Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 2. Mai 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/12274 18. Wahlperiode 04.05.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/11838 – Die Lage der Zivilbevölkerung in Afghanistan V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) stellte in einer auf Anfrage des Bundesministeriums des Innern im Dezember 2016 aktualisierten Stellungnahme fest, dass sich sowohl die Sicherheitslage in Afghanistan „nochmals deutlich“ verschlechtert habe, als auch, dass aufgrund der „sich ständig ändernden Sicherheitslage“ der UNHCR „keine Unterscheidung von ‚sicheren ‘ und ‚unsicheren‘ Gebieten“ treffen könne. Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) zeigt in ihrem Jahresbericht 2016, dass die Zahl der in Afghanistan durch Kriegshandlungen verletzten und getöteten Zivilistinnen und Zivilisten den höchsten Stand seit Beginn der Zählung erreicht hat. Mit 11 418 gemeldeten Opfern ist sie fast doppelt so hoch wie 2009. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Weiterhin hat die Zahl der im Rahmen von kriegerischen Handlungen betroffenen Frauen und Mädchen im Vergleich zum Vorjahr um 7 Prozent zugenommen. 11 Prozent, das heißt 1 118 der betroffenen Zivilistinnen und Zivilisten sind nach dem UN- AMA-Bericht zum Opfer von gezielten, versuchten oder vollzogenen Mordanschlägen geworden. 24 Prozent der zivilen Opfer wurden von Regierungskräften und der Regierung Nahestehenden verursacht, 61 Prozent von gegen die Regierung gerichteten Gruppen, wie dem sogenannten Islamischen Staat (IS) und den Taliban. UNAMA schreibt 6 994 zivile Opfer den Taliban zu und 899 Opfer dem IS. Gerade die Zahl der Opfer des IS hat sich im Vergleich zum Vorjahr nahezu verzehnfacht. Besonders besorgniserregend ist die Versechsfachung der Opfer auf 378 bei gezielten Angriffen auf religiöse Zeremonien, unter anderem auch in Kabul Stadt (https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_ of_civilians_in_armed_conflict_annual_report_2016_16_feb_2017_final.pdf). Insbesondere Frauen werden massiv in ganz Afghanistan angegriffen. Die Gewalt gegen Frauen nahm im Jahr 2016 zu. So stieg auch die Anzahl von Hinrichtungen von Frauen durch die Taliban (www.amnesty.org.in/show/blog/ amnesty-international-annual-report-2016-17-afghanistan). Die afghanische Frauenrechtsorganisation Revolutionary Association of the Women in Afghanistan (RAWA) stellte eine Liste der von den Taliban verhängten frauenfeindlichen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12274 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Gesetze auf, dabei sind schwere Körperstrafen wie Auspeitschen für Verstöße gegen Kleiderordnungen vorgesehen sowie Steinigung bei als „unmoralisch“ verstandenem Verhalten (www.rawa.org/rules.htm). Ganz im Gegensatz zum Bericht des UNHCR, der besagt, dass es nicht möglich sei, zwischen sicheren und unsicheren Gebieten in Afghanistan zu unterscheiden (www.proasyl.de/wp-content/uploads/2015/12/2017-Bericht-UNHCR-Afghanistan. pdf), erklärte Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière in einem Interview in den „Tagesthemen“ am 20. Februar 2017 diesbezüglich, „sichere Gebiete“ gebe es „im Norden, auch in Teilen Kabuls“, und im Gegensatz zum UNAMA- Report, der von „gezielten Angriffen auf Zivilisten, die als Kriegsverbrechen zu werten sind“, in Afghanistan spricht, behauptete der Bundesinnenminister, die radikalislamischen Taliban zielten auf Repräsentanten des Systems – „Polizisten , Botschaften, westliche Hotels“. Die „normale Bevölkerung“ sei „zwar Opfer“, aber „nicht Ziel der Taliban. Das ist ein großer Unterschied“ (www.tagesschau. de/inland/tagesthemen-interview-de-maiziere-101.html). 1. Wie ist der Umstand einer gestiegenen Zahl ziviler Opfer (www.deutsch landfunk.de/afghanistan-immer-mehr-zivile-opfer-weniger-abschiebungen. 1818.de.html?dram:article_id=378216) damit zu vereinbaren, dass die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/8141 noch erklärt hat, dass „für die zivile Bevölkerung in den Gebieten unter militantem Einfluss […] die Bedrohung […] geringer [sei], da die Talibanführung ihre Kämpfer wiederholt glaubhaft und eindeutig angewiesen hat, zivile Opfer zu vermeiden und zivile Infrastruktur zu schonen“ (bitte ausführlich ausführen), und was meint Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière damit, wenn er erklärt, es sei ein „großer Unterschied“, dass die „normale Bevölkerung“ in Afghanistan „zwar Opfer“, aber „nicht Ziel der Taliban“ sei (www.tagesschau.de/ inland/tagesthemen-interview-de-maiziere-101.html)? Welchen großen Unterschied macht es nach Kenntnissen der Bundesregierung insbesondere für die zivilen Opfer, dass sie womöglich „kein Ziel“ waren , aber dennoch getroffen wurden (bitte nachvollziehbar darlegen)? 