Anzahl genehmigter freiheitsentziehender Unterbringungen gemäß § 1631b BGB, und wenn ja, worauf sind diese nach Einschätzung der Bundesregierung zurückzuführen (z. B. Praxis der Gerichte, Strukturen des offenen psychiatrischen-psychotherapeutischen Hilfesystems, Krankheitsbild des Kindes)? Die vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Statistik „Familiengerichte“ (Fachserie 10 Reihe 2.2 Rechtspflege) weist zwar die Anzahl der Verfahren nach Ländern aus. Den Statistiken lassen sich jedoch regionale Unterschiede in der Genehmigungspraxis der Gerichte bereits deshalb nicht entnehmen, weil sie lediglich Zahlen für die Länder insgesamt ausweisen, ohne dass sie Bezug auf die regionale Verteilung nehmen. Tabelle 4: Vor dem Amtsgericht erledigte Familiensachen zur Unterbringung nach § 1631b BGB (Bundesländer; 2015)* Unterbringung nach § 1631b BGB Insgesamt Ohne u. a. abgetrennte Folgesachen, einstweilige Anordnungen Baden-Württemberg 1.421 623 Bayern 3.219 776 Berlin 317 161 Brandenburg 300 136 Bremen 81 23 Hamburg 277 148 Hessen 1.112 532 Mecklenburg-Vorpommern 109 59 Niedersachsen 2.065 887 Nordrhein-Westfalen 3.058 1.414 Rheinland-Pfalz 563 417 Saarland 139 45 Sachsen 670 341 Sachsen-Anhalt 353 230 Schleswig-Holstein 328 172 Thüringen 292 148 Deutschland insg. 14.304 6.112 * Angaben für 2016 liegen nicht vor. Quelle: Statistisches Bundesamt: Fachserie 10. Reihe 2.2. Rechtspflege. Familiengerichte; 2015; Zusammenstellung und Berechnung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik Die Fallzahlen dürften u. a. auch davon abhängen, ob und wenn ja welche Art von stationärer Einrichtung in dem jeweiligen Amtsgerichtsbezirk existiert und welche Krankheitsbilder dort behandelt werden. Für den Bereich der Einrichtungen der Behindertenhilfe teilten die Länder Bayern , Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Brandenburg, Hamburg, Mecklen- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11741 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode burg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen -Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen auf Anfrage mit, dass sie – auch aufgrund der Kürze der Zeit – hierzu keine Angaben machen können. 4. Wie viele freiheitsentziehende Unterbringungen nach § 1631b BGB dauerten nach Kenntnis der Bundesregierung von 2006 bis 2016 jährlich bis zu 2 Wochen, 2 Wochen bis 6 Wochen, 1,5 Monate bis 3 Monate, 4 bis 6 Monate , 7 bis 12 Monate, 1 bis 2 Jahre und 2 bis 5 Jahre (bitte nach Art der Einrichtung aufschlüsseln)? Hierzu haben die nachstehend genannten Länder auf Anfrage folgende Informationen zu freiheitsentziehenden Unterbringungen in Einrichtungen der Kinderund Jugendpsychiatrie gegeben: Berlin, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen geben an, dass keine landesweiten statistischen Erhebungen im Sinne der Fragestellung vorliegen. Ein Hamburger Krankenhaus führt hierzu aus, dass in der Regel die freiheitsentziehende Unterbringung nach § 1631b BGB von sechs Wochen bis zu drei Monaten dauert; in Ausnahmen gibt es Behandlungen bis zu sechs Monaten. Im Übrigen liegen der Bundesregierung hierzu keine statistischen Daten vor. 5. Wie viele Kinder haben nach Kenntnis der Bundesregierung von 2006 bis 2016 jährlich ärztliche Zwangsmaßnahmen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie in Einrichtungen der Jugend- oder Behindertenhilfe erfahren (bitte nach Art der Einrichtung, nach Kindern bis 12 Jahren, 12 bis 16 Jahren und 16 bis 18 Jahren sowie nach Geschlecht des Kindes aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine statistischen Daten vor. Zu Zwangsmaßnahmen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie hat lediglich Hamburg Folgendes berichtet: Die Hamburgische Bürgerschaft hat am 25. September 2013 u. a. das Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (HmbPsychKG) beschlossen. Hintergrund der notwendigen Gesetzesänderung waren u. a. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zur Zulässigkeit der medizinischen Zwangsbehandlung. Die Zwangsbehandlung war in Hamburg auch schon vor der Entscheidung im HmbPsychKG gesetzlich geregelt, konnte aber durch die Änderung des Gesetzes noch besser an die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes angepasst werden. In diesem Zusammenhang hat die Hamburgische Bürgerschaft den Senat ersucht, die Anzahl , Durchführung und das Ziel einer Verringerung von Zwangsbehandlungen in Hamburger Einrichtungen zu evaluieren und die Ergebnisse und Empfehlungen dieser Untersuchungen der Bürgerschaft bis zum 1. Juni 2015 zuzuleiten. Dieses ist mit der Drucksache 21/1580 geschehen. Hieraus können für die Maßnahmen unter dem HmbPsychKG folgende Zahlen entnommen werden: Ärztliche Zwangsmaßnahmen in den Kinder- und Jugendpsychiatrien in Hamburg : Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/11741 Zahl der Fälle, Geschlecht und Einzelmaßnahmen gemäß HmbPsychKG im Zeitraum vom 1. April 2014 bis 31. Dezember 2016: Zeitraum Fälle Zwangsmaßnahmen* Fälle insg. ** Prozent Summe der Einzelmaßnahmen Gesamt davon Mädchen davon Jungen 01.04. - 31.12.2014*** 26 3 23 1.039 2,5 38 01.01. - 31.12.2015 21 10 11 1.296 1,6 26 01.01. - 31.12.2016**** 103 83 20 1.326 7,8 111 * Fälle Zwangsmaßnahmen auf Basis der Erhebung der BGV ** Fälle in kinder- und jugendpsychiatrischen Fachabteilungen Hamburger Krankenhäuser auf Basis der Hamburger Krankenhausstatistik *** Aufgrund des Erhebungsbeginns liegen für das Jahr 2014 nur Meldungen für 3 Quartale vor **** Angaben sind noch vorläufig, incl. Sonderfall: eine Person viele Fälle. Die Summe der Einzelmaßnahmen überschreitet die Anzahl der Gesamtfälle, da hier auf einen Fall mehrere Maßnahmen entfallen können. z. B.: Fixierung und Zwangsmedikation. Wegen der geringen Fallzahlen können aus Gründen des Datenschutzes für den Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie keine Angaben zu einzelnen Maßnahmen gemacht werden und damit nur die Gesamtzahlen der jeweiligen Jahre angegeben werden. 6. Wie viel Prozent der Kinder, die sich in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie in Einrichtungen der Jugend- oder Behindertenhilfe aufhielten, haben nach Kenntnis der Bundesregierung jährlich von 2006 bis 2016 ärztliche Zwangsmaßnahmen erfahren (bitte nach Art der Einrichtung aufschlüsseln)? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 7. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Art der von 2006 bis 2016 jährlich durchgeführten ärztlichen Zwangsmaßnahmen bei Kindern (bspw. Zwangsmedikation, Zwangsoperation, Zwangsernährung)? 8. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Dauer der im Zeitraum von 2006 bis 2016 jährlich durchgeführten ärztlichen Zwangsmaßnahmen bei Kindern? Die Fragen 7 und 8 werden im Zusammenhang beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine statistischen Daten vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11741 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Wie viele Kinder haben nach Kenntnis der Bundesregierung von 2006 bis 2016 jährlich freiheitsentziehende Maßnahmen (z. B. Isolierung, Fixierung, sedierende Medikation) in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie in Einrichtungen der Jugend- oder Behindertenhilfe erfahren (bitte nach Art der Einrichtung, nach Kindern bis 12 Jahren, 12 bis 16 Jahren und 16 bis 18 Jahren sowie nach Geschlecht des Kindes aufschlüsseln)? 10. Wie viel Prozent der Kinder und Jugendlichen, die sich in der Kinder- und Jugendpsychiatrie oder in Einrichtungen der Jugend- oder Behindertenhilfe aufhielten, haben nach Kenntnis der Bundesregierung jährlich von 2006 bis 2016 freiheitsentziehende Zwangsmaßnahmen erfahren (bitte nach Art der Einrichtung aufschlüsseln)? Die Fragen 9 und 10 werden im Zusammenhang beantwortet. Hamburg verweist bezüglich Maßnahmen im Rahmen des HmbPsychKG auf die Antwort zu Frage 5. Im Übrigen liegen der Bundesregierung hierzu keine statistischen Daten vor. 11. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Art der im Zeitraum von 2006 bis 2016 jährlich durchgeführten freiheitsentziehenden Maßnahmen bei Kindern (bspw. Medikation, Fixierungen, Isolierung)? Nach Kenntnis der Bundesregierung kommt es in der stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie in Einzelfällen – insbesondere bei akuter krankheitsbedingter Selbst- oder Fremdgefährdung – zur Anwendung von freiheitsentziehenden Unterbringungen wie auch zur Anwendung von unterbringungsähnlichen Maßnahmen mit freiheitsentziehender Wirkung. Zu den unterbringungsähnlichen Maßnahmen mit freiheitsentziehender Wirkung zählen Festhalten, Fixierung, Isolierung und medikamentöse Sedierung. Die nachstehend genannten Länder haben hierzu auf Anfrage folgende Informationen gegeben: Hamburg: Wegen der geringen Fallzahlen können aus Gründen des Datenschutzes für den Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hamburg keine Angaben zu einzelnen Maßnahmen gemacht werden und damit nur die Gesamtzahlen der jeweiligen Jahre angegeben werden. In der Regel handelt es sich bei den durchgeführten freiheitsentziehenden Maßnahmen um Isolierung bei Fremd- oder Selbstgefährdung und um einen geringen Anteil an Fixierungen zur Abwendung akuter Selbstgefährdung. Sachsen: Gemäß § 31 SächsPsychKG darf der Patient oder die Patientin in den Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie nur solchen Sicherungsmaßnahmen unterworfen werden, die für den Zweck der Unterbringung und zur Vermeidung oder Beseitigung einer erheblichen Störung der Sicherheit und Ordnung des Krankenhauses unerlässlich sind. Als Sicherungsmaßnahmen sind zulässig: 1. der Entzug oder das Vorenthalten von Gegenständen 2. die Beobachtung bei Nacht 3. die Absonderung von anderen Patienten 4. der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthaltes im Freien Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/11741 5. