Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 30. März 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/11834 18. Wahlperiode 03.04.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Werner, Sigrid Hupach, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/11314 – Teilhabebericht der Bundesregierung 2016 und sich daraus ergebender Handlungsbedarf V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Januar 2017 verabschiedete das Bundeskabinett den „Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen 2016“ (im Weiteren: Teilhabebericht 2016; Bundestagsdrucksache 18/10940). In diesem wird die Entwicklung der gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen in unterschiedlichen Lebensbereichen dargestellt. Im allgemeinen Fazit kommt der Bericht zu dem Ergebnis, dass die Teilhabechancen von Menschen mit Behinderungen geringer sind, je schwerer ihre Beeinträchtigungen sind. In manchen Lebensbereichen stellt der Bericht Verbesserungen bei der gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen fest, in anderen wird hingegen ein Stillstand oder gar eine Verschlechterung verzeichnet (vgl. Teilhabebericht 2016, S. 1). Bildung ist eine zentrale Voraussetzung bei der Teilhabe an der Gesellschaft im weiteren Lebensverlauf. Gleiche Bildungschancen sind daher für eine erfolgreiche Inklusion entscheidend (vgl. ebd., S. 87). Der Bericht stellt Verbesserungen vor allem hinsichtlich der Inklusion in der frühkindlichen Bildung fest. Der Anteil von Kindern mit Beeinträchtigungen, die gemeinsam mit Kindern ohne Beeinträchtigungen in Kindertagesstätten betreut werden, ist von 81 Prozent im Jahr 2008 auf 90 Prozent im Jahr 2013 gestiegen (vgl. ebd., S. 135). Bei allen Fortschritten in der frühkindlichen Bildung, die häufig durch große Unterschiede in der Betreuungsqualität und den Betreuungsschlüsseln konterkariert werden, sehen die Entwicklungen im schulischen Bereich anders aus. Die Anzahl von Schülerinnen und Schülern, bei denen sonderpädagogischer Bedarf festgestellt wurde, ist von 2005 bis 2014 deutlich um 4 Prozent gestiegen. Gleichzeitig ist die Zahl an Schülerinnen und Schülern insgesamt zurückgegangen (vgl. ebd., S. 100). Der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf , die eine Regelschule besuchen, ist seit 2005 von 14 Prozent auf 34 Prozent im Jahr 2016 gestiegen. Immer mehr Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen besuchen demnach die Schule gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern ohne Beeinträchtigungen. Weiterhin ist der Besuch einer Regelschule jedoch stark von der Art der Beeinträchtigungen abhängig. Schülerinnen und Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Schüler mit einer emotionalen oder sozialen Beeinträchtigung besuchen demnach häufiger eine Regelschule als Schülerinnen und Schüler mit chronischen Erkrankungen oder Lernschwierigkeiten (vgl. ebd., S. 103 ff.). Trotz der Fortschritte wird der überwiegende Teil von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Bedarf weiterhin an Förderschulen unterrichtet (vgl. ebd., S. 102). Im Jahr 2014 waren es 335 000 und damit 4,6 Prozent aller Schülerinnen und Schüler (vgl. ebd., S. 107). Von allen Schülerinnen und Schülern , die eine Regelschule besuchen, erreichen 71 Prozent keinen Hauptschulabschluss (vgl. ebd., S. 129). Hier sind aus Sicht der Fragesteller immer noch deutlich ungleiche Bildungschancen zu sehen, die Auswirkungen auf die Teilhabechancen in anderen Lebensbereichen haben – beispielsweise auf die Erwerbstätigkeit und die materiellen Lebensbedingungen. Die unterschiedlichen Teilhabechancen in diesem gesellschaftlichen Bereich sind an der Arbeitslosenquote abzulesen. Diese ist in Bezug auf Menschen mit anerkannten Schwerbehinderungen zwar seit dem Jahr 2008 um 1,3 Prozent auf 13,4 Prozent im Jahr 2015 gesunken, sie liegt im Jahr 2015 jedoch mit 5 Prozentpunkten Abstand deutlich über der allgemeinen Arbeitslosenquote (vgl. ebd., S. 184). Dieser Abstand ist in den vergangenen Jahren relativ stabil geblieben . Dies ist ein offenkundiges Zeichen dafür, dass der allgemeine Arbeitsmarkt noch nicht ausreichend inklusiv gestaltet ist. Ein weiterer Indikator ist die wachsende Zahl der Beschäftigten in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM), die seit dem Jahr 2014 um 20 Prozent auf 264 842 gestiegen ist (vgl. ebd., S. 191). Immer mehr Menschen mit Beeinträchtigungen sind demnach in Sondereinrichtungen beschäftigt und damit vom allgemeinen Arbeitsmarkt sowie tariflicher Entlohnung ausgeschlossen. Menschen mit Beeinträchtigungen sind länger arbeitslos als Menschen ohne Beeinträchtigungen , sie haben größere Sorgen um ihre persönliche wirtschaftliche Lage und sie bestreiten ihren Lebensunterhalt seltener aus ihrem Erwerbseinkommen (vgl. ebd., S. 154). Eines der erschreckendsten Ergebnisse des Teilhabeberichts 2016 ist das hohe Armutsrisiko von Menschen mit Beeinträchtigungen , das mit 20 Prozent im Jahr 2013 deutlich höher ist als das von Menschen ohne Beeinträchtigungen (13,4 Prozent). Darüber hinaus ist das Armutsrisiko für Menschen mit Beeinträchtigungen seit 2005 von 13 Prozent deutlich um 7 Prozentpunkte angestiegen. Dies ist besonders besorgniserregend, da sich materielle Armut in entscheidendem Maße auf die Teilhabechancen in den anderen Lebensbereichen auswirkt (vgl. ebd., S. 201). Der Teilhabebericht verfügt aus Sicht der Fragesteller über keine Informationen, inwieweit Menschen mit Beeinträchtigungen ihren Wohnort selbstbestimmt wählen können. Dies ist nicht nur in Hinblick auf Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), in dem das Recht auf selbstbestimmte Wahl des Wohnortes festgeschrieben ist, sondern auch hinsichtlich des kürzlich vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Bundesteilhabegesetzes (BTHG) eine kritische Erkenntnislücke. Obwohl immer mehr Menschen Leistungen des ambulant betreuten Wohnens erhalten, ist auch die Zahl der Menschen, die Hilfen zum selbstbestimmten Leben in stationären Wohneinrichtungen erhalten, von 167 161 im Jahr 2008 um 16 Prozent auf 193 770 Personen im Jahr 2014 gestiegen (vgl. ebd., S. 252). Besonders stark ist die Zahl der Kinder mit Beeinträchtigungen , die Leistungen der Eingliederungshilfe in stationären Wohneinrichtungen erhalten, gestiegen. Von 2008 bis 2014 gab es hier einen Anstieg um 29 Prozent (vgl. ebd., S. 274). Genauere Angaben zu den Gründen des Anstiegs macht der Bericht nicht. Weiterhin stellt der Teilhabebericht einen Bedarf von 2,9 Millionen barrierefreien Wohnungen bis zum Jahr 2030 fest und dies allein für die Personengruppe der über 65-Jährigen mit Bewegungseinschränkungen. Dem steht im Jahr 2013 ein Bestand von 700 000 barrierefreien Wohnungen gegenüber. Studien und Er- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11834 hebungen zur Barrierefreiheit in Haushalten von Menschen mit Beeinträchtigungen liegen nicht vor. Hier sieht der Teilhabebericht weiteren Forschungsbedarf gerade im Vergleich von städtischen und ländlichen Regionen (vgl. ebd., S. 251). In Artikel 25 UN-BRK ist das Recht von Menschen mit Beeinträchtigungen auf eine barriere- und diskriminierungsfreie gesundheitliche Versorgung festgeschrieben . Die Vertragsstaaten haben sich mit ihrer Unterzeichnung verpflichtet , alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um zu gewährleisten, dass Menschen Zugang zu allen geschlechtsspezifischen Gesundheitsdiensten einschließlich gesundheitlicher Rehabilitation haben. Der Teilhabebericht 2016 stellt jedoch bezüglich der Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der Gesundheitsversorgung einige Mängel fest. So gaben beispielsweise nur 11 Prozent von 196 000 befragten Arzt- und Zahnarztpraxen sowie psychotherapeutischen Praxen an, mindestens drei von insgesamt zwölf Kriterien der Barrierefreiheit zu erfüllen (vgl. ebd., S. 312). Nach diesen Informationen sind 21 Prozent der Praxen ebenerdig oder mit einem Aufzug erreichbar. Lediglich 3 Prozent verfügen über eine barrierefreie Toilette und nur 1 Prozent der Praxen hat Orientierungshilfen für Menschen mit Sehbehinderungen installiert, wobei auch diese Informationen zumeist auf wenig zuverlässigen Selbstauskünften beruhen (vgl. ebd., S. 313). Der Bericht kommt hier zu folgendem Ergebnis: „Barrierefreie hausärztliche Praxen sind in Deutschland nicht flächendeckend wohnortnah erreichbar. Insbesondere in ländlichen Gebieten ist in einem Radius von 20 km häufig keine oder nur eine barrierefreie Praxis erreichbar. Entsprechend sind Menschen mit Beeinträchtigungen in zahlreichen ländlichen Regionen entweder hausärztlich nicht wohnortnah versorgt oder können wegen des geringen Angebots ihr Wunsch- und Wahlrecht nicht ausüben“ (ebd., S. 325). Weitere Informationen zur Barrierefreiheit der Gesundheitsversorgung liegen nicht vor. Beispielsweise sind keine Daten über die Inanspruchnahme von Gebärdensprachdolmetschung , die Bereitstellung von Informationen in Leichter Sprache oder die derzeitige gesundheitliche Versorgungssituation von Menschen mit geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen vorhanden. Dies gilt gleichermaßen für die Gesundheitsversorgung in stationären Einrichtungen, wie zum Beispiel Krankenhäusern (vgl. ebd., S. 312 ff.). Eine Untersuchung und Bewertung der gesundheitlichen Versorgungsstruktur sind aufgrund der fehlenden Datengrundlage nicht möglich (vgl. ebd., S. 326). Auch im Tourismus, in der Freizeit, im kulturellen Leben und beim Sport ist die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen im Vergleich zu Menschen ohne Beeinträchtigungen eingeschränkt. Der Anteil von Menschen, die nie verreisen oder einen Ausflug machen, ist mit 25 Prozent bei Menschen mit Beeinträchtigungen deutlich höher als bei Menschen ohne Beeinträchtigungen (11 Prozent) (vgl. ebd., S. 348). 48 Prozent der Menschen mit Beeinträchtigungen würden häufiger verreisen, wenn mehr barrierefreie Angebote vorhanden wären. 37 Prozent der Menschen mit Beeinträchtigungen sind noch nie verreist, weil geeignete barrierefreie Ziele fehlen (vgl. ebd., S. 351). Darüber hinaus besuchen Menschen mit Beeinträchtigungen seltener kulturelle Veranstaltungen. Auch hier spielt fehlende Barrierefreiheit häufig eine Rolle (vgl. ebd., S. 361 ff.). Ebenso ist in Bezug auf sportliche Aktivitäten ein deutlicher Unterschied zu verzeichnen. Während 46 Prozent der Menschen mit Beeinträchtigungen angeben, nie Sport zu treiben, ist der Anteil der Menschen ohne Beeinträchtigungen mit 28 Prozent deutlich geringer. Im Bereich der Freizeitgestaltung , des kulturellen Lebens und des Sports sind demnach erhebliche Teilhabeunterschiede festzustellen. Auch in Bezug auf die Sicherheit und den Schutz der Person sind einige besorgniserregende Entwicklungen zu beobachten. So hat sich die Zahl der Personen, die unter gesetzlicher Betreuung stehen, von 1995 bis 2014 auf rund 1,3 Milli- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode onen Menschen mehr als verdoppelt (vgl. ebd., S. 385). Nach wie vor sind Menschen mit Beeinträchtigungen häufiger von personeller und institutioneller Gewalt betroffen als Menschen ohne Beeinträchtigungen. Mädchen und Frauen mit Beeinträchtigungen sind darüber hinaus im Vergleich zur weiblichen Durchschnittsbevölkerung deutlich häufiger von schwerer körperlicher und sexualisierter Gewalt betroffen (vgl. ebd., S. 388 f.). Ein besonderer Schwerpunkt des Teilhabeberichts 2016 liegt auf der Diskriminierung und gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen und Migrationshintergrund sowie Menschen mit Beeinträchtigungen und Wohnungslosigkeit . Menschen mit Beeinträchtigungen und Migrationshintergrund sind häufig zusätzlich von Barrieren kultureller, sprachlicher und sozialer Art betroffen. Sie haben mit Mehrfachdiskriminierungen zu kämpfen und ihre Teilhabechancen in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen sind dadurch erheblich eingeschränkt (vgl. ebd., S. 446 ff.). Beim Thema Menschen mit Beeinträchtigungen und Wohnungslosigkeit besteht ein großer Bedarf an weiterer Forschung und Datenerhebungen. Das Thema hat in der bisherigen Forschung kaum eine Rolle gespielt (vgl. ebd., S. 515 f.). Daher bleiben viele Fragen offen. 1. Warum leben aus Sicht der Bundesregierung Menschen mit Beeinträchtigungen und hierbei insbesondere Frauen mit Beeinträchtigungen häufiger allein und seltener in festen Paarbeziehungen mit Kindern als Menschen ohne Beeinträchtigungen , wie es der aktuelle Teilhabebericht der Bundesregierung zum Ergebnis hat? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 2. Wie begründet die Bundesregierung die im aktuellen Teilhabebericht festgestellte Tatsache, dass der Anteil der alleinerziehenden Frauen im Alter von 18 bis zu 49 Jahren mit Beeinträchtigungen höher ist als der Anteil der alleinerziehenden Frauen ohne Beeinträchtigungen im selben Alter und im Zeitraum von 2005 bis 2013 von 9 Prozent auf 11 Prozent gestiegen ist? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 3. Wie begründet die Bundesregierung die im aktuellen Teilhabebericht festgestellte Tatsache, dass Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen häufiger in Ein-Eltern-Familien leben als Gleichaltrige ohne Beeinträchtigungen? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 4. Werden die neuen Regelungen des beschlossenen Bundesteilhabegesetzes (BTHG) aus Sicht der Bundesregierung dazu führen, dass die stärkere Tendenz zur Vereinsamung von Menschen mit Beeinträchtigungen gegenüber Menschen ohne Beeinträchtigungen verringert werden kann, oder besteht weiterer Handlungsbedarf beziehungsweise Nachbesserungsbedarf beim BTHG? Das gerade in Kraft getretende BTHG wird dazu beitragen, die Teilhabe am sozialen Leben zu fördern und damit der Tendenz zur Vereinsamung entgegenwirken . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11834 5. Welche Konsequenzen und Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der im aktuellen Teilhabebericht formulierten Problematik, dass sich trotz des Inklusionsgebots der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) die Bildungswege von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen immer noch ab dem Schulalter trennen? 6. In welcher Weise kann in Zusammenarbeit mit den Ländern eine Verbesserung hin zu mehr Inklusion erreicht werden und die immer noch sehr hohe Anzahl von Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Förderschulen schrittweise auf inklusive Angebote verteilt werden? Die Fragen 5 und 6 werden gemeinsam beantwortet. In Deutschland haben alle jungen Menschen mit und ohne Behinderungen das Recht und die Pflicht zum Besuch einer Schule. Dazu gehören die allgemeinen Schulen und die Schulen speziell für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (Förderschulen). Im Bereich der schulischen Bildung besitzt der Bund keine Gesetzgebungskompetenz . Die Zuständigkeit und Verantwortung für die Gestaltung des allgemeinen Bildungsbereichs liegt nach der föderalen Kompetenzverteilung des Grundgesetzes ausschließlich bei den Ländern. Ihnen obliegt damit auch die Gestaltung ihrer schulischen Bildungsangebote. Die Bundesregierung unterstützt inklusives Lernen in Deutschland mit einer Vielzahl von Maßnahmen in ihrem zweiten Nationalen Aktionsplan zur UN-Behindertenrechtskonvention (www.bmas.de/DE/Schwerpunkte/Inklusion/nationaleraktionsplan -2-0.html). Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt zudem inklusives Lernen durch entsprechende Forschungsförderung, insbesondere im Hinblick auf die Qualifikation des pädagogischen Personals. Bund und Länder haben dies auch in der Qualitätsoffensive Lehrerbildung berücksichtigt, die u. a. den Schwerpunkt Inklusion umfasst. Ferner erfolgt die Veröffentlichung bildungsbereichsübergreifender Forschungsförderrichtlinien, die den Fokus auf die „Qualifizierung der pädagogischen Fachkräfte für inklusive Bildung“, „Diagnostik in der inklusiven Bildung“ und „Übergänge zwischen den Bildungsbereichen“ legen. Da ein hoher Forschungsbedarf zu den die Bildungswege von Menschen mit Beeinträchtigungen fördernden und behindernden Faktoren besteht, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) eine groß angelegte und repräsentative Befragung zu den Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen beauftragt , die auch der Frage nachgeht, wie sich die Bildungswege der Befragten gestaltet haben. Auch in der beruflichen Bildung legt der Bund den Grundsatz der Inklusion zugrunde . Insbesondere gilt dies für die gemeinsame Initiative „Bildungsketten“ von Bund, Bundesagentur für Arbeit und den Ländern. Die Bildungsketten werden umgesetzt in gemeinsamen Vereinbarungen der Partner mit dem Ziel, den Übergang von der Schule in Beruf oder Studienwahl zu optimieren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern ergreifen, um den immer noch um mehr als die Hälfte geringeren Anteil von Menschen mit Beeinträchtigungen mit erworbener (Fach-)Hochschulreife (19 Prozent) im Vergleich zu Menschen ohne Beeinträchtigungen (41 Prozent) erheblich zu erhöhen, um auch die Anzahl der Menschen mit Beeinträchtigungen und einem (Fach-)Hochschulabschluss erheblich zu steigern (auch hier schneiden diese Menschen mit 10 Prozent im Vergleich zur Gruppe ohne Beeinträchtigungen mit 22 Prozent deutlich schlechter ab)? Der Bund hat weder im Bereich der schulischen Bildung noch in der Hochschulbildung eine Gesetzgebungskompetenz. Die Zuständigkeit und Verantwortung für die Gestaltung des allgemeinen und des tertiären Bildungsbereichs liegt nach der föderalen Kompetenzverteilung des Grundgesetzes ausschließlich bei den Ländern. Ihnen obliegt damit auch die Gestaltung ihrer schulischen und hochschulischen Bildungsangebote. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 5 und 6 verwiesen. 8. In welchem Umfang und in welcher Art und Weise wird sich die Bundesregierung in Kooperation mit den Ländern auf ein abgestimmtes Inklusionsprogramm in der Bildung verständigen und mehr finanzielle, strukturelle und personelle Mittel zur Schaffung von mehr Barrierefreiheit und Inklusion in allen Bildungseinrichtungen/-etappen und in der Lehre aufbringen? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 9. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der im Teilhabebericht aufgeführten Tatsache, dass Jungen mit Beeinträchtigungen zwischen dem 14. und 17. Lebensjahr mit einem Anteil von 45 Prozent knapp doppelt so oft wie Mädchen mit Beeinträchtigungen in derselben Altersklasse mit einem Anteil von 23 Prozent eine Klasse wiederholt haben? Auf die Antworten zu den Fragen 5 und 6 wird verwiesen. 10. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der im Teilhabebericht aufgeführten Tatsache, dass von Mädchen mit Beeinträchtigungen 2014 nur 8 Prozent einen Ausbildungsvertrag in einem Handwerksberuf in „Ausbildungsberufen für Menschen mit Behinderungen“ abgeschlossen haben , während Mädchen ohne Beeinträchtigungen zu 16 Prozent einen Ausbildungsvertrag in einem regulären Ausbildungsberuf im Handwerk abgeschlossen haben, und mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung in Kooperation mit den Ländern dem entgegenwirken? Aus dem Teilhabebericht geht hervor, dass im Jahr 2014 von allen weiblichen Auszubildenden 16 Prozent einen Ausbildungsvertrag in einer „regulären Berufsausbildung “ (ohne Ausbildungen für Menschen mit Behinderung) im Handwerk neu abgeschlossen haben. Ob diese Frauen eine Beeinträchtigung haben oder nicht, wird statistisch nicht erhoben und ist daher nicht bekannt. Ferner geht aus dem Bericht hervor, dass acht Prozent aller Frauen mit einem Neuabschluss in einem dualen Ausbildungsberuf für Menschen mit Behinderungen (nach § 66 Berufsbildungsgesetz bzw. § 42m Handwerksordnung) den Neuabschluss im Handwerk gemacht haben. Die Aussage der Fragesteller kann daher auf der Grundlage der vorliegenden Daten nicht nachvollzogen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/11834 Mit der Assistierten Ausbildung ist zum 1. Mai 2015 eine Maßnahme befristet eingeführt worden, die gezielt auf die Unterstützung vor und während einer betrieblichen Berufsausbildung ausgerichtet ist. Damit wurde eine weitere gesetzliche Möglichkeit zur Förderung inklusiver Berufsausbildung im Betrieb für junge Menschen mit Behinderung als Alternative zu einer außerbetrieblichen Ausbildung oder zur beruflichen Bildung in Werkstätten für behinderte Menschen geschaffen . Mit Assistierter Ausbildung können auch betriebliche Berufsausbildungen von jungen Menschen mit Behinderung, die im Rahmen des Berufsbildungsgesetzes oder der Handwerksordnung abweichend von den Ausbildungsordnungen für staatlich anerkannte Ausbildungsberufe durchgeführt werden, unterstützt werden (§ 116 Absatz 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – SGB III). 11. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung in Kooperation mit den Ländern , um Barrierefreiheit an Hochschulen umzusetzen? 12. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung in Kooperation mit den Ländern , um die chancengerechte Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen an Hochschulen zu verbessern? Die Fragen 11 und 12 werden gemeinsam beantwortet. Auf die ausschließliche Zuständigkeit der Länder wird verwiesen. 13. Welche Konsequenzen und Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass 21 Prozent der Menschen mit Beeinträchtigungen keinen beruflichen Abschluss vorweisen können und im Vergleich dazu dieser Wert bei Menschen ohne Beeinträchtigungen bei 12 Prozent liegt? Unter den Menschen mit Beeinträchtigungen, die keinen beruflichen Abschluss vorweisen können, befinden sich auch Menschen mit Behinderungen, die wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung weder eine nach dem Berufsbildungsgesetz geregelte Berufsausbildung noch an deren Stelle einen anerkannten Ausbildungsgang nach § 66 des Berufsbildungsgesetzes absolvieren und damit keine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufnehmen können, die den vorherigen Abschluss einer anerkannten Berufsausbildung voraussetzt. Diese Personengruppe nimmt an beruflichen Bildungsmaßnahmen in einer Werkstatt für behinderte Menschen teil. Mit dieser Bildungsmaßnahme wird ein beruflicher Abschluss nicht erworben. Dagegen ist der Fachkräfteanteil bei schwerbehinderten Arbeitslosen höher als bei nicht schwerbehinderten Arbeitslosen, siehe Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 38 der Abgeordneten Brigitte Pothmer im Januar 2017 auf Bundestagsdrucksache 18/11078. In dem Bericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen ist dargestellt, dass sich beim Übergang von der Schule in eine Ausbildung ein niedriger oder fehlender Schulabschluss als Barriere für Jugendliche mit Beeinträchtigungen erweist (Bundestagsdrucksache 18/10940, Seite 136). Im Jahre 2014 verließen 71 Prozent der Schülerinnen und Schüler an Förderschulen diese ohne Hauptschulabschluss, und etwa drei Viertel der Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss münden nach Verlassen der Schule in das System berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen ein. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Mit den beschäftigungspolitischen Aktivitäten des Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-BRK (NAP) und des weiterentwickelten NAP 2.0 geht es insbesondere darum, behinderten Menschen mehr Möglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verschaffen. Sie sind Bestandteil eines Gesamtprogramms , das in den letzten Jahren Schritt für Schritt umgesetzt wird: Über die Initiative Inklusion (Handlungsfeld 1) wird die berufliche Orientierung von schwerbehinderten Schülerinnen und Schülern, insbesondere mit sonderpädagogischem Förderbedarf, mit einer Anschubfinanzierung von 80 Mio. Euro aus dem Ausgleichsfonds gefördert. Diese Anschubfinanzierung soll die Länder in die Lage versetzen, im gesamten Bundesgebiet Strukturen für eine berufliche Orientierung zu schaffen, die sie im Anschluss an die Anschubförderung aus eigenen Mitteln und mit Kofinanzierung durch die BA aufrechterhalten . Flankiert wird dies dadurch, dass den Ländern mit dem Neunten Gesetz zur Änderung des SGB II – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (9. SGB II-ÄndG) zum 1. August 2016 die rechtliche Möglichkeit eröffnet wurde, dass die Integrationsämter künftig auch Mittel aus der ihnen zur Verfügung stehenden Ausgleichsabgabe zur Unterstützung der beruflichen Orientierung behinderter Jugendlicher einsetzen können. Ziel ist es, mittelfristig alle Schülerinnen und Schüler mit Behinderung in Förder- und Regelschulen über ihre individuellen Möglichkeiten für den weiteren beruflichen Werdegang zu orientieren (gemeinsam mit den Eltern, Lehrkräften, potenziellen Dienstleistern und Leistungsträgern). Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Anschluss an eine berufliche Orientierung gibt es nur, wenn die entsprechenden Ausbildungs- und Arbeitsplätze auch bereit stehen. Die Unterstützte Beschäftigung bietet seit dem Jahr 2009 auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt neue Chancen für behinderte Menschen im Grenzbereich zur Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM)¸ das Instrument konnte erfolgreich mit einer hohen Eingliederungs- und Verbleibsquote etabliert werden. Mit dem Budget für Arbeit wird behinderten Menschen, die heute einen Anspruch auf Leistungen in einer WfbM haben, im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes eine Beschäftigungschance auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eröffnet . Die Alternative zur WfbM besteht darin, dass ein Lohnkostenzuschuss nebst Anleitung und Begleitung ermöglicht wird, der einen Arbeitgeber dazu bewegt, mit dem Menschen mit Behinderungen trotz dessen voller Erwerbsminderung einen regulären Arbeitsvertrag zu schließen. 14. Welche Konsequenzen und Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der im aktuellen Teilhabebericht aufgeführten Tatsache, dass die Arbeitslosenquote für anerkannt schwerbehinderte Menschen immer noch knapp 5 Prozentpunkte über der allgemeinen Arbeitslosenquote liegt? Die Beschäftigungssituation der schwerbehinderten Menschen hat sich in den vergangenen Jahren stetig verbessert: Im Jahr 2014 waren bei den beschäftigungspflichtigen Arbeitgebern rd. 1 014 000 schwerbehinderte Menschen beschäftigt. Das ist ein Zuwachs um rund 42 Prozent gegenüber dem Jahr 2002, in dem das heutige System der gestaffelten Ausgleichsabgabe eingeführt wurde. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/11834 Die Zahl der schwerbehinderten Menschen in Beschäftigung ist in diesem Zeitraum von 3,8 Prozent auf 4,7 Prozent (von rd. 716 000 auf rd. 1 014 000) gestiegen . Damit ist die gesetzliche Zielquote von 5 Prozent noch nicht erreicht, aber die Tendenz ist positiv. Die Zahl beschäftigungspflichtiger Arbeitgeber, die keinen schwerbehinderten Menschen beschäftigen, ist von 58 219 (2002) auf 39 101 (2014) gesunken. Trotz des guten Trends bei den Beschäftigtenzahlen besteht bei der Erwerbsbeteiligung von Menschen mit Behinderung weiterhin noch Verbesserungspotenzial . Denn schwerbehinderten Arbeitslosen gelingt es seltener als nicht schwerbehinderten , eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt aufzunehmen. Gemessen am Arbeitslosenbestand werden sie allerdings auch nicht so häufig arbeitslos . Die Dynamik der Arbeitslosigkeit ist – auch in der mittleren Altersgruppe der 25- bis unter 55-Jährigen – bei schwerbehinderten Arbeitslosen deutlich geringer als bei nicht-schwerbehinderten. Die Dauer der Arbeitslosigkeit und der Anteil der Langzeitarbeitslosen sind daher deutlich höher. Aktuell sinkt die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen allerdings stärker als die allgemeine Arbeitslosigkeit: Februar 2017: 168 964 arbeitslose schwerbehinderte Menschen. Das sind 10 334 oder rd. 5,8 Prozent weniger als im Februar 2016 (179 298). Die allgemeine Arbeitslosigkeit ist in diesem Zeitpunkt weniger stark zurückgegangen : Februar 2017: 2 762 095 Das sind 149 070 oder rd. 5,1 Prozent weniger als im Februar 2016 (2 911 165). Dieser Trend bestätigt sich seit knapp einem Jahr (April 2016): Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahresmonat Schwerbehinderte Menschen allgemein Dezember 2015 - 2,7 % - 3,0 % Januar 2016 - 3,8 % - 3,8 % Februar 2016 - 3,3 % - 3,5 % März 2016 - 3,0 % - 3,0 % April 2016 - 4,6 % - 3,5 % Mai 2016 - 4,6 % - 3,5 % Juni 2016 - 4,8 % - 3,6 % Juli 2016 - 5,9 % - 4,0 % August 2016 - 5,4 % - 4,0 % September 2016 - 5,1 % - 3,7 % Oktober 2016 - 5,7 % - 4,1 % November 2016 - 4,8 % - 3,8 % Dezember 2016 - 5,2 % - 4,2 % Januar 2017 - 5,6 % - 4,9 % Februar 2017 - 5,8 % - 5,1 % Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Dieser Trend wirkt sich auch auf den jahresdurchschnittlichen Bestand positiv aus. Die Zahl der jahresdurchschnittlich arbeitslosen schwerbehinderten Menschen ist im Jahr 2016 im Vergleich zum Vorjahr um rd. 4,6 Prozent gesunken; die allgemeine Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt 2016 ist hingegen weniger stark zurückgegangen (rd. 3,7 Prozent). 15. Was hat und was wird die Bundesregierung unternehmen, um die erheblich längere Phase der Arbeitslosigkeit von Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung gegenüber arbeitslosen Menschen ohne Behinderungen wirksam zu verkürzen? Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Anstrengungen für die berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt – wie es die UN-BRK in Artikel 27 fordert – weiter zu erhöhen und dies im Koalitionsvertrag zur 18. Legislaturperiode verbindlich festgelegt. Die gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung ist dabei nicht nur sozialpolitisch geboten. Aufgrund des strukturellen Wandels und der demografischen Entwicklung wird perspektivisch der Bedarf an gut ausgebildeten und qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steigen. Auf die Fähigkeiten und Potenziale einzelner Personengruppen darf deswegen nicht verzichtet werden. Dies gilt insbesondere auch für die Personengruppe der schwerbehinderten Menschen. Durch Weiterentwicklung und Förderung der Integrationsprojekte entsprechend dem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 24. September 2015 werden weitere Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entstehen: Mit dem 9. SGB II-ÄndG wurde zum 1. August 2016 der Personenkreis der in Integrationsprojekten beschäftigten Menschen um langzeitarbeitslose schwerbehinderte Menschen erweitert. Dies ist auch Bestandteil des Konzeptes „Chancen eröffnen – soziale Teilhabe sichern“ zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit . Außerdem wurde der Zugang zu geförderter Beschäftigung in Integrationsprojekten auch psychisch kranken Menschen eröffnet, die behindert oder von Behinderung bedroht sind und deren Teilhabe an einer sonstigen Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund von Art oder Schwere der Behinderung oder wegen sonstiger Umstände auf besondere Schwierigkeiten stößt. Entsprechend dem Bundestagsbeschluss hat das BMAS das Programm „Inklusionsinitiative II – AlleImBetrieb“ aufgelegt, mit dem den Integrationsämtern der Länder insgesamt 150 Mio. Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt werden, damit in diesen Betrieben noch mehr Ausbildungs- und Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen geschaffen werden können. Die Verwendung der zusätzlichen Mittel hat nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Förderung von Inklusionsbetrieben zu erfolgen, zusätzliche Fördertatbestände werden damit nicht geschaffen. Die Förderung im Rahmen des Programms sowie die Förderung der Inklusionsbetriebe insgesamt im Rahmen des gesetzlichen Instrumentariums soll, beginnend im Jahr 2017, evaluiert werden. Neben dem Ausbau des Beschäftigungsangebots ist es als weitere Komponente wichtig, dass die Träger der Arbeitsvermittlung arbeitsuchende Menschen mit Behinderungen passgenau in reguläre Ausbildung oder Beschäftigung vermitteln . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/11834 Im Rahmen des Förderprogramms der Bundesregierung zur intensivierten Eingliederung und Beratung von schwerbehinderten Menschen entwickeln Agenturen für Arbeit, gemeinsame Einrichtungen und zugelassene kommunale Träger fortschrittliche Konzepte, um schwerbehinderte Menschen zusätzlich zum Regelgeschäft in Ausbildung und Beschäftigung zu integrieren. Für dieses Programm , das Bestandteil der Inklusionsinitiative für Ausbildung und Beschäftigung ist, werden bis zu 80 Mio. Euro aus dem Ausgleichsfonds zur Verfügung gestellt. Mit dem zum 1. August 2016 in Kraft getretenen Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (AWStG) wurde die Förderung der Aufnahme einer selbständigen , hauptberuflichen Tätigkeit von Menschen mit Behinderungen im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der Bundesagentur für Arbeit gestärkt. Die neue Vorschrift ermöglicht die Förderung von Menschen mit Behinderungen mit einem Gründungszuschuss auch dann, wenn ein Anspruch von weniger als 150 Tagen oder kein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht. Um bei Arbeitgebern die Bereitschaft zu erhöhen, Menschen mit Behinderungen auszubilden und zu beschäftigen, wurden gezielte Maßnahmen zur Aufklärung und Beratung initiiert. Im Rahmen der Inklusionsinitiative für Ausbildung und Beschäftigung wirbt etwa die deutsche Wirtschaft mit der Kampagne „Inklusion gelingt“ und dem Projekt „Wirtschaft Inklusiv“ bei ihren Mitgliedsunternehmen dafür, mehr Arbeits- und Ausbildungsplätze für Menschen mit Behinderung bereitzustellen. Dieses Ziel verfolgt auch die Förderung der Inklusionskompetenz bei Handwerks-, Industrie- und Handelskammern sowie Landwirtschaftskammern im Handlungsfeld 4 der Initiative Inklusion. Als Anreiz für die Arbeitgeber stellen die Handlungsfelder 2 und 3 der Initiative Inklusion ergänzend zu den bestehenden gesetzlichen Förderleistungen Mittel für zusätzliche Ausbildungs- und Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zur Verfügung. Die Wirkung dieser zusätzlichen Förderung wird evaluiert. Mit diesem Gesamtprogramm greifen gezielte gesetzliche Änderungen, nachhaltige finanzielle Förderung sowie Aktivitäten aller maßgeblichen Arbeitsmarktakteure ineinander und ergänzen sich gegenseitig. 16. Inwiefern erachtet die Bundesregierung den Anstieg der Armutsrisikoquote von Menschen mit Beeinträchtigungen auf 20 Prozent als alarmierend, und welchen Handlungsbedarf erkennt die Bundesregierung auch angesichts der Tatsache, dass 21 Prozent der Menschen mit Beeinträchtigungen große Sorge um ihre wirtschaftliche Lage geäußert haben? Die Armutsrisikoquote ist eine statistische Maßgröße für die Einkommensverteilung . Sie liefert keine Information über individuelle Bedürftigkeit. Ihre Höhe hängt u. a. von der zugrunde liegenden Datenbasis, der Bezugsgröße (50 Prozent, 60 Prozent oder 70 Prozent des mittleren Einkommens) und der Gewichtung der Haushaltsmitglieder bei der Bestimmung des Nettoäquivalenzeinkommens ab. Wie bereits im Teilhabebericht ausgeführt, können wegen der komplexen Wirkmechanismen über die Gründe von Veränderungen der Armutsrisikoquote keine einfachen Aussagen gemacht werden. Plausibel erscheint, dass unterschiedliche Entwicklungen der Alters-, Haushalts- und Erwerbsbeteiligungsstruktur bei den Menschen mit Beeinträchtigungen im Vergleich zu Menschen ohne Beeinträchtigungen eine Rolle gespielt haben. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Seit dem Jahr 2010 ist der Anteil derjenigen, die sich große Sorgen um ihre wirtschaftliche Lage machen, deutlich zurückgegangen und unter den Menschen mit Beeinträchtigungen sogar deutlicher als bei Menschen ohne Beeinträchtigung. 17. Wie erklärt die Bundesregierung die im Teilhabebericht aufgeführte Tatsache , dass die Armutsrisikoquote von Männern mit Beeinträchtigungen im Jahr 2013 mit 22 Prozent höher war als die von Frauen mit Beeinträchtigungen mit 19 Prozent? Erkenntnisse über die Ursachen der Unterschiede liegen der Bundesregierung nicht vor. Stichprobenstatistiken wie der Mikrozensus, der die Grundlage für die in Rede stehenden Werte bildet, sind grundsätzlich immer mit Zufallsfehlern behaftet . Außerdem weist die Armutsrisikoquote eine vergleichsweise geringe statistische Robustheit auf. Das hat zur Folge, dass nur deutliche Unterschiede zwischen sozio-ökonomischen Gruppen inhaltlich interpretiert werden können. 18. In welchem Maße werden aus Sicht der Bundesregierung die neuen Regelungen des beschlossenen BTHG dazu führen, dass das Armutsrisiko und die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Beeinträchtigungen, insbesondere von Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung, stärker verringert werden, die Dauer der Arbeitslosigkeit dieser Menschen erheblich verkürzt wird sowie die Zufriedenheit von Menschen mit Beeinträchtigungen mit ihrem Arbeitsplatz gesteigert werden kann? Das Bundesteilhabegesetz enthält zahlreiche Maßnahmen, die diesen Zielen dienen , etwa die vorgesehenen Verbesserungen bei der Heranziehung von Einkommen und Vermögen im Bereich der Eingliederungshilfe. Durch das Budget für Arbeit können behinderte Menschen, für die derzeit nur die Werkstatt für behinderte Menschen in Betracht kommt, künftig einen Lohnkostenzuschuss erhalten, der ihnen ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis ermöglicht. Sie verdienen dann mehr als in der Werkstatt. Werkstattbeschäftigte profitieren von der Verdoppelung des Arbeitsförderungsgeldes und der verbesserten Anrechnung ihres Arbeitsentgelts auf die Grundsicherung. In den Betrieben und Verwaltungen werden die Arbeitsmöglichkeiten der Schwerbehindertenvertretungen durch das BTHG spürbar verbessert, insbesondere durch bessere Freistellungs- und Fortbildungsmöglichkeiten . Sie können dadurch künftig noch besser darauf hinwirken, dass in ihren Betrieben und Verwaltungen schwerbehinderte Menschen eingestellt werden. Dies wirkt sich positiv auf die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Beeinträchtigungen aus und ist insbesondere geeignet, die Dauer der Arbeitslosigkeit von Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung zu verringern. Insgesamt werden diese positiven Maßnahmen auch die Zufriedenheit von Menschen mit Beeinträchtigungen an ihrem Arbeitsplatz steigern. 19. Welche weiteren Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um den allgemeinen Arbeitsmarkt inklusiver zu gestalten? Der Bundesregierung ist die Verbesserung der beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ein wichtiges Anliegen. Dem Gedanken der Inklusion im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention entsprechend steht die Erhöhung der Beschäftigungschancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im besonderen Fokus der Aktivitäten wie z. B.: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/11834 Als Alternative zur Werkstatt für behinderte Menschen wurde mit dem Bundesteilhabegesetz das „Budget für Arbeit“ eingeführt. Hierbei handelt es sich um einen dauerhaften Lohnkostenzuschuss an einen Arbeitgeber, der bereit ist, mit einem Menschen, der ansonsten auf die Werkstatt angewiesen ist, ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu schließen. Das Budget für Arbeit umfasst dazu auch die notwendige Anleitung und Unterstützung am Arbeitsplatz . Inklusionsbetriebe bieten besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt . Mit einer zusätzlichen Förderung von insgesamt 150 Mio. Euro aus d em Ausgleichsfonds im Rahmen des Programms „Inklusionsinitiative II – AlleImBetrieb“ wird das Ausbildungs- und Arbeitsplatzangebot in Inklusionsbetrieben ausgebaut. Zudem wurde durch Ausweitung der gesetzlichen Zugangsvoraussetzungen auch schwerbehinderten Langzeitarbeitslosen und psychisch kranken Menschen eine Beschäftigungsperspektive in Inklusionsbetrieben eröffnet. Je mehr Möglichkeiten es gibt, desto wichtiger ist es, den Jugendlichen mit Behinderungen im Rahmen einer professionellen beruflichen Orientierung schon in der Schule die Alternativen für ihren künftigen Berufsweg aufzuzeigen . Deswegen fördert das BMAS mit 80 Mio. Euro aus dem Ausgleichsfonds im Rahmen der Initiative Inklusion den Aufbau und die Weiterentwicklung von Strukturen und Maßnahmen zur verbesserten beruflichen Orientierung schwerbehinderter Schülerinnen und Schüler, insbesondere mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Ziel ist es, mittelfristig alle Schülerinnen und Schüler mit Behinderung in Förder- und Regelschulen über ihre individuellen Möglichkeiten für den weiteren beruflichen Werdegang zu orientieren, und zwar gemeinsam mit den Eltern, Lehrkräften, potenziellen Dienstleistern und Leistungsträgern . Zudem setzt sich die Bundesregierung im Rahmen der Aktivitäten des Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention für eine Sensibilisierung der Arbeitgeber für die Belange von Menschen mit Behinderungen ein, um Vorurteile abzubauen und die Beschäftigungssituation von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Nur wenn der Bewusstseinswandel gelingt, dass Arbeitgeber selbstverständlich auch Menschen mit Behinderungen im Blick haben , kann das Ziel eines inklusiven Arbeitsmarktes Realität werden. Im Rahmen des Nationalen Aktionsplans wurden daher gezielte Maßnahmen zur Aufklärung, Unterstützung und Beratung von Arbeitgebern initiiert mit dem Ziel, dass diese sich verstärkt Menschen mit Behinderungen öffnen und mehr Ausbildungs- und Arbeitsplätze bereitstellen. 20. Wie viele Übergänge verspricht sich die Bundesregierung jährlich vom beschlossenen Budget für Arbeit, das den Weg von Menschen mit Beeinträchtigungen aus Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) auf den allgemeinen Arbeitsmarkt erleichtern soll? In der Darstellung der finanziellen Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes wird davon ausgegangen, dass ein Prozent der rund 270 000 Beschäftigten im Arbeitsbereich der Werkstätten das Budget für Arbeit in Anspruch nehmen (Begründung zu A. Allgemeiner Teil, Nummer 4.1 S. 211). Das Budget für Arbeit hat aber nicht nur das in der Frage angesprochene Ziel, wesentlich behinderten Menschen im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen zu ermöglichen , auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu wechseln. Die Bundesregierung geht Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode davon aus, dass auch junge behinderte Menschen, die ihre berufliche Bildung bei einem anderen Leistungsanbieter abgeschlossen haben, sich mittelfristig mehr und mehr dafür entscheiden werden, nicht in den Arbeitsbereich einer WfbM zu gehen, sondern mit Hilfe des Budgets für Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Deswegen ist davon auszugehen, dass die Fälle eines Budgets für Arbeit erst nach und nach aufwachsen werden. Diese Annahme findet ihren Niederschlag auch in den finanziellen Auswirkungen des Budgets für Arbeit, die in den Jahren 2018 bis 2020 stetig ansteigen. 21. Mit welchen zusätzlichen Maßnahmen wird die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern der stets ansteigenden Zahl von Menschen mit Beeinträchtigungen, die an WfbM verwiesen werden, begegnen? Werkstätten für behinderte Menschen sind Einrichtungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für diejenigen Menschen, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Für diese Menschen mit Behinderungen ist Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen die bisher ausschließliche Möglichkeit der Teilhabe am Arbeitsleben . Die Bundesregierung hat für diese Menschen mit Behinderungen die Beschäftigungsmöglichkeiten erweitert. Mit dem Bundesteilhabegesetz sind mit der Zulassung anderer Leistungsanbieter und der Einführung des Budgets für Arbeit Wahlmöglichkeiten für dauerhaft voll erwerbsgeminderte Menschen mit Behinderungen und damit Alternativen zu Werkstätten für behinderte Menschen geschaffen worden. Das Budget für Arbeit steht auch denjenigen Menschen mit Behinderungen offen, die vorher nicht in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt waren. Mit der im Bundesteilhabegesetz verankerten Förderung von Modellvorhaben nach § 11 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX – (neu) sollen die im Verhältnis zur Eingliederungshilfe vorrangigen Leistungssysteme der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) sowie der gesetzlichen Rentenversicherung (SGB VI) gezielt im Hinblick auf die Sicherung von Erwerbsfähigkeit und Beschäftigung unterstützt werden, um frühzeitig geeignete präventive Maßnahmen einleiten zu können sowie die Rehabilitation zu stärken und so bei Betroffenen eine drohende Erwerbsminderung zu verhindern und Zugänge in die Eingliederungshilfe zu verringern. Mit dem 9. SGB II – Änderungsgesetz sind zum 1. August 2016 die Personengruppe der Menschen mit psychischen Behinderungen in die Zielgruppe der in den Integrationsprojekten zu beschäftigenden Menschen mit Behinderungen aufgenommen und die Möglichkeiten der Beschäftigung in der Form des Zuverdienstes in diesen Projekten verbessert worden. 