2. Anhand welcher Kriterien und aufgrund welcher Erkenntnisse trifft der Bundesinnenminister die Unterscheidung zwischen „Ziel“ und „Opfer“ und schließt dabei aus, dass die Bevölkerung nicht ebenso Ziel der Anschläge ist, um ein Klima der Verunsicherung zu schaffen? Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet. Angriffe der Taliban zielen nach Kenntnis der Bundesregierung in erster Linie auf Repräsentanten des afghanischen Staates, insbesondere der Sicherheitskräfte sowie der internationalen Partner Afghanistans. Zivile Opfer werden in Planung und Ausführung der Angriffe jedoch oft in Kauf genommen, auch wenn die Taliban -Führung zur Schonung ziviler Personen und Infrastruktur aufgerufen hat. Für die Bewertung einer individuellen Gefährdung ist maßgeblich entscheidend, ob eine Person zu einer Gruppe gehört, die gezielter Gewalt ausgesetzt ist oder in gleicher Weise wie alle anderen Einwohner Afghanistans von einem allgemeinen Sicherheitsrisiko betroffen ist. Die weiterhin hohe Zahl ziviler Opfer des Konflikts in Afghanistan ist vor allem darauf zurückzuführen, dass militärische Auseinandersetzungen auch in Siedlungsgebieten stattfinden. Während die Anzahl der zivilen Todesopfer in Afghanistan nach Angaben der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) 2016 im Vergleich zu 2015 leicht zurückging, stieg die Anzahl der Verletzten 2016 an. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12274 3. Wie sind zivile Opfer, die bei Anschlägen auf religiöse Zeremonien getötet oder verletzt wurden, im Rahmen der vom Bundesinnenminister getätigten Einordnung bzgl. „Opfern“ und „Zielen“ anzusiedeln? a) Wie viele der zivilen Opfer im Jahr 2016 sind nach Kenntnis der Bundesregierung bei Anschlägen ums Leben gekommen, bei denen sie nicht das eigentliche „Ziel“ gewesen sind? b) Wie viele der zivilen Opfer im Jahr 2016 sind nach Kenntnis der Bundesregierung bei Anschlägen verletzt worden, bei denen sie nicht das eigentliche „Ziel“ gewesen sind? c) Wie viele der zivilen Opfer in Afghanistan sind nach Kenntnis der Bundesregierung durch gezielte Gewalt (z. B. Strafaktionen) von Seiten regierungsfeindlicher Milizen getötet worden? d) Wie viele der zivilen Opfer in Afghanistan sind nach Kenntnis der Bundesregierung durch gezielte Gewalt (z. B. Strafaktionen) von Seiten regierungsfeindlicher Milizen verletzt worden (bitte, wenn möglich, nach Einordnung aufschlüsseln)? Die Fragen 3 bis 3d werden zusammen beantwortet: Die Bundesregierung erhebt keine eigenen Statistiken zu zivilen Opfern in Afghanistan . Auch UNAMA liefert keine Angaben, die eine zahlenmäßige Zuordnung entsprechend der Fragen ermöglicht. Im Gegensatz zu den Taliban als bedeutsamste regierungsfeindliche Gruppe in Afghanistan zielt der seit 2015 in Erscheinung getretene „Islamische Staat in der Provinz Khorasan“ (ISPK) mit Angriffen auch gegen Gruppen der Zivilbevölkerung ohne Bezug zur afghanischen Regierung, insbesondere gegen Angehörige der schiitischen Minderheit. Hierzu zählen mehrere Anschläge auf schiitische Einrichtungen und Veranstaltungen mit zahlreichen Todesopfern und Verletzten. Insgesamt schreibt UNAMA im vergangenen Jahr 209 zivile Todesopfer und 690 zivile Verletzte dem ISPK zu. 4. Wie vereinbart die Bundesregierung die von Dr. de Maizière in Frage 1 zitierte Auffassung zu zivilen Opfern mit der im UNAMA-Bericht vorgetragenen Aussage zum Jahr 2016 von „gezielten Angriffen auf Zivilisten […] [,] die als Kriegsverbrechen zu werten sind“, und der Aussage, dass 11 Prozent der zivilen Opfer durch gezielte Angriffe herbeigeführt worden sind? UNAMA definiert Zivilisten als Personen, die weder den bewaffneten Sicherheitskräften noch den organisierten bewaffneten Gruppen angehören („persons who are not members of the armed forces or of an organized armed group“). Diese Definition umfasst damit auch Repräsentanten des afghanischen Staates und seiner internationalen Partner (sofern sie nicht den Streitkräften angehören), die zum militärischen Zielspektrum der Taliban gehören (siehe auch Antwort zu den Fragen 1 und 2). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12274 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 5. Wie vereinbart die Bundesregierung die in ihrer Antwort auf Bundestagsdrucksache 18/8141 getätigte Aussage: „Für die zivile Bevölkerung in den Gebieten unter militantem Einfluss ist die Bedrohung dagegen geringer, da die Talibanführung ihre Kämpfer wiederholt glaubhaft und eindeutig angewiesen hat, zivile Opfer zu vermeiden und zivile Infrastruktur zu schonen“, mit den im UNAMA-Bericht angegebenen 11 Prozent zivilen Opfern gezielter Angriffe durch Taliban und andere Gruppen und 61 Prozent der zivilen Opfer durch Taliban und andere Gruppen bei Gefechten sowie der Rekordzahl der zivilen Opfer in Afghanistan im vergangenen Jahr 2016? Auf die Antworten zu den Fragen 1 bis 4 wird verwiesen. 6. Inwiefern stellt nach Auffassung der Bundesregierung die Serie von Gruppenvergewaltigungen durch die Taliban in der Provinz Helmand Mitte 2016 keinen gezielten Angriff auf die Zivilbevölkerung dar (www.rawa.org/temp/ runews/2016/07/31/taliban-militants-gang-rape-woman-in-helmand-officialclaims .html)? Waren dem Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière diese Fälle bekannt , als er sich äußerte, Zivilisten seien keine „Ziele“, aber „Opfer“? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 7. Wie bewertet die Bundesregierung die Situation von Frauen in den von den Taliban kontrollierten Gebieten? 8. Wie bewertet die Bundesregierung die Situation von Frauen in den von der Regierung beherrschten Gebieten? Die Fragen 7 und 8 werden zusammen beantwortet. Insgesamt hat sich die Lage der Frauen in Afghanistan seit dem Ende der Taliban- Herrschaft wesentlich verbessert. Allerdings beschränkt die konservativ-islamische afghanische Gesellschaft Frauen weiterhin in vielen Fällen in der vollen Ausübung ihrer Rechte. Die konkrete Situation von Frauen kann sich je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden. UNAMA veröffentlicht regelmäßig Berichte zur Lage der Frauen und insbesondere zu Gewalt gegen Frauen in Afghanistan, unter anderem im April 2015 den Bericht „Justice through the Eyes of Afghan Women: Cases of Violence against Women Addressed through Mediation and Court Adjudication“ (https://unama.unmissions.org/ women%27s-rights-reports). Auch der im Februar 2017 veröffentlichte Bericht „Annual Report on Protection of Civilians in armed Conflict“ (https://unama. unmissions.org/protection-of-civilians-reports) enthält Ausführungen zur Lage der Frauen in Afghanistan. Auf die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE., Bundestagsdrucksache 18/4168 vom 27. Februar 2015, insbesondere zu den Fragen 62 ff., und auf die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE., Bundestagsdrucksache 18/10364 vom 17. November 2016, insbesondere zu den Fragen 26 und 29, wird ergänzend verwiesen. 9. Wie viele Frauen sitzen in Afghanistan wegen Ehebruchs hinter Gittern, wurden nach Kenntnis der Bundesregierung gesteinigt oder ausgepeitscht? Gemäß des Berichts der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen anlässlich ihres Besuchs in Afghanistan vom 4. bis 12. November 2014 zu Gewalt gegen Frauen, deren Gründe und Konsequenzen waren Ende 2014 insgesamt 744 Frauen in Afghanistan inhaftiert; davon 428 Frauen wegen sog. „moralischer Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12274 Vergehen“, zu denen auch Ehebruch gehört. Aktuelle Zahlen oder eine detailliertere Aufschlüsselung nach Haftgrund oder Strafe liegen der Bundesregierung nicht vor. 10. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung die von RAWA dokumentierten Regeln für Bestrafungen für Frauen in Afghanistan durch die Taliban authentisch (www.rawa.org/rules.htm)? Welche anderen oder zusätzlichen Regeln und Formen der Bestrafung existieren nach Kenntnis der Bundesregierung durch die Taliban darüber hinaus? Die Bundesregierung hat keine eigenen Erkenntnisse über die von regierungsfeindlichen Kräften angewandten Regeln und Formen der Bestrafung. Nach Berichten von Nichtregierungsorganisationen und internationalen Organisationen werden grundlegende Menschenrechte durch die Taliban bewusst eingeschränkt; hierzu zählt insbesondere die Begrenzung der Bewegungsfreiheit und des Zugangs zu Bildung und medizinischer Versorgung von Frauen. In Einzelfällen werden Frauen für „unmoralisches Verhalten“ körperlich bestraft oder hingerichtet. Die von UNAMA regelmäßig veröffentlichten Berichte zur Lage der Frauen und insbesondere