Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 8. Mai 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/12291 18. Wahlperiode 10.05.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Matthias Gastel, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/11917 – Verdacht des Mautbetrugs durch Abgasmanipulation bei schweren Lkw V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Januar berichtete das Fernsehmagazin „ZDFzoom“ und „Frontal21“ über offensichtlichen Mautbetrug bei schweren Lkw. Demnach seien vor allem Lkw aus osteuropäischen Ländern mit elektronischen Bauteilen – so genannten Emulatoren – unterwegs, mit denen die Bordelektronik manipuliert werden kann und auf diese Weise der für die Abgasreinigung notwendige Betriebsstoff „AdBlue“ (ein Gemisch aus Harnstoff und demineralisiertem Wasser) eingespart wird. Nach Recherchen des ZDF-Fernsehmagazins sind 20 Prozent aller Lkw aus osteuropäischen Ländern mit Ad-Blue-Emulatoren unterwegs. Treffen die Angaben zu, handelt es sich um massive zusätzliche Stickoxidbelastungen, die mengenmäßig die erhöhten Emissionen durch den Pkw-Dieselskandal sogar um etwa das doppelte übertreffen (jährlich 14 000 Tonnen NOx zusätzlich). Mit der durch den Emulator deaktivierten Abgasnachbehandlung im SCR-Katalysator wird die Eindüsung von Harnstoff und damit folglich auch die Stickoxideliminierung eingestellt. Die Stickoxidemissionen eines auf diese Weise manipulierten Lkw entsprechen dann lediglich der Schadstoffklasse Euro 1, die Anfang der 90er-Jahre Stand der Technik waren. Durch die lediglich vorgetäuschten höheren Schadstoffklassen Euro 5 und Euro 6, die in der Lkw-Maut begünstigt sind, handelt es sich dabei auch um Mautbetrug in bisher nicht genau bezifferbarem Umfang. Der wirtschaftliche Vorteil, der durch den Mautbetrug für das Transportunternehmen je Lkw entsteht, wird auf jährlich etwa 2 000 Euro geschätzt . In dem genannten ZDF-Beitrag werden die jährlich entgangenen Lkw-Mauteinnahmen auf rund 110 Mio. Euro taxiert. Von der Bundesregierung sind bisher keine Aktivitäten bekannt, was sie zur Aufklärung und Abstellung der festgestellten Unregelmäßigkeiten unternehmen will. Im Sinne des Bundesfernstraßenmautgesetzes muss das Bundesamt für Güterverkehr bei Zuwiderhandlungen tätig werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12291 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Waren der Bundesregierung die im genannten ZDF-Beitrag (Erstausstrahlung am 18. Januar 2017) geschilderten Probleme der Abgasmanipulation bei schweren Lkw mittels so genannter Emulatoren schon vor Ausstrahlung des Beitrags bekannt? Wenn ja, was hat die Bundesregierung unternommen, um die beschriebenen Manipulationen zu unterbinden? 2. Welche eigenen Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu der Problematik gewonnen, und zu welchen Schlussfolgerungen kommt die Bundesregierung , um die Abgasmanipulation durch so genannte Emulatoren wirksam zu unterbinden? 3. Ist das Bundesamt für Güterverkehr befugt und mit entsprechend technisch geschultem Personal ausgestattet, um bei Routinekontrollen des Güterfernverkehrs die regelfonforme Funktionsweise der Abgasnachbehandlung (insbesondere SCR-Katalysator unter Verwendung von „Ad-Blue“) zu kontrollieren ? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 1 bis 3 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Bundesregierung ist der Einsatz von AdBlue-Emulatoren aus der Kontrollpraxis des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) bekannt. Das BAG kontrolliert die ordnungsgemäße Verwendung von AdBlue u. a. im Rahmen von Straßenkontrollen, bspw. im Zuge der sog. technischen Unterwegskontrollen (§ 5 Absatz 3 TechKontrollV). Auch Kontrollen, die nach der Berichterstattung stattgefunden haben, konnten die im Bericht genannten Zahlen nicht bestätigen (siehe dazu auch den Bericht von eurotransport.de vom 22. Februar 2017; www.eurotransport.de/news/adblue-emulatoren-gezielte-suche-8831895. html). Die Bundesregierung wird die Fortentwicklung entsprechender Kontrollen prüfen. 4. Ist das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) als zuständige Verwaltungsbehörde im Sinne des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), also Bußgeldbehörde , bei Zuwiderhandlungen gegen das Bundesfernstraßenmautgesetz durch Abgasmanipulationen mit Ad-Blue-Emulatoren (Mautbetrug) bisher tätig geworden? Wenn nein, warum nicht? In der Regel werden mit einer Veränderung des Schadstoffausstoßes mehrere Bußgeldtatbestände verwirklicht, etwa im Bereich des Straßenverkehrsrechts oder des Kraftfahrzeugsteuerrechts. Für die Ahndung dieser letztgenannten Verstöße sind die Behörden der Länder zuständig. Zusätzlich und unabhängig zu dem Bußgeld wird der nicht oder nicht in der erforderlichen Höhe entrichtete Mautbetrag durch das BAG in einem Verwaltungsverfahren – gegebenenfalls auch für längere Zeiträume – nachträglich festgesetzt und erhoben. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12291 5. Beabsichtigt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur als Aufsichtsbehörde das Bundesamt für Güterverkehr anzuweisen und im Sinne des Bundesfernstraßenmautgesetzes gegen den Mautbetrug durch die geschilderten Abgasmanipulationen mittels Ad-Blue-Emulatoren vorzugehen ? Wenn nein, warum nicht? Auf die Antworten zu den Fragen 1 bis 4 wird verwiesen. 6. Führt das Bundesamt für Güterverkehr als selbstständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur Kontrollen durch, bei denen die ordnungsgemäße Funktion der Abgasnachbehandlung mit SCR-Katalysatoren oder der widerrechtliche Einbau von Ad-Blue-Emulatoren überprüft wird? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, bei wie vielen Kontrollen wurden in den Jahren 2016 und 2017 Auffälligkeiten oder Manipulationen bei der Abgasnachbehandlung festgestellt ? Ja. Die vom BAG festgestellten Manipulationen bei der Abgasnachbehandlung werden bislang nicht statistisch erfasst. Eine separate Erhebung soll zukünftig erfolgen . Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 2 und 3 verwiesen. 7. Stimmt die Bundesregierung der Einschätzung zu, dass es sich bei den Abgasmanipulationen mittels Ad-Blue-Emulatoren um eklatante Verstöße gegen die Abgabengerechtigkeit, die Sicherung der Marktordnung und des Umweltrechts handelt? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung missbilligt jegliches rechtswidriges Verhalten. Auf die Antworten zu den Fragen 4 und 9 wird verwiesen. 8. Bei wie vielen Kontrollen des Bundesamts für Güterverkehr wurden in den Jahren 2016 und 2017 wiederrechtlich eingebaute so genannte Emulatoren – also elektronische Bauteile zur Beeinflussung der Bordelektronik bzw. Abgasnachbehandlung – festgestellt? Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. 9. Wie verfährt das Bundesamt für Güterverkehr bei Kontrollen, bei denen besagte Emulatoren entdeckt werden? Welche Strafen drohen dem Fahrer bzw. den verantwortlichen Transportunternehmen ? Werden im Rahmen einer Straßenkontrolle des BAG Auffälligkeiten an einem Fahrzeug festgestellt, erfolgen weitere Prüfungen in einer Fachwerkstatt. Nach Bestätigung des Verdachts einer Manipulation, z. B. an der AdBlue-Anlage, wird die Weiterfahrt bis zur Herstellung des ordnungsgemäßen Zustandes des Fahrzeuges untersagt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12291 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Technische Eingriffe, die den Tatbestand der Manipulation erfüllen, sind eine Ordnungswidrigkeit und können zum Erlöschen der Betriebserlaubnis des Fahrzeugs führen. Neben der Verhängung eines Bußgeldes, dessen Höhe sich nach dem Vergehen des Straßenverkehrsgesetzes i. V. m. dem Bußgeldkatalog und des Bundesfernstraßenmautgesetzes richtet, wird die zu wenig entrichtete Maut nacherhoben. 10. Kann die Bundesregierung auf Basis der Kontrollen des Bundesamts für Güterverkehr bestätigen, dass – wie im ZDF-Beitrag genannt – etwa 20 Prozent der im deutschen Fernstraßennetz eingesetzten osteuropäischen Lkw die Abgasnachbehandlung durch so genannte Emulatoren weitgehend deaktivieren ? Wenn ja, wie will die Bundesregierung diese Quote senken? Wenn nein, wie hoch schätzt die Bundesregierung die „Manipulationsquote“ ein, und auf welche Stichprobenergebnisse gehen die Erkenntnisse zurück? Auf die Antworten zu den Fragen 1 bis 3 und 6 wird verwiesen. 11. Wie wird der durch die Abgasmanipulation entstehende Schaden bei der Lkw-Maut (Mautbetrug durch Vortäuschung einer höheren Schadstoffklasse ) im Einzelfall verfolgt bzw. geahndet? Auf die Antworten zu den Fragen 4 und 9 wird verwiesen. 12. Mit welcher Strafe bzw. welchem Bußgeld muss ein Fahrer und das verantwortliche Transportunternehmen rechnen, wenn er mit einer durch einen Ad- Blue-Emulator deaktivierten Abgasnachbehandlung in eine Kontrolle des Bundesamts für Güterverkehr gerät? Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen. 13. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung zur Bußgeldhöhe bei Manipulation der Abgasnachbehandlung und Mautbetrug in den Nachbarländern Deutschlands vor (bitte die Bußgeldhöhe einzeln nach Land aufführen)? Die Bundesregierung hat gegenwärtig keine Kenntnisse über die Bußgeldhöhe in den Nachbarländern. 