22. Welche anderen inklusiven Angebote sollen sowohl für die Menschen mit Beeinträchtigungen, die kurz vor der Aufnahme in eine WfbM stehen, als auch für die Menschen mit Beeinträchtigungen, die bereits in einer WfbM arbeiten, geschaffen werden? Auf die Antwort zu Frage 21 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/11834 23. Wie erklärt die Bundesregierung den Anstieg der Zahl der Leistungsbeziehenden des stationären Wohnens um 16 Prozent seit dem Jahr 2008 auf 193 770 im Jahr 2014, und welchen Handlungsbedarf sieht sie diesbezüglich ? Die Anzahl der Empfänger von Leistungen der Eingliederungshilfe, die Hilfe zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten erhalten, ist im Zeitraum von 2008 bis 2015 von 250 184 auf 369 378 Fälle gestiegen. Der Anstieg im stationären Bereich kann jedoch nicht isoliert bewertet werden, sondern ist im Verhältnis zu der Gesamtzahl der Fälle zu betrachten. Die nachfolgenden Zahlen machen deutlich, dass der Anteil im stationären Bereich in Bezug auf die Gesamtzahl der Fälle seit 2008 rückläufig ist und der Anteil im ambulanten Bereich dahingegen steigt: Jahr Anzahl stationär Anzahl ambulant Anzahl insgesamt Anteil stationär Anteil ambulant 2008 167.161 83.023 250.184 66,8 % 33,2 % 2009 177.259 96.272 273.531 64,8 % 35,2 % 2010 182.398 117.635 300.033 60,8 % 39,2 % 2011 181.564 134.715 316.279 57,4 % 42,6 % 2012 190.621 144.436 335.057 56,9 % 43,1 % 2013 191.595 153.581 345.176 55,5 % 44,5 % 2014 193.770 161.896 355.666 54,5 % 45,5 % 2015 194.820 174.558 369.378 52,7 % 47,3 % Empfänger der Hilfe zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten am Jahresende (in einer Wohneinrichtung = stationär; in eigener Wohnung oder Wohngemeinschaft (ambulant betreut ) = ambulant) Quelle: Statistisches Bundesamt Die nachfolgenden Zahlen zeigen, dass das früher erhebliche Wachstum der Anzahl der Fälle beim Stationären Wohnen seit dem Jahr 2012 fast zum Stillstand gekommen ist. Die durchschnittliche Wachstumsrate der Jahre 2013 bis 2015 lag unter 1 Prozent. Jahr Anzahl stationär Wachstumsrate 2008 167.161 2009 177.259 6,0% 2010 182.398 2,9% 2011 181.564 -0,5% 2012 190.621 5,0% 2013 191.595 0,5% 2014 193.770 1,1% 2015 194.820 0,5% Empfänger der Hilfe zum selbstbestimmten Leben in einer Wohneinrichtung am Jahresende Quelle: Statistisches Bundesamt Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 24. Wie erklärt die Bundesregierung das im aktuellen Teilhabebericht festgestellte Ergebnis, dass am Ende des Jahres 2014 fast 13 000 Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen Leistungen der Eingliederungshilfe in stationären Wohneinrichtungen bezogen – knapp 30 Prozent mehr als 2008? Wie steht dies im Einklang mit dem Inklusionsgebot der UN-BRK? Die Anzahl der Leistungsbeziehenden unter 18 Jahre in stationären Wohneinrichtungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – SGB XII (wie in der Tabelle auf Seite 259 des Teilhabeberichts, auf den sich diese Frage bezieht) betrug im Jahr 2015 4 687 Personen. In Bezug auf die Leistung der Eingliederungshilfe nach § 35a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen gab es eine generelle Zunahme der Leistungen insgesamt (ambulant und stationär ) in dem Zeitraum vom Jahr 2008 bis zum Jahr 2015 von über 100 Prozent. Im Vergleich dazu ist die Anzahl der Leistungen in stationären Einrichtungen im Zeitraum von 2008 bis 2015 lediglich um ca. 39 Prozent gestiegen (von 2011 bis 2015 sogar nur um ca. 11 Prozent). Dies bedeutet, dass der Anteil der stationären Leistungen an allen Leistungen nach § 35a SGB VIII deutlich zurückgegangen ist (von ca. 22 Prozent im Jahr 2008 auf ca. 15 Prozent im Jahr 2015). Diesen Rückgang von stationären Leistungen in der Gesamtschau begrüßt die Bundesregierung auch in Hinblick auf die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. 25. Inwieweit steht der Anstieg der Leistungsbeziehenden des stationären Wohnens nach Kenntnis der Bundesregierung in Zusammenhang mit fehlenden barrierefreien Wohnungen, einer unzureichenden barrierefreien Gesundheitsversorgung sowie fehlenden Angeboten und Leistungen der persönlichen Assistenz? Auf die Antwort zur Frage 23 wird verwiesen. Zum Bedarf barrierefreier Wohnungen wird auf die Antworten zu den Fragen 27 bis 29 verwiesen. 26. Was unternimmt die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen, um mehr inklusive und ambulante Angebote für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen zu schaffen und um Jugendzentren barrierefrei auszugestalten? Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) setzt sich für eine inklusive Kinder- und Jugendhilfe ein. Hierzu gab es während dieser Legislaturperiode unter anderem mit Ländern und Kommunalen Spitzenverbänden vielfältige wie umfassende Gespräche und Diskussionsrunden. Diese werden im Rahmen des im März 2017 begonnenen Dialogforums „Zukunft der Kinder- und Jugendhilfe“ in einem Austausch über die Entwicklung hin zu einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe mit allen Akteuren der Kinder- und Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe, darunter auch Vertreter der Länder und Kommunalen Spitzenverbände, vertieft. 27. Mit welchen Maßnahmen wird die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern dem im aktuellen Teilhabebericht ermittelten zusätzlichen Bedarf an barrierefreien/-armen Wohnungen von 2,9 Millionen bis zum Jahr 2030 begegnen? Durch die steigende Zahl älterer Menschen mit Mobilitätseinschränkungen und Menschen mit Behinderungen wird der Bedarf an adäquatem altersgerechten Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 17 – Drucksache 18/11834 Wohnraum weiter ansteigen. Deshalb sind Investitionen in altersgerechte Wohnungen und deren Umfeld wichtige Anliegen einer ganzheitlichen Wohnungsund Stadtentwicklungspolitik. Ein möglichst langer Verbleib älterer Menschen und Menschen mit Behinderungen in der eigenen Wohnung ist das Ziel, das mit dem KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ des Bundministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit verfolgt wird. Das Zuschussprogramm wurde im Oktober 2014 von der Bundesregierung wieder aufgelegt. Insbesondere selbstnutzende Eigentümer, aber auch Mieter können – unabhängig von Einkommen und Alter – Zuschüsse beantragen, um Barrieren in Wohngebäuden abzubauen und bauliche Maßnahmen zur Einbruchsicherung vorzunehmen. In der Darlehensvariante, die seit dem Jahr 2012 aus Eigenmitteln der KfW finanziert wird, sind zusätzlich Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften oder kommunale Unternehmen antragsberechtigt. Die Programmmittel für „Altersgerecht Umbauen“ wurden für das Jahr 2016 auf rund 50 Mio. Euro aufgestockt. Insbesondere wurde die Zuschusshöhe von 8 auf 10 Prozent angehoben, beim „Altersgerechten Haus“, das die Bündelung altersgerechter Baumaßnahmen unterstützt, von 10 auf 12,5 Prozent. Für das Jahr 2017 sind die Programmmittel auf 75 Mio. Euro erhöht worden. Die Schaffung barrierefreier/-armer Wohnungen wird auch im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung der Länder unterstützt. Aufgrund der Föderalismusreform I liegt die Zuständigkeit seit dem Jahr 2007 vollständig bei den Ländern. Als Ausgleich für den Wegfall der früheren Bundesfinanzhilfen in der sozialen Wohnraumförderung gewährt der Bund den Ländern bis Ende 2019 sogenannte Kompensationsmittel. Diese Mittel hat der Bund im Jahr 2015 für die Jahre 2016 bis 2019 um 500 Millionen Euro/Jahr aufgestockt. Eine weitere Erhöhung um 500 Millionen Euro/Jahr für die Jahre 2017 und 2018 erfolgte im vergangenen Jahr. In den Jahren 2017 und 2018 werden die Kompensationszahlungen des Bundes damit mehr als 1,5 Mrd. Euro/Jahr betragen. Dies entspricht nahezu einer Verdreifachung der Mittel gegenüber dem Jahr 2015. Im Rahmen der Städtebauförderung ist die Barrierefreiheit in den Stadtquartieren als ein wichtiges Ziel in der Verwaltungsvereinbarung von Bund und Ländern verankert. So ist bereits seit dem Jahr 2007 geregelt, dass die vom Bund den Ländern zur Verfügung gestellten Finanzhilfen aller Städtebauförderprogramme grundsätzlich auch zur barrierefreien Gestaltung des Wohnumfeldes in den Stadtquartieren eingesetzt werden können. In diesem Jahr stellt die Bundesregierung für die Städtebauförderung Bundesmittel in Höhe von 790 Mio. Euro zur Verfügung , die Finanzhilfen werden auf der Grundlage von Artikel 104 b Grundgesetz (GG) den Ländern zugewiesen. Gleiches gilt für den neuen Investitionspakt Soziale Integration im Quartier (2017 bis 2020 mit 200 Mio. Euro p.a.), mit dem ebenfalls der Barriereabbau bei der Sanierung der sozialen Infrastruktur unterstützt wird. Im KfW-Eigenmittelprogramm „Barrierearme Stadt“ werden Kommunen beim Abbau von Barrieren in der kommunalen Infrastruktur, z. B. in Schulen, Rathäusern und Sportstätten, mit zinsverbilligten Darlehen unterstützt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 18 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 28. Mit welchen Maßnahmen wird die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern darauf hinwirken, den Bedarf an barrierefreien Wohnungen auch in ländlichen wie städtischen Regionen zu decken? 29. Wie werden kurzfristig und zügig Lösungen gefunden, um für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen die bestehenden, für sie nicht zufriedenstellenden Bedingungen, die jetzt schon laut aktuellem Teilhabebericht eine selbstbestimmte Bewegungsfreiheit in der Wohnung und im unmittelbaren Wohnumfeld nicht oder in nur eingeschränktem Maße zulassen, zu verbessern? Die Fragen 28 und 29 werden gemeinsam beantwortet. Wegen des Sachzusammenanhangs wird auf die Antwort zu Frage 17 verwiesen. 30. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Datenlage in Bezug auf den Stand der Barrierefreiheit in Haushalten von Menschen mit Beeinträchtigungen zu verbessern? Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen zur Verbesserung der Barrierefreiheit des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), insbesondere im Bereich des Nahverkehrs mit Bussen , zu ergreifen? Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Mikrozensus sind zum 1. Januar 2017 die rechtlichen Voraussetzungen dafür in Kraft getreten, dass erstmals ab dem Erhebungsjahr 2018 und danach jeweils im Abstand von vier Jahren amtliche Daten über Barrieren beim Zugang zur Wohnung sowie Barrieren innerhalb der Wohnung erhoben werden können. Grundsätzlich können Angaben über die Wohnsituation beispielsweise auch in Verbindung mit Angaben über die Altersstruktur oder eine eventuelle Behinderteneigenschaft der Bewohner ausgewertet werden. Damit leistet die Bundesregierung einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Datenlage in Bezug auf den Stand der Barrierefreiheit in Haushalten von Menschen mit Beeinträchtigungen. Die Bundesregierung hat das Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH (infas) beauftragte, eine repräsentative Befragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu deren Teilhabe durchzuführen. Befragt werden: 106 00 Menschen mit Behinderungen in Privathaushalten, 5 000 Menschen mit Behinderungen, die in Einrichtungen leben, Menschen mit speziellen Kommunikationserfordernissen und 5 000 Menschen ohne Behinderung als Kontrollgruppe. Das Befragungsinstrument enthält u. a. Fragen zur Barrierefreiheit der Wohnung. 31. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen zur Verbesserung der Barrierefreiheit des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), insbesondere im Bereich des Nahverkehrs mit Bussen, zu ergreifen? Für die Ausgestaltung und Finanzierung des ÖPNV sind die Länder zuständig. Sie sind verpflichtet, bis zum 1. Januar 2022 auf eine vollständige Barrierefreiheit hinzuwirken. Die Bundesregierung unterstützt die Länder bei der Finanzierung des ÖPNV. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 19 – Drucksache 18/11834 32. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, damit künftig alle Busse – Busse im ÖPNV und im Fernlinienbusverkehr – barrierefrei sind, und welche Maßnahmen plant sie in Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen , um künftig in allen Regionen mindestens 10 Prozent der Taxen als barrierefreie bzw. rollstuhlgerechte Taxen zur Verfügung zu haben? Die Bundesregierung unterstützt die Fernbuslinienbetreiber bei der barrierefreien Ausrüstung der Kraftomnibusse, die im Personenfernverkehr eingesetzt werden, mit einem Handbuch, das derzeit gemeinsam mit den Akteuren erstellt wird. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 31 verwiesen. 33. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Datenlage zu sonstigen Mobilitätshindernissen im öffentlichen Raum zu verbessern, nachdem im Teilhabebericht festgestellt wurde, dass zu solchen keine Daten vorliegen ? Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) plant eine Evaluation der den Bereich Verkehr betreffenden Regelungen des Behindertengleichstellungsgesetzes . Dies wird zu einer Verbesserung der Datenlage beitragen . Mit dem Förderprogramm „mFUND“ (Modernitätsfonds) unterstützt das BMVI darüber hinaus Einzelprojekte, die Informationen für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen bereitstellen sollen. Ein Beispiel hierfür ist das Projekt „PerPedes Routing“, in dem eine Mobilitätsplattform für Barrierefreiheit mit einem innovativen Ansatz zur Verbesserung der Datenqualität für individuelle Routenplaner entwickelt wird. 34. Inwieweit sieht die Bundesregierung das bundesweit einheitliche Kennzeichnungs - und Informationssystem „Reisen für Alle“ als geeignete Grundlage , um für die gesamte öffentliche Infrastruktur detaillierte, geprüfte und verlässliche Informationen zur Verfügung zu stellen? Basis für die Kennzeichnung „Reisen für Alle“ sind die Qualitätskriterien für folgende Personengruppen: Menschen mit Gehbehinderung, Rollstuhlfahrer und Rollstuhlfahrerinnen, Menschen mit Hörbehinderung, gehörlose Menschen, Menschen mit Sehbehinderung, blinde Menschen und Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. In mehrjähriger Zusammenarbeit und Abstimmung mit Betroffenenverbänden sowie touristischen Akteuren wurden Kriterien für folgende Bereiche entwickelt: Rad- und Wanderwege, Bahn- und Bussteige, Schiffsanleger, Parkplätze, Wege im Außenbereich, Flure, Wege und Gänge im Innenbereich, Schwellen, Stufen und Treppen, Zimmer (Schlaf-, Sanitär- und Speiseräume), Türen, Rampen, Aufzüge , Schalter, Kassen und Tresen, Schwimmbäder, Strandanlagen, Stationen, Museen und Ausstellungen, Beschilderungen und Automaten. 35. Wie viele Menschen mit Hörschädigungen oder Gehörlose leben nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)? Im Rahmen des Gesundheitsmonitorings am Robert Koch-Institut wurde die Prävalenz von Hörbeeinträchtigungen in der letzten Gesundheitsbefragung Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) 2015 bei Erwachsenen mittels Fragebogen im Wege der Selbsteinschätzung repräsentativ abgefragt. Dazu wurden folgende Fragen gestellt: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 20 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Tragen Sie ein Hörgerät? Haben Sie Schwierigkeiten zu hören, was in einem Gespräch mit einer anderen Person in einem ruhigen Raum gesagt wird, selbst wenn Sie ein Hörgerät tragen ? Haben Sie Schwierigkeiten zu hören, was in einem Gespräch mit einer anderen Person in einem lauteren Raum gesagt wird, selbst wenn Sie ein Hörgerät tragen ? Von den etwa 24 000 Befragten berichten 4,8 Prozent ein Hörgerät zu verwenden. Insgesamt 8,0 Prozent gaben an, dass sie Schwierigkeiten haben zu hören, was in einem Gespräch mit einer anderen Person in einem ruhigen Raum gesagt und 22,1 Prozent, was in einem lauteren Raum gesagt wird. Der Anteil derjenigen, die von Hörbeeinträchtigungen betroffen sind, nahm dabei mit dem Alter zu. Signifikante Unterschiede zwischen den Ländern gab es nicht. Bei diesen Ergebnissen ist zu berücksichtigen, dass es Diskrepanzen zwischen der Selbstwahrnehmung und der audiometrischen Feststellung der Hörfähigkeit gibt. Aktuelle bundesweite Studien zur Einstufung der Hörfähigkeit mittels audiometrischer Verfahren liegen aber nicht vor. Bei Kindern wurde die Prävalenz von Hörbeeinträchtigungen in der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) 2003 bis 2006 mittels Elternangaben repräsentativ ermittelt. Die Frage lautete: „Ist Ihr Kind dauerhaft schwerhörig?