Deutscher Bundestag Drucksache 18/1209 18. Wahlperiode 23.04.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Matthias Gastel, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/1090 – Planungen für den Neckarausbau Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Ausbau des Neckars (Staustufen, Schleusen) ist für ein 135-Meter-Schiff bereits seit einiger Zeit in der Diskussion. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) hat angekündigt, an zwölf Schleusen und sieben Wehren Arbeiten zur Instandsetzung und zum Ausbau durchzuführen. Ob über dringend notwendige Ersatzmaßnahmen hinaus ein Ausbau der Schleusen vor dem Hintergrund der zu erwartenden Verkehre, insbesondere auf dem Abschnitt stromaufwärts von Heilbronn, wirtschaftlich sinnvoll ist, ist strittig. Das Binnenschiff gilt jedoch generell als geräuscharmes und pro transportierter Ladungseinheit als energiesparendes Verkehrsmittel. Durch die WSV ist das Beratungsunternehmen Planco Consulting GmbH, Hamburg beauftragt worden, u. a. das Nutzen-Kosten-Verhältnis des Neckarausbaus zu bestimmen. Es hat im Jahr 2006 einen Schlussbericht vorgelegt (Teil 2, Prognosen und Bewertungsrechnung). Seitdem hat sich die Ausgangslage deutlich verändert. So waren noch in der Prognose 2015 (zum Bundesverkehrswegeplan – BVWP – 2003) 12,130 Millionen Tonnen als mögliche zukünftige Beförderung für das Jahr 2015 angegeben worden. Aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes dagegen zeigen: Im Jahr 2012 wurden lediglich 7,253 Millionen Tonnen per Binnenschiff über den Neckar befördert, Tendenz stagnierend. Neben der inzwischen veränderten Ausgangslage wird in dem Planco-Gutachten auch mit fragwürdigen Zahlen zum Nutzen-Kosten-Verhältnis für die gesamten Bewertungskomponenten zwischen Neckarmündung bis Plochingen argumentiert, die von verschiedenen Seiten gegenüber den Fragestellern kritisch hinterfragt werden. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 17. April 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/1209 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Welche veränderten Voraussetzungen gibt es hinsichtlich der Ausbauplanungen im Vorfeld des Bundesverkehrswegeplans 2015? Die Grundinstandsetzungen von Schleusen sind am Neckar bereits begonnen. Gemäß der Grundkonzeption zum Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2015 werden alle noch nicht begonnenen bzw. nicht bis zum Jahr 2015 in Bau gegangenen Projekte einer erneuten Bewertung unterzogen. 2. Auf welche ermittelten Nutzen-Kosten-Faktoren wird sich die Bundesregierung im Rahmen der Erstellung des Bundesverkehrswegeplans 2015 berufen, und welche Rolle werden dabei die im PLANCO-Gutachten aus dem Jahr 2006 für den geplanten Neckarausbau errechneten Nutzen-Kosten -Faktoren (vergleiche: „Entwicklungspotenziale von Güterschiffen über 110 m Länge (Langfristprognose 2025) und Bewertung erwogener Ausbaumaßnahmen am Neckar (Schleusenkammerverlängerung)“, PLANCO Consulting 2006, Hrsg. Wasser- und Schifffahrtsdirektion Südwest, Mainz) spielen? Für den neuen BVWP 2015 wird die Methodik aktualisiert. Die wesentlichen Ansätze sind unverändert gegenüber der Methodik zum BVWP 2003. Im BVWP 2015 werden die Infrastrukturmaßnahmen auf Basis der neuen BVWP Methodik bewertet. 