Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 20. April 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/12042 18. Wahlperiode 24.04.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Annette Groth, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/11718 – Gefährdungspotenzial durch türkisch-nationalistische Gruppierungen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen warnte am 8. März 2017 vor gewalttätigen Zusammenstößen zwischen nationalistischen oder rechtsextremistischen Türkinnen und Türken und Gegnerinnen und Gegnern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Sowohl im Lager der Unterstützer wie der Gegner des türkischen Präsidenten herrsche ein „hohes schlagkräftiges Gefährdungspotenzial“, so Hans-Georg Maaßen. Der Verfassungsschutzpräsident beklagte zugleich wachsende Einflussnahme der Regierung in Ankara auf die in Deutschland lebenden Türkinnen und Türken sowie „einen signifikanten Anstieg nachrichtendienstlicher Tätigkeiten der Türkei in Deutschland“. Gemeint sind unter anderem das Ausspähen von Gegnern Erdoğans, versuchte Einflussnahme, Propaganda und Desinformationskampagnen (www.tagesschau.de/inland/verfassungsschutz-tuerkei-101.html). Der Vorsitzende der rechtsextremen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) Devlet Bahceli drohte nach der Absage mehrerer Auftritte türkischer Regierungspolitiker in Deutschland durch Kommunalbehörden mit Gewalt in Deutschland. „Wenn die Türkei kocht, wird Berlin brennen“, wird Bahceli in der Zeitung „Yeni Safak“ zitiert, (www.yenisafak.com/gundem/turkiye-kaynarsa -berlin-yanar-2624864). Die MHP ist die Mutterorganisation der für zahlreiche Gewalttaten und Morde in der Türkei, aber auch in Deutschland verantwortlichen Grauen Wölfe (http://webstory.zdf.de/graue-woelfe/). Mit Unruhen in europäischen Ländern drohte auch der vorbestrafte Schwerkriminelle und rechtsextreme türkische Politiker Sedat Peker, wenn dort weitere Auftritte türkischer Politiker verhindert würden (www.birgun.net/haber-detay/sedatpeker -simdi-de-ab-yi-tehdit-etti-149794.html; www.hurriyet.com.tr/sedat-pekere- 14-yil-hapis-cezasi-5864822). Beim Auftritt des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu auf dem Gelände der Residenz des Generalkonsulats in Hamburg am 7. März 2017 zeigten zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung den Gruß der Grauen Wölfe. Das deutet nach Meinung der Fragesteller auf eine enge Verbindung zwischen den Anhängern dertürkischen Regierungspartei AKP und der rechtsextremen Szene hin (www.abendblatt.de/ hamburg/article209871713/Diese-Gesten-alarmieren-den-Verfassungsschutz.html). Der türkische Innenminister Süleyman Soylu drohte offen mit Blick auf nach Deutschland geflohene Anhängerinnen und Anhänger der Gülen-Bewegung, Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12042 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode der kurdischen PKK und regierungskritische Journalistinnen und Journalisten, man werde sich um die „Vaterlandsverräter“ in Deutschland kümmern und dafür sorgen, dass diese nicht dort bleiben. Nach Ansicht der Fragesteller handelt es sich dabei um die Drohung, bekannte Dissidentinnen und Dissidenten gewaltsam zu verschleppen oder zu ermorden (https://ozguruz.org/tr/2017/ 03/09/sueleyman-soylu-bir-de-basimiza-almanya-cikti/). 1. Von welchen türkisch-nationalistischen bzw. rechtsextremen türkischen Gruppierungen oder Strömungen im Einzelnen sieht die Bundesregierung ein „hohes schlagkräftiges Gefährdungspotenzial“ ausgehen – bitte begründen (www.tagesschau.de/inland/verfassungsschutz-tuerkei-101.html)? a) Über wie viele Anhängerinnen und Anhänger verfügen die jeweiligen Gruppierungen bzw. Strömungen oder Szenen nach Kenntnis der Bundesregierung ? Die Bundesregierung beantwortet die Fragen 1 und 1a zusammenhängend. Die rechtsextremistische „Ülkücü“-Ideologie, die auf einer Überhöhung der Türkei und des Türkentums bei gleichzeitiger Abwertung anderer Ethnien basiert, wird in Deutschland im Wesentlichen durch den Dachverband „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e. V.