Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 8. Mai 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/12296 18. Wahlperiode 10.05.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Kerstin Andreae, Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/12059 – Grenznahes Atomkraftwerk Fessenheim V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die zwei Reaktoren des ältesten noch betriebenen französischen Atomkraftwerks (AKW) Fessenheim liegen nur etwa einen Kilometer von der deutschen Grenze und rund 20 Kilometer von Freiburg entfernt. Im Umkreis von 100 Kilometern leben in Frankreich, Deutschland und der Schweiz über sieben Millionen Menschen, die voraussichtlich von einem Atomunfall in Fessenheim betroffen wären. Vor den französischen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2012 hatte der damalige Kandidat François Hollande versprochen, im Falle seiner Wahl das AKW Fessenheim sofort stillzulegen, vgl. „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 17. November 2011. Nach Amtsantritt kündigte er an, das AKW bis Ende 2016 stillzulegen , vgl. „Das Parlament“ vom 31. Dezember 2012. Anschließende Debatten um die Laufzeit des AKW und betreffende Ankündigungen der französischen Regierung verknüpften die endgültige Stilllegung Fessenheims jedoch zunehmend mit der Inbetriebnahme des AKW-Neubaus Flamanville 3 in Nordfrankreich . Mit dem am 8. April 2017 erlassenen Dekret 2017-508 der französischen Regierung zum AKW Fessenheim trat dieses Junktim nun offiziell in Kraft. Beim Neubau Flamanville 3, der ursprünglich im Jahr 2012 fertig gestellt werden sollte, kam es zu immer neuen Verzögerungen und bis heute existieren große ungelöste Probleme, vgl. „Süddeutsche Zeitung“ vom 11. Juli 2015 und die Antwort der Bundesregierung auf die Mündliche Frage 4 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl auf Plenarprotokoll 18/211, Anlage 4. Insofern ist aus Sicht der Fragesteller sehr fraglich, ob Flamanville 3 tatsächlich im Jahr 2019, wie aktuell geplant, in Betrieb gehen wird, vgl. „Badische Zeitung“ vom 8. April 2017. Mithin wird Fessenheim nach derzeitigem Stand frühestens im Jahr 2019 endgültig abgeschaltet. In Abhängigkeit vom Ausgang der bevorstehenden französischen Präsidentschaftswahlen sind jedoch auch eine Aufhebung des oben genannten Dekrets und ein langjähriger Weiterbetrieb des grenznahen Alt-AKW Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12296 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode möglich. Aus Sicht der Fragesteller ist der Weiterbetrieb von Fessenheim unverantwortlich . Sowohl zwei Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Umwelt , Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als auch ein von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in dieser Legislaturperiode in Auftrag gegebenes Gutachten identifizierten gravierende Defizite der Anlage. Aus dem anstehenden Weiterbetrieb des Alt-AKW ergibt sich Fragebedarf. Da die Bundesregierung in derartigen AKW-Sicherheitsfragen von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) gGmbH beraten wird, gehen die Fragesteller davon aus, dass die Antworten der Bundesregierung auf die nachstehenden Fragen auch die Kenntnisse der GRS umfassen. 1. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im AKW Fessenheim für die Reaktordruckbehälter -Notbespeisung nur ein einziger Flutbehälter pro Reaktorblock existiert? Nach Kenntnis der Bundesregierung ist für die Notbespeisung des Reaktordruckbehälters ein Vorratsbehälter pro Block vorhanden. 2. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im AKW Fessenheim für die Dampferzeuger-Notbespeisung nur ein einziger Vorratsbehälter pro Reaktorblock existiert? Nach Kenntnis der Bundesregierung ist für die Notbespeisung der Dampferzeuger ein Vorratsbehälter pro Block vorhanden. 3. Welche konkreten sicherheitsrelevanten Einrichtungen im AKW Fessenheim sind nach Kenntnis der Bundesregierung noch vermascht, und jeweils inwiefern (bei unvollständiger Kenntnis wird um Nennung zumindest der bekannten betreffenden Einrichtungen und ihrer Vermaschungen gebeten; es wird explizit um eine möglichst konkrete und insbesondere genauere Angabe der Einrichtungen und Vermaschungen gebeten als in der Antwort zu Frage 3 auf Bundestagsdrucksache 18/11604, nicht jedoch um eine Bewertung der Vermaschungen seitens der Bundesregierung)? Nach Kenntnis der Bundesregierung sind Vermaschungen beim Sicherheitseinspeisesystem mit dem betrieblichen Volumenregel- und Chemikalienkontrollsystem erkennbar. Außerdem werden nach Kenntnis der Bundesregierung die Stränge des Sicherheitseinspeisesystems aus einem gemeinsamen Vorratsbehälter (PTR) gespeist. Dies gilt auch für die Stränge zur Notbespeisung der Dampferzeuger aus dem gemeinsamen Vorratsbehälter (ASG). 4. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass Vermaschungen sicherheitsrelevanter Einrichtungen von erheblicher sicherheitstechnischer Bedeutung sind? Falls nein, warum nicht? Falls ja, wie rechtfertigt sie, dass sie trotz jahrzehntelanger Existenz der Deutsch-Französischen Nuklearsicherheitskommission (DFK), bei der Sicherheitsaspekte grenznaher Atomkraftwerke ein Schwerpunkt sind, Frage 3 auf Bundestagsdrucksache 18/11604 nicht genauer beantworten konnte? Die sicherheitstechnische Bewertung von Vermaschungen sicherheitsrelevanter Einrichtungen setzt eine umfassende anlagenspezifische Analyse voraus. Zuständig für die Bewertung ist die atomrechtliche Aufsichtsbehörde, die Autorité de Sûreté Nucléaire (ASN). Eine Entmaschung von redundanten Teilsystemen kann Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12296 nur dann erfolgen, wenn dem keine sicherheitstechnischen Nachteile entgegenstehen . Gleiches gilt für die Vermaschung von Teilsystemen. Zusätzlich wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 5. Hat die Bundesregierung in der Vergangenheit – sei es im Rahmen der DFK oder sei es anderweitig – versucht, nähere Erkenntnisse zu Vermaschungen sicherheitsrelevanter Einrichtungen in den grenznahen AKW Cattenom und Fessenheim zu erlangen, aber dazu von der französischen Atomaufsicht ASN keine oder nur unvollständige Auskünfte erhalten? Eine umfassende Analyse der sicherheitstechnischen Auslegungsmerkmale des Atomkraftwerks Cattenom sowie des Atomkraftwerks Fessenheim wird im Rahmen der periodischen Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt und von der zuständigen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde ASN bewertet. Ergebnisse und sich daraus ergebende Maßnahmen werden im Rahmen der Deutsch-Französischen Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Anlagen (DFK) diskutiert . 6. Wird die Bundesregierung – sei es im Rahmen der DFK oder sei es anderweitig – versuchen, weitere Erkenntnisse von der ASN zu Vermaschungen sicherheitsrelevanter Einrichtungen in den grenznahen AKW Cattenom und Fessenheim zu erlangen (falls nein, bitte begründen)? Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. 7. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung im AKW Fessenheim betriebliche Funktionen bzw. Einrichtungen, die für beide Blöcke von einem gemeinsamen Ort aus wahrgenommen oder gesteuert werden? Falls ja, um welche betrieblichen Funktionen bzw. Einrichtungen handelt es sich, und wo befinden sie sich, bzw. von wo aus werden sie gesteuert? Der Bundesregierung liegen keine Informationen zu Funktionen bzw. Einrichtungen , die blockübergreifend wahrgenommen bzw. gesteuert werden, vor. Nach Kenntnis der Bundesregierung sind gemeinsame betriebliche Systeme zur Kühlwasserreinigung vorhanden. Weiterhin sind eine gemeinsame Nutzung der Hilfsanlagengebäude sowie des Einlaufbauwerks bekannt. 8. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im AKW Fessenheim die Kühlwasservorratsbehälter („SER“) nicht für seismische Einwirkungen qualifiziert sind? Nach Kenntnis der Bundesregierung ist der Kühlwasservorratsbehälter (SER) nicht für seismische Einwirkungen qualifiziert. 9. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im AKW Fessenheim die für die Notstromversorgung vorhandenen Diesel („Groupe electrogene d’Ultime Secours, GUS“) nicht für seismische Einwirkungen qualifiziert sind? Im Rahmen der Realisierung der Maßnahmen, die aus dem durchgeführten EU Stresstest abgeleitet wurden, ist die Installation von zusätzlichen Backup-Dieseln (GUS) bis Ende 2018 vorgesehen. Diese sollen nach Kenntnis der Bundesregierung für seismische Einwirkungen qualifiziert werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12296 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im AKW Fessenheim die Druckentlastung des Containments nicht für seismische Einwirkungen qualifiziert ist? Nach Kenntnis der Bundesregierung sind die Einrichtungen der Druckentlastung des Containments nicht für seismische Einwirkungen qualifiziert. 