Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 6. April 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/11911 18. Wahlperiode 10.04.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Matthias W. Birkwald, Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/11679 – Rechtsextreme Bestrebungen des Vereins Volkshilfe e. V. V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der seit April 2015 in Osnabrück eingetragene Verein Volkshilfe e. V. stellt sich nach außen hin als rein karitative Vereinigung dar. „Wir helfen da, wo Politik aufhört“, lautet das Motto des Vereins, der nach eigenen Angaben unter anderem Tauschbörsen für alte Kleidung und Spielsachen und Spendensammlungen für Obdachlose und Weihnachtssammlungen für bedürftige Familien organisiert . „Die Volkshilfe hat es sich zum Ziel gesetzt, dem deutschen Volke das Zusammengehörigkeitsgefühl wieder beizubringen, welches es in der heutigen Ellenbogengesellschaft leider verloren hat“, heißt es in einem Werbeflyer des Vereins, der nach eigenen Angaben dazu beitragen will, die „Schere zwischen Arm und Reich in unserem Volke wieder enger zusammenzuführen“ (zit. nach LOTTA www.lotta-magazin.de/ausgabe/online/hilfe-nur-f-r-landsleute). Im Januar 2016 verteilten Aktivisten der Volkshilfe e. V. an Bahnhöfen Reizgasdosen an allein reisende deutsche Frauen zum Schutz vor vermeintlich drohenden Übergriffen durch Migranten (www.bnr.de/category/stichworte/volkshilfe-ev). Der niedersächsische Verfassungsschutz beobachtet Volkshilfe e. V. seit Juli 2015 im Rahmen einer Verdachtsfallbearbeitung. Nach Angaben des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom Februar 2016 setzt sich der Verein, der rund 30 Mitglieder haben soll, überwiegend aus ehemaligen Angehörigen der Autonomen Nationalisten Wallenhorst (ANW) zusammen. Zu den Vorstandsmitgliedern sowie weiteren bei der Gründungsversammlung anwesenden Personen liegen demnach staatsschutzpolizeiliche Erkenntnisse aus dem Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität-rechts vor (www.mi. niedersachsen.de/aktuelles/presse_informationen/beantwortung-der-muendlanfrage -der-gruenen-zum-osnabruecker-verein-volkshilfe-ev-141089.html). Erster Vorsitzender des Vereins ist der vormals in Münster wohnhafte Neonazi -Aktivist Achim Kemper, der zuvor bei den „Nationalen Sozialisten Münster“ (NaSoMs) aktiv war (www.noz.de/lokales/osnabrueck/artikel/6414 14/rechtsextreme-setzen-auf-vereinsarbeit-auch-in-der-region#). Auch die anderen aus dem Raum Osnabrück stammenden Vorstandsmitglieder der Volkshilfe e. V. entstammen dem neonazistischen Milieu. Die oberflächlich karitative Ausrichtung des Vereins sei Teil einer rechten Graswurzelstrategie, bei der vermittels vermeintlich sozialer Betätigung an der gesellschaftlichen Basis ver- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11911 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode sucht werde, Kontakt zu Bevölkerungsteilen zu knüpfen, die sich von politischen Parteien oder Organisationen nicht angesprochen fühlen, heißt es dazu in der antifaschistischen Zeitschrift „LOTTA“. Denn die angebotene Hilfe nur für deutsche „Landsleute“ gründet sich auf Ausschluss und Ausgrenzung anhand völkisch-nationalistischer Kriterien (www.lotta-magazin.de/ausgabe/online/hilfenur -f-r-landsleute). Die Volkshilfe e. V. gibt auf Handzetteln an, über fünf Ortsgruppen in Osnabrück , dem Ruhrgebiet, Leer, Hagen und Gütersloh zu verfügen (www.nw.de/ lokal/kreis_guetersloh/guetersloh/guetersloh/21687093_Rechter-Verein-verteilt- Handzettel-in-Guetersloh.html) 1. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Verein Volkshilfe e. V.? Die „Volkshilfe e. V.“ ist eine rein regional ausgerichtete Vereinigung in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Aktivitäten dieser Vereinigung werden durch die Sicherheitsbehörden dieser Länder erfasst und bewertet. Der Bundesregierung liegen keine eigenen verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse vor. 2. Welche vom Verein Volkshilfe e. V. seit seiner Gründung ausgehenden Aktivitäten im Einzelnen sind der Bundesregierung bekannt? Der Bundesregierung liegen in Bezug auf den Verein „Volkshilfe e. V.