Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 13. April 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/11989 18. Wahlperiode 19.04.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Luise Amtsberg, Beate Walter-Rosenheimer, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/11716 – Rückführungen und Abschiebungen von unbegleiteten Minderjährigen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Rückführung von unbegleiteten Minderjährigen ist rechtlich durch hohe Hürden stark begrenzt. Die Umsetzung des Artikels 10 Absatz 2 der EU-Rückführungsrichtlinie in § 58 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) sieht vor, dass vor „der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers […] sich die Behörde zu vergewissern [hat], dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird“. Bislang sind entsprechende Initiativen auch von anderen europäischen Staaten in den meisten Fällen gescheitert , da es insbesondere keine geeigneten Einrichtungen gibt, in die die Jugendlichen zurückgeführt werden können. Zudem kommt hinzu, dass bei einer Rückführung stets das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist. 1. Wie viele unbegleitete Minderjährige wurden im Jahr 2016 und im Jahr 2017 aus Deutschland abgeschoben (bitte nach Herkunftsländern aufschlüsseln)? Der Vollzug der Abschiebung obliegt den Ländern. Angaben im Sinne der Fragestellung liegen der Bundesregierung nicht vor, da das Merkmal „unbegleiteter Minderjähriger“ in diesem Zusammenhang statistisch bundeseinheitlich nicht erfasst wird. Für die bisher vier Charterrückführungen nach Afghanistan kann ausgeschlossen werden, dass unbegleitete Minderjährige betroffen waren. 2. Wie viele unbegleitete Minderjährige sind im Jahr 2016 und im Jahr 2017 im Rahmen einer freiwilligen Ausreise aus Deutschland ausgereist (bitte nach Herkunftsländer aufschlüsseln)? Mit dem Programm REAG/GARP (Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany/Government Assisted Repatriation Programme) sind im Jahr 2016 insgesamt 170 unbegleitete Minderjährige aus Deutschland ausgereist. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11989 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Im Jahr 2017 sind mit dem Programm REAG/GARP nach derzeit vorliegenden Angaben (vorläufige Zahlen) neun unbegleitete Minderjährige aus Deutschland ausgereist. Die Aufschlüsselung nach Herkunftsländern kann den nachstehenden Tabellen entnommen werden. Freiwillige Ausreisen 2016: Staatsangehörigkeit REAG/GARP Afghanistan 73 Albanien 31 Bosnien und Herzegowina 3 Burkina Faso 1 Georgien 3 Irak 31 Iran, Islamische Republik 6 Kasachstan 1 Kosovo (UNSC Resolution 1244) 4 Libanon 3 Mazedonien, ehem. jug. Rep. 2 Montenegro 2 Russische Föderation 2 Serbien 3 Syrien, Arabische Republik 3 Ukraine 1 Weißrussland 1 Gesamt 170 Freiwillige Ausreisen 2017 Staatsangehörigkeit REAG/GARP Afghanistan 1 Albanien 3 Irak 2 Montenegro 1 Syrien, Arabische Republik 2 Gesamt 9 3. Wie viele unbegleitete Minderjährige sind nach Kenntnis der Bundesregierung gegenwärtig vollziehbar ausreisepflichtig (bitte nach Herkunftsländer und Altersgruppe aufschlüsseln)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Aus den Daten des Ausländerzentralregisters (AZR) können valide Angaben zu unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht ermittelt werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11989 4. a) Was sind die Gründe für die Bundesregierung ein Projekt zur Rückführung von unbegleiteten Minderjährigen (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 20 der Abgeordneten Luise Amtsberg auf Bundestagsdrucksache 18/11470) zu initiieren? Auf welche Zahlen, Daten und Analysen stützt sich ein entsprechendes Projekt? Die Bundesregierung prüft Möglichkeiten, etwa den Migrationsdruck in Marokko zu verringern. b) Wie wurden die beteiligten Projektpartner ausgewählt? In der Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 20 der Abgeordneten Luise Amtsberg auf Bundestagsdrucksache 18/11470 wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich Überlegungen zu einem etwaigen Projekt noch in einem sehr frühen Stadium befinden. Insofern können auch Fragen zu Details gegenwärtig noch nicht beantwortet werden. 5. Welche Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus Deutschland und Marokko sollen sich an dem Projekt beteiligen bzw. sind in die Planungen eingebunden ? 