Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 27. April 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/12195 18. Wahlperiode 02.05.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Steffi Lemke, Harald Ebner, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/11877 – Stummer Frühling – Verlust von Vogelarten V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Artenreichtum unserer Erde schwindet rasant. Die planetare Grenze ist beim Artensterben bereits weit überschritten. Damit steigt – wie bei der Klimakrise – die Gefahr, dass ökosystemare Kipppunkte erreicht und die Folgen für Mensch und Umwelt unkontrollierbar werden. Deutschland hat sich in vielerlei Abkommen verpflichtet, das Artensterben und den Rückgang der Vogelpopulation im Besonderen zu stoppen. Dennoch ist die Vogelpopulation weltweit und in Deutschland stark rückläufig. In den vergangenen 30 Jahren hat sie sich halbiert (Vögel in Deutschland, Sudfeldt, C. R. Dröschmeister, W. Frederking, K. Gedeon, B. Gerlach, C. Grüneberg, J. Karthäuser, T. Langgemach, B. Schuster, S. Trautmann & J. Wahl (2013): Vögel in Deutschland – 2013. DDA, BfN, LAG VSW, Münster). Die Artenvielfalt ist wie ein Netz. Mit jedem Teil, das verschwindet, wird die Stabilität und Tragfähigkeit dieses Netzes geschwächt. Am Beispiel der Vögel wird dies besonders deutlich, so schreibt der Indikatorenbericht Biologische Vielfalt 2014, „Da neben Vögeln auch andere Arten an eine reichhaltig gegliederte Landschaft mit intakten, nachhaltig genutzten Lebensräumen gebunden sind, bildet der Indikator indirekt auch die Entwicklung zahlreicher weiterer Arten in der Landschaft und die Nachhaltigkeit der Landnutzung ab.“ (Indikatorenbericht Biologische Vielfalt 2014, S. 9). Der Rückgang von Vogelpopulation weist dementsprechend auf die Naturzerstörung insgesamt hin. Hauptgrund für das Artensterben ist die industrielle Agrarlandschaft. Tatsächlich findet auf landwirtschaftlichen Flächen ein Großteil des deutschen Vogelartensterbens statt (Dröschmeister et al. 2012). Die Ursachen des Rückgangs liegen in der industrialisierten Landwirtschaft, dabei vor allem in den ausgeräumten Agrarlandschaften, dem massiven Einsatz von Pestiziden und dem Verlust von Offenlandschaften und intaktem Grünland (Hötker et al. 2013). 1. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Bestände der Brutvögel in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelt? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12195 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Der Bundesregierung liegen aus dem nationalen Bericht 2013 nach Art. 12 der EU-Vogelschutzrichtlinie (Vogelschutzbericht) Angaben zur Bestandssituation der Brutvögel in Deutschland bis zum Jahr 2012 vor. Betrachtet wurden der Trend über 25 Jahre (für die meisten Arten 1985 bis 2009) und der Trend über 12 Jahre (für die meisten Arten 1998 bis 2009). Dabei ist der Anteil von Arten mit Bestandsabnahmen über die letzten 12 Jahre deutlich höher als der mit Bestandsabnahmen in 25 Jahren: Über den 12-Jahres-Zeitraum zeigte ein Drittel aller Brutvogelarten (84 Arten) signifikante Bestandsabnahmen, über den 25-Jahres-Zeitraum war es lediglich ein Viertel der Arten (65 Arten). Dies deutet auf einen in den letzten 12 Jahren insgesamt zunehmenden Druck auf die Brutvogelbestände hin. Arten des Offenlandes und des Siedlungsbereiches zeigten die stärksten Rückgänge. 