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Unterbringungsraum ohne gefährdende Gegenstände 6. die Fesselung 7. die zeitweise Fixierung und 8. die medikamentöse Ruhigstellung, die einer zeitweisen mechanischen Fixierung in ihrem Zweck und ihren Auswirkungen gleichkommt. Thüringen: Eine zeitweise Unterbringung im Time-Out-Raum ist oft unvermeidlich. Landesweite Statistiken für diesen Zeitraum gibt es nicht. Darüber hinaus hat die Bundesregierung hierzu keine Erkenntnisse. 12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Dauer der im Zeitraum von 2006 bis 2016 jährlich durchgeführten freiheitsentziehenden Maßnahmen bei Kindern (bitte nach Art der freiheitsentziehenden Maßnahme sowie nach Art der Einrichtung aufschlüsseln)? Für den Bereich der Einrichtungen der Behindertenhilfe liegen der Bundesregierung keine Daten über die Anzahl, Art und Dauer der durchgeführten freiheitsentziehenden Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen vor. Auch die Länder Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg -Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen -Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen teilten auf entsprechenden Anfrage mit, dass sie – auch aufgrund der Kürze der Zeit – keine Angaben über die Anzahl, Art und Dauer der durchgeführten freiheitsentziehenden Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen in diesen Einrichtungen machen können. Bezüglich freiheitsentziehender Maßnahmen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie haben Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen angegeben, dass über die Dauer dieser Maßnahmen keine landesweiten Statistiken vorliegen. Hamburg verweist bezüglich Maßnahmen in Hamburger Kinder- und Jugendpsychiatrien im Rahmen des HmbPsychKG auf die Antwort zu Frage 11 und führt aus, dass es sich in den meisten Fällen um kurze Isolierungen von wenigen Minuten bis max. 20 Minuten handelt. Darüber hinaus hat die Bundesregierung zu dieser Frage keine Kenntnisse. 13. Sollten Kinder eines Geschlechts häufiger Zwangsmaßnahmen erfahren als das andere, worauf ist der Unterschied nach Einschätzung der Bundesregierung zurückzuführen, und welche Schlüsse zieht sie daraus? Die in der Antwort zu Frage 1 genannten statistischen Erhebungen differenzieren nicht nach dem Geschlecht der betroffenen Kinder. Der Bundesregierung liegen daher keine entsprechenden Informationen vor. In der Fachwelt bekannt sind allerdings störungsspezifische Differenzen zwischen den Geschlechtern. So sind von Essstörungen, die eine Zwangsernährung notwendig machen können, größtenteils weibliche Patientinnen betroffen. Männliche Patienten weisen öfter Störungen des Sozialverhaltens auf, die – in besonders schweren Fällen – ebenfalls zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen, wie z. B. Isolation führen können. Grundsätzlich haben Entscheidungen über die Notwendigkeit einer Zwangsmaßnahme auf Basis einer aktuellen sorgfältigen Einschätzung der individuellen Situation zu erfolgen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11741 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 14. a) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Anwendung von Zwangsmaßnahmen bei einsichtsfähigen Jugendlichen? Im Kontext von Zwangsmaßnahmen kommt es maßgeblich darauf an, ob der Betroffene trotz seiner Erkrankung noch zu einer freien Willensbestimmung fähig ist. Die beiden entscheidenden Kriterien sind dabei die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Fehlt es an einem dieser beiden Elemente, liegt kein freier, sondern nur ein natürlicher Wille vor (so – für Volljährige – BGH 7.10.2015 – XII ZB 58/15). So ist im Rahmen der Unterbringung Volljähriger nach § 1906 Absatz 1 Nummer 1 und 2 BGB anerkannt , dass eine freie Willensbestimmung ohne eine Krankheitseinsicht des Betroffenen nicht möglich ist (BGH vom 13. April 2016 – XII ZB 236/15; BGH vom 3. Februar 2016 – XII ZB 317/15). Zu a) Dies vorausgeschickt, haben die nachstehend genannten Länder hierzu auf Anfrage folgende Informationen gegeben: Ein Hamburger Krankenhaus führt aus, dass Zwangsmaßnahmen nur bei Jugendlichen angewendet werden, bei denen durch Art und Schwere der Erkrankung eine Einsichtsfähigkeit nicht mehr vorliegt. Auch seitens Thüringens wird ausgeführt, dass es keine Zwangsmaßnahmen bei einsichtsfähigen Jugendlichen gibt. Sachsen verweist darauf, dass Behandlungen gegen den natürlichen Willen des Patienten nur möglich sind, wenn der Patient krankheitsbedingt nicht fähig ist, Grund, Bedeutung und Tragweite der Behandlung einzusehen oder seinen Willen nach dieser Einsicht zu bestimmen . Im Übrigen liegen der Bundesregierung keine spezifischen Informationen über die Art und den Umfang der tatsächlich angewandten Zwangsmaßnahmen bei einsichtsfähigen Jugendlichen vor. b) Inwiefern sind Zwangsmaßnahmen bei einsichtsfähigen Jugendlichen nach Ansicht der Bundesregierung mit ihrem Selbstbestimmungsrecht vereinbar? Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehalts bei freiheitsentziehenden Maßnahmen bei Kindern (Bundestagsdrucksache 18/11278) sollen künftig auch für freiheitsentziehende Maßnahmen die gesetzlichen Regelungen Anwendung finden, die für die freiheitsentziehende Unterbringung eines Minderjährigen nach § 1631b BGB bereits gelten. Sie sollen mithin zukünftig ebenfalls der familiengerichtlichen Genehmigung bedürfen. Auch freiheitsentziehende Maßnahmen sind Ultima Ratio, d. h. sie sind nur zulässig, wenn sie zum Wohl des Kindes erforderlich sind, und die Gefahr nicht auf andere Weise, etwa durch öffentliche Hilfen, beseitigt werden kann (§ 1631b Absatz 2 Satz i. V. m. § 1631b Absatz 1 Satz 2 BGB-E des Gesetzentwurfs der Bundesregierung). Die Entscheidung des Familiengerichts hat nach der gesetzlichen Vorgabe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit streng zu beachten. Freiheitsentziehende Maßnahmen kommen daher – wie die freiheitsentziehende Unterbringung – „nur als letztes Mittel und nur für die kürzest angemessene Zeit in Betracht (vgl. auch Artikel 37 Buchstabe b der UN-Kinderrechtekonvention “, vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls, Bundestagsdrucksache 16/6815, S. 14). In den Fällen, in denen Zwangsmaßnahmen von den Eltern in Betracht gezogen werden, kann oft bereits nicht ohne besondere Sachkunde beurteilt werden, ob der betroffene Minderjährige hinreichend einsichtsfähig ist oder nicht. Liegt die Einsichtsfähigkeit vor, stellt sich die schwierige Frage, wie das Spannungsver- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/11741 hältnis zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen und dem Sorgerecht der Eltern bzw. sonstigen Sorgeberechtigten aufzulösen ist. Dieses Spannungsfeld besteht allerdings nicht nur hier, sondern auch in anderen erzieherischen Zusammenhängen, vor allem im medizinischen Bereich, etwa wenn es um die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch oder über lebenserhaltende Maßnahmen geht. Zum einen steht der Minderjährige bis zu seiner Volljährigkeit unter elterlicher Sorge, zu der u. a. die Sorge für das körperliche Wohl und die Gesundheit gehört; zum anderen haben die Eltern nach § 1626 Absatz 2 BGB bei der Pflege und Erziehung die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem und verantwortungsbewusstem Handeln zu berücksichtigen. Den Grundrechten des Minderjährigen und insbesondere seinem Selbstbestimmungsrecht nach Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) wird bei freiheitsentziehender Unterbringung bereits nach geltendem Recht Rechnung getragen. Nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehalts für freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern (Bundestagsdrucksache 18/11278) ist künftig auch bei freiheitsentziehenden Maßnahmen ein gerichtliches Genehmigungsverfahren nach § 167 FamFG i. V. m. §§ 312 ff. FamFG vorgesehen (auf die Antwort zu Frage 16 wird verwiesen). Die in diesem Verfahren geregelte Anhörung des betroffenen Minderjährigen, die Anhörung seiner Eltern, die Bestellung eines Verfahrensbeistandes als Interessenvertreter des Kindes, die Beteiligung des Jugendamtes und die Einholung eines spezialisierten Gutachtens ermöglichen dem Gericht, sich ein umfassendes Bild von der Persönlichkeit des