“ (ADÜTDF) und andere - auch unorganisierte - Anhänger vertreten. Es handelt sich um eine Szene, die durch eine ideologische Bandbreite vom Kemalismus bis in die Randbereiche des Islamismus geprägt ist und in der türkisch-rechtsextremistische Ideologieelemente in unterschiedlichem Umfang teils prägend, teils als Begleitaspekte auftreten. Aufgrund seiner Heterogenität ist das Personenpotential oberhalb der durch entsprechende Erkenntnisse zu stützenden Zahl von etwa 11 000 Personen nicht zuverlässig zu bestimmen, zumal oft fließende Übergänge zwischen türkischem Nationalismus und türkisch-rechtsextremistischen Bewegungen und eventuell zusätzlich islamistischen Strömungen gegeben sind. Während sich der ADÜTDF- Dachverband nach außen hin um ein friedliches und gesetzeskonformes Verhalten seiner ca. 7 000 Mitglieder bemüht, propagieren insbesondere über das Internet vernetzte Jugendliche ihren Rassismus teilweise offensiv und fordern zum Beispiel verbal zur Gewalt oder „Gegenwehr“ auf. Die seit 2014 verstärkt auftretenden türkisch-nationalistischen bzw. rechtsextremistischen Rockergruppierungen – namentlich „Turan e.V“ und „Turkos MC“ – werden teilweise als Sachwalter der als bedroht empfundenen Interessen der nationalistisch eingestellten türkischstämmigen Bevölkerung in Deutschland etikettiert und dann anlassbezogen zu Beistand aufgefordert. b) Welche und wie viele einschlägigen Straftaten wurden nach Kenntnis der Bundesregierung von Angehörigen dieser Gruppierungen bzw. Szenen in den letzten fünf Jahren begangen? Grundsätzlich lässt die Erfassungssystematik polizeilicher Fallzahlen im Bereich der Politisch Motivierten Kriminalität keine exakte Angabe von Zahlen der in Frage 1b umrissenen Straftatenmenge zu. Die Bundesregierung hat in ihren Antworten auf die Bundestagsdrucksachen 18/344, 18/5222, 18/6154 und 18/8071 die bis Mitte des Jahres 2016 im Sachzusammenhang der Fragestellung erfassten Straftaten dargestellt. Ab Juli 2015 wurden mehrfach Straftaten zum Nachteil kurdischer Einrichtungen registriert, z. B. Sachbeschädigungen, bei denen aufgrund des Zielobjekts als Täter zwar durchaus türkische Nationalisten, jedoch auch andere Personen, z. B. aus Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12042 dem deutschen rechtsextremen Spektrum, in Frage kommen. Soweit keine klare türkisch-nationalistische Täterschaft ermittelt werden konnte, sind diese Straftaten daher nicht aufgeführt. Auch im Rahmen von Versammlungen traten türkische Nationalisten als Tatverdächtige bei versammlungstypischen Straftaten wie Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzungsdelikten in Erscheinung. Darüber hinaus registrierte die Polizei strafrechtlich relevante Sachverhalte, bei denen türkische Nationalisten im Internet Beleidigungen, Volksverhetzungen oder andere Delikte aus dem Bereich des „Verbalradikalismus“ begangen haben. In der überwiegenden Mehrzahl der polizeilich bekannt gewordenen Fälle konnte jedoch – soweit überhaupt ein Täter ermittelt werden konnte – keine explizite türkischnationalistische Motivation festgestellt werden. Seit Mitte 2015 wurden auch einzelne Fälle aus dem Bereich Cyberkriminalität, insbesondere Hacking und Defacement von Internetseiten durch türkisch-nationalistische Hackergruppierungen wie dem „Aslan Neferler Tim“, beobachtet. Bei den nachfolgenden Beispielen ist eine Täterschaft durch türkisch-nationalistische Personen belegt oder sehr wahrscheinlich: Datum Ort Sachverhalt 12.09.2015 Hannover Tatverdächtiger mit türkisch-nationalistischem Hintergrund stach am Rande einer pro-türkischen Versammlung auf Personen des gegnerischen Lagers ein, verletzte dabei einen kurdischen Syrer lebensgefährlich . 