2. Wie bewertet die Bundesregierung die Situation der Vogelpopulationen im Bereich Agrarland? Welche Entwicklung der Vogelarten- und -bestände liegen hierzu in den letzten zwei Jahrzehnten vor? a) Die Bundesregierung bewertet die Situation der Artenvielfalt und Landschaftsqualität im Agrarland in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie stellvertretend über eine Auswahl von Indikatorvogelarten, die im Teilindikator Agrarland des Indikators „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ enthalten sind. Im Verlauf der letzten zehn betrachteten Jahre (von 2003 bis 2013) zeigte der Teilindikator Agrarland (2013: 59 Prozent des Zielwertes) einen Abwärtstrend. Der aktuelle Indikatorwert liegt noch weit vom Zielbereich entfernt. b) Auf einen Verlust von rund 300 Millionen Brutpaaren werden die Rückgänge in der Agrarlandschaft der Europäischen Union zwischen 1980 und 2010 veranschlagt . Analysen über Bestandsveränderungen der Vogelwelt der Agrarlandschaft in Deutschland wurden anhand der Daten aus dem nationalen Vogelschutzbericht 2013 nach Artikel 12 der EU-Vogelschutzrichtlinie vorgenommen . Arten der Agrarlandschaft mussten die stärksten Bestandseinbußen hinnehmen. Bei rund der Hälfte dieser Arten nahm der Bestand zwischen Mitte der 1980er Jahre und 2009 ab. In den letzten 12 Jahren hat sich die Situation mit einem geringeren Anteil moderater und starker Abnahmen nur punktuell verbessert (z. B. Großtrappe, Raubwürger). Verschlechtert hat sich gleichzeitig die Situation bei Feldlerche und Goldammer. Mehrere Arten zeigten nach deutlichen Rückgängen nur noch leichte Abnahmen und stabilisierten sich bis 2009 – dem im Vogelschutzbericht betrachteten Zeitraum – auf einem sehr niedrigen Niveau, wie beispielsweise Braunkehlchen und Rebhuhn. Beide Arten gingen in den Folgejahren weiter im Bestand zurück. Besonders prekär ist die Situation der typischen Grünlandbewohner. Bei diesen nehmen nach Wahl et al. (2015) fünf von sieben Arten ab. Bei den Arten, die mehrere Hauptlebensraumtypen nutzen, gibt es insbesondere bei den Bewohnern halboffener Landschaften Verschlechterungen vom 25- zum 12-Jahrestrend (z. B. Stieglitz, Star, Gelbspötter). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12195 3. Welche Vogelarten sind nach Kenntnis der Bundesregierung ausgestorben, vom Aussterben bedroht, stark gefährdet oder gefährdet? Welcher Anzahl von Vögeln entspricht dieser Status jeweils? Welcher Anzahl von Vogelarten entspricht das jeweils? Artspezifische Angaben zu den genannten Gefährdungskategorien sowie Angaben zu den Beständen können der aktuellen Roten Liste der Brutvögel Deutschlands (Grüneberg et al. 2015) entnommen werden, hierauf wird verwiesen. In die Kategorie 0 (Ausgestorben oder verschollen) werden 13 Arten eingestuft, davon 1 Offenlandart. In die Kategorie 1 (Vom Aussterben bedroht) werden 29 Arten eingestuft, davon 6 Offenlandarten. In die Kategorie 2 (Stark gefährdet) werden 19 Arten eingestuft, davon 6 Offenlandarten. In die Kategorie 3 (Gefährdet) werden 27 Arten eingestuft, davon 4 Offenlandarten. Als Vogelarten des Offenlandes sind hierbei, entsprechend der Zuordnung im Rahmen der aktuellen Roten Liste der Brutvögel, Arten genannt, wenn mindestens zwei Drittel des deutschen Brutbestandes im Hauptlebensraumtyp „landwirtschaftlich genutztes Offenland“ (acker- und grünlandgeprägtes Offenland einschließlich kurzfristiger Ackerund Grünlandbrachen, Obstbau und Streuobstwiesen sowie Weinbau) brüten. Dies gilt für 24 einheimische Vogelarten. 