Minderjährigen zu verschaffen und eine an seinem Wohl orientierte Entscheidung zu treffen, die seinem Selbstbestimmungsrecht bestmöglich Rechnung trägt. Das Genehmigungserfordernis dient ferner dazu zu prüfen, ob Zwangsmaßnahmen im Einzelfall wirklich erforderlich sind oder ob mildere Maßnahmen in Betracht kommen, die Zwangsmaßnahmen entbehrlich machen. c) Auf welche Weise wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass einsichtsfähige Jugendliche nicht zivilrechtlichen Zwangsmaßnahmen ausgesetzt werden? Insoweit wird zunächst auf die Antwort zu b) verwiesen. Bereits der geltende § 1631b BGB sorgt mit den engen Voraussetzungen und dem darin statuierten Genehmigungserfordernis dafür, dass kein Minderjähriger ohne richterliche Kontrolle in einer geschlossenen Klinik oder einem geschlossenen Heim untergebracht wird. Künftig sollen auch freiheitsentziehende Maßnahmen einem Genehmigungserfordernis unterworfen werden. Von den Ländern wurde darauf zudem darauf hingewiesen, dass Jugendämter bei einsichtsfähigen Jugendlichen im Rahmen der Hilfeplanung darauf hinarbeiten, eine Unterbringung beispielsweise in einer therapeutischen oder andersartigen geeigneten Einrichtung umzusetzen und dort pädagogische und therapeutische Interventionen anzuwenden, die den Freiheitsentzug nicht erfordern. Die Mitwirkungsbereitschaft des Jugendlichen wird dabei entsprechend genutzt und gestärkt . Dabei werden mit dem Jugendlichen auch entsprechende Vereinbarungen getroffen, bei deren Einhaltung sie unterstützt werden. Die Bundesregierung teilt die in der Fachwelt herrschende Meinung, dass Zwangsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen im Kontext psychiatrischer Versorgung nur als Ultima Ratio im Rahmen eines differenzierten, individuali- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11741 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode sierten therapeutischen Vorgehens zu rechtfertigen sind, wenn sich weniger eingreifende therapeutische Maßnahmen als nicht ausreichend erweisen. Gleichwohl können sie im Einzelfall geboten sein, um in einer akuten Situation erhebliches selbst- oder fremdgefährdendes Verhalten zu verhindern. Zur Vermeidung von Zwang trägt eine Vielzahl von Maßnahmen bei, die zu einem erheblichen Teil schon vor einer Aufnahme in das Krankenhaus einsetzen. Hierzu gehört eine engmaschige und niederschwellige Betreuung, die Einbeziehung des persönlichen Umfelds des Kindes oder des Jugendlichen sowie eine Vielzahl deeskalierender Maßnahmen. Die Bundesregierung trägt durch zahlreiche Maßnahmen zur Weiterentwicklung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung bei, mit dem Ziel, die gesundheitliche Situation der jungen Patientinnen und Patienten bereits im Vorfeld einer möglichen Gefährdung zu stabilisieren und akute Krisensituationen zu vermeiden. Hierzu zählt beispielsweise die mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen vom 19. Dezember 2016 eingeführte Möglichkeit von Krankenhäusern zur stationsäquivalenten psychiatrischen Behandlung im häuslichen Umfeld. Zur Frage ärztlicher Zwangsmaßnahmen wird auf die Antwort zu Fragen 27 und 28 verwiesen. 15. a) Welche Wirkung hat nach Ansicht der Bundesregierung das (fehlende) Einverständnis eines Kindes hinsichtlich der Genehmigungsbedürftigkeit einer Unterbringung? Bezüglich der freiheitsentziehenden Unterbringung wird in der Fachliteratur die Frage kontrovers diskutiert, ob die familiengerichtliche Genehmigung auch bei Einwilligung des Minderjährigen erforderlich ist oder ob die Abgabe einer solchen „Freiwilligkeitserklärung“ eine Genehmigung durch das Familiengericht entbehrlich macht. Von vielen wird diese Frage im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit gerade minderjähriger Unterzubringender bejaht (vgl. Staudinger- Salgo, BGB, § 1631b Rn. 8, m. w. N.). Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass auch nach der Gegenauffassung eine die Zwangswirkung ausschließende Einwilligung nur dann vorliegt, wenn der Minderjährige sowohl einsichtsfähig ist (also insbesondere Krankheitseinsicht besitzt sowie die Fähigkeit, danach zu handeln , vgl. Antwort zu Frage 14 als auch die Tragfähigkeit der Unterbringung zu beurteilen in der Lage ist (vgl. etwa Spickhoff in: Münchener Kommentar, BGB, 7. Aufl. 2017, § 1800 Rz. 28). Angesichts dieser hohen Anforderungen an die Einwilligung dürfte der Meinungsstreit in der Praxis keine große Rolle spielen, zumal sich das Gericht, im Rahmen der persönlichen Anhörung gegebenenfalls mithilfe eines Sachverständigen davon überzeugen muss, ob die genannten Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung vorliegen. Daran wird es aufgrund der Erkrankung oder Störung und der damit verbundenen Beeinträchtigung oder Einschränkung der Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen nicht selten fehlen. In jedem Fall ermöglicht die Regelung des § 1631b BGB, dem Schutzbedürfnis des Minderjährigen im jeweiligen Einzelfall Rechnung zu tragen. Maßstab der Entscheidung ist das Wohl des Kindes, das im Einzelfall vom Familiengericht zu ermitteln ist. Dabei findet der Kindeswille, also das Einverständnis des Kindes mit der Unterbringung oder seine Ablehnung, seinem Alter und seiner Reife entsprechend Berücksichtigung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 17 – Drucksache 18/11741 b) Hält die Bundesregierung gesetzliche Änderungen für erforderlich, um klarzustellen, inwiefern das (fehlende) Einverständnis des Kindes bei der Genehmigungsbedürftigkeit einer Unterbringung zu berücksichtigen ist (bitte begründen)? Nach Ansicht der Bundesregierung ist nach dem Vorstehenden und im Lichte der Rechtsprechung zu § 1631b BGB eine gesetzgeberische Intervention zu der Frage, inwiefern das (fehlende) Einverständnis des Kindes bei der Genehmigungsbedürftigkeit einer Unterbringung zu berücksichtigen ist, nicht erforderlich. Über das im Rahmen des § 1631b BGB zu beachtende Verhältnismäßigkeitsprinzip ist umfassend abgesichert, dass die Unterbringung nur als Ultima Ratio in Betracht kommt. Der Kindeswohlmaßstab ermöglicht eine dem Einzelfall und insbesondere dem Alter und der Reife des Kindes entsprechende Berücksichtigung des Kindeswillens. 16. Inwiefern ist nach Ansicht der Bundesregierung das in Artikel 12 Absatz 1 der UN-Kinderrechtskonvention normierte Recht des Kindes mit seiner Meinung entsprechend Alter und Reife berücksichtigt zu werden, bei der Anwendung von Zwang umfassend in Deutschland umgesetzt? Nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ist die Berücksichtigung der Meinung und Interessen des Kindes im gerichtlichen Verfahren zur Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen nach § 1631b BGB wie folgt vorgesehen: In diesen Verfahren sind grundsätzlich die für Unterbringungssachen Erwachsener geltenden Vorschriften anzuwenden (§ 167 Absatz 1 FamFG). Nach § 167 Absatz 3 FamFG ist der Minderjährige verfahrensfähig und damit Inhaber aller Verfahrensrechte, wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat. Das Gericht hat das minderjährige Kind persönlich anzuhören, sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen und es über den möglichen Verfahrensablauf zu informieren (§ 319 Absatz 1 und 2 i. V. m. § 167 Absatz 1 Satz 1 FamFG). Die Anhörung sollte unter Berücksichtigung des Alters und des Entwicklungsstands des Kindes stattfinden. Daneben hat das Gericht für das Kind einen Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen im Verfahren erforderlich ist (§ 158 Absatz 1 i. V. m § 167 Absatz 1 Satz 2 FamFG). Die Bestellung eines Verfahrensbeistands ist u. a. in der Regel erforderlich, wenn das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichen Gegensatz steht (§ 158 Absatz 2 Nummer 1 i. V. m. § 167 Absatz 1 Satz 2 FamFG). Mit dem Gesetzentwurf zur Einführung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehaltes für freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern (Bundestagsdrucksache 18/11278) ist beabsichtigt, für das minderjährige Kind in jedem Fall einen Verfahrensbeistand zu bestellen. Damit wird den Vorgaben der Kinderrechtskonvention nach Ansicht der Bundesregierung Rechnung getragen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11741 – 18 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 17. Inwiefern ist aus Sicht der Bundesregierung das sich aus Artikel 7 Absatz 1 der UN-BRK ergebende Recht von Kindern mit Behinderungen, auf einen gleichberechtigten Zugang zu Menschen- und Grundrechten, hinsichtlich der Anwendung von Zwang ausreichend in Deutschland umgesetzt? Die Bundesregierung sieht es als ihre fortlaufende Aufgabe an, im Rahmen einer kontinuierlichen Rechtsfortbildung Anpassungen des deutschen Rechts an die UN-BRK vorzunehmen, sofern die alleinige Behebung von Defiziten im Bereich der Rechtsanwendung hierfür nicht ausreicht. Hierzu zählt selbstverständlich auch das sich aus Artikel 7 Absatz 1 der UN-BRK ergebende Recht von Kindern mit Behinderungen, gleichberechtigt mit anderen Kindern alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen zu können. Vor diesem