6. Welche sollen die leitenden Kriterien für die Projektarbeit sein (bitte genau auflisten)? Welche Kriterien hinsichtlich Ausstattung und Personal müssen die sogenannten geeigneten Aufnahmeeinrichtungen im Zielland erfüllen, um dem Kindeswohl zu entsprechen? 7. Für wie viele Jugendliche ist das Projekt ausgelegt, wie viele Jugendliche könnten pro Jahr nach Marokko ausreisen bzw. abgeschoben werden? 8. Aus welchen Finanztiteln im Haushalt werden die Maßnahmen finanziert? Die Fragen 5 bis 8 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Antwort zu Frage 4b wird verwiesen. 9. Welche Organisationen sind in Marokko nach Kenntnis der Bundesregierung für die Wahrung des Kindeswohls zuständig? a) Inwieweit sind diese in die Projektplanung einbezogen? b) Wie wird die Qualität der Arbeit dieser Organisationen sichergestellt? Nach den Erkenntnissen der Bundesregierung setzen sich in Marokko neben den Fachministerien (u. a. Ministerium für Jugend und Sport) auch die staatliche Institution Entraide Nationale sowie eine Reihe von Nichtregierungsorganisationen, z. B. der Verein für die Straßenkinder in Marokko, für den Schutz von Kindern ein. Darüber hinaus liegen dem Bundesamt keine weiteren Erkenntnisse vor. 10. Wie ist die Rückführung von jugendlichen Straftätern mit dem Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts vereinbar? Sofern nicht ein nur geringes Strafverfolgungsinteresse besteht, sieht § 72 Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vor einer Ausweisung bzw. Abschiebung die Beteiligung der Staatsanwaltschaft vor. Dies gilt auch, wenn sich das Ermittlungs-verfahren oder die Strafsache gegen einen Jugendlichen richtet. Daneben sieht § 456a Absatz 1 der Strafprozessordnung (StPO) in Verbindung mit Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11989 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode § 2 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) die Möglichkeit zum Absehen von der (weiteren) Vollstreckung einer Jugendstrafe vor, wenn der Jugendliche abgeschoben, zurückgeschoben oder zurückgewiesen wird. Bei der Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach § 72 Absatz 4 AufenthG und des Jugendrichters als Vollstreckungsleiter (§ 456a Absatz 1 StPO, § 82 JGG) ist grundsätzlich auch zu berücksichtigen, dass nach § 2 Absatz 1 JGG die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten ist, um vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenzuwirken. Das kann abhängig von den Umständen des Einzelfalles dazu führen, dass aus Gründen des Erziehungsgedankens das Einvernehmen nach § 72 Absatz 4 Satz 1 AufenthG nicht hergestellt bzw. von der Möglichkeit des Absehens von der (weiteren) Vollstreckung der Jugendstrafe kein Gebrauch gemacht wird. A priori steht der Erziehungsgedanke der Rückführung von jugendlichen Straftätern aber nicht generell entgegen. 11. Wer im System der Jugendhilfe ist konkret für die Bewertung des Kindeswohls bei einer Rückkehr zuständig? Dass Kinder und Jugendliche dem Kindeswohl entsprechend versorgt, betreut und behandelt werden, gewährleistet in Deutschland das Primat der Kinder- und Jugendhilfe. Die Prüfungen der Bundesregierung zu dem gesamten Themenkomplex befinden sich noch in einem sehr frühen Stadium. Die Frage zielt jedoch schon auf eine konkrete Zuständigkeitsregelung ab und kann daher nicht beantwortet werden. 12. Wird das Jugendgericht, welches bspw. nach §§ 94 ff. des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) den Strafmakel nach Haftverbüßung beseitigen kann, bei der Entscheidung beteiligt? Auf die Antwort zu Frage 4b wird verwiesen. 13. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Scheitern der European Return Platform for Unaccompanied Minors (ERPUM) (ausführlich hierzu: www.rsc.ox.ac.uk/files/publications/working-paper-series/wp-108-erpumpilot .pdf/)? Die Erfahrungen anderer EU Mitgliedstaaten sowie die Erfahrungen aus dem Projekt ERPUM (European Return Platform for Unaccompanied Minors) werden sorgfältig geprüft und werden bei der Entscheidung, ob und ggf. in welcher Form das Projekt umgesetzt werden soll, als wichtige Entscheidungsgrundlage berücksichtigt . 