4. Wie bewertet die Bundesregierung die Rote Liste Brutvögel 2016, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? Die Bundesregierung bewertet die „Rote Liste Brutvögel 2016“ als eine geeignete Hilfe zur aktuellen Lageeinschätzung der Biodiversitätsgefährdung in Deutschland . In Bezug auf die Rückgänge in der Agrarlandschaft (vgl. Antwort zu Frage 2) sind u. a. eine Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, die zielgerichtete Förderung/Unterstützung naturverträglicher Bewirtschaftungsformen und die Abschaffung naturschädigender Subventionen notwendig. Daraus erwächst auch die Verpflichtung, die Naturschutzanstrengungen auf verschiedenen Ebenen zu intensivieren und die relevanten Akteure verstärkt in die Umsetzung entsprechender Maßnahmen einzubinden, um den Rückgang der Artenvielfalt einzugrenzen. Dazu tragen auch Fördermaßnahmen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) bei. U. a. werden hier Maßnahmen der Länder unterstützt, die die Zusammenarbeit zwischen Landwirten und anderen Akteuren, wie z. B. Naturschutz- und Umweltverbänden, im ländlichen Raum zum Gegenstand haben. Zudem hat die Bundesregierung mit der Änderung des GAK-Gesetzes im Jahr 2016 die Förderung von Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes und der Landschaftspflege im Rahmen der GAK ermöglicht (vgl. Antwort zu Frage 15). 5. Wie viele Vogelarten der Offenlandarten werden nach Kenntnis der Bundesregierung mindestens als gefährdet eingestuft, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus? Zu den in die Kategorien 0 bis 3 eingestuften Vogelarten des Offenlandes siehe Antwort zu Frage 3; zu den Konsequenzen siehe Antwort zu Frage 4. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12195 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung der europäische Farmland Bird Index/Agrarvogelindex seit dem Jahr 1980 entwickelt? Welche Entwicklung gab es seitdem in Deutschland? Welche drei Vogelarten des aktuellsten Indexes bzw. der Roten Liste zeigen die größten negativen Trends? Welcher Anzahl von Vögeln entspricht dies jeweils? a) Der europäische Farmland Bird Index wird vom EBCC (European Bird Census Council) regelmäßig fortgeschrieben. Der Index zeigt seit 1980 eine Abnahme auf 43 Prozent des Ausgangswertes. Eine ähnliche Entwicklung zeigt der Index für die Europäische Union. b) Zur Entwicklung des Teilindikators Agrarland des Indikators Artenvielfalt und Landschaftsqualität über die letzten zehn Berichtsjahre und die Konstruktion des Indikators siehe Antwort zu Frage 2. Im Teilindikator Agrarland werden neben den aktuellen Bestandsangaben Daten für historische Werte aus dem Jahr 1975 sowie der Startwert der Zeitreihe des Teilindikators für das Jahr 1990 angegeben. Im Jahr 1975 lag der rekonstruierte Indexwert für den Teilindikator Agrarland bei 117 Prozent des Zielwertes, im Jahr 1990 lag der Indexwert bei 74,2 Prozent des Zielwertes des Teilindikators. c) Gemäß den Bestandsangaben, aus denen der Teilindikator Agrarland berechnet wird (BfN 2017), zeigen folgende drei Arten dieses Teilindikators die größten negativen Trends seit dem Jahr 1990 bis zum Jahr 2013: Kiebitz: Bestandsabnahme um 80 Prozent, Braunkehlchen: Bestandsabnahme um 63 Prozent, Uferschnepfe : Bestandsabnahme um 61 Prozent. d) Angaben dazu, welcher Anzahl an Vogelindividuen diese Rückgänge entsprechen , liegen nicht vor. 7. Welche Trenddaten enthält nach Kenntnis der Bundesregierung der Farmland Bird Index/Agrarvogelindex, und wie beurteilt die Bundesregierung diese neuesten Zahlen? Der Farmland Bird Index enthält für Europa folgende Arten mit