Hintergrund betrachtet die Bundesregierung das Gesetz zur Einführung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehaltes für freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern als einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung des Rechts aus Artikel 7 Absatz 1 UN-BRK. 18. a) Welche Daten zu Zwangsmaßnahmen bei untergebrachten Kindern werden nach Kenntnis der Bundesregierung in den Ländern von wem erhoben , und zu welchem Zweck an wen weitergeleitet? Hierzu wird zunächst auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Über die dort genannten Statistiken hinaus sind der Bundesregierung keine Datenerhebungen der Länder bekannt. Bezüglich Datenerhebungen zu Zwangsmaßnahmen bei Kindern in kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtungen haben die Länder auf Anfrage Folgendes berichtet: Berlin: Seit 2012 wurden im Kontext des damaligen Berliner „Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten“ (Berliner PsychKG) jährliche Abfragen zu den Unterbringungen in den Kliniken durchgeführt. Dabei wurde im Sinne einer Vergleichsgröße auch die Zahl der Unterbringungen nach § 1631b BGB in der Kinder- und Jugendpsychiatrie abgefragt. Diese sind wie folgt: 2012: 51 Personen 51 Fälle 2013: 71 Personen 71 Fälle 2014: 73 Personen 96 Fälle 2015: 90 Personen 122 Fälle Durch die Neufassung des Berliner PsychKGs wurde der Abfragebogen u. a. um die Art und Dauer der – bezogen auf das PsychKG – durchgeführten Zwangsmaßnahmen mit halbjährlicher Abfrage erweitert. Daten für 2016 liegen noch nicht vor. Hamburg: Der Evaluationsauftrag der Hamburgischen Bürgerschaft (siehe Antwort zu Frage 5) wird von der zuständigen Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz in Hamburg fortgeführt. Die nächste Drucksache wird der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg in 2017 der Hamburgischen Bürgerschaft zuleiten. Hessen: Hierzu liegen keine statistischen Erhebungen vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 19 – Drucksache 18/11741 Mecklenburg-Vorpommern: Seitens des für Gesundheit zuständigen Ministeriums wurden bisher keine Zahlen zu Zwangsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen erhoben. In Umsetzung des novellierten Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für Menschen mit psychischen Krankheiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern (PsychKG M-V) sollen von der Fachaufsicht der jeweiligen Kliniken die Zahlen über Unterbringungsmaßnahmen nach PsychKG M-V und BGB sowie über Zwangsmaßnahmen nach PsychKG M-V abgefragt und an das Ministerium berichtet werden. Erste Zahlen sind nicht vor 2018 zu erwarten. Nordrhein-Westfalen: Daten zur Antragstellung auf eine öffentlich-rechtliche Unterbringung werden seit dem Jahr 2004 durch die unteren Gesundheitsbehörden, jedoch nicht nach dem Lebensalter differenziert, erhoben. Seit dem 1. Januar 2017 besteht erstmals eine jährliche Meldepflicht zu Unterbringung , Zwangsbehandlung und freiheitsentziehenden Maßnahmen der mit diesen Aufgaben nach PsychKG beliehenen Einrichtungen sowohl der Kinder- und Jugendpsychiatrie als auch der Erwachsenenpsychiatrie an die zuständige Aufsichtsbehörde . Neben dem Zweck der Aufsicht dienen die anonymisierten Daten zusätzlich zu Versorgungsdaten als Grundlage der Landespsychiatrieplanung. Auch werden zukünftig die Daten den Besuchskommissionen als Ausgangspunkt für die jährlichen Begehungen der Einrichtungen zur Verfügung gestellt sowie in Berichten an den Landtag NRW verwendet. Schließlich können die Daten von den Einrichtungen im Rahmen des internen Qualitätsmanagements genutzt werden. Thüringen: Landesweite Daten zu Zwangsmaßnahmen bei untergebrachten Kindern werden im Freistaat Thüringen nicht erhoben. Die Besuchskommission nach dem Thüringer Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen (ThürPsychKG) erhält tagesaktuelle Informationen zu Zwangsmaßnahmen. b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Staatenbericht des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13. Mai 2015, der besorgt über die Anwendung von Zwang und unfreiwilliger Behandlung gegenüber Menschen mit psychosozialen Behinderungen sowie den Mangel an verfügbaren Daten über Zwangsunterbringungen und -behandlungen in Deutschland ist? In ihrem am 28. Juni 2016 verabschiedeten Nationalen Aktionsplan 2.0 zur UN- Behindertenrechtskonvention (NAP 2.0) hat die Bundesregierung im Handlungsfeld „Persönlichkeitsrechte“ die Vermeidung von Zwangsmaßnahmen in Einrichtungen und der psychiatrischen Versorgung als einen Handlungsschwerpunkt definiert und dazu verschiedene Maßnahmen verankert. Dazu gehört unter anderem das Forschungsprojekt des BMG „Vermeidung von Zwangsmaßnahmen im psychiatrischen Hilfesystem“. Mit diesem Projekt sollen neue Erkenntnisse zur Anwendung von Zwangsmaßnahmen in Deutschland und zu Möglichkeiten der Vermeidung von Zwang durch alternative freiwillige Behandlungsmöglichkeiten gewonnen werden. Mit diesem Projekt sowie weiteren im o. g. Handlungsfeld des NAP 2.0 verankerten Maßnahmen wird auch an die Empfehlungen des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13. Mai 2015 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11741 – 20 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode angeknüpft, der sich besorgt geäußert hat über die Anwendung von Zwang und unfreiwilliger Behandlung gegenüber Menschen mit psychosozialen Behinderungen sowie den Mangel an verfügbaren Daten über Zwangsunterbringungen und - behandlungen. c) Auf welche Weise wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass Daten zu Häufigkeit, Art und Durchführung von Zwangsmaßnahmen bei Kindern einheitlich dokumentiert, gemeldet und ausgewertet werden? Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist über das Bundesamt für Justiz, das für die Justizstatistiken zuständig ist, im Februar 2017 an den Justizstatistikausschuss der Länder herangetreten und hat für den Fall, dass der Gesetzentwurf zur Einführung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehaltes für freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern (Bundestagsdrucksache 18/11278) vom Parlament wie vorgeschlagen beschlossen wird, die Berücksichtigung der statistischen Erfassung dieser neuen familiengerichtlichen Genehmigungsverfahren in der Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten in Familiensachen (F-Statistik) vorgeschlagen. Für den Bereich der Kinder und Jugendlichen mit Behinderung hat Bayern darauf hingewiesen, dass in dem Bericht „Stationäre Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung“ des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 4. August 2016 (www.stmas.bayern.de/ wohnen/internat/index.php) angekündigt wird, eine Berichtspflicht der Heimaufsicht einzuführen. Die Heimaufsicht soll dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration jährlich einen Bericht über die Anwendung freiheitsbeschränkender Maßnahmen in den Einrichtungen der Behindertenhilfe vorlegen. Dazu wird auch eine Expertenrunde in die Auswertung des Berichts einbezogen. Die Bundesregierung begrüßt, dass die über die kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtungen aufsichtführenden Länder begonnen haben, entsprechende Erhebungen durchzuführen und auszuwerten. Darüber hinaus hat das Bundesministerium für Gesundheit das Projekt „Vermeidung von Zwangsmaßnahmen im psychiatrischen Hilfesystem“ (15. August 2016 bis 31. Juli 2019) in Auftrag gegeben , in dem unter anderem ein modellhaftes Monitoring System zur Vermeidung von Zwang entwickelt werden soll, das auch institutionelle Hilfen für psychisch kranke Kinder und Jugendlichen einschließt. Eine der einzubeziehenden Projektregionen soll zu diesem Themenschwerpunkt Erkenntnisse sammeln. Das Monitoring System soll sich auf die Erfassung von Zwangsmaßnahmen sowie von Maßnahmen zu deren Vermeidung beziehen. Von den für die Bearbeitung dieser parlamentarischen Anfrage beteiligten Ländern hat Nordrhein-Westfalen mitgeteilt, dass Kinder und Jugendliche in den Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie zumeist aufgrund der Rechtsgrundlage nach § 1631b BGB untergebracht werden und sie oftmals nur in einer sehr kurzen Zeitspanne den Regelungen des PsychKG unterliegen (sofortige Unterbringung in der Klinik bis die Sorgeberechtigten erreicht werden können). Dementsprechend betrachte man es als sinnvoll, Meldepflichten für Unterbringungen, ärztliche Zwangsmaßnahmen und freiheitsentziehende Maßnahmen grundsätzlich zu regeln. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 21 – Drucksache 18/11741 19. a) Welche Studien sind der Bundesregierung über institutionen- und individuenspezifische Risikofaktoren für Zwangsmaßnahmen sowie über Ansätze zur Zwangsvermeidung bei Kindern bekannt, und inwieweit hält sie weitere Forschung darüber für notwendig? b) Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus den Studien? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 19a und 19b im Zusammenhang beantwortet. Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration plant die Vergabe von Forschungsprojekten zur Vermeidung der Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen in stationären Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen. Im Rahmen eines vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderten Projekts der Aktion Psychisch Kranke e. V. zur Bestandsaufnahme der kinderund jugendpsychiatrischen Versorgung wurde die Thematik Zwang sowohl in einem Workshop behandelt als auch die verfügbaren internationalen Studien zu Zwangsmaßnahmen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ausgewertet1. In Deutschland beispielsweise wurde in der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie „Weissenau“ der Einsatz von Zwangsmaßnahmen über einen Zeitraum von sechs Jahren (1999 bis 2004) untersucht2. Ansätze zur Zwangvermeidung werden in den Leitlinien der Berufsausübungsgemeinschaft der leitenden Klinikärzte3 und in entsprechenden Stellungnahmen und Empfehlungen der kinder- und jugendpsychiatrischen und -psychothera-peutischen Verbände und der Fachgesellschaft Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V. (DGKJP)4 dargelegt. Für die Verbesserung der Datenlage zu den Bedingungen der Anwendung von Zwangsmaßnahmen sowie der länderübergreifenden Vergleichbarkeit von Daten und Forschungsergebnissen können Register zur Erfassung von Zwangsmaßnahmen auf Länderebene hilfreich sein. In diesem Zusammenhang soll aktuell in dem vom BMG geförderten Projekt „Vermeidung von Zwangsmaßnahmen im psychiatrischen Hilfesystem“ ein modellhaftes Monitoring-System entwickelt werden, das sowohl Zwangsmaßnahmen als auch Maßnahmen zur Vermeidung von Zwang erfassen soll. Das Monitoring-System soll auch institutionelle Hilfen für psychisch kranke Kinder und Jugendliche einschließen. Die Bundesregierung wird die Ergebnisse dieses Projekts auswerten, bevor sie über weitere Forschungsaufträge entscheidet. 1 Rabe SC, Fegert JM, Krüger U, Kölch M (2017). Zwangsmaßnahmen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Eine systematische Literaturanalyse hinsichtlich Art, Häufigkeit und Dauer sowie der Risikofaktoren im internationalen Vergleich, Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie 66(1):26-46 2 Fetzer A.E., Steinert T, Metzger W, Fegert JM (2006). Eine prospektive Untersuchung von Zwangsmaßnahmen in der stationären Kinder - und Jugendpsychiatrie. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 55, 754-766. 3 Brünger, M., Naumann, A., Schepker, R. (2010). Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie , Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland e. V. Empfehlungen zum Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen. JAmt, 9, 345-351. 4 Gemeinsame Stellungnahme der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaft und der Fachverbände DGKJP, BAG KJPP, BKJPP erarbeitet durch die Gemeinsame Kommission Jugendhilfe, Arbeit, Soziales und Inklusion: Freiheitsentziehende Maßnahmen in Jugendhilfeeinrichtungen – Empfehlungen aus Sicht der Kinder- und Jugendpsychiatrie für das Verfahren nach § 1631b BGB und die Gestaltung der Maßnahmen, Autoren: Kölch, Roessner, Adam, 2014, Gemeinsame Stellungnahme der Kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaft und der Fachverbände DGKJP, BAG KJPP, BKJPP erarbeitet durch die Gemeinsame Ethikkommission Stellungnahme zu freiheitsentziehenden Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen Autoren: Martin Jung, Christian A. Rexroth, Marcel Romanos, 17. Juni 2016, Positionspapier der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaft und der Fachverbände BAG KJPP BKJPP DGKJP zu freiheitsentziehenden Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen, 27.06.2016, Gemeinsame Stellungnahme der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaft und der Fachverbände zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehaltes für freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern, Autoren: Renate Schepker, Jörg M. Fegert, Katharina Wiebels, 6.10.2016 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11741 – 22 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 20. a) Welche Studien und sonstige Informationen liegen der Bundesregierung über den Nutzen für Kinder von Unterbringungen, ärztlichen Zwangsmaßnahmen und freiheitsentziehenden Maßnahmen vor? b) Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus den Studien? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 20a und 20b im Zusammenhang beantwortet. Zwangsmaßnahmen werden durchgeführt, um entweder einen erheblichen drohenden gesundheitlichen Schaden oder eine Lebensgefährdung für die betreffende Person selbst oder eine Gefährdung anderer Personen abzuwenden. Ob die Maßnahmen diese Ziele erreichen, kann aus naheliegenden ethischen Gründen nicht in randomisierten klinischen Studien mit einer Kontrollgruppe untersucht werden. Klassische Studien zum Nutzen von Unterbringungen, ärztlichen Zwangsmaßnahmen und freiheitsentziehenden Maßnahmen liegen der Bundesregierung daher nicht vor. In der Studie von Vogel und Kölch (2016) können einige Hinweise zum möglichem Nutzen und den Beweggründen der Sorgeberechtigten, aber auch der Minderjährigen, entnommen werden.5 Zur generellen Studienlage wird auf die Antwort zu Frage 19 verwiesen. Aus Sicht der Kinder- und Jugendhilfeforschung fasst die Sachverständigenkommission zum 14. Kinder- und Jugendbericht den Stand der Forschung für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe und die daraus abzuleitenden Konsequenzen folgendermaßen zusammen: „Die fachliche Debatte um geschlossene Unterbringung bzw. freiheitsentziehende Maßnahmen in Heimen hat sich seit der differenzierenden Haltung des Elften Kinder- und Jugendberichts und insbesondere durch die Ergebnisse der diesbezüglichen DJI-Studie (vgl. Hoops/Permien 2006; Permien 2010) etwas versachlicht und kann empirisch fundierter geführt werden. In der Studie konnte genauer herausgearbeitet werden, wie unterschiedlich „freiheitsentziehende Maßnahmen “ faktisch aussehen, wie irritierend unübersichtlich sich der Graubereich zwischen „Geschlossenheit“, fakultativer Geschlossenheit und „Auszeit“-Regelungen in „offenen“ Heimen darstellt, für welche Fallkonstellationen freiheitsentziehende Maßnahmen infrage kommen, wie die rechtlichen Verfahren praktisch umgesetzt werden und wie Freiheitsentzug aus Sicht der Adressaten beurteilt wird. Als zentrales Ergebnis der Untersuchung kann festgehalten werden, dass Geschlossenheit den Aufbau pädagogischer Beziehungen zunächst erschwert (wie schon immer kritisiert) und erst dann positiv wirken kann, wenn Jugendliche „ihrerseits paradox reagieren und die ‚Zwangsangebote’ quasi ‚freiwillig’ annehmen “ (Permien 2010, S. 89). Andererseits konnte die Studie die Behauptung, unter Zwang entwickelten sich keine tragfähigen Beziehungen, nicht bestätigen (so schon Pankofer 1997). In wenigen Einzelfällen und nur unter der Voraussetzung, dass Gefahr für Leib und Leben des Kindes, Jugendlichen oder einer dritten Person besteht, scheint es jedenfalls im Sinne einer advokatorischen Ethik fachlich geboten zu sein, zeitlich eng begrenzt freiheitsentziehende Maßnahmen anzuwenden (vgl. Trede 2003). Hierfür bedarf es eines beteiligungsorientierten familienrechtlichen Verfahrens, wie es das FamFG seit 2009 vorschreibt (Verfahrensbeistand , Anhörung, Gutachten). Und es bedarf einer kind- und jugendorientierten Heimpädagogik, die vom Mittel des Freiheitsentzugs für eine kleine Zahl hoch belasteter und beschädigter Kinder oder Jugendlicher sehr restriktiv Gebrauch macht. Gefahr für die Heimerziehung als System (wegen Sogeffekten und einer 5 Kölch, M., Vogel, H. (2016). Unterbringung von Kindern und Jugendlichen nach freiheitsentziehenden Maßnahmen, Zeitschrift für Kinder - und Jugendpsychiatrie 44(1), 39-48 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23 – Drucksache 18/11741 möglichen Eskalationslogik sozialpädagogischer Intervention) geht von den bundesweit aktuell 375 Plätzen eher weniger aus. Die größte Gefahr ist in politischen und medialen Debatten zu sehen, die dieses Angebot als Straflager und sichere Verwahrung, z. B. für delinquente Kinder, zweckentfremden wollen.“ (Deutscher Bundestag (2013): 14. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Bundestagsdrucksache 17/12200. Berlin, S. 350). 21. a) Welche Studien und sonstige Informationen liegen der Bundesregierung über schädliche Wirkungen bei Kindern von Unterbringungen, ärztlichen Zwangsmaßnahmen und freiheitsentziehenden Maßnahmen vor? b) Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus den Studien? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 21a und 21b im Zusammenhang beantwortet. Zum Stand der Forschung für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe wird zunächst auf die Antwort zu Frage 20 verwiesen. Ergänzend weist die Bundesregierung darauf hin, dass klassische Studien mit Kontrollgruppendesign zu schädlichen Wirkungen von Unterbringungen, ärztlichen Zwangsmaßnahmen und freiheitsentziehenden Maßnahmen aus naheliegenden ethischen Gründen nicht durchführbar sind. Im Übrigen liegt der Bundesregierung eine Studie zur Partizipationspraxis in der Kinder- und Jugendpsychiatrie vor, die zumindest Erfahrungen mit Zwangsmaßnahmen bei Minderjährigen und subjektive Wahrnehmungen thematisiert6. Zur generellen Studienlage wird auf die Antwort zu Frage 19a verwiesen. 