zu Gewalt gegen Frauen in Afghanistan enthalten Angaben zu Übergriffen regierungsfeindlicher Kräfte gegen Frauen, auch zu Einzelfällen. Auf die Antwort zu den Fragen 7 und 8 wird verwiesen. a) Wie viele Fälle solcher Bestrafungen sind der Bundesregierung seit 2014 bekannt (bitte genauer ausführen und nach Monaten, Art der Bestrafung und Region auflisten)? Auf die Antwort zu Frage 10 wird verwiesen. b) Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die Gewalt gegen Frauen, insbesondere auch die Anzahl von Morden, im Jahr 2016 zugenommen haben (www.rawa.org/temp/runews/2016/08/26/more-than-5000- cases-of-violence-against-afghan-women-recorded-in-six-months.html)? Der Bundesregierung liegen keine Zahlen über Gewalt gegen Frauen, insbesondere über die Anzahl von Morden an Frauen, vor. Nach Angaben von UNAMA gibt es keine belastbaren landesweiten Statistiken zu Gewalt gegen Frauen. Auf die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE., Bundestagsdrucksache 18/4168 vom 27. Februar 2015, insbesondere zu Frage 68, wird verwiesen. c) Inwiefern stellen diese Verfolgungen gegen Frauen keine gezielten Angriffe auf die Zivilbevölkerung durch Taliban dar? d) Sind der Bundesregierung die Hinrichtungsbilder und Videos bekannt, in denen Frauen durch Taliban wegen vermeintlichen „Ehebruchs“ hingerichtet werden (www.rawa.org/temp/runews/2016/05/07/horrific-videoshows -taliban-publicly-killing-woman-over-adultery.html)? Inwiefern sind diese Hinrichtungen als ein gezielter Angriff auf die Zivilbevölkerung zu werten? Die Fragen 10c und 10d werden zusammen beantwortet. Der Bundesregierung sind Berichte insbesondere von afghanischen Institutionen, Nichtregierungsorganisationen und Organisationen der Vereinten Nationen zu der in Afghanistan weit verbreiteten sexualisierten und geschlechtsspezifischen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12274 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Gewalt gegen Frauen bekannt. Diese ist zu unterscheiden von gezielten Anschlägen der Taliban im Rahmen des innerafghanischen Konflikts. 11. Wie schätzt die Bundesregierung die Situation von Frauen im Allgemeinen in Afghanistan ein, insbesondere vor dem Hintergrund der Berichte von massiver Gewalt gegen Frauen im ganzen Land (www.rawa.org/temp/runews/ 2016/08/26/more-than-5000-cases-of-violence-against-afghan-women-recordedin -six-months.html)? Auf die Antwort zu den Fragen 7 und 8 wird verwiesen. 12. Gibt es nach Auffassung der Bundesregierung eine weitgehende Straflosigkeit für Gewalt gegen Frauen in Afghanistan, wie es die Frauenaktivistin Veeda Saghari betont (www.rawa.org/temp/runews/2016/08/26/more-than- 5000-cases-of-violence-against-afghan-women-recorded-in-six-months.html# ixzz4aA236UTe, bitte ausführlich begründen)? Gewalt gegen Frauen, insbesondere Kinderheirat, Zwangsheirat, Vergewaltigung und häusliche Gewalt, ist durch das Gesetz zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen („EVAW-Dekret“) aus dem Jahr 2009 unter Strafe gestellt. Im Zuge der Strafrechtsreform soll der rechtliche Schutz weiter verstärkt werden, unter anderem durch eine umfassendere Definition von Vergewaltigung und vereinfachte Beweisverfahren bei erzwungenem Suizid und Zwangsprostitution. Bei der Umsetzung des EVAW-Dekrets leisten auch die Hohe Kommission zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen („EVAW High Commission“) und Zweigstellen der Kommission in den Provinzen, spezielle Polizeieinheiten („Family Response Units“), spezielle Einheiten der Generalstaatsanwaltschaft („EVAW Units“), Rechts- und Provinzabteilungen des Frauenministeriums, Frauenhäuser, Familienberatungsstellen und die Afghanische Unabhängige Menschenrechtskommission Unterstützung. Obwohl Gewalt gegen Frauen nach geltendem afghanischem Recht weitgehendend unter Strafe gestellt ist und die Polizei inzwischen entsprechend ausgebildet wird, fehlt es nach Angaben von UNAMA im Bericht über die „Umsetzung des Gesetzes zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ von Dezember 2013 (https://unama.unmissions.org/women's-rights-reports) bei der Verfolgung von Straftaten gegen Frauen allerdings – wie in der afghanischen Justiz generell – an den nötigen Ressourcen einer effektiven Strafverfolgung. Dies gilt auch in Fällen von Tötungen von Frauen durch Steinigung. 