Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 8. Mai 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/12295 18. Wahlperiode 10.05.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/12057 – Aktueller Sachstand zu den belgischen Atomkraftwerken Doel und Tihange (Nachfragen zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/11524) V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat am 16. Februar 2017 die Kleine Anfrage zum aktuellen Sachstand in den belgischen Atomkraftwerken Doel und Tihange eingereicht (Bundestagsdrucksache 18/11308), die die Bundesregierung am 15. März 2017 beantwortet hat (Bundestagsdrucksache 18/11524). Aus Sicht der Fragesteller besteht noch weiterer Klärungsbedarf. Das AKW Tihange ist nicht einmal 60 km von der deutsch-belgischen Grenze entfernt. Auch das AKW Doel liegt nicht viel weiter entfernt. Für das Rheinland und insbesondere für die Städteregion Aachen besteht deswegen ein starkes öffentliches Interesse an den Atommeilern. Im Sommer 2012 sind in Doel 3 und Tihange 2 mehrere tausend Ultraschallanzeigen im Grundmaterial der geschmiedeten Reaktordruckbehälter (RDB) festgestellt worden. Der RDB ist das Herzstück des Reaktors. In dem Behälter befinden sich die Brennelemente, dort entsteht die nukleare Kettenreaktion. Er ist eine von mehreren Barrieren, die das Austreten radioaktiver Stoffe verhindern sollen. Beide Atommeiler sind weiterhin in Betrieb. Ein Unfall in Belgien beträfe die Menschen in dieser Region mit als erste, wie auch eine Studie des Instituts für Sicherheits- und Risikowissenschaften an der Universität für Bodenkultur in Wien aufzeigt (vgl. Arnold et al. 2016: „Mögliche radiologische Auswirkungen eines Versagens des Reaktordruckbehälters des KKW Tihange 2“). Die Bundesregierung muss aus Sicht der Fragesteller gegenüber der belgischen Regierung die rasche Abschaltung der Pannenreaktoren fordern. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12295 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Hat die Bundesregierung mittlerweile neue Erkenntnisse zur ersten Sitzung der Deutsch-Belgischen Kommission im Juni 2017 (insbesondere zum genauen Datum, zur Tagesordnung und zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ; ggf. bitte darlegen)? Die erste Sitzung der Deutsch-Belgischen Nuklearkommission, die am 7./8. Juni 2017 stattfinden soll, ist in Vorbereitung. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 1 und 2 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Aktueller Sachstand zu den belgischen Atomkraftwerken Doel und Tihange“ auf Bundestagsdrucksache 18/11524 verwiesen. 2. Warum konkret lehnt die Bundesregierung den Vorschlag ab, einzelne Sachverständige als Unterstützung in die Deutsch-Belgische Kommission zu berufen und dabei Vorschläge aus der Region zu berücksichtigen (insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch in die Deutsch-Französische Kommission ein einzelner Sachverständiger berufen wurde)? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 2 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/11524 verwiesen. 3. Welche Gespräche haben in den letzten zwölf Monaten zwischen wem, auf welcher Ebene zwischen der Bundesregierung und belgischen Stellen zur Stilllegung der Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 stattgefunden (bitte Datum, Personen angeben und Inhalt des Gespräches bitte erläutern)? Anlässlich der Unterzeichnung des Deutsch-Belgischen Nuklearabkommens im Dezember 2016 hat Bundesumweltministerin Dr. Hendricks gegenüber dem belgischen Vizepremier- und Innenminister Jambon ihr Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, dass ihre Bitte, die beiden befundbehafteten Atomkraftwerke bis zur Klärung offener Sicherheitsfragen vom Netz zu nehmen, erfolglos blieb. In diversen Treffen, auch im Rahmen der allgemeinen internationalen Zusammenarbeit , wurde die Sicherheit der Atomkraftwerke Tihange-2 und Doel-3 wiederholt thematisiert. Im Rahmen der nun mit dem Deutsch-Belgischen Nuklearabkommen formalisierten Zusammenarbeit werden die Befunde an den Reaktoren Tihange-2 und Doel-3 weiterhin Gegenstand der Gespräche sein. 4. Wurden der Bundesregierung mittlerweile repräsentative Quellterme für das AKW Tihange durch die belgische Atomaufsicht zur Verfügung gestellt? Wenn ja, wurde das Bundesamt für Strahlenschutz bereits mit der Auswertung beauftragt, und welche Schlüsse wurden aus den Daten gezogen, oder – sofern noch keine Schlüsse gezogen wurden – bis wann ist mit dem Abschluss der Auswertung zu rechnen? Nein. Die Bundesregierung hat auf ihre Nachfragen bei der belgischen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde Federaal Agentschap voor Nucleaire Controle (FANC) zur Lieferung entsprechender Quellterme bisher noch keine Antwort erhalten. 