“ Erkenntnisse über Ankündigungen von Aktivitäten, mehrerer Flyer-Verteilaktionen, eine Verteilung „umweltfreundlicher Einkaufsbeutel“ mit beigelegtem Informationsmaterial vor mehreren Supermärkten, Verteilung von Pfefferspray an Frauen an Bahnhöfen, „Tauschbörsen“ für Spielzeug und Kinderkleidung, Selbstverteidigungskurse für Frauen und „kostenlose Schülernachhilfe“ vor. 3. Inwieweit sieht die Bundesregierung von der Betätigung des Vereins Volkshilfe e. V. und der von diesem Verein vertretenen Ideologie eine Gefahr für das friedliche Zusammenleben oder eine sonst wie geartete Gefährdung für die demokratische Grundordnung ausgehen? Die Beurteilung der Tätigkeiten des Vereins „Volkshilfe e. V.“ ist durch die örtlich zuständigen Landesbehörden für Verfassungsschutz vorzunehmen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 4. Wie viele Mitglieder gehören nach Kenntnis der Bundesregierung der Volkshilfe e. V. an? a) Wie viele der Vorstandsmitglieder und einfachen Mitglieder gehörten vor ihrem Beitritt zur Volkshilfe e. V. welchen rechtsextremen Vereinigungen oder Bewegungen an? b) Wie viele Vorstandsmitglieder und einfache Mitglieder gehören während ihrer Mitgliedschaft in der Volkshilfe e. V. welchen rechtsextremen Vereinigungen oder Bewegungen an? Die Fragen 4, 4a und 4b werden gemeinsam beantwortet. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11911 c) Gegen wie viele Vorstandsmitglieder und einfache Mitglieder von Volkshilfe e. V. liegen staatsschutzpolizeiliche Erkenntnisse aus dem Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität – rechts vor? Dem Bundeskriminalamt (BKA) werden im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes – Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) politisch motivierte Straftaten durch die Polizeien der Länder in Form von Kriminaltaktischen Anfragen – Politisch motivierte Kriminalität (KTA-PMK) übermittelt. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Verein ist kein Erfassungskriterium in der entsprechenden BKA-Fallzahlen-datei. 5. Über wie viele und welche Ortsgruppen und Stützpunkte in welchen Orten und Bundesländern verfügt Volkshilfe e. V. nach Kenntnis der Bundesregierung ? Nach Eigendarstellung des Vereins gibt es fünf Ortsgruppen in Osnabrück und Leer/Niedersachsen sowie dem Ruhrgebiet, Hagen und Gütersloh/Nordrhein- Westfalen. 6. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über eine rechtsextremistische Betätigung von Vorstandsmitgliedern der Volkshilfe e. V. vor Gründung des Vereins und während ihrer Zeit als Vereinsvorstände? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 7. Inwieweit stehen der Verein Volkshilfe e. V. oder einzelne seiner Vorstände nach Kenntnis der Bundesregierung in Kontakt zu rechtsextremen und neonazistischen Parteien und Organisationen (bitte Form des Kontaktes und Parteien /Organisationen benennen)? Nach Einschätzung des BfV bestehen vereinzelt Kontakte von Personen des rechtsextremistischen Spektrums zu Personen, die sich im Verein „Volkshilfe e. V.“ engagieren. 8. Ist der Verein Volkshilfe e. V. nach Kenntnis der Bundesregierung bislang an kommunale oder Landesbehörden mit Anfragen nach Kooperation oder Förderung herangetreten, und wenn ja, wann, an welche Behörden, mit welchen Anfragen, und wie reagierten die jeweils angefragten Behörden? Im Hinblick auf Anfragen an kommunale und Landesbehörden wird auf die Zuständigkeit der Länder verwiesen. Im Übrigen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 9. Welche Landesämter für Verfassungsschutz beobachten die Volkshilfe e. V. nach Kenntnis der Bundesregierung? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11911 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. War die Volkshilfe e. V. bereits Thema im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ), und wenn ja, wann, und in welchem Zusammenhang? Der Verein „Volkshilfe e. V.“ wurde am 6. August 2015 im „Gemeinsamen Extremismus - und Terrorismusabwehrzentrum – Rechtsextremismus/-terrorismus“ (GETZ-R) thematisiert. Hintergrund war die Gründungsveranstaltung des Vereins „Volkshilfe e. V.“ am 15. März 2015 und die Eintragung in das Vereinsregister Osnabrück/Nieder-sachsen am 10. April 2015. 