13.09.2015 Heilbronn Sachbeschädigung durch Farbschmiererei „Pic PKK“ (Bastard PKK) u. a. am Gebäude des Vereins „Kurdische Gemeinschaft Heilbronn e. V.“ 26.03.2016 Duisburg Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern und Gegendemonstranten /Polizeibeamten einer pro-türkischen Kundgebungen des Turan e.V. 10.04.2015 Nürnberg, Stuttgart, Köln, Frankfurt, Hamburg Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern an AYTK-Demonstrationen und Gegen-Veranstaltungen 15.- 17.04.2016 Itzehoe Privat-PKW des kurdischen Geschädigten wurde zerkratzt (Hakenkreuz , „Bozkurt“) 27.09.2016 Köln Ein Kurde wurde von vier Personen, die sich als „Graue Wölfe“ bezeichnet haben sollen, angegriffen und geschlagen. 06.11.2016 Hacking z. N. Axel-Springer-Verlag wg. Bild-Berichterstattung über den TUR StP Erdogan durch „Aslan Neferler Tim“ 18.12.2016 Kiel Gewalttätige Auseinandersetzungen mit kurdischen und linken Gegendemonstranten bei türkisch-nationalistischer Kundgebung; nach Provokationen von kurdischer Seite kam bei den Auseinandersetzungen zu einer versuchten gefährlichen Körperverletzung durch einen Versammlungsteilnehmer. 15.01.2017 Dortmund Einzelne Verstöße gegen das Versammlungsgesetz vor einer Kundgebung des Vereins „Turan Hagen e. V.“ Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12042 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode c) Inwieweit sind der Bundesregierung Aufrufe zur Gewalt oder sonstigen Straftaten durch Anhängerinnen und Anhänger der türkisch-nationalistischen bzw. rechtsextremen Spektren und Vereinigungen bekannt? Der Bundesregierung liegen hierzu keine über die in der Antwort zu Frage 1 dargestellten Erkenntnisse vor. Bei den wenigen dem Bundeskriminalamt (BKA) gemeldeten Fällen konnte ein türkisch-nationalistischer Hintergrund im Ergebnis nicht geklärt werden. 2. Welches Gefährdungspotential sieht die Bundesregierung von den folgenden Gruppierungen bzw. Teilen dieser Gruppierungen oder Spektren ausgehen (soweit nicht bereits in Frage 1 beantwortet)? a) Graue Wölfe/Ülkücü-Spektrum (bitte gegebenenfalls einzeln, nach Verbänden wie Türkische Föderation, Ülkücü Ocaklari, ATIB, ATB, Alperen Ocaklari, Turcos MC, Turan etc. aufschlüsseln), b) AK Genclik, c) Osmanen Germania, d) TGB, Die Fragen 2, 2a bis 2d werden gemeinsam beantwortet. Soweit bei den in Frage 2 genannten Gruppierungen die rechtsextremistische Relevanz im Vordergrund steht, wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Zu den übrigen in der Frage genannten Gruppierungen nimmt die Bundesregierung wie folgt Stellung: e) Hüda Par und türkische/kurdische Hizbollah, Hauptziel der sunnitischen, kurdisch dominierten „Türkischen Hizbullah“ (TH) ist die Abschaffung des laizistischen Staatssystems in der Türkei, die Errichtung eines islamistischen Staates und dessen kontinuierliche, letztlich globale Ausweitung . Bei Angriffen auf den Islam sieht sich die TH in der Pflicht zur Gegenwehr. Gewalt wird dabei explizit als legitimes Mittel betrachtet. Die in der Türkei agierende Partei „Hür Dava Partisi“ (die kurdische Kurzform „HÜDA PAR“ bedeutet „Partei Gottes“) wird in den türkischen Medien und in der türkischen Gesellschaft als parlamentarischer Arm der TH betrachtet. Die Parteiführung selbst streitet eine Verbindung zur TH jedoch ab. Derzeit liegen keine Erkenntnisse vor, die auf von der TH ausgehende Gewaltanwendung hindeuten. f) sonstiges türkisch-islamistisches Spektrum (bitte einzeln nach Verbänden aufgliedern)? Die „Islamische Gemeinschaft „Millî Görüs e. V.