folgenden Bestandstrends (EBCC 2017b): Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Trendklassifikation Zeitraum Alauda arvensis Feldlerche Moderate Abnahme 1980 – 2014 Alectoris rufa Rothuhn Moderate Abnahme 1998 – 2014 Anthus campestris Brachpieper Unsicher 1991 – 2014 Anthus pratensis Wiesenpieper Moderate Abnahme 1980 – 2014 Bubulcus ibis Kuhreiher Stabil 1998 – 2014 Burhinus oedicnemus Triel Stabil 1998 – 2014 Calandrella brachydactyla Kurzzehenlerche Stabil 1998 – 2014 Carduelis cannabina Bluthänfling Moderate Abnahme 1980 – 2014 Ciconia ciconia Weißstorch Moderate Zunahme 1980 – 2014 Corvus frugilegus Saatkrähe Moderate Zunahme 1980 – 2014 Emberiza cirlus Zaunammer Moderate Zunahme 1989 – 2014 Emberiza citrinella Goldammer Moderate Abnahme 1980 – 2014 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12195 Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Trendklassifikation Zeitraum Emberiza hortulana Ortolan Starke Abnahme 1980 – 2014 Emberiza melanocephala Kappenammer Moderate Abnahme 2000 – 2014 Falco tinnunculus Turmfalke Moderate Abnahme 1980 – 2014 Galerida cristata Haubenlerche Starke Abnahme 1982 – 2014 Galerida theklae Theklalerche Moderate Zunahme 1998 – 2014 Hirundo rustica Rauchschwalbe Moderate Abnahme 1980 – 2014 Lanius collurio Neuntöter Stabil 1980 – 2014 Lanius minor Schwarzstirnwürger Starke Abnahme 1999 – 2014 Lanius senator Rotkopfwürger Moderate Abnahme 1998 – 2014 Limosa limosa Uferschnepfe Moderate Abnahme 1984 – 2014 Melanocorypha calandra Kalanderlerche Moderate Abnahme 1998 – 2014 Miliaria calandra Grauammer Moderate Abnahme 1980 – 2014 Motacilla flava Schafstelze Moderate Abnahme 1980 – 2014 Oenanthe hispanica Mittelmeer-Steinschmätzer Moderate Abnahme 1998 – 2014 Passer montanus Feldsperling Moderate Abnahme 1980 – 2014 Perdix perdix Rebhuhn Starke Abnahme 1980 – 2014 Petronia petronia Steinsperling Stabil 1998 – 2014 Saxicola rubetra Braunkehlchen Moderate Abnahme 1980 – 2014 Saxicola torquata Schwarzkehlchen Stabil 1989 – 2014 Serinus serinus Girlitz Moderate Abnahme 1982 – 2014 Streptopelia turtur Turteltaube Moderate Abnahme 1980 – 2014 Sturnus unicolor Einfarbstar Moderate Zunahme 1998 – 2014 Sturnus vulgaris Star Moderate Abnahme 1980 – 2014 Sylvia communis Dorngrasmücke Moderate Zunahme 1980 – 2014 Tetrax tetrax Zwergtrappe Moderate Abnahme 1998 – 2014 Upupa epops Wiedehopf Unsicher 1982 – 2014 Vanellus vanellus Kiebitz Moderate Abnahme 1980 – 2014 Aufgrund der Vielzahl an Bestandsrückgängen bei den Agrarvogelarten Europas sieht die Bundesregierung erheblichen Handlungsbedarf zum Schutz der Agrarvögel in Europa. 8. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Kiebitzbestände in Deutschland seit dem Jahr 1990 verändert? Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12195 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Bestände der Feldlerche seit dem Jahr 1990 in Deutschland verändert? Gemäß den Bestandsangaben, aus denen der Teilindikator Agrarland berechnet wird, zeigte die Feldlerche im Zeitraum von 1990 bis 2013 einen Bestandsrückgang um 35 Prozent. 10. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Bestände des Rebhuhns seit dem Jahr 1990 in Deutschland verändert? Gemäß Angaben des Dachverbandes Deutscher Avifaunisten sind die Bestände des Rebhuhns in Deutschland von 1990 bis 2015 um 84 Prozent zurückgegangen. 