Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 12. April 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/11984 18. Wahlperiode 18.04.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/11762 – Deutsch-französischer Vorschlag zur Verteilung von Asylsuchenden V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 26. und 27. Januar 2017 fand ein informeller Rat für Justiz und Inneres in Valletta auf Malta statt. Dort wurde unter anderem ein deutsch-französisches Papier zur Verteilung von Asylsuchenden anhand eines Phasenmodells diskutiert . Der Vorschlag sieht eine Verteilung nach sogenannten Belastungsstufen vor. In einer ersten Phase, also bei geringen Ankunftszahlen von Asylsuchenden ist vorgesehen, das Zuständigkeitssystem nach der Dublin-Verordnung weiter anzuwenden. Ab Erreichen eines bestimmten Schwellenwertes beim Zugang von Asylsuchenden soll in einer zweiten Phase jeder Mitgliedstaat ein sogenanntes Minimum an Flüchtlingen aufnehmen. Die Eintrittsschwelle dazu soll vorab vereinbart werden. Eingeleitet werden kann die Phase zwei nur durch eine Entscheidung des Rates mit qualifizierter Mehrheit. In einer dritten Phase, bei sehr hohen Zugangszahlen, sollten Schutzsuchende an sichere Orte außerhalb der Europäischen Union (EU) zurückgeführt werden. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Bei der informellen Tagung der Minister für Justiz und Inneres in Valletta auf Malta am 26. und 27. Januar 2017 wurde der unter slowakischer Ratspräsidentschaft Ende 2016 entwickelte dreistufige Ansatz zum Thema „effektive Solidarität “ von der maltesischen Präsidentschaft aufgegriffen und fortentwickelt. Die Beratungen beim informellen JI-Rat am 26. und 27. Januar 2017 fanden auf Basis eines Diskussionspapiers der maltesischen Präsidentschaft und nicht auf Grundlage eines deutsch-französischen Papiers statt. Dieses Diskussionspapier hatte die maltesische Präsidentschaft auf Basis zuvor bilateral geführter Gespräche mit allen Mitgliedstaaten erarbeitet. Auf Grundlage des von der slowakischen Präsidentschaft erstellten Phasenmodells haben der Bundesminister des Innern und der französische Innenminister in der Beratung beim informellen JI-Rat am 26. und 27. Januar 2017 ein Phasenmodell nach Belastungsstufen, aber mit Vorab-Festle- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11984 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode gung eines definierten und strukturierten Systems einschließlich eines Verteilsystems ab Erreichung eines noch zu definierenden Schwellenwerts innerhalb eines Korridors ins Gespräch gebracht. 1. Welche Ressorts innerhalb der Bundesregierung waren an der Erstellung des Phasenmodells beteiligt? Die Idee eines mehrstufigen Systems wurde Ende 2016 von der slowakischen Präsidentschaft in die Diskussion des Vorschlags der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), KOM (2016) 270 endg., als Kompromiss eingebracht und von der maltesischen Präsidentschaft aufgegriffen und weiterentwickelt. 2. Wurde das Phasenmodel zur Verteilung von Asylsuchenden zwischen den Ressorts der Bundesregierung und dem Bundeskanzleramt abgestimmt? a) Wenn ja, welche Positionen vertraten die einzelnen Ressorts der Bundesregierung , das Bundeskanzleramt und die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung zu dem skizzierten Modell? b) Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung hatte sich in dem bilateralen Gespräch mit der maltesischen Präsidentschaft (vgl. Vorbemerkung der Bundesregierung) für die Schaffung nachhaltiger, solidarischer Mechanismen und Pflichten – auch zur Verteilung von Flüchtlingen – ausgesprochen und im Hinblick auf die Ende 2016 vorgestellte Idee der slowakischen Ratspräsidentschaft eines mehrstufigen Systems folgende Elemente als besonders wichtig herausgestellt: Ein verpflichtendes System, das Solidarität durch alle Mitgliedstaaten sicherstellt und von verschiedenen Belastungsstufen ausgeht. Ein praktisch handhabbares System, d. h. auch einen „Umrechnungskurs“ für alternative Solidarbeiträge, um Äquivalenz der Beiträge sicherstellen zu können . Die verpflichtende Aufnahme von Menschen durch alle Mitgliedstaaten: kein Mitgliedstaat soll sich vollständig von der Aufnahme von Schutzsuchenden befreien können. Die Schaffung eines klar definierten strukturierten Systems einschließlich eines ex ante festgelegten Verteilsystems auch für den Fall eines Massenzustroms . Eine Klarstellung, wie die verschiedenen Belastungsstufen voneinander abzugrenzen sind. Notwendigkeit von Überlegungen zu über die Vorschläge der Kommission zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems hinausgehenden Optionen im Falle eines Massenzustroms. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11984 3. Wann und in welchem Rahmen wurde das Phasenmodell erstmalig innerhalb der Bundesregierung, zwischen der deutschen und der französischen Regierung und auf EU-Ebene verhandelt und veröffentlicht? Die ersten Ansätze für die Idee eines mehrstufigen Systems wurde auf EU-Ebene von der slowakischen Präsidentschaft beim JI-Rat am 17./18. November 2016 beim Abendessen vorgestellt. Bei der Vorbereitung für diesen Rat wurden die Ideen der slowakischen Präsidentschaft erstmals in der Bundesregierung beraten. 4. Waren an der Erstellung des Phasenmodells auch externe Institutionen bzw. Expertinnen und Experten, auch aus dem Bereich der Nichtregierungsorganisationen , beteiligt? a) Wenn ja, welche nicht (bitte detailliert auflisten)? b) Und wenn nein, warum? Inwiefern Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Nichtregierungsorganisationen an der Entwicklung der Idee eines mehrstufigen Systems auf Seiten der slowakischen oder maltesischen Präsidentschaft mitgewirkt haben, ist der Bundesregierung nicht bekannt. 5. Inwiefern hat die Bundesregierung ihre Unterrichtungsverpflichtung gegenüber dem Deutschen Bundestag in EU-Angelegenheiten gemäß dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) eingehalten und hat den Deutschen Bundestag unter Beachtung des Schriftlichkeitserfordernisses umfassend, zum frühestmöglichen Zeitpunkt und fortlaufend gem. § 2, § 3, und § 4 Absatz 2 Nummer 1 und 2 EUZBBG unterrichtet? Die Bundesregierung hat zu dem Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), KOM (2016) 270 endgültig, mit Datum vom 12. Juli 2016 eine umfassende Bewertung gemäß § 6 Absatz 3 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) und Ziffer II. 3. der Anlage zu § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBLG) abgegeben. Über die Beratungen zu der Idee des mehrstufigen Systems in den Ratsgremien (JI-Rat am 17./18. November 2016 sowie dem (informellen) JI-Rat am 26./27 Januar 2017 und Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (AStV) am 17. Februar 2017) hat die Bundesregierung mit den jeweiligen Drahtberichten fortlaufend unterrichtet. 6. Welche Positionen vertreten die anderen EU-Mitgliedstaaten jenseits von Deutschland und Frankreich zu dem vorgestellten Phasenmodell? a) In welcher Form wurden sie von Deutschland und Frankreich konsultiert? b) Gab es kritische Gegenpositionen, und wenn ja, welche Mitgliedstaaten waren dies, mit welchen Positionen? Die Positionen der EU-Mitgliedstaaten zu der im Diskussionspapier der maltesischen Präsidentschaft weiterentwickelten Idee eines mehrstufigen Systems sind in dem Drahtbericht der Ständigen Vertretung in Brüssel vom 30. Januar 2017 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11984 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode (BRUEEU-01-30_34050) zu Session I und II: „Gemeinsames Europäisches Asylsystem – Solidarität“ des JI-Rats vom 26./27. Januar 2017 wiedergegeben. 7. Welcher Zeitplan schwebt der Bundesregierung für eine weitere Behandlung des Phasenmodells und für dessen Umsetzung vor? Die Bundesregierung strebt eine politische Einigung zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems während der maltesischen Präsidentschaft an, entsprechend der Festlegung des Europäischen Rates im Dezember 2016 und den Schlussfolgerungen des Präsidenten des Europäischen Rates im März 2017. Die maltesische Präsidentschaft hat angekündigt, weitere Vorschläge zum Phasenmodell zu machen. 