“ Die Prävalenz von dauerhafter Schwerhörigkeit bei 0- bis 17-jährigen Kindern und Jugendlichen in Deutschland betrug 0,9 Prozent. Sie stieg mit dem Alter von 0,7 Prozent bei 0-6 Jährigen auf 1,2 Prozent bei Kindern und Jugendlichen von 11 bis 17 Jahre. Eine Auswertung nach Ländern ist mit KiGGS-Daten aufgrund des Studiendesigns nicht möglich. 36. Wie viele Gebärdensprachdolmetscher arbeiten nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegt kein abschließendes Verzeichnis über die Anzahl der tätigen Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher in Deutschland vor. Nach Angaben der jeweiligen Landesverbände/Landesarbeitsgemeinschaften und des Bundesverbands der Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher sind derzeit ca. 642 Personen als Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher tätig. Die Aufschlüsselung nach Bundesländern kann der folgenden Tabelle entnommen werden. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Mitgliedschaft eines Gebärdensprachdolmetschers und einer Gebärdensprachdolmetscherin in einer Landesarbeitsgemeinschaft bzw. im Landes- oder Bundesverband freiwillig ist und somit zwar die überwiegende Mehrheit, jedoch nicht alle Dolmetscher auf diesem Wege erfasst werden können. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 21 – Drucksache 18/11834 Verband/Bundesland Anzahl der Mitglieder Bundesverband der GebärdensprachdolmetscherInnen Deutschland e. V. 18 Berufsverband der Gebärdensprachdolmetscher/-innen in Norddeutschland (BGN) e. V. 104 Berufsfachverband der GebärdensprachdolmetscherInnen Baden-Württemberg (BGD) e. V. 63 Berufsfachverband der GebärdensprachdolmetscherInnen Bayern (BGSD Bayern) e. V. 79 Berufsverband der Gebärdensprachdolmetscher/-innen Berlin/Brandenburg (BGBB) e. V. 82 LAG der GSD Brandenburg im Berufsverband der Gebärdensprachdolmetscher /-innen Berlin/Brandenburg (BGBB) e. V. inbegriffen Berufsverband der Gebärdensprachdolmetscher/innen in Bremen (breGSD) 29 Hamburg im Berufsverband der Gebärdensprachdolmetscher /-innen in Norddeutschland (BGN) e. V. inbegriffen Landesarbeitsgemeinschaft der Gebärdensprachdolmetscher /innen (LAG) Hessen e. V. 51 Mecklenburg-Vorpommern im Berufsverband der Gebärdensprachdolmetscher /-innen in Norddeutschland (BGN) e. V. inbegriffen Berufsverband der Gebärdensprachdolmetscher/innen in Niedersachen (BeGiN) e. V. 30 Berufsverband der GebärdensprachdolmetscherInnen Nordrhein-Westfalen 90 Landesarbeitsgemeinschaft der Gebärdensprachdolmetscher /-innen Rheinland-Pfalz 15 Landesarbeitsgemeinschaft der Dolmetscherinnen für Deutsche Gebärdensprache im Saarland 7 Berufsverband der GebärdensprachdolmetscherInnen Sachsen (BVGS) e. V. 37 Berufsverband der GebärdensprachdolmetscherInnen Sachsen-Anhalt (BeGiSA) e. V. 21 Schleswig-Holstein im Berufsverband der Gebärdensprachdolmetscher/-innen in Norddeutschland (BGN) e. V. inbegriffen Landesarbeitsgemeinschaft der Gebärdensprachdolmetscher /innen Thüringen e. V. 16 Summe 642 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 22 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 37. Welche Konsequenzen und Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass am Jahresende 2014 etwa 1,3 Millionen Menschen unter einer rechtlichen Betreuung standen und sich dieser Wert damit seit dem Jahr 1995 mehr als verdoppelt hat? Inwieweit steht diese massive Zunahme im Einklang mit dem Selbstbestimmungsrecht der UN-BRK, und ist eine entsprechende Überarbeitung des Betreuungsrechts im Sinne der UN-BRK sowie der Empfehlungen des UN- Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen vorgesehen ? Die Anzahl der laufenden Betreuungen ist seit der Einführung der rechtlichen Betreuung im Jahr 1992 zunächst kontinuierlich gestiegen und hat im Jahr 2012 mit ca. 1,32 Millionen den Höchststand erreicht. Seit 2013 ist die Anzahl jedoch rückläufig und ist zum Ende des Jahres 2015 erneut deutlich auf ca. 1,27 Millionen gesunken. Auch die Zahl der Erstbestellungen von Betreuern ist seit 2009 rückläufig (vgl. die Auswertung von Deinert, BtPrax. 6/2016, S. 218 ff.). Gleichzeitig stieg die Zahl der im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer eingetragenen Vorsorgevollmachten in den letzten Jahren kontinuierlich auf ca. 3,4 Millionen Eintragungen Ende 2016 (vgl. die von der Bundesnotarkammer veröffentlichte ZVR-Statistik unter www.vorsorgeregister.de/Presse/Statistik/ 2016/index.php). Mit der rechtlichen Betreuung hält der Staat für hilfebedürftige Erwachsene ein Instrument der Unterstützung für den Fall vor, dass sie aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre rechtlichen Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht bzw. nicht mehr selbst besorgen können. Er erfüllt damit die ihm aus den Grundrechten obliegende Schutzpflicht, Menschen mit Hilfebedarf nicht ihrem Schicksal zu überlassen, sondern ihnen bei einem durch das Gericht festgestelltem Unterstützungsbedarf einen Betreuer an die Seite zu stellen, der die erforderliche Unterstützung zur Sicherstellung größtmöglicher Selbstbestimmung des Betroffenen leistet. Die rechtliche Betreuung stellt mithin ein System der unterstützten Entscheidungsfindung im Sinne des im General Comment Nr. 1 (2014) des zuständigen UN-Fachausschusses zum Ausdruck kommenden Verständnisses dar, das mit Artikel 12 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) vereinbar ist. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass die gesetzlichen Vorgaben für eine an der Person und den Fähigkeiten der Betreuten orientierten unterstützenden Betreuung in der Praxis nicht immer eingehalten werden. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) führt deshalb seit Ende November 2015 ein Forschungsvorhaben zur Qualität der rechtlichen Betreuung durch, in dessen Rahmen das beauftragte Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH (ISG) in Kooperation mit Frau Prof. Dr. Dagmar Brosey von der Technischen Hochschule Köln insbesondere empirisch überprüft, ob die Betreuer den Anforderungen des deutschen Betreuungsrechts und der UN-BRK hinsichtlich des Selbstbestimmungsrechts gerecht werden, ob und ggf. welche strukturellen Qualitätsdefizite insbesondere in der beruflichen, aber auch in der ehrenamtlichen Betreuung bestehen und auf welche Ursachen diese ggf. zurückgeführt werden können. In einem weiteren von BMJV an das IGES Institut vergebenen Forschungsvorhaben zur Umsetzung des Erforderlichkeitsgrundsatzes in der betreuungsrechtlichen Praxis im Hinblick auf vorgelagerte „andere Hilfen“ soll zudem untersucht werden, welche betreuungsvermeidenden Hilfen vorhanden sind und ob und inwieweit diese Hilfen (insbesondere nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23 – Drucksache 18/11834 der Funktionen der Betreuungsbehörden am 1. Juli 2014) von den Betreuungsbehörden tatsächlich vermittelt und dem Betreuungsgericht zur Kenntnis gebracht werden können. Die Untersuchung soll dazu beitragen, zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts hilfebedürftiger Erwachsener den Zugang zu „anderen Hilfen “ zu verbessern, so dass rechtliche Betreuungen auf das erforderliche Maß beschränkt bleiben. Die Abschlussberichte beider Forschungsvorhaben werden Ende August 2017 vorliegen und dann daraufhin ausgewertet werden, ob und inwieweit Reformbedarf im Betreuungsrecht besteht. 38. Welche Konsequenzen und Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass im Jahr 2014 knapp 6 400 Genehmigungen für freiheitsentziehende Maßnahmen erteilt wurden, wobei dabei laut aktuellem Teilhabebericht die „Voraussetzung einer gerichtlichen Genehmigung nicht immer erfüllt wird“? Der Teilhabebericht der Bundesregierung (S. 399/400) bezieht sich auf Untersuchungen zur Praxis freiheitsentziehender Maßnahmen in stationären Pflegeeinrichtungen . Diese haben ergeben, dass die Voraussetzung einer gerichtlichen Genehmigung nicht immer erfüllt wird. Laut Pflege-Qualitätsbericht wurden im Jahr 2013 im Bereich der Pflege in stationären Einrichtungen bei 12,5 Prozent der in die Prüfung einbezogenen Bewohner und Bewohnerinnen freiheitseinschränkende Maßnahmen durchgeführt (Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, 2014: 34 f.). In 8 Prozent der Fälle lag keine hierfür erforderliche Einwilligung oder Genehmigung vor. Im Jahr 2014 wurden bundesweit 60 438 freiheitsentziehende Maßnahmen gemäß § 1906 Absatz 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) im Rahmen von Betreuungen und Vorsorgevollmachten in stationären Einrichtungen gerichtlich genehmigt . In dieser, gegenüber der in der Frage genannten Zahl weitaus höheren Zahl von Fällen lag, anders als in der Frage impliziert, die gerichtliche Genehmigung also vor. Seit dem Jahr 2011 ist die Anzahl der gerichtlichen Genehmigungen dieser Maßnahmen um über 1/3 zurückgegangen (2010: 98 119 Genehmigungen ). Die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen nach § 1906 Absatz 4 BGB unterliegt wegen des mit ihnen verbundenen erheblichen Grundrechtseingriffs strengen Voraussetzungen und ist nur mit gerichtlicher Genehmigung zulässig. Das Betreuungsgericht darf eine freiheitsentziehende Maßnahme nur anordnen bzw. genehmigen, wenn sie erforderlich ist, um den Betroffenen vor einer Lebensgefahr oder einer erheblichen Gesundheitsgefährdung zu schützen. Es ist daher stets im Einzelfall zu prüfen, ob zum Schutz des Betroffenen auch andere Maßnahmen in Betracht kommen, welche die körperliche Bewegungsfreiheit des Betroffenen nicht oder weniger einschränken. Der Vergleich zwischen der Zahl der in der genannten Studie beanstandeten und der Zahl der rechtmäßig durchgeführten Maßnahmen lässt den Schluss zu, dass in der überwiegenden Zahl von Fällen die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Die Bundesregierung wird jedoch die weitere Entwicklung und die Praxis in den Ländern beobachten. Bundesweit gibt es zahlreiche regionale und überregionale Initiativen zur Verringerung bzw. Vermeidung von freiheitsentziehenden Maßnahmen, die zunehmend Verbreitung finden. Exemplarisch können „ReduFix“ (Reduktion von körpernaher Fixierung bei demenzerkrankten Heimbewohnern) und der Werdenfelser Weg genannt werden. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat zwei Forschungsprojekte vergeben, mit denen weitere Erkenntnisse zu Möglichkeiten der Vermeidung von Zwang durch alternative Versorgungsansätze gewonnen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 24 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode werden. Das Projekt „Zwangsmaßnahmen im psychiatrischen Hilfesystem: Erfassung und Reduktion (ZIPHER)“ des Zentrums für Psychiatrie Südwürttemberg zielt auf eine Erfassung und Reduktion von Zwangsmaßnahmen im psychiatrischen Hilfesystem. Ziel des Projektes „Vermeidung von Zwangsmaßnahmen im psychiatrischen Hilfesystem“ der Bundesarbeitsgemeinschaft Gemeindepsychiatrischer Verbünde e. V. ist es, Instrumente zu entwickeln, die zu einer Vermeidung von Zwang und Gewalt im psychiatrischen Hilfesystem beitragen können. Im Rahmen des letztgenannten Projekts soll auch ein Monitoringsystem zur Erhebung von Zwangsmaßnahmen sowie von Maßnahmen zu deren Verhinderung entwickelt werden. Die Projekte haben eine Laufzeit von drei Jahren. Ergebnisse sind Mitte 2019 zu erwarten. 39. Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, ob die 36 im Jahr 2014 und 26 im Jahr 2015 genehmigten Sterilisationen mit Einwilligung der betroffenen Personen durchgeführt wurden? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 40. Welche neuen Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um Menschen mit Beeinträchtigungen besser vor körperlicher, psychischer und sexueller Gewalt zu schützen und hierbei insbesondere die Belange von Mädchen und Frauen mit Beeinträchtigungen zu berücksichtigen? Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist ein bundesweites, niedrigschwelliges , anonymes und kostenfreies Angebot der (Erst-)Beratung und Weitervermittlung an Unterstützungseinrichtungen vor Ort (Lotsenfunktion). Dieses ist barrierefrei ausgestaltet, damit auch gewaltbetroffene Frauen mit Beeinträchtigungen Beratung und Hilfe erhalten. Es besteht rund um die Uhr ein Zugang zur Beratung : mehrsprachig, kostenlos und vertraulich per Telefon und Website, zusätzlich 15 Stunden täglich über Gebärdensprachdolmetschung. Die Website ist barrierefrei gestaltet, und die Fachberaterinnen des Hilfetelefons wurden fortgebildet , um die spezifischen Bedarfe von Frauen mit Beeinträchtigung angemessen zu berücksichtigen. Da die Angebote des Hilfetelefons soweit wie möglich barrierefrei gestaltet sind, erreicht es die Zielgruppe der gewaltbetroffenen Frauen mit Behinderung. Im Jahr 2015 fand in 1 903 Fällen (gegenüber 1 875 im Jahr 2014) eine Beratung vor dem Hintergrund einer Behinderung oder Beeinträchtigung statt. Im Jahr 2016 hat es hier eine weitere Steigerung gegeben (der Jahresbericht wird Ende März 2017 veröffentlicht). Die Bundesregierung wird das Angebot des Hilfetelefons Gewalt gegen Frauen auf der Basis des Hilfetelefongesetzes fortführen und bei Bedarf weiter ausbauen. Ein wichtiger Bestandteil der Zusammenarbeit mit dem Hilfesystem und der Zivilgesellschaft ist für das Hilfetelefon die Kooperation mit Behinderten-Verbänden , um auch Rückmeldungen zur behindertengerechten Ausgestaltung bzw. Verbesserung des Hilfsangebotes zu bekommen Aufbauend auf den Ergebnissen des Pilotprojekts "Frauenbeauftragte in Wohnheimen und Werkstätten für behinderte Menschen" (von Oktober 2008 bis Mai 2011) förderte das BMFSFJ unter finanzieller Beteiligung von insgesamt zehn Bundesländern ein Projekt zur Ausbildung von Trainerinnen für Frauenbeauftragte in Einrichtungen. Mit dem Projekt "Frauenbeauftragte in Einrichtungen: Eine Idee macht Schule", welches am 30. September 2016 endete, wurde die Idee der Frauenbeauftragten in Einrichtungen der Behindertenhilfe in eine größere Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 25 – Drucksache 18/11834 Breite getragen. Zum Abschluss des Projekts im Herbst 2016 haben bundesweit mehr als 70 neue Frauenbeauftragte in Einrichtungen ihre Arbeit aufgenommen. In den kommenden Jahren soll der flächendeckende Ausbau von Frauenbeauftragten in Einrichtungen der