22. a) Hält die Bundesregierung die (Weiter-)Entwicklung von altersdifferenzierenden Leitlinien zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen sowie deren Durchführung bei Kindern für notwendig? Die Prävention, Vermeidung und - wenn unumgänglich - möglichst schonende Durchführung von Zwangsbehandlungen bei Kindern und Jugendlichen ist aus medizinethischer und menschenrechtlicher Perspektive anzustreben. Aus diesem Grund begrüßt die Bundesregierung die Aufnahme diesbezüglicher konkreter Empfehlungen in die wissenschaftlichen Leitlinien durch die hierfür zuständigen medizinischen Fachgesellschaften. Verschiedene störungsspezifische Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen enthalten bereits konkrete Empfehlungen zur Durchführung und Vermeidung von Zwang (z. B. Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) zu Essstörungen). Weiterhin beabsichtigt die AWMF in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit der DGKJP eine neu entwickelte S3-Leitlinie für Störungen des Sozialverhaltens herauszugeben. Dort sollen auch altersdifferenzierte Empfehlungen zur Vermeidung und Durchführung von Zwangsmaßnahmen enthalten sein. b) Wenn nein, warum nicht? Entfällt. 6 Rothärmel S., Dippold I., Wiethoff, K., Wolfslast, G. & Fegert J.M. (2006). Patientenaufklärung, Informationsbedürfnis und Informationspraxis in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11741 – 24 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode c) Wenn ja, auf welche Weise wird sie sich dafür einsetzen? Die Entwicklung und Aktualisierung wissenschaftlicher Leitlinien ist Aufgabe der medizinischen Fachgesellschaften, die Bundesregierung nimmt hierauf grundsätzlich keinen Einfluss. 23. a) Welche Maßnahmen verfolgt die Bundesregierung, um die Fort- und Weiterbildung des medizinischen und pädagogischen Personals in Hinblick auf Zwangsmaßnahmen bei Kindern sowie deren Vermeidung voranzutreiben ? b) Welche Maßnahmen verfolgt die Bundesregierung, um die Unterstützungs - und Hilfesysteme der Jugend- und Behindertenhilfe zu stärken, um der Anwendung von Zwang frühzeitig entgegenzuwirken (vgl. Stellungnahme des Bundesrates vom 10. Februar 2017 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache 18/11278)? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 23a und 23b gemeinsam beantwortet . Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Fort- und Weiterbildung des medizinischen und pädagogischen Personals in der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder liegt; sie haben die ärztliche Fort- und Weiterbildung den Ärztekammern übertragen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das gesamte Leistungsspektrum der Kinder - und Jugendhilfe darauf ausgerichtet ist, Kinder und Jugendliche bestmöglich zu fördern und sie in ihrer Entwicklung zu schützen vor Gefahren für ihr Wohl. Zentraler Aspekt des Zuschnitts des Leistungsangebots der Kinder- und Jugendhilfe ist hierbei die Ausrichtung nicht bloß auf den einzelnen Minderjährigen bzw. jungen Erwachsenen sondern auf den Kontext der familialen und sozialen Lebenswelt des Minderjährigen bzw. des jungen Erwachsenen. Entsprechend Artikel 6 GG steht daher die Unterstützung, Herstellung oder Wiederherstellung der elterlichen Erziehungsverantwortung im Mittelpunkt. Vor diesem Hintergrund werden Leistungen gewährt und Kinder, Jugendliche und Familien unterstützt. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 19 bis 21 verwiesen. Die nachfolgenden Angaben zu den stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe beruhen auf den Angaben der Länder: Bayern: In dem Bericht „Stationäre Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung “ des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 4. August 2016 wird angekündigt, die Fortbildung der Beschäftigten zu stärken. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen zukünftig durch die Träger der Einrichtungen auf die rechtlichen Grundlagen, auf Strategien der Vermeidung und eine korrekte Anwendung von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen vorbereitet und bestehendes Personal geschult werden. Die Betreuung mehrfachbehinderter, psychisch kranker und/oder intensiv pflegebedürftiger Kinder und Jugendlicher setzt eine positive Grundhaltung, Empathie und fachliche Kenntnisse voraus. Betreuendes Personal ist durch regelmäßige Schulungen, etwa in Deeskalationstrainings, und mit regelmäßiger Supervision zu unterstützen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 25 – Drucksache 18/11741 Brandenburg: Die Einrichtungsaufsicht in Brandenburg berät freie Träger der Jugend- und Behindertenhilfe bereits in der Phase der Erarbeitung der Konzeption über pädagogische Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen. In der Regel können diese Alternativen auch konzeptionell verankert und umgesetzt werden. Die Praxis zeigt jedoch, dass in verschiedenen Konstellationen, beispielsweise bei psychischer Belastung oder Erkrankung die Möglichkeiten der Jugendlichen erschöpft sind und mindestens vorübergehend Behandlungsbedarf in Kliniken besteht . 24. Inwiefern hält die Bundesregierung gesetzliche Regelungen zur Ausgestaltung der Unterbringung von Kindern gemäß § 1631b BGB – vergleichbar zu den Schutzvorschriften nach öffentlich-rechtlichem Landesrecht – für erforderlich , um die Achtung des Selbstbestimmungsrechts, des Kindeswohls sowie des sich aus der UN-Kinderrechtskonvention ergebenden Rechts auf Erziehung sicherzustellen? Öffentlich-rechtliches Landesrecht ermöglicht ebenfalls die Unterbringung von Kindern als Notfallinstrument in der Krisenintervention. Dabei stellen diese öffentlich -rechtlichen Regelungen primär nicht auf das Kindeswohl, sondern auf die allgemeine ordnungsrechtliche Gefahrenabwehr ab (vgl. Bundestagsdrucksache 16/6815, S.8). Zudem wird eine Unterbringung nach den Psychisch-Kranken- Gesetzen der Länder, die sich zum Teil in Überarbeitung befinden und in ihrer Ausgestaltung auch recht unterschiedlich sind, grundsätzlich auf Antrag der örtlichen Ordnungsbehörden durch das Betreuungsgericht bzw. Familiengericht angeordnet . Die zivilrechtliche Unterbringung ist dagegen fürsorglich orientiert. Sie kommt nur in Frage, wenn die Sorgeberechtigten, d.h. regelmäßig die Eltern, von denen erwartet werden kann, dass sie das Wohl ihres Kindes ganz besonders im Blick haben, in die Unterbringung einwilligen und wenn ein familiengerichtliches Verfahren , in dem verfahrensmäßig abgesichert ist, dass die Interessen des Minderjährigen im Mittelpunkt stehen, durchgeführt wurde und zu einer Genehmigung geführt hat. Das Bedürfnis nach vergleichbaren Schutzvorschriften stellt sich im Zivilrecht schon deshalb nach Ansicht der Bundesregierung nicht in derselben Weise. 25. a) In welchen Bundesländern wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Situation von nach § 1631b BGB in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie in Einrichtungen der Jugend- oder Behindertenhilfe untergebrachten Kindern durch Aufsichts- bzw. Besuchskommissionen kontrolliert? b) In welchen Ländern gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung spezifische Besuchskommissionen mit einer spezifischen Qualifikation in Bezug auf untergebrachte Kinder? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 25a und 25b im Zusammenhang beantwortet. Für Einrichtungen der geschlossenen Unterbringung bzw. Einrichtungen mit Abteilungen oder Gruppen für eine gesicherte/geschlossene Unterbringung auf der Grundlage einer richterlichen Entscheidung im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe gelten die Regelungen der §§ 45 ff. SGB VIII zur Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung, den damit verbundenen Meldepflichten sowie den Möglichkeiten zur örtlichen Prüfung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11741 – 26 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Für die Einrichtungen der Behindertenhilfe haben weiter die nachstehend genannten Länder folgende Angaben gemacht: Bayern: In Bayern gibt es keine Besuchskommissionen, sondern staatliche Aufsichtsbehörden eigens für Einrichtungen der Behindertenhilfe. Brandenburg: Die Mitglieder der Besuchskommission verfügen über spezifische Qualifikationen in Bezug auf Kinder und Jugendliche. Das Brandenburgische Ministerium für Bildung, Jugend und Sport als aufsichtsführende Behörde führt regelmäßig vor Ort Termine aber auch Tiefenprüfungen durch, bei denen mit den Kindern und Jugendlichen gesprochen wird, die in der Einrichtung leben. Zudem arbeitet der Träger mit einer unabhängigen Qualitätsagentur des Jugendhilfebereichs zusammen . Vereinzelt werden dem Brandenburgischen Ministerium für Bildung, Jugend und Sport Fälle bekannt, in denen die Besuchskommission die Jugendämter auf Einzelfälle in