5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der belgischen Atomaufsicht FANC, dass die Wasserstoffflocken nur als „the most likely origin of the flaw indications“ angesehen werden können (vgl. FANC 2015, S. 6. Online unter http://fanc.fgov.be/GED/00000000/4000/4027.pdf)? Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 8 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/11524 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12295 6. Teilt die Bundesregierung darauf basierend die Auffassung, dass es keinen experimentellen Nachweis darüber gibt, dass die Herkunft der Defekte tatsächlich auf Wasserstoffflocken zurückzuführen ist, und es sich somit nach wie vor um eine offene Frage handelt (bitte erläutern)? Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 8 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/11524 wird verwiesen. 7. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung zu der Frage, warum die Defekte – falls sie tatsächlich bereits bei der Herstellung vorhanden waren und nicht während des Betriebs entstanden oder zumindest gewachsen sind – nicht bei der Herstellungsprüfung entdeckt worden sind? Nach Informationen der zuständigen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde FANC ließ sich die Frage, warum die Anzeigen nicht bei der Abnahmeprüfung der Schmiederinge gefunden bzw. dokumentiert wurden, aus der vorliegenden Herstellungsdokumentation nicht mehr nachvollziehen. 8. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass eine dermaßen hohe Anzahl an Defekten, vermeintlich bei der Herstellungsprüfung, übersehen oder nicht dokumentiert worden ist? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 9. Wie kann nach Meinung der Bundesregierung auf Basis der fehlenden Dokumentation tatsächlich ein Wachstum von Defekten während des Betriebs ausgeschlossen werden? Nach Angaben der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde FANC wurden und werden die Befunde mit Ultraschallprüfungen kontrolliert. 10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der belgischen Nuklearsachverständigenorganisation Bel V, nach der die Grundlage der Basissicherheit durch Wasserstoffflocken verletzt ist („To Bel V opinion, the presence of hydrogen flaking affects the first level of defense. There is also no way to restore the required highest quality level of the fabrication that constitutes the first level of defense.” Vgl. Bel V 2015, S. 6. Online unter www.fanc. fgov.be/GED/00000000/4000/4028.pdf)? Die Bundesregierung teilt die Auffassung von Bel V in Bezug auf die erste Ebene des internationalen gestaffelten Sicherheitskonzepts (Defense in Depths Concept). 11. Wie konnte nach Meinung der Bundesregierung trotzdem eine Wiederanfahr -Genehmigung für die beiden Reaktoren erteilt werden? Am 17. November 2015 hat die zuständige belgische atomrechtliche Aufsichtsbehörde FANC ihre Entscheidung zur Sicherheit und zum Wiederanfahren der Atomkraftwerke Doel 3 und Tihange 2 bekannt gegeben. Die FANC hat ihre Entscheidung in ihrem „Final Evaluation Report 2015“ vom 12. November 2015 (www.fanc.be/GED/00000000/4000/4027.pdf) begründet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12295 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 12. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass für die Repräsentativität von Proben derselbe Stahl erforderlich ist, und dass zusätzlich gleiche Herstellungs - und Wärmebehandlungs- sowie Betriebshistorien erforderlich sind (wenn nein, bitte erläutern)? Die Entnahme von Proben aus einem zu bewertenden Stahlteil oder aus einem ähnlichen Stahlteil sind gängige Verfahren zur Prüfung der Eigenschaften eines zu bewertenden Stahlteils. Die Repräsentativität von Proben ist bei diesem Vorgehen grundsätzlich zu bewerten. 13. Welche Unsicherheiten und Risiken sieht die Bundesregierung bezüglich der Materialeigenschaften des RDB, der Versprödung und dem damit verbundenen Verhalten des Reaktordruckbehälters unter Störfallbedingungen (insbesondere mit Thermoschock)? Die Bundesregierung verweist auf die vorläufige Kurzbewertung der Reaktorsicherheitskommission (RSK) vom 13. April 2016. Im Fazit stellte die RSK fest, dass es keine konkreten Hinweise gibt, dass die Sicherheitsabstände aufgezehrt sind. Es kann aber auch nicht bestätigt werden, dass diese sicher eingehalten werden . Fragen zu Materialeigenschaften mit Bezug auf Doel 3 und Tihange 2 sowie das mögliche Verhalten der Reaktordruckbehälter sind Gegenstand von noch laufenden Beratungen der RSK. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333