Behindertenhilfe vorangetrieben und die Arbeit der bereits amtierenden Frauenbeauftragten unterstützt und verstetigt werden. Die Novellierung der Werkstättenmitwirkungs-Verordnung, die ab Anfang 2017 Frauenbeauftragte in allen WfbM verbindlich festschreibt, ist dafür ein wichtiger Schritt auf der gesetzgeberischen Ebene. Für die konkrete Umsetzung in den Einrichtungen bedarf es dabei einer Begleitung, die die bisherigen Erfahrungen aus der Praxis weiterentwickelt, die Interessen der Frauenbeauftragten bündelt und wirkungsvoll vertritt. Ziel ist der Aufbau einer bundesweiten Vernetzungsstruktur für Frauenbeauftragte in Einrichtungen, ihre Unterstützerinnen und die Trainerinnen für Frauenbeauftragte. Um dies umzusetzen, fördert das BMFSFJ seit dem 1. Oktober 2016 für drei Jahre ein Projekt zum Aufbau eines „Bundes- Netzwerks für Frauenbeauftragte in Einrichtungen“, das vom Verein Weibernetz e. V. (ebenso wie die beiden Vorgängerprojekte) durchgeführt wird. Ebenso fördert das BMFSFJ das bundesweite Modellprojekt „Beraten & Stärken – Schutz von Mädchen und Jungen mit Behinderung vor sexualisierter Gewalt in Institutionen“ (Förderzeitraum: 2015 bis 2018). Ziel des Projektes ist die nachhaltige Verbesserung des Schutzes von Mädchen und Jugend mit Behinderung vor sexualisierter Gewalt in Einrichtungen der Behindertenhilfe. Hierzu werden in bundesweit ca. 80 Einrichtungen, in denen Mädchen und Jungen mit Behinderungen leben und betreut werden, modellhaft drei zentrale Maßnahmen durchgeführt: Implementierung/Optimierung von Kinderschutzkonzepten, Sensibilisierung und Qualifizierung von Leitungskräften und Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Einrichtung zum Thema sexualisierte Gewalt sowie Durchführung und Implementierung von Präventionsveranstaltungen. Die Ergebnisse dieses Modellprojekts sollen u. a. in Form von Handlungsempfehlungen veröffentlicht werden, so dass sie von anderen Einrichtungen der Behindertenhilfe übernommen und angewendet werden können. Das BMBF fördert unter den Förderlinien „Forschung zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pädagogischen Kontexten“ (Bildungsforschung ) und „Forschungsverbünde zu Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch in Kindheit und Jugend“ (Gesundheitsforschung) Forschungsprojekte. Unter beiden Förderlinien ist die Beantragung von Forschungsprojekten, die Fragen des besseren Schutzes von Menschen mit Beeinträchtigungen vor körperlicher , psychischer und sexueller Gewalt thematisieren, grundsätzlich möglich. 41. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Datenlage zur gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Beeinträchtigungen – insbesondere von Menschen mit geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen – zu verbessern? Mit Bezug auf die UN-Behindertenrechtskonvention, nach der sich „das Verständnis von Behinderung ständig weiterentwickelt und Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungsund umweltbedingten Barrieren entsteht“, fokussiert sich das Robert Koch-Institut (RKI) im Geschäftsbereich des BMG in seinen Gesundheitssurveys und der Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 26 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Gesundheitsberichterstattung darauf, Menschen mit Beeinträchtigungen in geeigneter Form einzubinden und im Sinne von Krankheitslast, Teilhabe und Versorgung abzubilden. Das BMG unterstützte im Jahr 2015 die Etablierung eines neuen Fachgebietes „Psychische Gesundheit“ am RKI. Dieses erstellt derzeit im Auftrag des BMG einen Bericht zur psychischen Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland, der sowohl vorhandene Daten bündelt als auch auf der Grundlage vorhandener Surveydaten neue Fragestellungen zu psychischen Erkrankungen, Beeinträchtigungen und Versorgungsbedarfen implementiert und auswertet. In Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sollen Handlungsempfehlungen für Prävention, Unterstützung und Versorgung abgeleitet werden. Seit dem Jahr 2008 und unter dem Dach eines Gesundheitsmonitorings führt das RKI regelmäßig epidemiologische Gesundheitssurveys für Kinder/Jugendliche und Erwachsene durch. Bestandteil dieser Surveys ist auch immer die Erfassung der psychischen Gesundheit (Wohlbefinden, Lebensqualität, psychische Beeinträchtigungen und Störungen, Belastungen, Risiko- und Schutzfaktoren, Aspekte der Versorgung). Die zweite Erhebungswelle der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) endet in diesem Jahr und stellt neue Daten zur Verfügung. Gleichzeitig laufen bereits die Vorbereitungen für einen erneuten Erwachsenensurvey, der im Jahr 2018 mit der Datenerhebung beginnen wird. In beiden Surveys werden wiederum aktuelle Daten zur psychischen Gesundheit erhoben, die es erlauben, sowohl Querschnitt- als auch Trend- und Verlaufsanalysen zu Aspekten der psychischen Gesundheit durchzuführen und im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung der Gesundheitspolitik und anderen relevanten Akteuren zur Verfügung zu stellen. 42. Wie wird die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern und den kassenärztlichen Vereinigungen sowie dem Gemeinsamen Bundesausschuss die barrierefreie Ausgestaltung von Arzt-/Psychotherapiepraxen verbindlicher regeln, damit der im aktuellen Teilhabebericht aufgeführte Wert von 11 Prozent der entsprechenden Praxen, die drei von insgesamt zwölf Kriterien von Barrierefreiheit erfüllen, zügig und deutlich angehoben wird? Sowohl im ersten Nationalen Aktionsplan (NAP) zur Umsetzung der UN-BRK als auch in seiner Fortsetzung, dem zweiten Nationalem Aktionsplan (NAP 2.0), verpflichtet sich die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern und der Ärzteschaft zu Maßnahmen, die dazu beitragen, die Anzahl barrierefreier Arztpraxen zu erhöhen. Hier sind insbesondere die folgenden Maßnahmen ergriffen worden: Bei der Praxisübergabe sind die Belange von Menschen mit Behinderungen beim Zugang zur Versorgung besonders zu berücksichtigen. Barrierefreiheit wird in den Bedarfsplanungs -Richtlinien für Ärzte als ein bei Planung und Zulassung zu berücksichtigendes Kriterium genannt. In den Qualitätsanforderungen für Praxisnetze wird die Barrierefreiheit ebenfalls ausdrücklich genannt. Ein vom BMAS gefördertes Praxis-Tool „Barrierefreiheit“ der Stiftung Gesundheit steht im Internet kostenfrei zur Verfügung und gibt Orientierung sowohl für Ärztinnen und Ärzte als auch für Patientinnen und Patienten (www.stiftung-gesundheit.de/stiftung/ projekte-zur-barrierefreiheit.htm). Darüber hinaus stellt die Kassenärztliche Bundesvereinigung eine Vielzahl von Informationen zur Verfügung, die Hilfestellung beim barrierefreien Umbau von Arztpraxen geben. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27 – Drucksache 18/11834 Im zweiten Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur UN-Behindertenrechtskonvention ist zudem eine Initiative zum Thema „Barrierefreiheit in Unternehmen “ vorgesehen. Die Initiative soll insbesondere freiberuflichen Ärztinnen und Ärzten zu Gute kommen, die ihre Praxis barrierefrei umbauen wollen. Der NAP 2.0 sieht hierzu eine stärkere Herausstellung des Fördermerkmals „Barrierefreiheit “ im Rahmen vorhandener ERP-/KfW-Förderprogramme vor. Gleichzeitig soll geprüft werden, ob zusätzlich ein Förderprogramm der KfW für die Schaffung von mehr Barrierefreiheit aufgelegt werden kann. Die erforderlichen Umsetzungsgespräche sind aufgenommen worden. 43. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Anzahl und der Anteil der barrierefreien Heilmittelpraxen? Wie schätzt die Bundesregierung die diesbezügliche Datenlage ein? Welche Maßnahmen werden aktuell umgesetzt bzw. sind in Planung, um die barrierefreie Ausgestaltung der Heilmittelpraxen zu verbessern? Welche Ziele werden dabei in welchen Zeiträumen angestrebt (bitte jeweils nach physiotherapeutischen, ergotherapeutischen, logopädischen und podologischen Praxen gliedern)? Daten zur Barrierefreiheit von Heilmittelpraxen liegen der Bundesregierung nicht vor. Die Bundesregierung geht aber davon aus, dass die Heilmittelpraxen überwiegend barrierefrei ausgestaltet sind. Gemäß der Empfehlungen des GKV-Spitzenverbandes zur einheitlichen Anwendung der Zulassungsbedingungen nach § 124 Absatz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) für Leistungserbringer von Heilmitteln, die als Dienstleistung an Versicherte abgegeben werden, sollen die Praxen und im erforderlichen Umfang auch die Behandlungsräume so zugänglich sein, dass insbesondere Gehbehinderten und Behinderten im Rollstuhl ein Zugang ohne fremde Hilfe möglich ist. Zudem enthalten die Bauordnungen aller Bundesländer Vorgaben zur Barrierefreiheit für Einrichtungen des Gesundheitswesens , die auch die Ausstattung von Heilmittelpraxen betreffen. 44. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um perspektivisch für Frauen mit Behinderungen einen „gleichwertigen Zugang zu sexual- und fortpflanzungsmedizinischen Gesundheitsleistungen“ herzustellen, da „behinderte Frauen oftmals lange Wartezeiten und Anfahrten haben – oder aber überhaupt keine Vorsorgeuntersuchungen durchführen lassen“ (können), wie vom wissenschaftlichen Beirat bemängelt (vgl. ebd., S. 337)? Im zweiten Nationalen Aktionsplan zur UN-Behindertenrechtskonvention ist der Ausbau des Angebots an ausreichend spezialisierten gynäkologischen Praxen und Ambulanzen für Frauen und Mädchen mit Behinderungen als ein Handlungsschwerpunkt definiert. Die Bundesregierung wird in Kooperation mit den Ländern sondieren, welche Maßnahmen geeignet sind, das gynäkologische Versorgungsangebot für Frauen mit Behinderungen zu verbessern. Bei den Leistungserbringern wird sie für die Bereitstellung eines ausreichenden Angebots werben. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 28 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 45. Was unternimmt die Bundesregierung, angesichts der immer höher werdenden „Anforderungen an alle Patienten im Hinblick auf Mitwirkung, Übernahme von Eigenverantwortung und Selbstmanagement“ (vgl. ebd., S. 339), damit Menschen mit geistigen Einschränkungen nicht noch höheren Barrieren zur Inanspruchnahme von Gesundheitsversorgung ausgesetzt werden? In § 2a SGB V ist der Grundsatz verankert, dass den besonderen Belangen behinderter und chronisch kranker Menschen Rechnung zu tragen ist. Diese Aufgabe obliegt insbesondere den Sozialleistungsträgern, hier den Krankenkassen. Darüber hinaus gilt: Das Gesundheitssystem wird immer komplexer. Patientinnen und Patienten benötigen darum sachlich richtige und vor allem auch unabhängige Informationen, um z. B. bei Behandlungsalternativen die für sie richtige Entscheidung zu treffen oder mögliche Auseinandersetzungen mit den Krankenkassen gut informiert führen zu können. Gemäß § 65b SGB V fördert der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Einrichtungen, die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Patientinnen und Patienten in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen qualitätsgesichert und kostenfrei informieren und beraten. Die Vergabe der Fördermittel für den Zeitraum 2016 bis 2022 erfolgte im Einvernehmen mit dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten an die Sanvartis GmbH, die eine moderne und über eine Vielzahl von Zugängen zeitnah erreichbare Beratung für Patientinnen und Patienten anbietet. Darüber hinaus bietet das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) seit Februar 2006 auf seiner neuen Internetplattform unabhängige , evidenzbasierte und geprüfte Informationen an. Die Entwicklung der Plattform erfolgt in enger Abstimmung mit anerkannten Fachleuten, Patientenvertretern und dem Arbeitsstab des Patientenbeauftragten. Das IQWIG wurde im Zuge der Gesundheitsreform am 1. Juni 2004 als private Stiftung gegründet und ist im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) oder des BMG tätig . Es soll sowohl Fachkreisen als auch der breiten Öffentlichkeit gesicherte Informationen zu medizinischen Sachverhalten in allgemein verständlicher Form liefern. Auch der G-BA selbst stellt im Rahmen seiner Aufgaben zunehmend Informationen wie z. B. Patientenmerkblätter in leichter Sprache zur Verfügung, die u. a. Menschen mit geistigen Einschränkungen mit im Blick haben. Im individuellen Behandlungsverhältnis fordert das geltende Recht die Einbeziehung der Patientinnen und Patienten in die Entscheidungsfindung bei der Behandlung . Vor der Durchführung einer medizinischen Maßnahme hat der Behandelnde grundsätzlich die Einwilligung der Patientin/des Patienten einzuholen (§ 630d BGB). Die Einwilligung ist nur dann rechtswirksam, wenn zuvor umfassend über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufgeklärt worden ist. Bei einwilligungsunfähigen Patienten ist gemäß § 630d Absatz 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Einwilligung eines hierzu Berechtigten, beispielsweise eines Betreuers oder rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten, einzuholen, soweit nicht eine wirksame Patientenverfügung gemäß § 1901a Absatz 1 Satz 1 BGB vorliegt, welche die Maßnahme gestattet oder untersagt. Auch die Aufklärung hat bei einwilligungsunfähigen Patienten dementsprechend gegenüber der zur Einwilligung berechtigten Person zu erfolgen (vgl. § 630e Absatz 4 BGB). Der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 23. März 2011, Az. 2 BvR 882/09, Randnummer 59) folgend, darf jedoch auch ein Einwilligungsunfähiger über das Ob und Wie einer Behandlung, der er unterzogen wird, grundsätzlich nicht im Unklaren gelassen werden. Daher soll gemäß § 630e Absatz 5 BGB auch der einwilligungsunfähige Patient in das Behandlungsgeschehen einbezogen werden, indem auch ihm entsprechend seinem Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29 – Drucksache 18/11834 Verständnis die wesentlichen Umstände der vorgesehenen Maßnahme zu erläutern sind, soweit er aufgrund seines Entwicklungszustandes und seiner Verständnismöglichkeiten in der Lage ist, die Erläuterung aufzunehmen, und soweit dies seinem Wohl nicht zuwiderläuft. Die gesetzlichen Regelungen zur Aufklärungspflicht ermöglichen daher insgesamt eine dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten Rechnung tragende und an die Umstände des jeweiligen Einzelfalls angepasste Herangehensweise. Der Bundesregierung ist es ein wichtiges Anliegen, dass Menschlichkeit, Zuwendung und Einfühlungsvermögen im Sinne einer besseren und verständlicheren Kommunikation einen zentralen Stellenwert im Gesundheitswesen einnehmen. Der Verlauf einer Krankheit und die Gesundung hängen stark davon ab, wie sich die Versorger und Patienten im Sinne einer gemeinsamen Entscheidungsfindung miteinander verständigen. Außerdem kann die Verbesserung der Gesundheitskompetenz zu einem verbesserten Gesundheitsstatus, zur Verringerung gesundheitlicher Ungleichheiten und zu geringeren Ausgaben im Gesundheitswesen beitragen . Diesen Zielen soll eine vom BMG angestrebte Bildung einer Allianz für Gesundheitskompetenz zusammen mit allen wichtigen Akteuren des Gesundheitswesens dienen. Diese Allianz ist geplant als eine Kooperations- und Koordinierungsinitiative zur Stärkung der allgemeinen Gesundheitskompetenz, der besseren Kommunikation zwischen Versorgern und Patienten und der informierten und gemeinsamen Entscheidungsfindung. Die Beteiligten sollten für ihren jeweiligen Zuständigkeits- und Regelungsbereich entsprechende Empfehlungen und Maßnahmen erarbeiten und diese nach Information der anderen Beteiligten in ihrem Bereich eigenverantwortlich umsetzen. Die Gründung dieser Allianz ist für Sommer 2017 geplant. Im Rahmen dieser Allianz für Gesundheitskompetenz ist auch geplant, das IQWiG mit einer Machbarkeitsstudie für ein „Nationales Gesundheitsportal“ zu beauftragen. Denn 40 Millionen Menschen informieren sich laut Statistischem Bundesamt bereits hierzulande im Internet über Gesundheitsinformationen. Allerdings sind die über das Internet verbreiteten Gesundheitsinformationen vielfach qualitativ unzureichend bzw. wissenschaftlich nicht abgesichert oder von kommerziellen Interessen geleitet. Daher soll das Konzept so angelegt werden, dass das Portal Informationen enthalten soll, die qualitätsgesichert, nicht kommerziell und werbefrei sein sollen. 46. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um sicherzustellen, dass die „,spezielle(n) Versorgungszentren‘“ zur Behandlung von Menschen mit Behinderung „,auf keinen Fall Orte der Abschiebung einer „schwierigen“ Patientenklientel werden‘“, wie vom Wissenschaftlichen Beirat gefordert (vgl. ebd., S. 340)? Mit den im Rahmen des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes geschaffenen Neuregelungen des § 119c SGB V zur Ermächtigung von medizinischen Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen und der leistungsrechtlichen Vorschrift des § 43b SGB V wurde eine langjährige Forderung der Fachverbände für Menschen mit Behinderung aufgegriffen und u. a. auch für Personen, die als Kinder und Jugendliche durch ein sozialpädiatrisches Zentrum versorgt wurden, ein Anschlussversorgungsangebot geschaffen. Die Behandlungszentren sollen für den zu versorgenden Personenkreis eine zielgruppenspezifische Diagnostik und Therapie bereitstellen und insbesondere auch eine zielgruppenspezifische Kommunikation ermöglichen, um auch bei mangelnder Fähigkeit, die Symptome verbal oder nonverbal verständlich zu äußern, eine Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 30 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode fachlich fundierte Beurteilung des Gesundheitszustandes zu ermöglichen. Das heißt, die medizinischen Behandlungszentren dienen gerade dazu, ein zusätzliches , auf den betroffenen Personenkreis zugeschnittenes Versorgungsangebot zu schaffen und mit Hilfe eines dort entwickelten Therapieplans eine adäquate Weiterbehandlung durch niedergelassene Leistungserbringer zu ermöglichen. 47. In welchem Maße erachtet die Bundesregierung die Regelungen des überarbeiteten Behindertengleichstellungsgesetzes und die Regelungen des bestehenden Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes als ausreichend, um die Anzahl von barrierefrei ausgestalteten Arzt-/Psychotherapiepraxen zügig zu erhöhen, damit eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung von Menschen mit Beeinträchtigungen – wie es die UN-BRK festschreibt – sichergestellt wird? Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hat Deutschland die europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien in nationales Recht umgesetzt. Entsprechend der europäischen Vorgaben zielt das AGG jedoch nicht auf die Herstellung von Barrierefreiheit und räumlicher Zugänglichkeit ab, sondern regelt vor allem die Bereiche des Zivil- und Arbeitsrechts. Das AGG stellt insoweit sicher , dass Menschen mit Behinderung im Arbeitsrecht und im Hinblick auf Güter und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, insbesondere bei Geschäften des täglichen Lebens vor Benachteiligung geschützt sind und ihnen beispielweise der Vertragsabschluss nicht allein aufgrund ihrer Behinderung verweigert werden darf. Die Sicherstellung von Barrierefreiheit in der physischen Umwelt ist in erster Linie in den Bauordnungen der Länder geregelt. Diese enthalten auch gesetzliche Vorgaben für Private. Aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland fällt das Bauordnungsrecht jedoch ausschließlich in die Zuständigkeit der Länder. Die Bauordnungen gelten grundsätzlich nur für den Neubau. Mit der Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) wurden die Verpflichtungen zur Herstellung baulicher Barrierefreiheit für die Bundesverwaltung erweitert. Nach § 8 Absatz 1 BGG sollen Zivile Neu-, Um- und Erweiterungsbauten im Eigentum des Bundes einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei gestaltet werden. Bei der Durchführung dieser Baumaßnahmen sollen nach § 8 Absatz 2 BGG auch Barrieren in nicht unmittelbar betroffenen Gebäudeteilen festgestellt und abgebaut werden, wenn diese dem Publikumsverkehr dienen und sofern der Abbau keine unangemessene wirtschaftliche Belastung darstellt. Bei der Anmietung von Immobilien durch die Bundesbehörden ist gemäß § 8 Absatz 4 BGG die Barrierefreiheit nun ebenfalls zu berücksichtigen. 48. Was wird die Bundesregierung unternehmen, um die schlechte Datenlage bezüglich der Barrierefreiheit von Arzt-/Psychotherapeutenpraxen zügig zu verbessern, wie es die seit März 2009 rechtsverbindliche UN-BRK fordert? Es wird auf die Antwort zu Frage 42 verwiesen. Für Menschen mit Behinderungen ist vor allem wichtig, dass genügend barrierefreie Praxen zur Verfügung stehen und dass sie eine auf ihre jeweiligen Bedürfnisse ausgerichtete Praxis finden. Deshalb hat die Bundesregierung konkrete Maßnahmen ergriffen, die dazu beitragen , dass sich Anzahl barrierefreier Arztpraxen weiter erhöht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 31 – Drucksache 18/11834 Im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrages haben Kassenärztliche Vereinigungen auch die Aufgabe, über die Barrierefreiheit von Arztpraxen zu informieren. Darüber hinaus bietet die Stiftung Gesundheit im Rahmen ihrer Arztsuche die Möglichkeit , auf die jeweiligen Bedürfnisse ausgerichtete Praxen zu finden. Das Projekt „Barrierefreie Praxis“ bietet Patienten deutschlandweit Informationen zum Grad der Barrierefreiheit von Arztpraxen. Ziel ist es, Menschen mit Behinderungen so die Suche nach einem passenden Arzt zu erleichtern. Zu den Aspekten der Barrierefreiheit, die in der Arztsuche integriert sind, zählen z. B. Behindertenparkplätze und verstellbare Untersuchungsmöbel ebenso wie Gebärdendolmetscher und bauliche Hilfsmittel. Nach Angaben der Stiftung Gesundheit sind bislang etwa 68 000 Ärztinnen und Ärzte mit Praxen, die eine oder mehr Komponenten der Barrierefreiheit bieten, in der Arzt-Auskunft verzeichnet, nachdem im Jahr 2010 alle niedergelassenen Ärzte, Zahnärzte und Psychologischen Psychotherapeuten angeschrieben, über das Thema informiert und zum Stand der Barrierefreiheit in ihrer Praxis befragt wurden. 49. Wie erklärt die Bundesregierung die im aktuellen Teilhabebericht festgestellte Tatsache, dass 25 Prozent der Menschen mit Beeinträchtigungen nie einen Ausflug oder eine Kurzreise machten, dieser Wert aber mit 11 Prozent bei Menschen ohne Beeinträchtigungen erheblich niedriger liegt? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 50. Inwieweit sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen der geringeren Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen am Tourismus und der geringen Zahl barrierefreier Gesundheitsangebote sowie der schlechten Datenlage über solche Angebote? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 51. Wie erklärt die Bundesregierung die im aktuellen Teilhabebericht festgestellte Tatsache, dass der Anteil der Frauen mit Beeinträchtigungen, die nie einen Ausflug oder eine Kurzreise machen, mit 27 Prozent höher ist als der Anteil der Männer mit Beeinträchtigungen, die nie einen Ausflug oder eine Kurzreise machen, mit 23 Prozent? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 52. Welche Konsequenzen und Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem im aktuellen Teilhabebericht aufgeführten Ergebnis, dass 48 Prozent der Menschen mit Beeinträchtigungen in der Bundesrepublik Deutschland häufiger reisen würden, wenn es mehr barrierefreie Reiseangebote gäbe, und knapp 37 Prozent der Menschen mit Beeinträchtigungen in der Vergangenheit nicht gereist sind, da es an geeigneten barrierefreien Angeboten mangelte ? Aufgrund der föderalen Struktur Deutschlands liegt die Zuständigkeit für die Entwicklung des Tourismus bei den Bundesländern. Dazu gehört auch die Entwicklung barrierefreier Angebote entlang der touristischen Servicekette. Über den Umfang der barrierefreien Reiseangebote liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Unabhängig von vorhandenen barrierefreien Reiseangeboten ist der Mangel an belastbaren, umfassenden und bundesweiten Informationen über solche Angebote Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 32 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode eine der großen Hürden für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Tourismus. Im zweiten Nationalen Aktionsplan (NAP 2.0) zur UN-Behindertenrechtskonvention hat sich die Bundesregierung daher zum Ziel gesetzt, Barrierefreiheit bei allen Maßnahmen auf dem Gebiet des Tourismus zu berücksichtigen. So fördert beispielsweise das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zur Beseitigung des Informationsdefizites die Einführung des bundesweit einheitlichen Kennzeichnungs- und Zertifizierungssystems „Reisen für Alle“ (www. reisen-fuer-alle.de/). 53. Welche Konsequenzen und Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der im aktuellen Teilhabebericht festgestellten Tatsache, dass 71 Prozent der Menschen ohne Beeinträchtigungen überwiegend frei finanzierte Veranstaltungen wie Kino, Jazz- und Popkonzerte oder Tanzveranstaltungen besuchen , und im Vergleich dazu diese Veranstaltungen nur von 44 Prozent der Menschen mit Beeinträchtigungen besucht werden? Der Bund hat im Grundsatz keine originäre Zuständigkeit für die Durchführung von Kulturveranstaltungen – und zwar weder für die öffentlich mitfinanzierten Theater oder Konzertveranstaltungen, die in der Verantwortung von Kommunen und Ländern liegen, als auch für frei finanzierte Veranstaltungen im Bereich Film, Musik oder Theater. Es ist aus Sicht des Bundes zunächst einmal erfreulich, dass die Angebote im Bereich der öffentlich mitfinanzierten Kulturveranstaltungen von Menschen mit Beeinträchtigungen in vergleichbarem Umfang wahrgenommen werden wie von Menschen ohne Beeinträchtigung (50 Prozent zu 59 Prozent ). Dies könnte dafür sprechen, dass diese Angebote bereits in hohem Maße barrierefrei sind. Eine genaue Analyse lässt das rein statistische Material aber nicht zu. Dies gilt auch für die Ursachen der in der Frage 53 dargestellten Unterschiede in der Wahrnehmung von Angeboten im Bereich frei finanzierter Kulturveranstaltungen . Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die technischen Voraussetzungen für eine Nutzung der Angebote nicht in gebotenem Umfang gewährleistet sind oder aber auch einzelne Veranstaltungen die Interessen vom Menschen mit Beeinträchtigungen weniger ansprechen. Sofern die Bundesregierung Einfluss auf die Rahmenbedingungen von Kulturveranstaltungen nehmen kann – sei es in der Gesetzgebung oder auch in bestimmten Förderprogrammen – achtet sie darauf, dass Belange der Menschen mit Beeinträchtigungen adäquat Berücksichtigung finden. Dies betrifft insbesondere Programme zur Sanierung von Kulturbauten und Denkmalen oder auch Investitionsprogramme. So können z. B. Preisgelder im Rahmen des „APPLAUS“, des Spielstättenprogrammpreises der Staatsministerin für Kultur und Medien, ausdrücklich für die Herstellung von Barrierefreiheit in Musikclubs eingesetzt werden. Bereits das Filmförderungsgesetz (FFG) von 2014 enthielt eine Verpflichtung des Produzenten, eine barrierefreie Fassung des geförderten Films herzustellen. Die Vorgaben für die Erstellung und Zugänglichmachung von barrierefreien Fassungen von geförderten Filmen wurden mit dem neuen FFG, das am 1. Januar 2017 in Kraft getreten ist, nochmals erheblich erweitert. Diese dienen gleichzeitig der Umsetzung der Ziele der Artikel 9 (Zugänglichkeit) und 30 (Teilhabe am kulturellen Leben) der UN-Behindertenrechtskonvention. So ist nicht nur der Hersteller, sondern nunmehr auch der Verleih eines geförderten Films verpflichtet, eine barrierefreie Fassung des geförderten Films herstellen zu lassen. Diese Fassung muss spätestens bis zur Erstaufführung des Films im Kino vorliegen, damit sichergestellt ist, dass bereits zum Kinostart eine hinreichende Anzahl an barrierefreien Fassungen im Kino gezeigt werden kann. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 33 – Drucksache 18/11834 Darüber hinaus können sowohl für Kinos als auch für den Absatz von Filmen durch Verleiher oder Videovertriebsunternehmen nunmehr nur noch dann Förderungen vergeben werden, wenn barrierefreie Fassungen in geeigneter Weise und in angemessenem Maße zugänglich gemacht werden. Für ein Kino bedeutet dieses Erfordernis, dass es nur dann förderfähig ist, wenn es beispielsweise Untertitelbrillen für Menschen mit Hörbehinderungen oder Kopfhörer für die Wiedergabe der Audiodeskription für Menschen mit Sehbehinderungen zur Verfügung stellt. Eine weitere Möglichkeit, barrierefreie Fassungen in geeigneter Weise zugänglich zu machen, kann etwa darin bestehen, smartphone-basierte Anwendungen zuzulassen. Diese nur beispielhaft genannten Maßnahmen sind nicht abschließend . Vielmehr ist die Filmförderungsanstalt (FFA) dazu aufgerufen, die Vorgaben regelmäßig zu evaluieren und bei Bedarf an neue technische und sonstige Entwicklungen anzupassen. Des Weiteren sind in diesem Zusammenhang auch die Fördermöglichkeiten zu nennen, die bei der Modernisierung von Kinos bestehen. So werden Modernisierungsmaßnahmen , die der Herstellung von Barrierefreiheit im Sinne des § 4 BGG dienen, als Zuschuss vergeben. Bei den übrigen Förderungen der Kinoprojektförderung beträgt der Zuschussanteil lediglich 30 Prozent. Die für solche Maßnahmen gewährten Förderhilfen können außerdem die für alle anderen Förderungen geltende Förderhöchstgrenze in Höhe von 350 000 Euro überschreiten. Diese Maßnahmen stärken den Anreiz, in eine barrierefreie Infrastruktur zu investieren. Für die kulturelle Filmförderung der BKM gelten die Vorgaben des neuen FFG für die Barrierefreiheit entsprechend. Und auch beim Deutschen Filmförderfonds (DFFF) muss eine barrierefreie Fassung des Films nach § 5 Absatz 4 der DFFF- Richtlinie noch vor dem Beginn der Kinoauswertung vorgelegt werden. Zunehmend verbreitet ist die Möglichkeit, per Smartphone Untertitel oder Audiodeskription zu empfangen. Mit diesen Maßnahmen wird die Möglichkeit auf Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Kulturgut Film, sei es im Kino oder auch zu Hause, deutlich verbessert. 54. Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung aufgrund der im Teilhabebericht aufgeführten Tatsache, dass fast die Hälfte (46 Prozent) der Menschen mit Beeinträchtigungen keinen Sport treiben und dieser Wert damit im Vergleich zu Menschen ohne Beeinträchtigungen doppelt so hoch ist? Die Gründe für die geringere Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen an sportlichen Aktivitäten können an zeitlichen Beschränkungen oder hohen Anforderungen an körperliche und Sinnesleistungen liegen. Auch die Art der Angebote, deren mangelnde Barrierefreiheit bzw. unzureichende Informationen zu den Angeboten und deren Barrierefreiheit können eine Rolle spielen. Von den oben angeführten möglichen Gründen für die geringere Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen an sportlichen Aktivitäten hat die Bundesregierung Einfluss auf die Art der Angebote, deren Barrierefreiheit bzw. zu den Informationsquellen zu den Angeboten und deren Barrierefreiheit. Der Zugang zu den Sporteinrichtungen und die unterschiedliche Formen der Teilhabe werden durch gezielte Leistungsangebote und gesetzliche Regelungen gewährleistet. Der mit dem Deutschen Behindertensportverband e. V. und dem National Paralympic Committee Germany entwickelte Index für Inklusion im und durch Sport ist eine Handreichung für die Entwicklung inklusiver Angebote. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 34 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Mit dem zweiten Nationalen Aktionsplan (2.0) will die Bundesregierung die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen an sportlichen Aktivitäten erhöhen und fördert beispielsweise die Arbeit des Deutschen Behinderten- und Sportverbands (DBS), des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) und von Special Olympics Deutschland (SOD). Zusätzlich wird die Erweiterung der Inklusionslandkarte der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen um das Modul Sport, zur Verbesserung der Informationsquellen über barrierefrei zugängliche und inklusive Sportangebote, gefördert. Diese Maßnahmen will die Bundesregierung fortführen und intensivieren, um die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen an sportlichen Aktivitäten zu erhöhen . 55. Inwieweit würde nach Ansicht der Bundesregierung die Verpflichtung privater Anbieter und Unternehmen zur Barrierefreiheit die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen an Tourismus, Kultur, Freizeit und Sport verbessern und absichern? Verpflichtende Regelungen können Engagement und Bereitschaft der Akteure nicht ersetzen. Deshalb kommt der Bewusstseinsbildung besonderer Stellenwert zu. 56. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Wahlbeteiligung von Menschen mit Beeinträchtigungen – insbesondere älterer Menschen mit Beeinträchtigungen – bei politischen Wahlen zu erhöhen? Das vom BMAS geförderte Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit hat unter anderem auch ein Projekt zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an Wahlen durchgeführt. Im Rahmen dieses Projektes wurden Tipps für Wahlhelferinnen und Wahlhelfer im Umgang mit Wählerinnen und Wählern mit Behinderungen sowie Empfehlungen für Gemeinden zur Barrierefreiheit von Wahlräumen erarbeitet. Der Bundeswahlleiter stellt auf seiner Internetseite Informationen zur Bundestagswahl in leichter Sprache zur Verfügung. Für gehörlose und hörbehinderte Menschen erleichtert ein zentrales Einstiegsangebot die Orientierung auf der Internetseite durch zentrale Informationen in Gebärdensprache. Des Weiteren informiert er auf seiner Internetseite über die Barrierefreiheit bei den Wahlen (barrierefreier Zugang zu Wahlräumen, Hilfspersonen, Stimmzettelschablonen). Auch die BZgA begleitet die Europa- und Bundestagswahlen mit verschiedenen Veranstaltungen, Druck- und Multimediaprodukten. Dies dient vornehmlich der Verbesserung der Wahlbeteiligung und soll zu einer Erleichterung des Einblicks in Wahlthemen, Wahlprogramme und der sie begleitenden Debatten führen. Auch grundlegende Informationen über das Wahlrecht sowie Wahlsysteme und -verfahren werden angeboten. Jenseits dieser speziellen Fördermaßnahmen ist in zahlreichen Regelungen des geltenden Wahlrechts darauf geachtet worden, dass die Wahlteilnahme von Menschen mit Behinderungen erleichtert wird. So sind die Wahlräume bei Bundestagswahlen nach der Bundeswahlordnung (§ 46 Absatz 1 Satz 3 BWO) nach den örtlichen Verhältnissen so auszuwählen und einzurichten, dass allen Wahlberechtigten , insbesondere Menschen mit Behinderungen und anderen Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung, die Teilnahme an der Wahl möglichst erleichtert wird. Die Gemeindebehörden haben frühzeitig und in geeigneter Weise mitzuteilen , welche Wahlräume barrierefrei sind (§ 46 Absatz 1 Satz 4 BWO). Seit dem Jahr 2013 wird jedem Wähler schon in der Wahlbenachrichtigung mitgeteilt, ob Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 35 – Drucksache 18/11834 sein Wahlraum barrierefrei ist und unter welcher Telefonnummer er von der Gemeinde erfahren kann, welcher Wahlraum im eigenen Wahlkreis barrierefrei ist und für ihn als Alternative in Frage kommt (§ 19 Absatz 1 Nummer 2 und 7 BWO). Wo Menschen mit Behinderungen die Teilnahme an der Wahl im Wahllokal trotzdem nicht möglich ist, steht ihnen wie jedem anderen Wahlberechtigten nach § 36 Bundeswahlgesetz als Alternative die Möglichkeit der Briefwahl zur Verfügung. Wähler, die des Lesens unkundig oder wegen einer körperlichen Beeinträchtigung gehindert sind, den Stimmzettel zu kennzeichnen, zu falten oder selbst in die Wahlurne zu werfen, können sich bei der Stimmabgabe im Wahllokal oder bei der Briefwahl der Hilfe einer von ihnen bestimmten Hilfsperson oder eines Mitglieds des Wahlvorstandes bedienen. Diese darf, soweit erforderlich, auch mit die Wahlkabine aufsuchen (§ 57 BWO). Ein blinder oder sehbehinderter Wähler kann zur selbständigen Kennzeichnung des Stimmzettels auch eine Wahlschablone benutzen. Diese werden von den Blindenverbänden erstellt und der Bund erstattet diesen die Kosten (§ 50 Absatz 4 BWG). Hierfür werden den Blindenvereinen unverzüglich nach Fertigstellung Muster der Stimmzettel zur Verfügung gestellt (§ 45 Absatz 5 Satz 2 BWO). In der jüngsten Änderung der Bundeswahlordnung , die in diesen Tagen in Kraft tritt, wird zudem durch eine genaue Vorgabe zur Kennzeichnung der Stimmzettel in der rechten oberen Ecke das richtige Anlegen der von den Blindenvereinen hergestellten Stimmzettelschablonen für blinde und sehbehinderte Personen sichergestellt (§ 45 Absatz 2 BWO). Bei Stimmzetteln und Briefwahlunterlagen muss bei Schriftart, Schriftgröße und Kontrast auf eine erleichterte Lesbarkeit geachtet werden (§ 45 Absatz 5 BWO). In der neuen Änderungsverordnung zur Bundeswahlordnung wird zudem durch genaue Farbvorgaben ein Mindestkontrast zwischen roten Wahlbriefen und Beschriftung sichergestellt(§ 45 Absatz 2 BWO). 57. In welchem Maße werden aus Sicht der Bundesregierung die neuen Regelungen des beschlossenen BTHG – insbesondere zur persönlichen Assistenz und zur gemeinschaftlichen Inanspruchnahme von Teilhabeleistungen (Pooling) – die im aktuellen Teilhabebericht festgestellte höhere Unzufriedenheit von Menschen mit Beeinträchtigungen hinsichtlich ihrer Freizeitgestaltung im Vergleich mit Menschen ohne Beeinträchtigungen spürbar verringern und eine wirksame Teilhabe an kulturellem Leben sowie an Erholung , Tourismus, Freizeit und Sport – wie es die UN-BRK festschreibt – ermöglichen und garantieren? Sieht die Bundesregierung diesbezüglich weiteren Handlungsbedarf beziehungsweise Nachbesserungsbedarf hinsichtlich des BTHG? Nach dem aktuellen Teilhabebericht der Bundesregierung waren im Jahr 2014 knapp 70 Prozent der Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen mit ihrer Freizeitgestaltung zufrieden. Der Anteil derjenigen, die mit ihrer Freizeitgestaltung unzufrieden sind, liegt bei Menschen mit Beeinträchtigungen bei 9 Prozent und bei Menschen ohne Beeinträchtigungen bei 6 Prozent. Der mit dem Bundesteilhabegesetz geregelte Leistungskatalog zur Sozialen Teilhabe und insbesondere die explizit aufgenommenen Assistenzleistungen tragen zur Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bei. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 36 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 58. Welche Konsequenzen und Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der im aktuellen Teilhabebericht festgestellten Tatsache, dass Menschen mit Beeinträchtigungen und Migrationshintergrund eine vergleichsweise geringe Erwerbsbeteiligung und ein vergleichsweise hohes Armutsrisiko aufweisen sowie häufig keinen schulischen oder beruflichen Abschluss haben? Der Zweite Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen hat in einem Schwerpunktkapitel Daten zur Intersektionalität Behinderung/Migration zusammen getragen. Dadurch wurde Forschungsbedarf zu den Ursachen geringerer Erwerbsbeteiligung, von höherem Armutsrisiko und mangelnden schulischen sowie beruflichen Abschlüssen bei Menschen mit Migrationshintergrund deutlich. Die vom BMAS in Auftrag gegebene Befragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen lässt erwarten, Aufschluss über diese Zusammenhänge zu gewinnen und Handlungsoptionen erkennbar werden zu lassen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. 59. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Datenlage über „Mädchen mit Migrationshintergrund“ zu verbessern? In der Statistik der Kinder- und Jugendhilfe werden die Daten im Hinblick auf Mädchen mit Migrationshintergrund weitgehend aufgeschlüsselt. Darüber hinaus ist folgendes geplant: Am 10. November 2016 hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages den Beschluss zur Etatisierung eines Zuschusses zum Aufbau eines Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung getroffen. Im Haushaltsjahr 2017 stehen Mittel in Höhe von 3 Mio. Euro sowie Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von insgesamt 3,8 Mio. Euro in den Haushaltsjahren 2018 bis 2020 (in 2018: 1,8 Mio. Euro, in 2019: 1,2 Mio. Euro, in 2020: 800 Tsd. Euro) zur Verfügung. Mit den Mitteln sollen laut Beschluss unter Federführung des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Aufbau eines Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung ermöglicht werden. Bestehende Strukturen sollen gebündelt und weiterentwickelt werden, um Migrations- und Integrationsforschung zu stärken und zukunftsfähig auszurichten. Dies betrifft insbesondere auch die Datenlage zu Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundeagentur für Arbeit, das Forschungszentrum Migration, Integration und Asyl des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) und das Sozio-Oekonomische Panel am DIW Berlin führen das Kooperationsprojekt „IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten“ durch, eine mehrjährige repräsentative Befragung von Geflüchteten , die zwischen dem 1. Januar 2013 und dem 31. Januar 2016 nach Deutschland eingereist sind (erste Welle Juni bis Oktober 2016). Das BMBF fördert im Rahmen des „GeFam-Projekts“ („Geflüchtete Familien in Deutschland“) eine Verdoppelung der Fallzahlen um weitere rund 1 600 Personen sowie deren Familien. Diese Personen wurden erstmals zwischen Oktober und Dezember 2016 befragt. Im Rahmen der „ GeFam“-Studie werden Eltern von geflüchteten Kindern befragt und ab der zweiten Welle 2017 auch Kinder selbst (ab 14 Jahren). Die „GeFam“-Studie kann dazu beitragen, Daten zur Teilgruppe geflüchteter Mädchen beizusteuern, fokussiert aber nicht auf die Gesamtgruppe der „Mädchen mit Migrationshintergrund“. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37 – Drucksache 18/11834 Die Bundesregierung hat das Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH (infas) beauftragte, eine repräsentative Befragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen durchzuführen. Der im Rahmen einer Vorstudie entwickelte Fragebogen enthält in Modul 0.3 Angaben zum Migrationshintergrund. 60. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um Beratungsund Dienstleistungsangebote für Menschen mit sowohl Migrationshintergrund als auch Beeinträchtigung auszubauen und diese diesen zugänglich zu machen? Auf die Antworten zu den Fragen 58 und 59 wird verwiesen. 61. Mit welchen Maßnahmen wird die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern die Teilhabe an Bildung und Arbeit, an der Gesellschaft, Kultur, Freizeit, Tourismus und Sport für Menschen mit Beeinträchtigungen und Migrationshintergrund zügig verbessern? Im zweiten Nationalen Aktionsplan (NAP 2.0) der Bundesregierung zur UN-Behindertenrechtskonvention finden sich 175 Maßnahmen der Bundesregierung, die die Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderungen verbessern sollen. In den 13 Handlungsfeldern, wie Bildung, Arbeit und Beschäftigung sowie Kultur , Sport und Freizeit, gibt es zum einen spezifische Maßnahmen für Menschen mit Beeinträchtigungen und Migrationshintergrund und zum anderen sollen bei allen Maßnahmen auch die besonderen Bedarfe dieser Personengruppe berücksichtigt werden. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien fördert beispielsweise das bundesweit angelegte Dialog- und Fachforum „Netzwerk Kultur und Inklusion“, um Menschen mit Beeinträchtigungen in den Medien und in künstlerischen Produktionen zu unterstützen. Dieses führt Menschen mit Beeinträchtigungen in den Medien und in künstlerischen Produktionen mit den relevanten Akteuren in den Medien und in weiteren künstlerischen Kontexten zusammen. Das „Netzwerk Kultur und Inklusion“ trägt zu einem nachhaltigen Bewusstsein und zur Veränderung im Sinne von Normalisierung bei. 62. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Datenlage bezüglich Menschen mit Beeinträchtigungen, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind, zu verbessern? Da keine bundesweite amtliche Statistik zum Umfang der Wohnungslosigkeit in Deutschland existiert, stützt sich die Bundesregierung auf die Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. (BAG-W). Grundlage der methodischen Annahmen dieser Schätzungen ist die Studie „Sicherung der Wohnungsversorgung für wirtschaftlich oder sozial benachteiligte Haushalte“ aus dem Jahr 1994. Allerdings haben sich seitdem große Veränderungen des Wohnungsmarktes , der Einkommensverteilung und der Demografie ergeben. Die Bundesregierung wird daher ein Bund-Länder-Gespräch initiieren und in diesem auf eine bundeseinheitliche Statistik – d. h. eine Statistik der Länder nach einheitlichen Parametern – hinwirken. Je nach Ausgang dieser Gespräche wird die Bundesregierung eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben, um ggf. zu erforschen, auf welcher Methodik zukünftige Schätzungen von Wohnungslosigkeit basieren müssten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11834 – 38 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode In diesem Zusammenhang wird die Bundesregierung prüfen, ob das Merkmal „Menschen mit Beeinträchtigung“ in eine Statistik oder Schätzung aufgenommen werden kann. Dabei ist jedoch sowohl zu beachten, ob eine Datenerhebung zu einem solchen Merkmal reliabel und valide möglich ist, als auch ob die Fallzahlen für eine repräsentative Grundgesamtheit ausreichend sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333