3. a) Welchen Unterschied zwischen den als Grundlage zur Nutzen-KostenAnalyse im Gutachten aus dem Jahr 2006 verwendeten Prognosewerte für die beförderten Gütermengen auf dem Neckar (sog. Verkehrsprognose 2015 zum Bundesverkehrswegeplan 2003) und den inzwischen statistisch festgehaltenen Werten stellt die Bundesregierung fest, und wie bewertet sie diesen? b) Auf welche Faktoren und Erwartungen ist nach Kenntnissen der Bundesregierung die Diskrepanz zwischen der Verkehrsprognose 2015 für den BVWP 2003 und den tatsächlich beförderten Gütermengen auf dem Neckar zurückzuführen? Für den BVWP 2003 waren die Prognosewerte für das Zieljahr 2015 zugrunde gelegt worden. Im zitierten Gutachten aus dem Jahr 2006 wurde eine neuere Prognose für das Prognosejahr 2025 erstellt und den Wirtschaftlichkeitsberechnungen zugrunde gelegt. Die in den letzten Jahren statistisch erfassten Verkehre liegen unterhalb dieser Prognosen. Wesentliche Ursachen für diese Entwicklung liegen in der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung als Folge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten Jahre und in der Gütermengenentwicklung, die u. a. infolge der Energiewende für einzelne Güterarten von Strukturbrüchen gekennzeichnet ist. Hinzukommen dürften negative Transportkosteneffekte aufgrund der überalterten Flottenstruktur und der sanierungsbedürftigen Schleusen. Für den neuen BVWP 2015 werden auf Basis der heutigen Erkenntnislage neue Prognosen für das Zieljahr 2030 erstellt. 4. Von welcher Schiffsgrößenentwicklung (Güterschiffe) geht die Bundesregierung auf dem Rhein und den angrenzenden Flussgebieten innerhalb der nächsten 20 bis 30 Jahre aus? Im Zuge der in Erarbeitung befindlichen Verkehrsprognose 2030 wird auch die Entwicklung der Schiffsgrößen an den Bundeswasserstraßen prognostiziert. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1209 5. Welche Gütergruppen werden aktuell zu welchen Anteilen auf der Bundeswasserstraße Neckar bewegt (bitte sowohl für die Gesamtstrecke sowie Streckenabschnitte Rhein–Heilbronn, Heilbronn–Stuttgart, Stuttgart–Plochingen nennen)? Die nachfolgende Tabelle zeigt die wesentlichen Transportgüter auf dem Neckar nach dem Transportaufkommen in Millionen Tonnen im Jahr 2012. Eine detaillierte Statistik der Gütergruppen der einzelnen Streckenabschnitte ist nicht vorhanden. 6. Von welcher Entwicklung geht die Bundesregierung bezüglich des Transportaufkommens von Containern auf dem Neckar in den kommenden Jahrzehnten aus? Auf Basis der in Erarbeitung befindlichen Verkehrsprognose 2030 wird sich die Entwicklung des Transportaufkommens von Containern an den Bundeswasserstraßen zeigen. 7. Von welcher erhöhten Transportmenge pro Schiff wird im Untersuchungszeitraum für das PLANCO-Gutachten ausgegangen, und inwieweit schlägt sich dieser Wert im Nutzen-Kosten-Verhältnis nieder? Im Gutachten wurde durch die maßnahmeninduzierte Veränderung der Flottenstruktur und den neuen 135 m Schiffstyp eine Erhöhung der durchschnittlichen Tragfähigkeit der Neckarflotte um ca. 6 Prozent prognostiziert. Durch die maßnahmenbedingte Flotteninduzierung sinkt die zur Abwicklung des Transportaufkommens benötigte Anzahl beladener Fahrzeuge. Die hieraus resultierenden gesamtwirtschaftlichen Transportkostenersparnisse saldieren sich auf 65 Mio. Euro (Barwert). 8. Warum wurde als Summe der Nutzen Neckarmündung bis Plochingen im Gutachten (ebd., S. 47) ein Wert von 107 846 T Euro (Preisstand des Jahres 1998) angegeben, wenn durch nach Auffassung der Fragesteller korrekte Anwendung der Barwertmethode mit dem Preisstand des Jahres 2000 ein Wert von 101 660 T Euro der korrekte zu verwendende Wert wäre (Abzinsung /Diskontierung auf den Preisstand des Jahres 2000)? 