11. Welche konkreten sicherheitsrelevanten Einrichtungen im AKW Fessenheim sind nach Kenntnis der Bundesregierung noch nicht für seismische Einwirkungen qualifiziert? Nach Kenntnis der Bundesregierung ist die Gasturbine zur diversitären Notstromversorgung nicht für seismische Einwirkungen qualifiziert. Eine Auflistung aller sicherheitsrelevanten Einrichtungen ist im EU Stresstest-Bericht für das Atomkraftwerk Fessenheim („Rapport d évaluation Complémentaire de la sûreté des installations nucléaires au regard de l’accident de Fukushima“ (https://www. asn.fr/sites/rapports-exploitants-ecs/EDF/fessenheim/) enthalten. Aus dem durchgeführten EU Stresstest sind Maßnahmen zur Verbesserung der Robustheit des Atomkraftwerks Fessenheim gegen seismische Einwirkungen abgeleitet worden, die derzeit vom Betreiber EDF umgesetzt werden. 12. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass das AKW Fessenheim nicht für das 10 000-jährige Hochwasser ausgelegt ist? Nach Kenntnis der Bundesregierung ist das Atomkraftwerk Fessenheim für ein 1 000-jähriges Hochwasser mit einer zusätzlichen Sicherheitsmarge von 15 Prozent ausgelegt. 13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass eine Auslegung für ein 1 000-jähriges Hochwasser zusätzlich mit einer Sicherheitsmarge von 15 Prozent minderwertiger ist, als eine Auslegung für das 10 000- jährige Hochwasser? Maßgebend für die Bewertung der Auslegung eines bestehenden Atomkraftwerks gegen Hochwasser ist eine sicherheitstechnische Bewertung unter Berücksichtigung der Standortcharakteristika und der dazugehörigen Unsicherheiten. Die Auslegung mit einer zusätzlichen Sicherheitsmarge für ein Ereignis mit einer größeren Wiederholungswahrscheinlichkeit kann auch dazu führen, dass ein Ereignis mit einer kleineren Wiederholungswahrscheinlichkeit beherrscht wird. 14. Worin genau bestehen nach den Kenntnissen der Bundesregierung die Unterschiede zwischen einer Auslegung für ein 1 000-jähriges Hochwasser zusätzlich mit einer Sicherheitsmarge von 15 Prozent und einer Auslegung für das 10 000-jährige Hochwasser? Oder anders gefragt, welche Angaben zu den Unterschieden bzw. zum Delta zwischen den beiden Anforderungen kann sie machen? Auf die Antwort zu Frage 13 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12296 15. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie die ASN die Abweichung der vorhandenen Hochwasser-Auslegung von einer Auslegung für das 10 000-jährige Hochwasser, mithin die Abweichung von internationalen Standards wie den WENRA Safety Reference Levels for Existing Reactors (Abschnitt T), rechtfertigt? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 16. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass das AKW Fessenheim explizit gegen den Absturz eines zivilen Kleinflugzeugs der Größenordnung einer Cessna ausgelegt wurde? Nach Kenntnis der Bundesregierung ist das Atomkraftwerk Fessenheim gegen den Absturz kleiner Zivilflugzeuge ausgelegt. 17. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im AKW Fessenheim für die Not- und Nachkühlkette weiterhin keine diversitäre Wärmesenke (für die Störfallbeherrschung, also Sicherheitsebene 3) zur Verfügung steht? Nach Kenntnis der Bundesregierung steht für die Nachkühlkette des Neben- und Zwischenkühlwassersystems (RRI und SEB) keine diversitäre Wärmesenke zur Verfügung. 18. Welche konkreten Merkmale der bereits existierenden Auslegung des AKW Fessenheim sind aus Sicht der Bundesregierung sicherheitstechnisch besonders relevant (es wird um Angabe konkreter Auslegungsmerkmale gebeten, mithin explizit um konkretere Angaben als in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 12 auf Bundestagsdrucksache 18/11604)? Die Bewertung der sicherheitstechnischen Bedeutung vorhandener Auslegungsmerkmale setzt eine umfassende sicherheitstechnische Analyse voraus. Hierfür sind Detailkenntnisse notwendig, die nur der zuständigen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde ASN vorliegen. 19. Welche konkreten Auslegungsmerkmale des AKW Fessenheim wurden in dieser Wahlperiode von ihr gegenüber der französischen Atomaufsicht ASN und/oder der französischen Regierung in besonderem Maße thematisiert? In dieser Wahlperiode wurden die Realisierungen der Maßnahmen aus dem EU Stresstest thematisiert. Darüber hinaus thematisiert die Bundesregierung gegenwärtig die Folgen der aufgedeckten Unregelmäßigkeiten in der Herstellungsdokumentation sowie festgestellter Inhomogenitäten von großen Schmiedestücken für französische Atomkraftwerke, hier speziell für das Atomkraftwerk Fessenheim . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333