8. Bis wann rechnet die Bundesregierung mit einer Einigung, und ab wann soll nach Einschätzung der Bundesregierung die Phase Drei operationalisierbar sein? Es wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. Die Operationalisierung ist nicht Gegenstand der Beratungen in den Ratsgremien zu dem mehrstufigen System. 9. Was wäre nach Ansicht der Bundesregierung ein geeigneter Schwellenwert beim Zugang von Asylsuchenden, um die zweite Phase des Modells einzuleiten ? Hierzu wird die Bundesregierung im Lichte der weiteren Verhandlungen ihre Position entwickeln. Die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung hierzu ist nicht abgeschlossen. 10. Nach welchen Kriterien und von wem soll bei Erreichen des vorher festgelegten Schwellenwertes entschieden werden, wie viele Schutzsuchende jeweils auf einen Mitgliedstaat entfallen? Das Diskussionspapier der maltesischen Präsidentschaft zu einem mehrstufigen System schlägt für die Feststellung des Eintritts der zweiten Stufe quantitative und qualitative Kriterien vor. Sobald eine – anhand noch festzulegender Prozentwerte zu bestimmende – übermäßige Belastung eines Mitgliedstaates durch eine hohe Zahl von Asylantragstellern vorliegt, soll die Kommission eine „qualitative Bewertung“ der Situation vornehmen und in diesem Rahmen u. a. über die Angemessenheit und Art einer ggf. erforderlichen Unterstützung des betroffenen Mitgliedstaates befinden. Stellt die Kommission fest, dass zusätzliche Unterstützung erforderlich ist, soll der Rat auf Vorschlag der Kommission einen Durchführungsbeschluss fassen, der den Umfang und die Art der Unterstützung festlegt. 11. Was sind nach Einschätzung der Bundesregierung sichere Orte außerhalb der Europäischen Union, an die Schutzsuchende im Zusammenhang mit Phase Drei zurückgeschickt werden sollen? 12. Welche Kriterien und völkerrechtlichen Standards müssen sichere Orte nach Auffassung der Bundesregierung erfüllen? 13. Wer und nach welchen Kriterien nimmt die Einschätzung eines „sicheren Ortes“ im Sinne der Phase Drei vor? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11984 14. Inwiefern unterscheiden sich nach Kenntnis der Bundesregierung sichere Orte, wie sie in dem Phasenmodell skizziert werden von dem Konzept sicherer Drittstaaten und von dem Konzept des Bundesministers des Innern, Dr. Thomas de Maizière, von sog. Auffanglagern oder Aufnahmezentren in nordafrikanischen Staaten? 15. Wie soll nach Einschätzung der Bundesregierung, im Zusammenhang mit Phase Drei des vorgeschlagenen Modells, für in Drittstaaten überstellte Asylsuchende dort Rechte aus der Genfer Flüchtlingskonvention, einschließlich des Zugangs zu den Gerichten, und das Recht auf die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips , grund- und europarechtliche Standards über eine freie und unabhängige Rechtsberatung und rechtliche Vertretung sowie das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz sichergestellt werden? 16. Wie begründet die Bundesregierung, dass sie bei der Rückführung von Asylsuchenden in sogenannte sichere Orte, im Zusammenhang mit Phase Drei des vorgeschlagenen Modells, nicht gegen das völkerrechtliche Refoulement -Verbot verstößt? 17. Wie soll nach Einschätzung der Bundesregierung im Zusammenhang mit Phase Drei des vorgeschlagenen Modells gewährleistet werden, dass Asylsuchende infolge ihrer Rückführung in einen Drittstaat außerhalb der Europäischen Union nicht allein wegen ihrer Eigenschaft als Schutzsuchende inhaftiert werden würden? Die Fragen 11 bis 17 werden im Zusammenhang beantwortet. Zur Frage der „sicheren Orte“ ist die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen. Bei den Diskussionen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems berücksichtigt die Bundesregierung die bestehenden völker-, unions- und verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere hinsichtlich eines wirksamen Schutzes in einem Drittstaat, der Notwendigkeit eines hinreichenden Schutzniveaus und der Beachtung des Refoulement-Verbots. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333