13. Existieren in Afghanistan nach Auffassung der Bundesregierung sichere Regionen für Frauen (bitte ausführen)? Pauschale Aussagen über die Sicherheitslage in einzelnen Regionen sind nicht möglich. Die Bewertung des individuellen Gefährdungsrisikos wird unter Einbeziehung sämtlicher relevanter Umstände (wie Ethnie und Herkunftsregion, Konfession , Familienstand und Herkunft) im Einzelfall vorgenommen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12274 14. Welche Strafen sieht das afghanische Recht für Ehebruch vor? 15. Zu welchem Ergebnis hat nach Kenntnis der Bundesregierung die 2013 in der afghanischen Regierung geführte Debatte geführt, Steinigung als eine Strafe für Ehebruch wiedereinzuführen (www.theguardian.com/world/2013/ nov/25/public-stoning-womens-rights-afghanistan-government-adultery)? Die Fragen 14 und 15 werden zusammen beantwortet. Gemäß Artikel 427 des afghanischen Strafgesetzes aus dem Jahr 1976 ist Ehebruch mit einer Freiheitsstrafe von fünf bis 15 Jahren zu bestrafen, wenn keine Bestrafung nach Scharia erfolgt. Zu den möglichen Scharia-Strafen gehört auch Steinigung. In der Praxis haben afghanische Gerichte in den letzten Jahren nach Angaben von UNAMA keine Scharia-Strafen für Ehebruch verhängt. Der aktuelle Reformentwurf des Strafgesetzbuches sieht eine Kürzung der Freiheitsstrafe für Ehebruch auf zwei bis fünf Jahre vor. Bei mildernden Umständen sollen auch Alternativen zur Haftstrafe gewählt werden können. Vergewaltigungsopfer sollen nicht wegen Ehebruchs angeklagt werden dürfen. 16. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung eine Straflosigkeit gegenüber der Tötung von Frauen durch Steinigung in Afghanistan (www.theguardian. com/world/2015/nov/03/afghan-woman-stoned-to-death-for-alleged-adultery)? Auf die Antwort zu Frage 12 wird verwiesen. 17. Wie viele Frauen sind nach Kenntnis der Bundesregierung in Afghanistan wegen außerehelichen Sexes inhaftiert oder hingerichtet worden? Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen. 18. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Suizidrate von Frauen in Afghanistan in den letzten zwei Jahren entwickelt? Der Bundesregierung liegen keine Angaben über die Suizidrate von Frauen in Afghanistan vor. 19. Verfügt die Bundesregierung über Kenntnisse, nach denen in naher Zukunft auch Frauen bei Sammelabschiebungen nach Afghanistan miteinbezogen werden sollen? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Für Rückführungen sind die Bundesländer zuständig. 20. Wie schätzt die Bundesregierung die Kontrolle der Regierung von Afghanistan über die verschiedenen Provinzen ein? Die Sicherheitslage in Afghanistan ist insgesamt landesweit regional unterschiedlich ausgeprägt. Sie ist derzeit in den meisten urbanen Zentren, darunter die Hauptstadt Kabul sowie die Mehrzahl der 33 weiteren Provinzhauptstädte, ausreichend kontrollierbar. Insgesamt leben dort schätzungsweise zwei Drittel der Gesamtbevölkerung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12274 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 21. Inwiefern verfolgt die Bundesregierung die Situation zurückgeschobener Geflüchteter? Nach ihrer Landung in Afghanistan werden zurückgeführte Personen von Vertretern der deutschen Botschaft, der afghanischen Grenzpolizei, der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und der psychosozialen Beratungsstelle der „International Psychological Organisation“ (IPSO) am Flughafen Kabul in Empfang genommen und betreut. Anschließend werden sie in die Obhut der afghanischen Behörden übergeben. Es besteht kein fortgesetzter Kontakt zwischen den zurückgeführten Personen und deutschen Behörden. 22. Ist der Bundesregierung bekannt, dass neben den Taliban auch mit der Regierung in Kabul verbündete Warlords und ihre Milizen massiven Terror gegen die Zivilbevölkerung ausüben (www.deutschlandfunk.de/afghanistanvom -schlaechter-zum-politiker.1773.de.html?dram:article_id=369120)? Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? 