“ (IGMG) ist eine legalistisch agierende islamistische Organisation. Seit einigen Jahren ist ein schwächer werdender Extremismusbezug feststellbar. Der Schwerpunkt der Aktivitäten der IGMG liegt inzwischen eindeutig im religiösen Bereich, zum Beispiel auf dem Ausbau entsprechender Bildungseinrichtungen. Ein Gefährdungspotenzial im Sinne der Frage ist nicht feststellbar. Der „Kalifatsstaat“ ist als Verein seit dem Jahr 2001 in Deutschland verboten. Ziel der Organisation war die Errichtung des Kalifates. In letzter Zeit wurden einzelne Fälle von Verbindungen von (ehemaligen / nicht klassischen) „Kalifatsstaat “-Anhängern in die salafistische Szene bekannt. Inwieweit diese in Einzelfällen bestehenden Verbindungen von klassischen „Kalifatsstaat“-Anhängern mitgetragen werden, kann derzeit nicht beurteilt werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12042 3. Inwieweit kann die Bundesregierung eine Radikalisierung und verstärkte Gewaltbereitschaft von Angehörigen türkisch-nationalistischer und rechtsextremistischer Gruppierungen einschließlich der Anhängerinnen und Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Deutschland erkennen ? a) Woran äußert sich eine solche Radikalisierung gegebenenfalls? b) Welche konkreten Ursachen sieht die Bundesregierung für eine mögliche Radikalisierung? Die Fragen 3, 3a und 3b werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, die über die Antwort zu Frage 1 hinausgehen. 4. Inwieweit sind der Bundesregierung Kontakte türkisch-nationalistischer und rechtsextremistischer Gruppierungen und Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland zu türkischen Behörden einschließlich diplomatischer Vertretungen bekannt (bitte einzeln angeben, um welche Gruppierungen es sich handelt)? a) In welcher Form bestehen solche Kontakte? b) Inwieweit bekommen diese Gruppierungen logistische oder finanzielle Unterstützung durch türkische Behörden oder diplomatische Vertretungen ? c) Inwieweit bekommen diese Gruppierungen Weisungen durch türkische Behörden oder diplomatische Vertretungen? Die Fragen 4, 4a bis 4c werden gemeinsam beantwortet. Hinsichtlich Erkenntnissen zu einer konkreten Gruppierung wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 16 der Abgeordneten Ulla Jelpke vom 14. November 2016 auf Bundestagsdrucksache 18/10443, auf Seite 14 vom 25. November 2016 verwiesen. Im Übrigen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 5. Sind der Bundesregierung die Drohungen des einschlägig vorbestraften türkischen Kriminellen und Rechtsextremisten Sedat Peker bekannt, wonach es bei weiteren Absagen von Auftritten türkischer Regierungspolitiker in Europa zu Unruhen türkeistämmiger Bürgerinnen und Bürger kommen werde (www.birgun.net/haber-detay/sedat-peker-simdi-de-ab-yi-tehdit-etti-14979 4.html)? a) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Sedat Peker und seine Stellung gegenüber der türkischen Regierung und Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan? c) Inwieweit verfügt Sedat Peker nach Kenntnis der Bundesregierung über Kontakte zu gewaltbereiten Gruppierungen oder Einzelpersonen in Deutschland? d) Besteht nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland ein Haftbefehl gegen Sedat Peker, und wenn ja, aufgrund welcher Vorwürfe? Die Bundesregierung beantwortet die Fragen 5 sowie 5 a, 5 c und 5 d zusammenhängend . Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, die über öffentlich zugängliche Informationen hinausgehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12042 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode b) Für wie realistisch hält die Bundesregierung die Gewaltdrohungen von Sedat Peker gegenüber Europa und damit auch Deutschland? Die Bundesregierung beobachtet die politischen Entwicklungen in der Türkei mit Blick auf die Sicherheitslage in Deutschland mit großer Aufmerksamkeit. Gewalt oder der Aufruf zu Gewalt werden nicht toleriert. Sofern strafbare Handlungen festgestellt werden, ist es Aufgabe der Justiz und der Strafverfolgungsbehörden, hiergegen vorzugehen. 6. Ist der Bundesregierung die im Zusammenhang mit den Absagen von Auftritten türkischer Regierungspolitiker in Deutschland durch Kommunalbehörden getätigte Drohung des Vorsitzenden der rechtsextremen Partei MHP, Devlet Bahceli, mit Gewalt in Deutschland bekannt („Wenn die Türkei kocht, brennt Berlin“, www.yenisafak.com/gundem/turkiye-kaynarsa-berlinyanar -2624864)? a) Für wie realistisch hält die Bundesregierung die Gewaltdrohungen von Devlet Bahceli gegenüber Berlin bzw. Deutschland? c) Inwieweit sieht die Bundesregierung in Devlet Bahcelis Drohungen einen Hinweis darauf, dass dieser die Grauen Wölfe bzw. Angehörige des Ülkücü-Spektrums in Deutschland zu Straftaten anstacheln könnte? d) Hat die Bundesregierung die Drohungen Devlet Bahcelis gegenüber der türkischen Regierung thematisiert? Wenn ja, wann, und in welcher Form? Wenn nein, warum nicht? e) Welche generellen Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Drohungen Devlet Bahcelis gegenüber Deutschland bezüglich ihres Verhältnisses zur MHP in der Türkei und der als deren Ableger in Deutschland geltenden Türkischen Föderation? Die Bundesregierung beantwortet die Fragen 6 sowie 6 a, 6 c, 6 d und 6 e zusammenhängend . Die Bundesregierung hat die Presseberichterstattung, in der die Aussage des MHP-Vorsitzenden wiedergegeben wird, zur Kenntnis genommen. Weitere Erkenntnisse liegen nicht vor. Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, die in der Frage genannte Aussage zu kommentieren und verweist auf die Antwort zu Frage 5b. b) Inwieweit verfügt Devlet Bahceli nach Kenntnis der Bundesregierung über Kontakte zu gewaltbereiten Gruppierungen oder Einzelpersonen in Deutschland? Der Bundesregierung liegen dazu keine Informationen vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12042 7. Ist der Bundesregierung die Aussage des türkischen Innenministers bekannt, man werde sich um die „Vaterlandsverräter“ in Deutschland kümmern und dafür sorgen, dass diese nicht dort blieben (https://ozguruz.org/tr/2017/03/ 09/sueleyman-soylu-bir-de-basimiza-almanya-cikti/)? a) Was genau meint der türkische Innenminister nach Ansicht der Bundesregierung mit dieser Aussage? Sollte die Bundesregierung dies nicht wissen, inwiefern bemüht sie sich, vom türkischen Innenminister eine entsprechende Konkretisierung seiner Aussage zu erhalten? c) Welche Personen oder Personengruppen genau meint der türkische Innenminister nach Ansicht der Bundesregierung mit „Vaterlandsverräter“? Die Bundesregierung beantwortet die Frage 7 sowie 7a und 7c zusammenhängend . Die Bundesregierung hat die Presseberichterstattung, in der die in der Frage genannte Aussage des türkischen Innenministers wiedergegeben wird, zur Kenntnis genommen. Weitere Erkenntnisse liegen nicht vor. Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, die in der Frage genannte Aussage zu kommentieren und verweist auf die Antwort zu Frage 5b. b) Inwieweit versteht die Bundesregierung die Aussage des türkischen Innenministers als Drohung gegenüber in Deutschland lebenden Kritikerinnen und Kritikern des türkischen Präsidenten, und was unternimmt sie gegebenenfalls zu deren Schutz? Auf die Antwort zu Frage 5b wird verwiesen. Grundsätzlich führen die Polizeibehörden des Bundes und der Länder in allen Fällen, in denen Schutzmaßnahmen für erforderlich gehalten werden, diese in jeweils eigener Zuständigkeit durch; dazu zählen Maßnahmen des Personen- und Objektschutzes. d) Inwieweit hat die türkische Regierung sich bislang um die Auslieferung von solchen als „Vaterlandsverrätern“ angesehenen Personen durch Deutschland bemüht? Die Bundesregierung berücksichtigt im Rahmen des Auslieferungs- und Rechtshilfeverkehrs in jedem Einzelfall die rechtstaatliche Situation sowie die Haftbedingungen im ersuchenden Staat und trägt dem – ebenso wie bereits die Gerichte bei der Entscheidung über die Zulässigkeit – im Rahmen ihrer Entscheidung über die Bewilligung der Ersuchen Rechnung. 8. Ist der Bundesregierung bekannt, dass während des Auftritts des türkischen Außenministers Ahmet Cavusoglu auf dem Gelände der Residenz des türkischen Generalkonsulats in Hamburg am 7. März 2017 eine Reihe von Teilnehmerinnen und Teilnehmern den Gruß der rechtsextremen Grauen Wölfe zeigten (www.abendblatt.de/hamburg/article209871713/Diese-Gestenalarmieren -den-Verfassungsschutz.html)? 9. Wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dieser anscheinenden Nähe zwischen der türkischen Regierungspartei AKP und der türkischen rechtsextremen Szene? Die Bundesregierung beantwortet die Fragen 8 und 9 zusammenhängend. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12042 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Presseveröffentlichungen lassen erkennen, dass der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu am 7. März 2017 in Hamburg den sogenannten Wolfsgruß1 gezeigt hat. Pressefotos lassen erkennen, dass die vom Außenminister verwendete Geste auch von seiner Begleitung und einigen Teilnehmern der Versammlung verwendet wurde. Da die Deutung des Wolfsgrußes umstritten und ferner nicht bekannt ist, ob diejenigen Veranstaltungsteilnehmer, die den Gruß erwiderten, rechtsextreme Auffassungen vertreten, kann aus der Verwendung der Geste bei o. g. Veranstaltung nach Auffassung der Bundesregierung nicht auf eine generelle Nähe der Adalet ve Kalkınma Partisi (AKP) zur türkischen rechtsextremen Szene in Deutschland gefolgert werden. Gleichwohl ist zu konstatieren, dass ein Teil der türkischen Rechtsextremisten in Deutschland den Schulterschluss mit der türkischen Regierung sucht. 10. Woran genau macht die Bundesregierung den vom Bundesamt für Verfassungsschutz registrierten signifikanten Anstieg nachrichtendienstlicher Tätigkeit der Türkei in Deutschland fest (www.tagesschau.de/inland/ verfassungsschutz-tuerkei-101.html)? a) Seit welchem Zeitpunkt registriert die Bundesregierung diesen Anstieg nachrichtendienstlicher Tätigkeit? b) Was ist nach Ansicht der Bundesregierung die Ursache für den registrierten signifikanten Anstieg nachrichtendienstlicher Tätigkeit durch die Türkei? Die Beantwortung der Fragen 10, 10a und 10b kann insgesamt nicht offen erfolgen . Zwar ist der parlamentarische Informationsanspruch grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt. Die Einstufung der Antworten auf die vorliegenden Fragen als Verschlusssache (VS) mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ ist aber im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Staatswohl erforderlich. Nach § 3 Nummer 4 der VS- Anweisung (VSA) sind Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein können, entsprechend einzustufen. Die Kenntnisnahme von einzelnen nachrichtendienstlichen Analyseergebnissen durch Unbefugte könnte sich nachteilig für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland auswirken. Aus ihrem Bekanntwerden können Rückschlüsse auf Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen der Nachrichtendienste des Bundes gezogen werden. Hierdurch würde die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden beeinträchtigt, was wiederum die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt bzw. gefährdet. Weitergehende Informationen werden daher als Verschlusssache gemäß der VS-Anweisung (VSA) mit dem VS-Grad „VS – nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und dem Deutschen Bundestag gesondert übermittelt.