9. Warum wurden die Investitionskosten für diese Strecke im Gutachten (ebd., S. 47) mit 67 089 T Euro angegeben, während bei nach Auffassung der Fragesteller korrekter Berechnung die Kosten mit dem Preisstand des Jahres 2000 (Barwert 2000) mit 126 207 T Euro deutlich höher ausfallen müssten? Die Fragen 8 und 9 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Für die Nutzen-Kostenberechnung wurden analog zur Methodik zum BVWP Rang Güterart 2012 1 Salz, Steine, Erden 1,8 2 Sand, Kies, Ton 1,8 3 Stein-, Braunkohle und Koks 1,6 4 Erze und Metallabfälle 0,5 2003 die Kosten- und Nutzendaten mit Preisstand von 1998 im Gutachten zu- Drucksache 18/1209 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode grunde gelegt und dann auf das Bezugsjahr 2000 finanzmathematisch hochgerechnet . Bei der Summe der Nutzen in Höhe von 107 846 T Euro und der Investitionskosten in Höhe von 67 089 T Euro für die Strecke von der Neckarmündung bis Plochingen handelt es sich jeweils um die aus der Abdiskontierung der jeweiligen Jahreswerte auf das Bezugsjahr 2000 gewonnenen Barwertsummen. Bei den vom Fragesteller angegebenen Kosten in Höhe von 126 207 T Euro handelt es sich nicht um den für die Nutzen-Kostenberechnung genutzten Barwert für das Bezugsjahr 2000, sondern um die Investitionskosten mit Preisstand 2000. 10. Auf welches Nutzen-Kosten-Verhältnis würde man nach Berechnungen der Bundesregierung kommen, wenn gemäß den Fragen 8 und 9 nach Auffassung der Fragesteller methodisch korrekte Nutzen- bzw. Kostenwerte herangezogen würden? Die im Gutachten durchgeführten Wirtschaftlichkeitsberechnungen sind finanzmathematisch und methodisch korrekt. 11. Welche Einordnung in den Bundesverkehrswegeplan 2015 ist möglich, wenn das Nutzen-Kosten-Verhältnis für den Ausbau der Wasserstraße von der Neckarmündung bis Plochingen unter 1 beträgt? Wie in der Vergangenheit können nur Infrastrukturmaßnahmen, bei denen eine gesamtwirtschaftliche Vorteilhaftigkeit (NKV >1) festgestellt wurde, in den BVWP 2015 aufgenommen werden. 12. Wie wäre bei geändertem Nutzen-Kosten-Verhältnis gemäß Frage 10 die Verlängerung der Baumaßnahme über Heilbronn bzw. Stuttgart hinaus im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans 2015 zu bewerten? Die Bewertung der Infrastrukturmaßnahmen am Neckar im Rahmen des BVWP 2015 stehen noch aus. 13. Welche Rolle werden nach Auffassung der Bundesregierung die Netzkategorisierung und die damit zusammenhängenden Gütertransportmengen bei den Ausbauprioritäten der Schleusen und Wehre am Neckar spielen? Bei der Priorisierung der Infrastrukturmaßnahmen im Rahmen des BVWP wird die Netzkategorisierung berücksichtigt. Diese wird im Zuge der Arbeiten zum BVWP 2015 überprüft. Der Erhaltung von z. B. Wehren, Dükern, Durchlässen und Pumpwerken wird unabhängig von der Lage im Netz aufgrund der Sicherheitsrelevanz eine hohe Priorität eingeräumt. 14. a) Durch welche Baumaßnahmen soll nach Auffassung der Bundesregierung die Befahrbarkeit der Neckarschleifen, insbesondere der Neckarschleife Lauffen, im Zuge des Ausbaus gewährleistet werden? b) Welche Einschränkungen der Befahrbarkeit der Neckarschleife Lauffen wird es auch nach einem Ausbau für 135-Meter-Schiffe geben? Die Planungen zur Verlängerung der Schleusen konzentrieren sich zurzeit auf den Streckenabschnitt von Mannheim bis Heilbronn. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1209 15. Mit welchen Maßnahmen plant die Bundesregierung im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans 2015, den wasserseitigen Containerumschlag in den Häfen Stuttgart, Heilbronn und Plochingen intermodal mit den Verkehrsträgern Schiene und Straße zu vernetzen und so zu stärken? Der wasserseitige Containerumschlag in Anlagen des Kombinierten Verkehrs ist nicht Bestandteil des Bundesverkehrswegeplans, da diese Anlagen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fallen. Allerdings unterstützt der Bund finanziell den Aus- und Neubau von Umschlaganlagen des Kombinierten Verkehrs durch nichtbundeseigene Unternehmen auf der Grundlage der „Richtlinie zur Förderung von Umschlaganlagen