Kinder- und Jugendpsychiatrischen Kliniken hinweist, wenn sich Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in Bezug auf Minderjährige erkennen lassen. Dabei handelt es sich vor allem um Fragen zur Aufenthaltsdauer und der schulischen Förderung in der Fachklinik. Niedersachsen: In Niedersachsen gibt es weder Besuchskommissionen noch Ombudsstellen, die speziell für den Personenkreis von Kindern und Jugendlichen mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung in Einrichtungen der Behindertenhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe eingerichtet sind. Sachsen: lm Freistaat Sachsen überprüfen gemäß § 3 SächsPsychKG unabhängige Besuchskommissionen regelmäßig die Psychiatrischen Krankenhäuser und anderen stationären psychiatrischen Einrichtungen. Die Besuchskommissionen können sonstige stationäre Einrichtungen, in denen psychisch kranke Menschen aufgenommen oder untergebracht sind, teilstationäre psychiatrische Einrichtungen und ambulante psychiatrische Dienste besuchen. Die Besuchskommissionen gemäß § 12 Sächsisches lntegrationsgesetz besuchen auch die stationären Einrichtungen für behinderte Kinder und Jugendliche. Besuche in den Einrichtungen sind generell einmal im Zeitraum von drei Jahren vorgesehen. Sofern in den besuchten Einrichtungen Kinder nach § 1631b BGB untergebracht wären, würde auch deren Situation von der Besuchskommission im Rahmen deren Zuständigkeiten und Möglichkeiten kontrolliert. Schleswig-Holstein: Es besteht kein Überblick bezüglich der nach § 1631b BGB untergebrachten Kinder und Jugendlichen in Schleswig-Holstein. Einrichtungen, die ausdrücklich freiheitsentziehende Maßnahmen anbieten, gibt es in Schleswig-Holstein nicht. In Bezug auf Kinder und Jugendliche, die nach § 1631b BGB in Kinder- und Jugendpsychiatrien untergebracht sind, haben außerdem die nachstehend genannten Länder auf Anfrage folgende Informationen gegeben: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27 – Drucksache 18/11741 Brandenburg: Einer Broschüre Brandenburgs ist zu entnehmen, dass in Brandenburg das Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen sowie über den Vollzug gerichtlich angeordneter Unterbringung für psychisch kranke und seelisch behinderte Menschen im Land Brandenburg (BbgPsychKG) in § 2a die Einrichtung von Besuchskommissionen regelt. Diese sollen prüfen, ob die Rechte und Interessen von Menschen mit psychischer Erkrankung oder seelischer Behinderung entsprechend den Vorschriften dieses Gesetzes gewahrt werden. Ziel ist es, die Qualität der Betreuung und Behandlung aller Patientinnen und Patienten in Augenschein zu nehmen. Ein besonderer Fokus liegt auf Menschen, die gegen ihren Willen untergebracht wurden . Vorgesehen ist, dass die Besuchskommissionen die psychiatrischen Einrichtungen (Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik sowie psychiatrische Tageskliniken) mindestens einmal jährlich besuchen. Insgesamt gibt es in Brandenburg sieben Besuchskommissionen. Für den Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie gibt es eine eigene Besuchskommission . Diese muss zusätzlich über eine Vertreterin oder einen Vertreter eines Jugendamtes sowie ein ärztliches Mitglied mit Erfahrungen in der Kinderund Jugendpsychiatrie verfügen (§ 2a Absatz 6 Satz 3 und 4 BbgPsychKG). Hamburg: Gemäß § 23 Absatz 1 des Hamburgischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (HmbPsychKG) beruft die zuständige Behörde „eine Aufsichtskommission, die jährlich mindestens einmal, in der Regel unangemeldet, Krankenhäuser oder sonstige Einrichtungen, in denen Personen nach diesem Gesetz oder wegen einer psychischen Krankheit durch ihren gesetzlichen Vertreter untergebracht sind, besucht und daraufhin überprüft, ob die mit der Unterbringung von psychisch Kranken verbundenen besonderen Aufgaben erfüllt und die Rechte der untergebrachten Personen gewahrt werden“. Darüber hinaus ist die Aufsichtskommission Ansprechpartner für Wünsche und Beschwerden der untergebrachten Personen, ihrer gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter, der Leiterinnen und Leiter sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krankenhäuser und Einrichtungen. Für die Besuche in den Abteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie wird die Kommission zusätzlich durch einen Kinder- und Jugendpsychotherapeuten unterstützt. Hessen: Aufsichts- und Besuchskommissionen bestehen in Hessen nicht. Alle nach § 45 SGB VIII betriebserlaubnispflichtigen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche unterliegen der Aufsicht des Landesjugendamtes. Zur einzigen Jugendhilfeeinrichtung in Hessen mit der Möglichkeit geschlossener Unterbringung führt der Träger mit Förderung des Landes eine begleitende Evaluation durch. Mecklenburg-Vorpommern: Nach § 46 des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für Menschen mit psychischen Krankheiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern (PsychKG M-V) sind durch die Bürgermeister und Landräte in den kreisfreien Städten und Landkreisen Besuchskommissionen zu bilden, die Kliniken, in denen auch Unterbringungen nach BGB erfolgen, regelmäßig aufsuchen und hierüber dem für Gesundheit zuständigen Ministerium berichten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11741 – 28 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Eine spezifische Qualifikation der Besuchskommissionen für Kinder und Jugendliche ist nach PsychKG M-V nicht gefordert und besteht daher regelmäßig nicht. Niedersachsen: In §§ 30 und 31 Niedersächsisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (NPsychKG) hat das Land Niedersachsen die Einrichtung von Besuchskommissionen vorgeschrieben. Die Zusammensetzung der Mitglieder der regionalen Besuchskommissionen wird durch die Verordnung über Gremien für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung geregelt. Unter den Mitgliedern sind auch Fachleute aus dem Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie . Im Vordergrund der Aufgabe der Besuchskommissionen steht die Situation der Betreuung oder Behandlung des von § 1 Nummer 1 des NPsychKG umfassten Personenkreises. Somit können auch die untergebrachten Kinder und Jugendlichen kontrolliert werden. In Niedersachsen wird es zukünftig besondere Besuchskommissionen geben. So wird eine landesweite Besuchskommission in Angelegenheiten der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung gebildet. Diese Kommission ist dann spezialisiert auf Krankenhäuser und Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Die Mitglieder werden zurzeit berufen. Nordrhein-Westfalen: In Nordrhein-Westfalen werden alle Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie jährlich unangekündigt von den Besuchskommissionen nach § 23 PsychKG begangen. In diesen Einrichtungen erfolgen Unterbringungen sowohl nach § 1631b BGB als auch nach PsychKG. Der Besuchskommission unter der Leitung der zuständigen Aufsichtsbehörde (Bezirksregierung) gehören stets neben einer bzw. einem Medizinalbeamtin oder -beamten, einer Fachärztin oder einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie einer juristischen Vertretung auch Vertretungen der Psychiatrie-Erfahrenen und der Angehörigen an. Die Kommissionen nehmen jedoch regelhaft nur Einblick in Abläufe der Unterbringung , (Zwangs-) Behandlung und weiterer Maßnahmen nach dem PsychKG. Neben der Umsetzung der rechtlichen Anforderungen an die Unterbringung werden auch die baulichen und personellen Voraussetzungen der Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie geprüft. Sachsen: Begehungen von kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtungen und Einrichtungen der Jugendhilfe durch die Besuchskommissionen nach SächsPsychKG erfolgen unter Teilnahme eines Vertreters der öffentlichen Jugendhilfe. In der Regel nimmt auch eine Fachärztin oder ein Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie teil. Im Übrigen gibt es im Freistaat Sachsen keine spezifische Besuchskommission mit einer spezifischen Qualifikation in Bezug auf untergebrachte Kinder. Thüringen: Die Besuchskommission nach dem Thüringer Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen (ThürPsychKG) führt Begehungen in den kinder - und jugendpsychiatrischen Abteilungen durch. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29 – Drucksache 18/11741 c) Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um auf eine flächendeckende und spezialisierte Kontrolle der Situation von nach § 1631b BGB untergebrachten Kindern in den verschiedenen Einrichtungsarten durch Aufsichts- bzw. Besuchskommissionen hinzuwirken? Die Kontrolle der Situation untergebrachter Kinder ist auf vielfältige Weise gewährleistet . Das Familiengericht überprüft in regelmäßigen Abständen die Notwendigkeit der Unterbringung. Da die Unterbringung von der Einwilligung der Eltern abhängt, denen das Wohl des Kindes regelmäßig in besonderem Maß am Herzen liegt, ist auch insoweit eine Kontrolle ihrer Situation in der betreffenden Einrichtung gewährleistet. Schließlich sind die unterschiedlichen Einrichtungen selbst Kontrollmechanismen unterworfen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine stichprobenhafte Kontrolle der Situation untergebrachter Personen auch durch die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter erfolgt, deren Länderkommission zuständig ist für alle Gewahrsamseinrichtungen der Länder und damit auch für geschlossene Abteilungen psychiatrischer Kliniken sowie Einrichtungen der Jugendfürsorge. Die Länderkommission hat im September 2010 ihre Arbeit aufgenommen. Die Hauptaufgabe der Nationalen Stelle ist es, Besuche an Orten durchzuführen, an denen Menschen freiheitsentziehend untergebracht sind. Die Nationale Stelle unterbreitet u. a. Empfehlungen, um die Behandlung und die Bedingungen der Personen, denen die Freiheit entzogen ist, zu verbessern und Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe zu verhindern. Die Ergebnisse werden im Jahresbericht veröffentlicht. 26. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Anteil an Kinder- und Jugendpsychiatrien sowie Heimen, die über externe Ombudsstellen oder ähnliche Beschwerdemöglichkeiten für Kinder verfügen, und inwieweit wird sie sich für deren flächendeckende Einrichtung einsetzen? Die nachfolgenden Angaben zu Einrichtungen der Behindertenhilfe sowie der Kinder- und Jugendhilfe beruhen auf den Angaben der Länder: Bayern: In den sieben Regierungsbezirken von Bayern gibt es jeweils eine Beratungs- und Beschwerdestelle für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in Einrichtungen , Eltern, Sorgeberechtigte und Angehörige, für betreuendes (pädagogisches und pflegerisches) Personal sowie für Einrichtungsträger und -leitungen. Qualifizierte Fachleute sind dort Ansprechpartner bei Beschwerden oder Fragen etwa zur Betreuung, zu rechtlichen Grundlagen der Unterbringung oder zu unterbringungsähnlichen Maßnahmen in Heilpädagogischen Heimen, Internaten oder sonstigen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung. (siehe www.stmas.bayern.de/beratung/stellen/index.php) Brandenburg: Besondere Vorkommnisse in Einrichtungen der Jugendhilfe sind gemäß § 47 SGB Vlll meldepflichtig und werden durch die aufsichtsführende Behörde beurteilt und bearbeitet. Die Träger erlaubnispflichtiger Einrichtungen gemäß § 45 SGB Vlll müssen vor Erteilung einer Betriebserlaubnis nachweisen, dass ein Beschwerdemanagement und die Möglichkeiten der Partizipation für die Kinder, Jugendlichen und Sorgeberechtigten besteht. Eine Ombudsstelle im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe besteht im Land Brandenburg bei Boje e. V. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11741 – 30 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode In Hessen verfügt die einzige Jugendhilfeeinrichtung mit der Möglichkeit geschlossener Unterbringung neben einem Heimrat auch über eine eigene externe Ombudsperson. Im Rahmen der Betriebserlaubnisverfahren nach § 45 SGB VIII haben grundsätzlich alle erlaubnispflichtigen Einrichtungen ein Beteiligungsund Beschwerdekonzept vorzulegen. Niedersachsen: In Niedersachsen gibt es weder Besuchskommissionen noch Ombudsstellen, die speziell für den Personenkreis von Kindern und Jugendlichen mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung in Einrichtungen der Behindertenhilfe nach dem SGB XII eingerichtet sind. Sachsen: Über externe Ombudsstellen oder ähnliche Beschwerdemöglichkeiten für Kinder in Einrichtungen der Behindertenhilfe liegen dem Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz keine Informationen vor. Schleswig-Holstein: In Schleswig-Holstein gibt es seit dem 1. Januar 2016 eine Beschwerdestelle für Kinder und Jugendliche in stationären Einrichtungen in Schleswig-Holstein. Grundsätzlich ist die Kontaktaufnahme jedem Kind oder Jugendlichen in der stationären Jugendhilfe möglich. In Bezug auf Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie wurden von den Ländern auf Anfrage folgende Informationen gegeben: In Hamburg verfügen alle Krankenhäuser über ein Beschwerdemanagement, das den Kindern und Eltern zugänglich ist. Außerdem wird allen untergebrachten Kindern und Jugendlichen in Hamburg vom Gericht ein Verfahrenspfleger zur Seite gestellt. An diesen können sie sich jederzeit telefonisch wenden und werden von den Kliniken auch hierzu motiviert. In Niedersachsen ist für jedes Krankenhaus das Amt einer Patientenfürsprecherin oder eines Patientenfürsprechers ab dem 1. Januar 2016 einzurichten gemäß § 16 Niedersächsisches Krankenhausgesetz (NKHG). Der Patientenfürsprecher nimmt insbesondere Beschwerden und Anregungen von Patientinnen, Patienten oder ihren Angehörigen entgegen, leitet sie an die zuständigen Stellen des Krankenhauses oder seines Trägers weiter, wirkt dort auf eine zügige und transparente Bearbeitung hin und teilt den Betroffenen nach Erledigung unverzüglich das Veranlasste mit. Bis auf eine Klinik haben alle kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken in Niedersachsen eine Patientenfürsprecherin oder einen Patientenfürsprecher . In Nordrhein-Westfalen sind gemäß § 24 Absatz 1 Satz 1 PsychKG in allen Kinder - und Jugendpsychiatrien Patientenbeschwerdestellen eingerichtet und den Betroffenen die Kontaktdaten zu nennen. Sprechstunden sollen bei Bedarf im Bereich des Krankenhauses, in dem die Betroffenen untergebracht sind, stattfinden. Geeignet als Mitglied von Patientenbeschwerdestellen für die Belange Betroffener sind nach § 24 Absatz 2 PsychKG insbesondere Personen, die in der Behandlung und Betreuung von psychisch kranken Menschen eine langjährige Erfahrung haben. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 31 – Drucksache 18/11741 Die Mitglieder der Patientenbeschwerdestellen haben im Rahmen ihrer Aufgaben das Recht, Unterbringungs- und Behandlungsräume zu begehen und bei Beanstandungen auf eine Änderung hinzuwirken. Sie prüfen die Wünsche und Beschwerden der Betroffenen und tragen sie auf deren Wunsch dem Krankenhausträger und den Besuchskommissionen (§ 23 PsychKG) vor. Schwerwiegende Mängel teilen sie der Aufsichtsbehörde unverzüglich mit. Im Freistaat Sachsen bestellen die kreisfreien Städte oder die Landkreise gemäß § 4 SächsPsychKG für Krankenhäuser und andere stationäre psychiatrische Einrichtungen , die in deren Gebiet liegen, ehrenamtliche Patientenfürsprecher. Die Patientenfürsprecher prüfen Wünsche und Beschwerden der Patienten und beraten diese. Bei Bedarf vermitteln sie zwischen Patienten und Mitarbeitern der Einrichtungen . Die Patientenfürsprecher haben Zugang zu den Patienten. Im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie ist dabei das Recht der elterlichen Sorge zu beachten. Stellen die Patientenfürsprecher erhebliche Mängel bei der Betreuung fest, denen nicht in angemessener Frist abgeholfen wird, informieren sie die Leitung der Einrichtung, den Träger sowie die Besuchskommission. Im Freistaat Thüringen sind keine externen Ombudsstellen vorhanden. Jedoch nehmen die Patientenfürsprecher die Beschwerden aller Patienten auf. Darüber hinaus haben die drei kinder- und jugendpsychiatrischen Fachverbände, die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V. (DGKJP), der Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie , Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland e. V. (BKJPP) und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie , Psychosomatik und Psychotherapie e. V. (BAG KJPP), Ombudsleute benannt, die sowohl für stationäre als auch für ambulante Patientinnen und Patienten und deren Familien als Ansprechpartner dienen. 27. Inwiefern hält die Bundesregierung eine richterliche Genehmigung für eine ärztliche Zwangsmaßnahme bei untergebrachten Kindern für erforderlich, und warum hat sie diese nicht in dem Gesetzentwurf zur Einführung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehaltes für freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern mitgeregelt? 28. a) Inwiefern hält die Bundesregierung gesetzliche Vorgaben für erforderlich, um klarzustellen, unter welchen Voraussetzungen ärztliche Zwangsmaßnahmen bei untergebrachten Kindern erlaubt sind? b) Welche Voraussetzungen sollten dies ggf. nach Ansicht der Bundesregierung sein? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 27 und 28 zusammen beantwortet . Die Bundesregierung sieht im Interesse des Kindesschutzes Prüfbedarf für Regelungen zu ärztlichen Zwangsmaßnahmen bei untergebrachten Kindern und Jugendlichen , also solchen, die gegen deren natürlichen Willen erfolgen. Ärztliche Zwangsbehandlungen können einen besonders wesentlichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Betroffenen darstellen und von diesem als überaus belastend erlebt werden. Da der Regelungsbereich komplex ist und auch die übergeordnete , höchst streitige und ethisch schwierig zu beantwortende Frage der Einwilligung in ärztliche Behandlungen von Minderjährigen allgemein berührt, deren Beantwortung Ausstrahlungswirkung auf zahlreiche andere Regelungsbereiche wie das Arztvertragsrecht und das Strafrecht hat, bedarf es jedoch noch einer vertieften Diskussion und Prüfung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333