23. Welche Beziehungen pflegen die Bundesregierung oder ihre Vertreter zu sogenannten Warlords wie Hekmatyar in Afghanistan (bitte benennen, welche Warlords)? Finden regelmäßige Treffen statt, und inwiefern ist dabei die Menschenrechtslage Thema? Die Fragen 22 und 23 werden zusammen beantwortet. Der Anführer der Gruppe „Hizb-e Islami“, Gulbuddin Hekmatyar, hat am 29. September 2016 nach mehrjährigen Verhandlungen ein Friedensabkommen mit der afghanischen Regierung unterzeichnet, in der sich die Gruppe vom bewaffneten Kampf und vom Terrorismus lossagt und die afghanische Verfassung einschließlich der in ihr garantierten Menschen- und Frauenrechte anerkennt. Der zuständige Sanktionsausschuss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen hat daraufhin am 4. Februar 2017 die gegen Hekmatyar bestehenden Sanktionen aufgehoben . Die Bundesregierung begrüßt die Einigung als Signal auch an andere bewaffnete Gruppen, die Gewalt zu beenden und sich einem Friedensprozess anzuschließen . „Hizb-e Islami“ ist bereits seit längerer Zeit in Afghanistan nicht mehr im bewaffneten Kampf aktiv; die der Gruppe vorgeworfenen schweren Menschenrechtsverletzungen gegen die Zivilbevölkerung gehören vorwiegend der Zeit des Bürgerkrieges an (1989 bis 1996). Regelmäßige Treffen zwischen Vertretern der Bundesregierung und Hekmatyar oder anderen außerhalb der Regierung stehenden Anführern von Milizen („Warlords“) finden nicht statt. 24. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass 2016 23 Prozent der zivilen Opfer in Afghanistan durch Regierungskräfte , Milizen und Polizei wie auch Koalitionskräfte herbeigeführt worden sind (bitte auch für die Jahre seit Aufzeichnungsbeginn vergleichen und in die Schlussfolgerungen miteinbeziehen)? Die Bundesregierung führt keine eigenen Statistiken zu zivilen Opfern in Afghanistan . UNAMA erfasst seit 2009 systematisch Zahlen zu zivilen Opfern in Afghanistan . Für 2016 hat UNAMA festgestellt, dass 24 Prozent aller zivilen Opfer durch regierungsfreundliche Kräfte verursacht worden seien („Afghan National Defense and Security Forces“ (ANDSF) für 20 Prozent, internationale Sicherheitskräfte und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen für jeweils zwei Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/12274 Prozent). In der Nordregion Afghanistans ist die Gesamtzahl der zivilen Opfer entgegen dem afghanistanweiten Trend insgesamt um mehr als sieben Prozent zurückgegangen. Eine Beratung der ANDSF durch die internationale Militärpräsenz ist zur Vermeidung ziviler Opfer auch weiterhin erforderlich. 25. Gilt die Aussage, es gäbe sichere Orte in Afghanistan, auch für religiöse Minderheiten wie Hindus, Hasara oder Christen, und falls ja, welche Regionen sind das (bitte ausführlich begründen)? Auch für Angehörige religiöser Minderheiten gilt, dass das Gefährdungsrisiko in jedem Einzelfall unter Einbeziehung sämtlicher individueller Umstände (wie Ethnie und Herkunftsregion, Konfession, Familienstand und Herkunft) geprüft wird. Pauschale Aussagen über die Sicherheitslage in einzelnen Regionen sind nicht möglich. 26. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Haltung der afghanischen Regierung gegenüber den Hasara, Christen und Hindus? Verfügt die Bundesregierung über Kenntnisse von Repression gegen diese Gruppen? 27. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Haltung der Taliban gegenüber diesen Minderheiten? Die Fragen 26 und 27 werden zusammen beantwortet. Der Bundesregierung liegen Berichte über gesellschaftliche Diskriminierung vor. Wenngleich sich die afghanische Regierung grundsätzlich zum Schutz der Minderheiten bekennt, sind die staatlichen Autoritäten in Afghanistan nicht immer in der Lage, ihrer Schutzverpflichtung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern Afghanistans nachzukommen. Die afghanische Regierung ist sich der gesellschaftlichen Problematik im Umgang mit religiösen Minderheiten bewusst und bemüht, den Schutz von Hindus und Sikhs zu verbessern. So erklärte der afghanische Kulturminister Sadat Ende 2016 öffentlich: „Es ist tragisch, wie unsere Hindu- und Sikhbrüder über die Jahre hinweg behandelt wurden. Sie sind integraler Bestandteil unserer Geschichte und Gemeinschaft und wir arbeiten an einer Verbesserung ihrer Lebensbedingungen.“ Hindus und Sikhs haben Anspruch auf einen (gemeinsamen) Sitz im Parlament, den zurzeit eine Frau innehat. Die Taliban haben Übergriffe gegen Hindus und Sikhs und ihre Diskriminierung in Afghanistan angeprangert. Auch die schiitische Volksgruppe der Hazara ist in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert. Hazara gehören zwar der afghanischen Regierung der Nationalen Einheit an, so etwa Vize-Präsident Sarwar Daneshm, aber in der afghanischen Bevölkerung sind insbesondere bei der älteren Generation Vorurteile gegen die schiitischen Hazara noch weit verbreitet. Religiöse Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan allerdings selten . Dennoch sind in den vergangenen Jahren Hazara als Vertreter der schiitischen Minderheit in Afghanistan vereinzelt Ziel konfessionell motivierter Gewalt geworden. Insbesondere der ISKP hat im Jahr 2016 mit einem Anschlag auf eine Großdemonstration der Hazara in Kabul am 23. Juli 2016 seine feindselige Haltung gegenüber Schiiten zum Ausdruck gebracht. Ziel des ISKP ist es, ethnisch- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12274 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode religiöse Spannung in Afghanistan zu verschärfen und so das Land zu destabilisieren . Vor diesem Hintergrund wurde der Anschlag von allen politischen Akteuren in Afghanistan, auch von den Taliban, scharf verurteilt. Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Ihre Zahl kann nicht verlässlich angegeben werden, da Konvertiten sich hierzu nicht öffentlich bekennen. Sie beträgt aber wohl weit weniger als ein Prozent der Bevölkerung. Konversion wird im afghanischen Strafgesetzbuch weder definiert noch geahndet. Nach der Scharia wird Konversion jedoch als Verbrechen betrachtet, auf das die Todesstrafe steht. Nach Kenntnis der Bundesregierung wurde die Todesstrafe wegen Konversion in Afghanistan bisher nie vollstreckt . Die gesellschaftliche Einstellung zu konvertierten Christen ist allerdings weitgehend feindlich geprägt. 28. Inwiefern sind Mitglieder welcher religiösen Minderheiten bislang von Sammelabschiebungen betroffen gewesen (bitte aufschlüsseln), und falls ja, aus welchem Grund hält die Bundesregierung die Abschiebung in den entsprechenden Fällen für vertretbar (bitte ausführlich begründen)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Für Rückführungen sind die Bundesländer zuständig. 29. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Religionswissenschaftlerin und Gutachterin für britische Gerichte zu Afghanistan in Asylrechtsfällen , Friederike Stahlmann („Überleben in Afghanistan?“, in: ASYLMAGAZIN 3/2017, S. 73 ff.), wonach es angesichts der negativen ökonomischen und kriegerischen Entwicklung, angesichts von etwa 1,2 Millionen intern Vertriebenen (April 2016) bzw. über 623 000 bis Ende 2016 kriegsbedingt Vertriebenen und angesichts von über einer Million erzwungenen Rückkehrenden aus Pakistan im Jahr 2016 es selbst für Angehörige der gleichen ethnischen Gruppe nur in extremen Ausnahmefällen möglich sei, sich an einem fremden Ort niederzulassen (wenn nein, bitte begründen), und inwieweit wird das in der Praxis des Bundesamtes für Integration und Flüchtlinge (BAMF) berücksichtigt (ebd., S. 74 f.)? Eine pauschale Aussage hierzu ist nicht möglich. Die Bundesregierung geht davon aus, dass Existenzmöglichkeiten am Ausweichort von den persönlichen Umständen des Betroffenen, wie etwa dem Grad der sozialen Verwurzelung, der Ethnie , Sprachkenntnissen, beruflichen Kenntnissen oder Erfahrungen etc. sowie der jeweils aktuellen Sicherheits- und Versorgungslage vor Ort abhängig sind. Die internen Entscheidungsinstrumente des Bundesamtes für Migration zum Herkunftsland Afghanistan reflektieren diese Einschätzung. Sie berücksichtigen die aktuell schwierige sozio-ökonomische Lage in Afghanistan und gehen auch auf die spezifische Situation von Rückkehrern ein. Sie enthalten ergänzend weitere Prüfungshinweise zur Bewertung der Rückkehrsituation eines Antragstellers oder einer Antragstellerin und benennen dabei zu berücksichtigende individuelle Faktoren . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/12274 30. Was entgegnet die Bundesregierung der Kritik (a. a. O., S. 76), dass in Bescheiden des BAMF zwar anerkannt würde, dass ein Zugang zu Arbeit, Wohnraum und überlebenswichtigen Ressourcen in Afghanistan in der Regel nur über bestehende Kontakte und Netzwerke funktioniere, dass aber die Konsequenzen des Einbruchs der Wirtschaft und des massiven Anstiegs von Rückkehrenden und Binnenvertriebenen für den Zugang zu existenziellen Ressourcen vom BAMF nicht berücksichtigt würden; das traditionelle Solidarsystem in Afghanistan (Familien, Clans) habe in der Praxis „weitgehend seine Relevanz, zumindest aber seine Verlässlichkeit verloren“ (ebd., S. 78, bitte ausführen)? Die Einschätzung, dass das traditionelle Solidarsystem seine Relevanz beziehungsweise Verlässlichkeit verloren habe, wird in dieser Pauschalität von der Bundesregierung nicht geteilt. Die Autorin des Beitrags merkt selbst an, dass Zugang zu Arbeit, Wohnraum und überlebenswichtigen Ressourcen in Afghanistan in der Regel über bestehende Kontakte und Netzwerke besteht. 31. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Religionswissenschaftlerin und Gutachterin für britische Gerichte zu Afghanistan in Asylrechtsfällen , Friederike Stahlmann („Überleben in Afghanistan?“, in: ASYLMAGAZIN 3/2017, S. 73 ff.), dass die Umstände einer Rückkehr nach Afghanistan ohne Perspektive auf Arbeit oder Wohnraum angesichts von drohender Unterernährung, Obdachlosigkeit, Krankheiten und Seuchen „nicht nur für Kinder, Alte und Kranke, sondern auch für junge, gesunde Erwachsene […] lebensgefährlich“ sind (ebd., S. 77, bitte begründen), und welche Schlussfolgerungen werden in der Entscheidungspraxis des BAMF hieraus gezogen? Der Bundesregierung sind keine Hinweise dafür bekannt, dass sich die von der Autorin zitierte „Gefahr der unkontrollierten Ausbreitung von Krankheiten und Seuchen“ bisher verwirklicht hat. Im Jahr 2016 sind über 3 000 Afghanen aus Deutschland freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt. Für freiwillige Rückkehrer aus westlichen Staaten bestehen Programme, um die Reintegration zu erleichtern . So bietet IOM Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Wenngleich IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt die Organisation auch abgeschobenen Asylbewerbern Unterstützung nach ihrer Ankunft im Land. 32. Ist es zutreffend, dass die Einschätzung der ökonomischen Lage in Afghanistan durch das BAMF sich auf Daten von 2012 oder älteren Datums bezieht (ebd. S. 77, wenn nein, was ist der Fall), und inwieweit teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Annahme, zumindest alleinstehende junge gesunde Männer könnten sich ein Überleben aus eigener Kraft sichern, inzwischen „grundlegend infrage gestellt“ sei, was insbesondere auch auf Rückkehrende aus langjährigem Exil zutreffe, weil diese die Chance gehabt hätten, alternative Unterstützungsnetzwerke aufzubauen (bitte ausführen)? Es wird auf die Antwort zu Frage 29 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12274 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 33. Ist es zutreffend, dass sich in Bescheiden des BAMF die Argumentation findet , dass Familien, die ökonomisch in der Lage waren, einer Person eine Flucht zu ermöglichen, auch in Zukunft in der Lage sein werden, dieser Person zumindest ein Existenzminimum zu sichern (ebd., S. 80, wenn nein, was ist der Fall), und was folgt aus Sicht der Bundesregierung aus der Kritik (ebd.), dass diese Annahme allenfalls in Ausnahmefällen zutreffend sein kann? Begründungen zu den Einzelfallentscheidungen werden statistisch nicht ausgewertet . Die Frage nach Familienangehörigen und ihrer Möglichkeit einer Unterstützung unterliegt der Einzelfallbewertung. 34. Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahr, dass Abgeschobene oder Rückkehrer sich als einzige verbliebene Möglichkeit des Überlebens notgedrungen einer aufständischen Partei oder kriminellen Organisation in Afghanistan anschließen müssen (ebd., S. 81, bitte begründen)? Asylentscheidungen und Entscheidungen über Abschiebungen werden immer auf Grundlage einer Einzelfallprüfung getroffen, in der die Besonderheiten der individuellen Situation berücksichtigt werden. Dabei kann im Einzelfall auch die wirtschaftliche Situation der Antragsteller bei ihrer Rückkehr Berücksichtigung finden. 35. Wieso hat die Bundesregierung keine Kenntnisse darüber, dass nach Afghanistan Abgeschobene wegen ihrer mutmaßlichen Kontakte zu Angehörigen und Freunden in Europa oder wegen möglicher Ersparnisse gefährdet oder erpressbar sind (vgl. Antwort von Staatssekretärin Dr. Emily Haber vom 13. März 2017 auf die Schriftliche Frage 11 der Abgeordneten Christine Buchholz auf Bundestagsdrucksache 18/11553), obwohl solche Erkenntnisse z. B. dem Aufsatz der Religionswissenschaftlerin und Gutachterin für britische Gerichte zu Afghanistan in Asylrechtsfällen, Friederike Stahlmann („Überleben in Afghanistan?“, in: ASYLMAGAZIN 3/2017, S. 73 ff., dort S. 80) zu entnehmen sind (bei ihnen sei das Entführungsrisiko „besonders hoch“, es gebe auch Familien, die die Wiederaufnahme rückkehrender Familienmitglieder aus Sicherheitsgründen verweigerten), und welche Schlussfolgerungen werden in der Entscheidungspraxis des BAMF hieraus gezogen? Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse darüber, dass Rückkehrer wegen der bei ihnen vermuteten Geldmittel gezielt entführt würden und in höherem Maße betroffen wären als etwa Geschäftsleute. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333