des Kombinierten Verkehrs“. Auf diese Weise wurden in den Häfen Stuttgart und Heilbronn mit Bundesmitteln trimodale Containerumschlaganlagen gefördert, die die Verkehrsträger Schiene, Wasserstraße und Straße miteinander vernetzen. Für den Hafen Plochingen liegt der zuständigen Bewilligungsbehörde, der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt – Außenstelle West, kein Förderantrag vor. 16. Welche Veränderungen der Betriebszeiten der Schleusen sind nach erfolgtem Ausbau der Neckarschleusen vorgesehen? Die Betriebszeiten der Schleusen stehen nicht im Zusammenhang mit der Schleusenverlängerung, sondern sind abhängig vom Verkehrsaufkommen und der Nachfrage. Durch die geplante Fernbedienung der Schleusen am Neckar sind verkehrsgerechte Verlängerungen der Betriebszeiten denkbar. 17. Mit welchen Kosten für den Ausbau des Neckars wäre nach Kenntnissen der Bundesregierung zum heutigen Stand zu rechnen (bitte Gesamtkosten sowie Streckenabschnitte Neckarmündung–Heilbronn, Heilbronn–Stuttgart , Stuttgart–Plochingen nennen)? Im Haushalt sind derzeit für die Verlängerung der Schleusen, für Wendestellen sowie für die Anpassungen der Strecke sowie für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen folgende Summen veranschlagt: Neckarmündung–Heilbronn: 53,7 Mio. Euro, Heilbronn–Stuttgart: 51,2 Mio. Euro, Stuttgart–Plochingen: 42,9 Mio. Euro. Für den Abschnitt von Heilbronn bis Plochingen sind zusätzlich 7,3 Mio. Euro für Ausgleichs-und Ersatzmaßnahmen und für die Anpassung der Strecke vorgesehen . Aufgrund neuerer Erkenntnisse zum Baugrund und Änderungen von Bauvorschriften ist erkennbar, dass die Maßnahmen an einigen Bauwerken erheblich aufwendiger werden und die veranschlagten Mittel voraussichtlich nicht ausreichen werden. 18. Welche Schienen- und Straßenkorridore soll der gesteigerte Transport von Gütern auf der Bundeswasserstraße Neckar im Falle eines Schleusenausbaus entlasten? Inwiefern durch die Schleusenverlängerung am Neckar Verlagerungseffekte entstehen , wird in der Bewertung im Rahmen des BVWP geprüft. Drucksache 18/1209 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 19. a) Wie wird sich nach Kenntnissen der Bundesregierung durch den zukünftigen Transport von Kerosin zwischen dem Hafen Plochingen und dem Flughafen Stuttgart der Güterumschlag des Hafens Plochingen verändern, wenn dort der Kerosinumschlag wegfällt (vergleiche Pressemitteilung Flughafen Stuttgart GmbH vom 11. März 2014 „Weniger Gefahrgut auf der Straße – Kerosin künftig per Pipeline“, unter Nennung des Güterumschlags im Hafen Plochingen in den Jahren 2010 bis 2013 sowie Prognosen für die Jahre 2014 bis 2020)? b) Welche Zukunftsaussichten werden demnach dem Tanklager am Hafen Plochingen durch die Bundesregierung beigemessen, und wie bewertet sie die in der Pressemitteilung genannten schwierigen räumlichen Verhältnisse ? Der Treibstoff Kerosin gehört zur Gütergruppe „flüssige Mineralölerzeugnisse“. Der Güterumschlag im Hafen Plochingen in den Jahren 2010 bis 2013 stellt sich nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wie folgt dar: Für die einzelnen Jahre 2014 bis 2020 liegen der Bundesregierung keine Prognosewerte für den Güterumschlag im Hafen Plochingen vor, die die beschriebenen Entwicklungen beim dortigen Kerosintransport berücksichtigen. Aussagen zur voraussichtlichen Gesamtentwicklung bis 2030 – aggregiert auf Kreisebene – werden sich aus der in Erarbeitung befindlichen Verkehrsprognose 2030 entnehmen lassen. Berichtsjahr Güterumschlag in t insgesamt darunter flüssige Mineralölerzeugnisse 2010 670 433 8 648 2011 610 419 6 412 2012 753 249 5 989 2013 715 803 7 129 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333