11. Welche Kenntnisse liegen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz , Bau und Reaktorsicherheit über die Ursachen des Bestandsrückgangs der Agrarvögel vor? Die Bestandsrückgänge der Agrarvögel werden ebenso wie die vieler anderer Vogelarten einer Vielzahl von Gefährdungsursachen zugeschrieben. Eine detaillierte Analyse der Gefährdungsursachen für Tiere, Pflanzen und Pilze, die auch die Agrarvögel einschließen soll, ist in den kommenden Jahren vorgesehen (Ressortforschungsplanung 2018). Eine Analyse der aktuellen Roten Liste der Brutvögel legen ihre Autoren bereits in groben Zügen vor, hierauf wird verwiesen. Besonders heben die Autoren folgende Faktoren für die Rückgänge hervor: Lebensraumveränderungen, Verringerung des Nahrungsangebotes (insbesondere Rückgang der Insektenbiomasse) und direkte Verfolgung (Prädation). Die Angaben bezüglich des Rückgangs der Insektenbiomasse können aus heutiger Sicht aus einem laufenden F+E-Vorhaben („Biodiversitätsverluste in FFH- Lebensraumtypen des Offenlandes) mit Vergleichsstudien dahingehend ergänzt werden, dass es sich bei diesen Rückgängen um ein überregionales Problem handelt , mit massiven Rückgängen der Insektenbiomasse von bis zu 90 Prozent in zahlreichen Insektengruppen bis hin zum Verlust von Arten. 12. Welche Studien und andere Erkenntnisse über einen Zusammenhang zwischen abnehmenden Vogelbeständen und dem Einsatz von Pestiziden liegen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vor? Eine aktuelle Zusammenfassung zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Feldvögel liegt mit der vom Umweltbundesamt beauftragten Studie Jahn T, Hötker H, Oppermann R, Bleil R, Vele L, 2014. Protection of biodiversity of free living birds and mammals in respect of the effects of pesticides. Federal Environment Agency (UBA). UBA Texte 30/2014. ISSN 1862-4804 vor. Für die Metastudie werteten die Autoren sämtliche verfügbare wissenschaftliche Literatur zur Relevanz der Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln für die Gefährdungssituation von 27 Vogelarten und 22 Säugetierarten der Agrarlandschaften aus. Es wurden mehrere hundert Studien ausgewertet. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass viele Feldvogelarten durch eine zunehmende Einschränkung der Verfügbarkeit an Nahrung und Bruthabitaten in Ackerlebensräumen gefährdet werden und der Einsatz insbesondere von Breitbandherbiziden und -insektiziden dabei einen relevanten Einflussfaktor darstellt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12195 Im Statusbericht „Vögel in Deutschland 2014“ (Wahl J, Dröschmeister R, Gerlach B, Grüneberg C, Langgemach T,Trautmann S, Sudfeldt C, 2015: Vögel in Deutschland – 2014. DDA, BfN, LAG VSW, Münster) liegt eine Analyse der Bestandstrends von Brutvögeln in Deutsch-land in Bezug auf ihre Nahrungsansprüche vor. Die Autoren sehen neben anderen Faktoren eine der Ursachen für die beschleunigten Bestandsrückgänge bei der Gruppe der insekten-fressenden Vögel in dem großflächigen Einsatz von Insektiziden. 13. Plant das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit einen möglichen Zusammenhang zwischen abnehmenden Vogelbeständen und dem Rückgang an Insektenbiomasse infolge des Einsatzes von Neonikotinoiden wissenschaftlich untersuchen zu lassen, was laut Einschätzung von Entomologen und Naturschutzverbänden eine Erklärung für abnehmende Insektenvorkommen auch in Naturschutzgebieten darstellt? Wenn nein, warum nicht? Es ist nicht sinnvoll, die Auswirkungen einzelner Wirkstoffe oder Produktgruppen isoliert von der gesamten Praxis des Pflanzenschutzmitteleinsatzes zu sehen. Ein für das Jahr 2017 geplantes Forschungsvorhaben des Umweltbundesamtes (Titel: „Integriertes Monitoring in der Agrarlandschaft – Erfassung der ökologischen Auswirkungen des chemischen Pflanzenschutzes“, Forschungskennzahl 371764412) soll sich daher der Frage des Monitorings ökologischer Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln im Kontext des gesamten Pflanzenschutzmitteleinsatzes widmen. 