* 1 Der „Wolfsgruß“ wird allgemein als ein Erkennungszeichen und als Bekundung einer türkisch-rechtsextremistischen Gesinnung angesehen . Diese Deutung ist allerdings nicht ganz unangefochten. Türkische Rechtsextremisten machen mitunter geltend, dass es sich nicht (allein) um ein Symbol handele, welches mit der nationalistisch türkischen „Partei der Nationalistischen Bewegung“ (MHP) und der Gründung der so bezeichneten „Grauen Wölfe“ (Bozkurtlar) zu assoziieren sei, sondern, dass dieses Symbol eine historisch viel länger zurückreichende Tradition habe und nicht mit einer rechtsextremistischen Gesinnung gleichzusetzen sei. * Der Bundesminister des Innern hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/12042 11. In welcher Form erfolgt das vom Bundesamt für Verfassungsschutz registrierte Ausspähen von Gegnern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan? Die Fragen betreffen in Teilen laufende Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts . Um den Untersuchungszweck nicht zu gefährden, können weitere als die unten stehenden Auskünfte nicht erteilt werden. Trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, tritt hier nach sorgfältiger Abwägung der betroffenen Belange das Informationsinteresse des Parlaments hinter die berechtigten Geheimhaltungsinteressen in einem laufenden Ermittlungsverfahren zurück. a) Von welchen türkischen Behörden, Vereinigungen und Institutionen geht nach Kenntnis der Bundesregierung ein Ausspähen von Gegnern des türkischen Präsidenten aus? b) Welche Gegner bzw. Gegnerspektren im Einzelnen sind Objekt der Ausspähung ? Die Beantwortung der Fragen 11a und 11b kann nicht offen erfolgen. Zwar ist der parlamentarische Informationsanspruch grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt. Die Einstufung der Antworten auf die vorliegenden Fragen als Verschlusssache (VS) mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ ist aber im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Staatswohl erforderlich. Nach § 3 Nummer 4 der VS-Anweisung (VSA) sind Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein können, entsprechend einzustufen. Die Kenntnisnahme von einzelnen nachrichtendienstlichen Analyseergebnissen durch Unbefugte könnte sich nachteilig für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland auswirken. Aus ihrem Bekanntwerden können Rückschlüsse auf Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen der Nachrichtendienste des Bundes gezogen werden. Hierdurch würde die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden beeinträchtigt, was wiederum die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt bzw. gefährdet. Weitergehende Informationen werden daher als Verschlusssache gemäß der VS-Anweisung (VSA) mit dem VS- Grad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und dem Deutschen Bundestag gesondert übermittelt.