14. Wann und wie wurden die Bußgeldhöhen bei Mautbetrug in Deutschland für Fahrer und verantwortliche Transportunternehmen zuletzt angepasst, und wann ist die nächste Anpassung vorgesehen? Die Regelbußgeldsätze wurden zum 1. Juli 2015 erhöht. Zudem wurde die relative Preissteigerung für den Zeitraum ab 2005 berücksichtigt. Eine weitere Anpassung ist derzeit nicht vorgesehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12291 15. In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2016 und 2017 Lkw-Fahrer bzw. die verantwortlichen Transportunternehmen wegen Mautbetrugs durch Vortäuschung höherer Schadstoffklassen mittels Emulatoren in schweren Lkw durch das Bundesamt für Güterverkehr belangt? Genaue Angaben zur Anzahl von Ordnungswidrigkeiten und Nacherhebungsverfahren im Zusammenhang mit AdBlue-Manipulationen können nicht gemacht werden, da diese vom BAG bislang noch nicht statistisch erfasst werden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 16. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den durch diesen Betrug entstehenden Schaden für den Bund durch geminderte Einnahmen aus der Lkw-Maut? Dazu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 17. Welche zusätzlichen Stickoxidemissionen entstehen nach Schätzung der Bundesregierung durch die weitgehend deaktivierte Abgasnachbehandlung der mit Emulatoren „ausgerüsteten“ Lkw in Deutschland? Dazu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 18. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie die Polizei der Länder mit dem Problem deaktivierter Abgasnachbehandlungsanlagen mittels Emulatoren in schweren Lkw umgeht? 19. Welche Fallzahlen entsprechend manipulierter Lkw (Anzahl widerrechtlich eingebauter Emulatoren) sind der Bundesregierung aus den Ländern bekannt (bitte nach Ländern für die Jahre 2016 und 2017 aufschlüsseln)? 20. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, welche Kontrollpraxis in den Ländern derzeit existiert? In welchen Ländern wird durch die Polizei die korrekte Funktion der Abgasnachbehandlung und der Einsatz von Emulatoren überprüft? 21. Wie arbeitet das Bundesamt für Güterverkehr mit den Polizeibehörden der Länder bei der Bekämpfung der Abgasmanipulation und des daraus resultierenden Mautbetrugs zusammen? Die Fragen 18 bis 21 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Um bei den Kontrollen bestmögliche Ergebnisse zu erzielen, tauscht sich das BAG regelmäßig mit den Länderbehörden aus. Das Thema der Ad-Blue-Emulatoren soll in der Arbeitsgemeinschaft verkehrspolizeilicher Angelegenheiten weiter erörtert werden. Darüber hinaus führt das BAG mit den Polizeibehörden der Länder gemeinsame Kontrollen durch. Spezifische Daten der Länderbehörden liegen der Bundesregierung nicht vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12291 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 22. Welchen fachlichen Austausch pflegt das Bundesamt für Güterverkehr mit den Behörden osteuropäischer Staaten, um das Problem der Manipulationen bei der Abgasnachbehandlung schwerer Lkw einzudämmen? Um bei den Kontrollen bestmögliche Ergebnisse zu erzielen, tauscht sich das BAG regelmäßig mit zuständigen Behörden der osteuropäischen Nachbarländer aus. Auch hier wurde die Thematik im Rahmen einer Arbeitsgruppe erörtert und mögliche Verbesserungen besprochen, wie Manipulationen im Rahmen der sogenannten technischen Unterwegskontrolle entdeckt werden können. 23. Hält die Bundesregierung den Vorschlag des Automobilverbands ACEA, der gefordert hat, die Bewerbung, den Verkauf und den Gebrauch von Ad-Blue- Emulatoren zu verbieten, für zielführend, um Missbrauch in diesem Bereich zu unterbinden, und unterstützt sie diesen Vorschlag? 24. Wird die Bundesregierung sich bei der EU, wie bereits 2012 von der ACEA gefordert, für ein entsprechend weitreichendes Verbot der Ad-Blue-Emulatoren einsetzen? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 23 und 24 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung begrüßt ein weitergehendes Verbot (Verkaufsverbot) von AdBlue-Emulatoren, da damit die erforderlichen Eingriffsinstrumente für die Marktüberwachung geschaffen werden, so dass nicht nur die Fahrzeughalter bspw. durch den Entzug der Betriebserlaubnis belangt werden. Die Bundesregierung unterstützt den Vorschlag der EU-Kommission einer Verordnung über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (COM (2016) 31 final), mit dem in Artikel 55 eine Rechtsgrundlage für entsprechende Verkaufsverbote geschaffen werden soll. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333