14. Wie bewertet das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit die Forderung des Bundesrates 6 Prozent der Mittel von der ersten in die zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik umzuschichten, und wird die Bundesregierung dieser Forderung nachkommen? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung führt derzeit eine ergebnisoffene Überprüfung des Prozentsatzes der Umschichtung durch. Die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung im Rahmen dieser ergebnisoffenen Überprüfung ist noch nicht abgeschlossen . 15. Wie schätzt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit die Wirkung der Förderkulisse der ersten und zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik für die Vogelbestände ein (bitte für die jeweiligen Säulen getrennt sowie in der Gesamtbilanz beantworten)? Mit der Evaluierung der Wirkungen der neuen Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) im Zeitraum 2015 bis 2020 und insbesondere des Greenings befassen sich zahlreiche Institutionen. Innerhalb der Bundesregierung führt zum einen die Ressortforschung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eigene Forschungen sowie Forschungsaufträge im Rahmen von Drittmittelprojekten , unter anderem beauftragt durch die EU-Kommission, durch. Zum anderen werden im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit verschiedene Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zum Greening durchgeführt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12195 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die Maßnahmen des Greenings in der 1. Säule der GAP wurden erstmals im Jahr 2015 von den landwirtschaftlichen Betrieben umgesetzt. Zuverlässige Erkenntnisse über die Wirkung des Greenings auf der Grundlage der Erfahrungen in den Jahren 2015 und 2016 – insbesondere solche auf der Grundlage von Felduntersuchungen – werden erst im Laufe dieses Jahres erwartet. Zu Ökologischen Vorrangflächen liegen inzwischen erste überwiegend auf qualitativen Einschätzungen basierende Ergebnisse vor. Demnach haben Brachen, Blühflächen und Streifenelemente positive Effekte für die Biodiversität und auch für einige Vogelarten. Dagegen lassen Zwischenfrüchte und Leguminosen sowohl auf der Ebene der landwirtschaftlichen Schläge als auch auf der Landschaftsebene keinen oder nur einen sehr geringen Zuwachs der biologischen Vielfalt und an Vogelarten erkennen. Sie leisten allerdings andere positive Umwelteffekte (z. B. Erosionsschutz, Verringerung der Nitratauswaschung). Die wichtigsten angemeldeten Arten von Ökologischen Vorrangflächen sind die Zwischenfrüchte, gefolgt von brachliegenden Flächen und Leguminosen. Es gibt nur einen geringen Zuwachs an ökologisch hochwertigen Flächen durch das Greening. So wurden überwiegend bestehende Landschaftselemente und Brachen als Ökologische Vorrangflächen ausgewiesen und in geringerem Maße Blühflächen und Streifenelemente. In Hinblick auf den Dauergrünlanderhalt wurde das Dauergrünland in FFH-Gebieten , das am 1. Januar 2015 bestand, als umweltsensibles Dauergrünland ausgewiesen . In den Vogelschutzgebieten, die nicht gleichzeitig