* c) Welche Gefahren erwachsen für die ausgespähten Gruppierungen oder Personen nach Einschätzung der Bundesregierung? Nach Auffassung der Bundesregierung könnten betroffenen Personen Probleme bei der Einreise in die Türkei drohen. * Der Bundesminister des Innern hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12042 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 12. Welche konkreten Formen der auf türkeistämmige Bürgerinnen und Bürger zielenden nachrichtendienstlichen Einflussnahme, Propaganda und Desinformation der türkischen Regierung in Deutschland sind der Bundesregierung im Einzelnen bekannt? a) Welche konkreten Fälle von auf türkeistämmige Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zielende Propaganda und Desinformation der türkischen Regierung sind der Bundesregierung bekannt? b) Worauf genau zielt nach Einschätzung der Bundesregierung die von der türkischen Regierung betriebene Propaganda und Desinformation? c) Über welche Kanäle wird diese Propaganda und Desinformation verbreitet (bitte detailliert)? d) Für wie wirkungsvoll hält die Bundesregierung solche Propaganda und Desinformationskampagnen? e) Welcher Schaden bezüglich des Verhältnisses türkeistämmiger Bürgerinnen und Bürger zur deutschen Gesellschaft und Politik entsteht nach Einschätzung der Bundesregierung durch solche Desinformation und Propaganda von Seiten der türkischen Regierung? f) Was genau unternimmt die Bundesregierung, um die Verbreitung von Propaganda und Desinformation durch die türkische Regierung einzudämmen , zu stoppen oder zu widerlegen? 13. Welche konkreten Formen der auf die deutsche Öffentlichkeit, Politik und Medien zielenden nachrichtendienstlichen Einflussnahme, Propaganda und Desinformation der türkischen Regierung in Deutschland sind der Bundesregierung im Einzelnen bekannt? a) Welche konkreten Fälle von auf die deutsche Öffentlichkeit, Politik und Medien zielende Propaganda und Desinformation der türkischen Regierung sind der Bundesregierung bekannt? b) Worauf genau zielt nach Einschätzung der Bundesregierung diese von der türkischen Regierung betriebene Propaganda und Desinformation bezüglich der deutschen Öffentlichkeit, Politik und Medien? c) Über welche genauen Kanäle wird diese Propaganda und Desinformation verbreitet? d) Für wie wirkungsvoll hält die Bundesregierung solche Propaganda und Desinformationskampagnen? e) Welcher Schaden entsteht nach Einschätzung Bundesregierung durch solche Desinformation und Propaganda gegenüber der deutschen Öffentlichkeit , Politik und Medien? f) Was genau unternimmt die Bundesregierung, um die Verbreitung von Propaganda und Desinformation durch die türkische Regierung einzudämmen , zu stoppen oder zu widerlegen? Die Beantwortung der Fragen 12, 12a bis 12f und 13, 13a bis 13f kann nicht offen erfolgen. Zwar ist der parlamentarische Informationsanspruch grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt. Die Einstufung der Antworten auf die vorliegenden Fragen als Verschlusssache (VS) mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ ist aber im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Staatswohl erforderlich. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/12042 Nach § 3 Nummer 4 der VS-Anweisung (VSA) sind Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein können, entsprechend einzustufen. Die Kenntnisnahme von einzelnen nachrichtendienstlichen Analyseergebnissen durch Unbefugte könnte sich nachteilig für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland auswirken. Aus ihrem Bekanntwerden können Rückschlüsse auf Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen der Nachrichtendienste des Bundes gezogen werden. Hierdurch würde die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden beeinträchtigt , was wiederum die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt bzw. gefährdet. Weitergehende Informationen werden daher als Verschlusssache gemäß der VS-Anweisung (VSA) mit dem VS-Grad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und dem Deutschen Bundestag gesondert übermittelt .* * Der Bundesminister des Innern hat die Antwort als „VS – nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333