Deutscher Bundestag Drucksache 18/1185 18. Wahlperiode 16.04.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner, Petra Pau, Harald Petzold (Havelland), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/964 – Verbindungen zwischen Angehörigen der neonazistischen Szene und Rockern bzw. Motorradclubs Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In den letzten Jahren sind immer wieder personelle Verbindungen und Überschneidungen zwischen Angehörigen der neonazistischen Szene aus Kameradschaften , extrem rechten Parteien und/oder deren Umfeld sowie dem Milieu einzelner Motorradclubs (MCs) und deren Niederlassungen (Chaptern) zu Tage getreten. Zwischen Neonazis und Rockern gebe es „personelle Verflechtungen, gemeinsame Aktivitäten und einzelfallbezogene Kooperationen“ auf lokaler Ebene, heißt es in einem Bericht des Bundeskriminalamtes (BKA) zu „Verbindungen von Rechtsextremen und Rockern“ vom 8. Juni 2010 (www.focus.de/ politik/deutschland/bka-bericht-rocker-halten-neonazis-den-ruecken-frei_aid_ 523908.html). Im Juli 2012 wurde anlässlich einer Hausdurchsuchung bei einem Mitglied des Chapters „Support 81“ aus Gummersbach, einer Unterstützergruppe der Hells Angels, neben CDs mit rechtsradikaler Musik auch eine Panzerfaust aufgefunden . Im gleichen Zeitraum wurden in Köln anlässlich einer polizeilichen Durchsuchungsmaßnahme eine Panzerfaust, Schwarzpulver sowie rechtsradikale Fahnen und Tonträger bei einem Mitglied des kurz zuvor verbotenen MC „Red Devils“ (DER SPIEGEL vom 30. Juli 2012, www.spiegel.de/spiegel/ print/d-87562013.html) gefunden. Der Berliner Landesvorsitzende der NPD, Sebastian Schmidtke, besuchte in den Jahren 2012 und 2013 mehrfach Veranstaltungen des Gremium Motorcycle Clubs (Berliner Zeitung vom 16. September 2013, www.berliner-zeitung.de/berlin/nazis-und-rocker-npd-landeschefzu -besuch-bei-rockerclub,10809148,24334364.html). Der stellvertretende bayerische NPD-Landesvorsitzende, Sascha Roßmüller, ist „secretary“ der Bandidos Regensburg und der frühere Leiter des Ordnungsdienstes des thüringischen Landesverbandes der NPD, M. R., wurde Mitglied der Weimarer Unterstützungsgruppe der Hells Angels „Garde 81“ (DER SPIEGEL vom Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 14. April 2014 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 30. Juli 2012, a. a. O.). K. S., Präsident des Salzwedeler Chapters des „Red Devils “-MC war Gründer der Kameradschaft „Freie Nationalisten Altmark West“. Bei einer Durchsuchung des Vereinsheims in Salzwedel im Jahr 2011 wurden denn auch Nazi-Devotionalien und Rechtsrock-CDs aufgefunden (DER SPIEGEL vom 30. Juli 2012, a. a. O.). Drucksache 18/1185 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Anlässlich einer für eine Geburtstagsfeier erfolgten Anmietung eines überwiegend von Angehörigen der Wasserschutzpolizei Frankfurt am Main betriebenen Wasser- und Freizeitsportclubs stellten wegen des Abspielens von volksverhetzender Musik, u. a. der Musikgruppe „Landser“, eingetroffene Polizeibeamte fest, dass sich die Gäste der Feier aus Angehörigen der neonazistischen Szene und Mitgliedern bzw. Unterstützern des Hells-AngelsCharters Landau/Rheinland-Pfalz zusammensetzten (Frankfurter Neue Presse vom 31. Juli 2013, www.fnp.de/lokales/frankfurt/Hells-Angels-feierten-beider -Polizei;art675, 590134). Der MC „Schwarze Schar“ in Wismar wurde von dem Betreiber des früheren „Werwolf-Shop“ gegründet, in dem die neonazistische Szene um die Kameradschaft „Werwölfe Wismar“ ein- und ausging. Dem MC „Schwarze Schar“ wurden im Jahr 2013 nach Angaben der Polizei 170 Straftaten zugerechnet, von denen jede fünfte politisch motiviert sei (taz.die tageszeitung vom 1. Juli 2013, www.taz.de/!119109/). Der MC „Schwarze Schar“ wurde inzwischen im Januar 2014 durch das zuständige Ministerium für Inneres und Sport des Landes Mecklenburg-Vorpommern verboten. Nach Angaben des Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, in der Sendung „heute journal“ des ZDF am 5. April 