FFH-Gebiete sind, darf Dauergrünland wie alles vor dem Jahr 2015 entstandene übrige Dauergrünland grundsätzlich nur mit einer Genehmigung umgewandelt werden. Eine Genehmigung wird in der Regel nur erteilt, wenn an anderer Stelle eine entsprechende Fläche neu als Dauergrünland angelegt wird (begrenzte Ausnahme Dauergrünland , das im Rahmen der Umsetzung von Agrarumweltmaßnahmen entstanden ist, sowie bestimmte Sonder- und Härtefälle). Zudem dürfen einer Umwandlung keine anderen Rechtsvorschriften entgegenstehen. Das Maßnahmenspektrum der zweiten Säule der GAP ist grundsätzlich geeignet, die biologische Vielfalt zu fördern und damit auch zu einer Stabilisierung der Vogelbestände insbesondere der Agrarlandschaft beizutragen. Hier können – im Gegensatz zur ersten Säule – die Erfordernisse bei der Umsetzung von Naturschutzzielen spezifisch adressiert werden. Dabei ist die Wirksamkeit der Maßnahmen der zweiten Säule für die Erreichung naturschutzbezogener Ziele vor allem von deren Ausrichtung auf Naturschutzziele abhängig. Die Zuständigkeit dafür liegt bei den Ländern. Die Bundesregierung hat mit der Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK-Gesetz ) im Jahr 2016 die Förderung von Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes und der Landschaftspflege im Rahmen der GAK ermöglicht. Bereits in den GAK- Rahmenplan 2017 wurde ein Fördergrundsatz zum nicht-produktiven investiven Naturschutz aufgenommen. Ein weiterer Fördergrundsatz zum Vertragsnaturschutz , der im Jahr 2018 in die GAK aufgenommen werden soll, wird derzeit konzipiert. Mit diesen neuen Fördergrundsätzen können durch die Länder im Rahmen der Agrarstrukturverbesserung auch die biologische Vielfalt und die Vogelbestände gefördert werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/12195 16. Welche Entwicklung erwartet die Bundesregierung beim Ausmaß der Versiegelung von Flächen im Bereich Siedlungen, und welche Entwicklung erwartet sie für die Vogelpopulation im Bereich Siedlungen? Nach Berechnungen der Umweltökonomischen Gesamtrechnungen der Länder wird der Versiegelungsanteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche im Länderdurchschnitt auf gut 45 Prozent geschätzt (2013). Dabei darf Versiegelung nicht mit dem Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche (Flächenverbrauch) gleichgesetzt werden, der bei durchschnittlich 66 ha pro Tag (2015) liegt und bis zum Jahr 2030 auf unter 30 ha reduziert werden soll. Eine spezielle Prognose zur Entwicklung der Versiegelung von Flächen im Bereich Siedlungen ist nicht her leitbar. Demzufolge sind auch die künftigen Auswirkungen der Siedlungsentwicklung im Innen- wie im Außenbereich auf Vogelbestände im Detail schwer zu prognostizieren . Auf die Vogelpopulationen im Bereich von Siedlungen haben neben der Versiegelung auch weitere Faktoren wie die Gestaltung und Art der Bepflanzung von Grünflächen erheblichen Einfluss. Im Siedlungsbereich ist vielfach ein anderes Artenspektrum betroffen als im zuvor behandelten (landwirtschaftlich geprägten) Offenland. Bei vielen in den Grünanlagen des baulichen Innenbereichs vorkommenden Vögeln handelt es sich eher um verbreitete, meist nicht bestandsgefährdete Arten bzw. Arten der Vorwarnliste. Gleichwohl erreicht die in anderen Lebensraumtypen zu beobachtende negative Entwicklung von Vogelbeständen inzwischen auch den Siedlungsraum aufgrund des anhaltenden Mangels von Nahrung und Fortpflanzungsmöglichkeiten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333