14. Welche Pläne hat die Bundesregierung in anderen Ländern hinsichtlich ähnlicher Programme wie das in Marokko geplante Projekt (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 20 der Abgeordneten Luise Amtsberg auf Bundestagsdrucksache 18/11470)? Die Bundesregierung hat keine diesbezüglichen Pläne. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11989 15. Nach welchen Kriterien werden weitere Länder ausgesucht (bitte begründen )? Auf die Antwort zu Frage 14 wird verwiesen. 16. Inwiefern fügen sich Projekte, wie das von der Bundesregierung skizzierte (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 20 der Abgeordneten Luise Amtsberg auf Bundestagsdrucksache 18/11470), in die entwicklungspolitische Gesamtstrategie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) für Marokko? Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) fördert Ausbildung und Beschäftigung junger Menschen in Marokko. Besonders die Zusammenarbeit im Schwerpunkt „nachhaltige Wirtschaftsentwicklung “ zielt darauf ab, Perspektiven vor Ort zu schaffen. Aber auch in den weiteren Schwerpunkten „erneuerbare Energien/Energieeffizienz“ und „Wasser“ sind Ausbildung und Beschäftigung wichtige Querschnittsthemen. Die Zielsetzung des in der zitierten Schriftlichen Frage bezeichneten Projekts, den Migrationsdruck in Marokko zu mindern, fügt sich somit in die entwicklungspolitische Gesamtstrategie des BMZ ein. 17. Inwiefern führt die Zusammenarbeit mit Marokko im Bereich Migration nun dazu, dass in mehr als drei Sektoren entwicklungspolitisch kooperiert wird, was eigentlich der vereinbarten Geberharmonisierung des Development Assistance Committee (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entgegensteht, und wird die Bundesregierung daher dann andere Schwerpunkte einstellen? Falls nein, warum nicht, und wie ist dies mit der Regelung der drei Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit vereinbar? Das von den Fragestellern zitierte Projekt ist kein Projekt der Entwicklungszusammenarbeit des BMZ. Die Schwerpunktsetzung der Entwicklungszusammenarbeit wird nicht berührt. 18. Inwiefern beabsichtigt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen der skizzierten Projektidee mit dem BMZ zu kooperieren? Gegenwärtig tauscht sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem BMZ zur Projektidee aus, im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4b verwiesen. 19. Entsprechen die Maßnahmen den OECD DAC-Kriterien für Maßnahmen aus der Official Development Assistance (ODA), und werden dementsprechend voraussichtlich ganz oder teilweise auf die ODA-Quote angerechnet? Es handelt sich nicht um ein Entwicklungsprojekt, so dass sich nach jetzigem Stand die Frage einer Anrechnung auf die ODA-Quote (Official Development Assistance) nicht stellt. Eine abschließende Beurteilung kann jedoch erst erfolgen , wenn die Projektplanung weiter fortgeschritten ist. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11989 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 20. Inwiefern ist bei der Projektidee nach Kenntnis der Bundesregierung sichergestellt , dass die DAC-Kriterien Relevanz, Effektivität, Effizienz, entwicklungspolitische Wirkungen und Nachhaltigkeit berücksichtigt werden? Die vom Development Assistance Committee (DAC) aufgestellten Kriterien gelten unmittelbar für Entwicklungsprojekte, im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4b verwiesen. 21. Inwiefern ist bei der Projektidee nach Kenntnis der Bundesregierung sichergestellt , dass die Kriterien Kohärenz, Komplementarität und Koordination mit anderen Vorhaben der deutschen bilateralen und multilateralen Kooperation berücksichtigt werden? Kohärenz, Komplementarität und Koordination der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit wird durch die Arbeit der Referentinnen für wirtschaftliche Zusammenarbeit an der Deutschen Botschaft in Rabat gewährleistet. Darüber hinaus stehen auch in Deutschland die beteiligten Akteure wie BAMF, Bundesministerium des Innern (BMI) und BMZ im Austausch. 22. Inwiefern soll der Anspruch der lokalen Eigenverantwortung bei der Projektidee nach Kenntnis der Bundesregierung sichergestellt werden? 23. Inwiefern wird bei der Projektidee das sogenannte Do No Harm-Prinzip nach Kenntnis der Bundesregierung berücksichtigt? Auf die Antwort zu Frage 4b wird verwiesen. Planungen der Bundesregierung erfolgen konfliktsensibel. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333