11. Inwieweit erkennt die Bundesregierung eine Strategie von Teilen der rechtsextremen Bewegung, ihre Ideologie über (scheinbar) karitative Betätigung zu verbreiten und durch eine solche Graswurzelstrategie neue Anhänger zu gewinnen? Die Selbstdarstellung als „Kümmerer“ und „Interessenvertreter des deutschen Volkes“ gehört zu den Konstanten rechtsextremistischer Strategie. Über vermeintliches oder tatsächliches soziales Engagement zu Gunsten bestimmter Zielgruppen versuchen Rechtsextremisten, ihr Ideal einer – an ethnischen Kriterien ausgerichteten – solidarischen Volksgemeinschaft zu propagieren. Insofern handelt es sich nicht um ein neues Phänomen. Vielmehr werden immer wieder Aktivitäten von Rechtsextremisten bekannt, die auf Ideale wie Solidarität oder Hilfsbereitschaft abzielen und so mittelbar auch der Rekrutierung neuer Anhänger dienen sollen. Insbesondere in Regionen, in denen Rechtsextremisten auf eine starke, aktive Szene oder eine (vormalige) kommunalpolitische Verankerung zurückgreifen können, sind diese Formen rechtsextremistischer Betätigung stärker ausgeprägt und können dort auch durchaus als gezieltes Vorgehen bezeichnet werden. Von solchen regionalen Kampagnen abgesehen bleiben Betätigungen allerdings meist unkonkret und werden nur oberflächlich verfolgt. 12. Sind der Bundesregierung weitere Parteien oder Vereinigungen bekannt, die sich unter dem Deckmantel (scheinbar) karitativer Aktivitäten rechtsextremistisch betätigten, und wenn ja, welche? Der Bundesregierung sind einige Kampagnen bekannt, hinter denen meist Akteure aus dem rechtsextremistischen Parteienspektrum stehen. Ziel dieser Kampagnen ist es, Sympathiepunkte bei der Bevölkerung zu sammeln und den Bekanntheitsgrad der Parteien beziehungsweise Organisationen zu steigern. Seit der Gründung der Partei „Der III. Weg“ finden jährlich im Rahmen der Aktion „Deutsche Winterhilfe“ zahlreiche Flugblattverteilungen und Spendensammlungen , insbesondere Sammlung von Wintergarderobe für „deutsche Obdachlose und sozialschwache Familien“ statt. Der Jahresstart 2016/17 stand unter anderem unter dem Motto „Erst unser Volk, dann alle anderen!“ und „Obdachlosenheime statt Asylantenheime“. Dazu betont die Partei, bevor für „Hunderttausende unberechtigt in Deutschland befindliche Asylanten“ gezahlt werde, dürfen die „eigenen Volksangehörigen nicht vergessen“ werden. Auch zum Thema „Tierschutz“ fanden Kundgebungen und Flugblattverteilungen statt. So verlangt die Partei „Der III. Weg“ eine „respektvolle Behandlung von Tieren“ und führt regelmäßig Flugblattverteilungen und Kundgebungen gegen die Misshandlung von Tieren durch. In diesem Zusammenhang fordert sie das Wildtierverbot in Zirkusbetrieben. Jährlich führt die Partei „Der III. Weg“ zudem Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11911 die Spendenaktion „Tierfutter statt Böller“ durch, um insbesondere „ehrenamtliche Tierheime“ zu unterstützen. Des Weiteren wurde in dem Anfang 2017 eröffneten Partei- und Bürgerbüro in Plauen/Sachsen eine sogenannte „Volksküche für Deutsche“ eingerichtet, in der für „Bedürftige kostenloses warmes Essen“ angeboten wird. In diesem Büro werden unter anderem auch Sach- und Kleiderspenden ausgegeben. Die Partei „DIE RECHTE“ trat im Juni 2016 insbesondere in Thüringen mit einem durch einen Kreisverband durchgeführten „Familienfest für hilfebedürftige deutsche Familien“ in Erscheinung. Eine solche Veranstaltung, mit Spielaktivitäten für Kinder und kostenlosem Angebot von Speisen und Getränken, ist auch in diesem Jahr für den Monat Juni angekündigt. Im Rahmen der Aktion „Tierfutter statt Böller“ wurden 2016 durch den Thüringer Landesverband der Partei „Die Rechte“ nach eigenen Aussagen Tierfutterspenden an „Tierheime und Auffangstationen“ verteilt. Allerdings wurden derartige Aktionen in den letzten Jahren auch von mehreren Gruppierungen durchgeführt, die sich aus einer Mischszene von Rechtsextremisten und rechtsorientierten Hooligans rekrutieren. Aktionen dieser Gruppen richteten sich an Obdachlose deutscher Herkunft. Aus der jüngsten Vergangenheit können auch die Initiative „Ein Volk hilft sich selbst“ aus dem Umfeld der Organisationen „Thügida“ angeführt werden. 13. Inwieweit konnten Rechtsextremisten bislang nach Kenntnis der Bundesregierung über ihre Strategie, durch (scheinbar) karitative Betätigung rechtsextreme Ideologie zu verbreiten und Anhänger zu gewinnen, Erfolge verbuchen Erfolge im Sinne von Stimmenzuwächsen bei Wahlen oder eines gestiegenen Zulaufs zur rechtsextremistischen Szene sind bislang überwiegend nicht festzustellen . Auch längerfristige Kampagnen wie die „Deutsche Winterhilfe“ der Partei „Der III. Weg“ stoßen außerhalb der rechtsextremistischen Szene nur auf wenig Resonanz . Abstrakt kann jedoch festgestellt werden, dass das von Rechtsextremisten verstärkt im Zuge der Flüchtlingskrise bemühte „Sozialneid-Narrativ“ in Teilen der Bevölkerung durchaus Anklang fand. Ob dies auf die rechtsextremistische Agitation zurückzuführen ist oder auf andere Akteure, die einen ähnlichen strategischen Ansatz verfolgen, lässt sich nicht feststellen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333