2013 müsse inzwischen von einer Anzahl von ca. 400 bis 500 Personen bundesweit ausgegangen werden, die sowohl der extrem rechten Szene als auch verschiedenen MCs, deren Chaptern und Unterstützern angehören. Daraus resultiere eine erhebliche Gefährdung durch die Beschaffung von Waffen und das so rekrutierte Gewaltpotential . Das Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt geht inzwischen von mindestens 39 Neonazis aus dem Bundesland Sachsen-Anhalt aus, die gleichzeitig in Motorradclubs und im Rockermilieu tätig sind. Diese Zahlen würden aber künftig deutlich ansteigen (www.mz-web.de/ mitteldeutschland/sachsen-anhalt-neonazis-interessieren-sich-fuer-rockerklubs, 20641266, 26459850.html). 1. Welche Erkenntnisse über die Zusammenarbeit überregionaler und regionaler Strukturen von Rockerclubs mit Gruppierungen, Parteien und Organisationen der extrem rechten Szene sind der Bundesregierung – auch im regelmäßigen Austausch mit den Landesregierungen – bekannt geworden (bitte aufschlüsseln unter Angabe der jeweiligen Bundesländer, der jeweiligen MCs bzw. von deren Chaptern, des Zeitpunkts, seit wann welche Verbindungen zu welchen neonazistischen Organisationen, Bands, Personen bestehen )? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über eine strukturelle oder strategisch angelegte Zusammenarbeit zwischen Mitgliedern von Rockerclubs und der rechtsextremistischen Szene vor. Zwar gibt es auch öffentlich dokumentierte gemeinsame Aktivitäten, diese beschränken sich jedoch in der Regel auf die Veranstaltung von Konzerten in Rockerclubs. Soweit Rechtsextremisten auch Mitglied in Rockerclubs geworden sind, gehen ihre politischen Aktivitäten nach einem Eintritt häufig stark zurück, was teilweise auch auf die Ablehnung einiger Clubs in Bezug auf rechtsextremistisches Engagement ihrer Mitglieder zurückzuführen ist. Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder tauschen sich auch im Rahmen des Gemeinsamen Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus/-terrorismus (GAR) und in den Fachgremien der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) zu dem Thema aus. Im Ergebnis stellen die Sicherheitsbehörden fest, dass einzelne Personen aus beiden Szenen in Einzelfällen kooperieren. Dies gilt insbesondere im wirtschaftlichen bzw. geschäftlichen Bereich. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1185 2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über rechtsextreme oder rechtsextrem durchsetzte Chapter wie a) Hells Angels MC, b) Bandidos MC, c) Gremium MC, d) Red Devils MC, e) Schwarze Schar MC, f) Schwarze Jäger MC, g) Blazes MC, h) Division 39 Magdeburg MC, i) Underdogs MC und j) weitere MCs (bitte benennen)? Die Bundesregierung teilt nicht die Auffassung der Fragesteller, wonach Rockerclubs generell oder die in der Frage aufgeführten Chapter rechtsextremistisch oder rechtsextremistisch durchsetzt seien. Dementsprechend sind Rockerclubs keine Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzbehörden . Den Polizeibehörden sind annähernd 10 000 Mitglieder polizeilich relevanter Rockerclubs bekannt. Die Hälfte dieser Mitglieder ist den vier größten Motorradclubs „Hells Angels MC“ (HAMC), „Bandidos MC“ (BMC), „Gremium MC“ (GMC) und „Outlaws MC“ (OMC) zuzuordnen. Im Verhältnis zu ihren Mitgliederzahlen sind bei den Rockerclubs insgesamt sehr geringe Straftatenfallzahlen aus dem Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität – rechts – zu verzeichnen. 3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung durch die Lagebilder der Sicherheitsbehörden darüber, dass Angehörige der neonazistischen Szene und Mitglieder von Rockerclubs gemeinsam Straftaten begangen haben bzw. sich strukturell unterstützen (bitte aufschlüsseln nach Bundesländern, Straftatbeständen, Art der Unterstützung)? Der Bundesregierung liegen keine entsprechenden Erkenntnisse darüber vor, ob Angehörige der rechtsextremistischen Szene und Mitglieder von Rockerclubs gemeinsam Straftaten begangen haben. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung vom 5. Juni 2012 zu den Fragen 17 und 18 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Kooperation von Rechtsextremen und Rockerclubs“ (Bundestagsdrucksache 17/9866) verwiesen. 4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass Personen, die das BKA und die Generalbundesanwaltschaft (GBA) im NSU-Komplex in der so genannten 400er-Liste führen, Verbindungen zu Rockervereinigungen hatten bzw. haben bzw. Mitglieder waren oder sind? 5. Wie viele der Personen, die das BKA und die GBA im NSU-Komplex in der so genannten 400er-Liste führen, sind nach Kenntnis der Bundesregierung auch Mitglieder in Rockervereinigungen, MCs und Bikerclubs (bitte aufschlüsseln unter Angabe der jeweiligen Bundesländer, der jeweiligen MCs bzw. von deren Chaptern)? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Drucksache 18/1185 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Weder das Bundeskriminalamt (BKA) noch der Generalbundesanwalt führen zum NSU-Komplex eine „400er Liste“. Bei der genannten Liste dürfte es sich um eine auf die Bitte des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages zur Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) für diesen eigens vom BKA erstellte Liste handeln. Im Zuge der Ermittlungen zum NSUKomplex wurden bei drei Personen aus dem Umfeld des NSU-Trios Kontakte zu Rockervereinigungen festgestellt. Weitere Erkenntnisse zu Verbindungen zwischen dem NSU-Umfeld und Rockervereinigungen liegen der Bundesregierung nicht vor. 6. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, dass es im Zusammenhang mit polizeilichen Maßnahmen gegen Rockerclubs bzw. Motorradvereinigungen auch zur Einleitung von Ermittlungs- und Strafverfahren aus dem Bereich der politisch motivierten Kriminalität – rechts – (PMK-rechts) gekommen ist (bitte unter Angabe von Bundesländern, Orten , Namen der Clubs/Vereinigungen/Chapter, Datum der Einleitung der Ermittlungen, des Strafvorwurfs und ggf. des Ausgangs der Ermittlungsund Strafverfahren)? Die Polizeien der Länder haben insbesondere im Jahr 2012 zahlreiche Exekutivmaßnahmen gegen Angehörige von Rockergruppierungen durchgeführt. Hierbei wurden neben Waffen und anderen Beweismitteln vereinzelt auch Gegenstände sichergestellt, die auf Bezüge der Rocker zur rechtsextremistischen Szene hindeuten. In den meisten dieser Fälle handelte es sich um Propagandamaterial wie Hakenkreuzfahnen oder Datenträger mit rechtsextremistischer Musik. Eine Aufstellung zu daraus eventuell resultierenden Ermittlungsverfahren im Bereich Politisch motivierte Kriminalität – rechts – (PMK-rechts) liegt der Bundesregierung nicht vor. 7. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung – auch durch den regelmäßigen Austausch mit den Landesregierungen – über geschäftliche Verbindungen oder die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedern von MCs, deren Chaptern oder Unterstützer-MCs mit Angehörigen der neonazistischen Szene (bitte aufschlüsseln unter Angabe der jeweiligen Bundesländer, der jeweiligen MCs bzw. von deren Chaptern, der Art der geschäftlichen Zusammenarbeit )? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung vom 5. Juni 2012 zu Frage 12 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Kooperation von Rechtsextremen und Rockerclubs“ (Bundestagsdrucksache 17/9866) verwiesen. 8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung – auch durch den regelmäßigen Austausch mit den Landesregierungen – über gemeinschaftlich genutzte Treffpunkte bzw. Veranstaltungsorte durch Mitglieder von MCs, deren Chaptern oder Unterstützer-MCs und Angehörigen der neonazistischen Szene (bitte aufschlüsseln unter Angabe der jeweiligen Bundesländer , der jeweiligen MCs bzw. von deren Chaptern, der Art der gemeinschaftlichen Nutzung)? Die Bundesregierung hat dazu über die in der Antwort zu Frage 7 beschriebenen Aktivitäten hinaus keine weiteren Erkenntnisse. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333