Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 8. Mai 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/12327 18. Wahlperiode 10.05.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kathrin Vogler, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/12056 – Situation der Zivilbevölkerung in Mossul V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Anti-IS-Koalition will den IS in Mossul, seiner ehemaligen Hochburg im Irak, mit dem seit letztem Herbst laufenden militärischen „Sturm auf Mossul“ besiegen. Deutschland ist politisch, militärisch und wirtschaftlich in diese Offensive involviert. Die Zivilbevölkerung in der Stadt ist gefangen zwischen den Fronten des IS und der Anti-IS-Koalition. Am Sonntag, dem 20. Februar 2017, kündigte der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi an, die seit Herbst letzten Jahres laufende Militäroffensive gegen den IS zur Rückeroberung Mossuls trete in ihre zweite Phase; man beginne nun damit, West-Mossul von der Vorherrschaft des IS zu befreien (19. Februar 2017, www.iraqinews.com/iraq-war/abadi-offensive-west-mosul/). Mossul gilt als letzte IS-Hochburg im Irak. Von Mitte Oktober 2016 bis Ende Januar 2017 hatten die irakische Armee, verbündete Milizen und kurdische Peshmerga darum gekämpft, den Ostteil Mossuls unter ihre Kontrolle zu bringen; sie wurden dabei von der westlichen Anti-IS-Koalition unterstützt, die sich bis Mitte Januar mit 558 Luftangriffen an diesem Waffengang beteiligte (24. Januar 2017, www.inherentresolve.mil/News/News-Releases/Article/1058304/iraqi-governmentannounces -liberation-of-eastern-mosul/). Nach offiziellen Angaben gilt der Ostteil der Stadt seit dem 24. Januar 2017 zwar als „befreit“ (24. Januar 2017, www.inherentresolve.mil/News/News- Releases/Article/1058304/iraqi-government-announces-liberation-of-easternmosul /), kann aber keineswegs als sicher bezeichnet werden. Die Lage in Ost- Mossul ist weiterhin prekär, und aus der Sicht der Fragesteller deutet alles darauf hin, dass der IS sich immer noch in Ost-Mossul befindet. Bereits am 1. Februar 2017 wurde der IS erneut in sieben Stadtteilen aktiv, elf Menschen starben in den Vierteln, die kürzlich erst zu „befreiten Zonen“ erklärt worden waren (1. Februar 2017, http://derstandard.at/2000051937966/Elf-tote-Zivilisten-bei- IS-Beschuss-in-Mossul?). Die Situation der aus Ost-Mossul Geflüchteten ist nach UN-Angaben weiterhin dramatisch. Ihre Zahl war nach Beginn der „Offensive“ im Oktober 2016 sprunghaft auf 217 000 Menschen angestiegen (19. Februar 2017, Pressemitteilung des UNHCR). Inzwischen sind 57 000 Flüchtlinge wieder nach Ost- Mossul zurückgekehrt. Verschiedene UN-Organisationen hielten es von Beginn Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12327 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode an für eine fatale Strategie, dass die irakische Regierung die Bevölkerung aufgefordert hatte, in der Stadt zu bleiben und auf die Befreiung zu warten, statt zu fliehen (4. Januar 2017, www.heise.de/tp/features/Mosul-Tausende-fluechtenvor -dem-Haeuserkampf-3588549.html). Amnesty International berichtete Ende März 2017, dass auch die irakische Regierung die Bevölkerung Mossuls dazu aufgefordert hatte, nicht ihre Häuser oder vermeintlich sichere Orte zu verlassen . Zahlreiche Augenzeugen erklärten, dass während der Luftangriffe, bei denen hunderte Zivilisten getötet wurden, IS-Kämpfer sich in der Nähe der zerstörten Häuser aufhielten (28. März 2017, www.amnesty.org/en/latest/ news/2017/03/iraq-civilians-killed-by-airstrikes-in-their-homes-after-they-weretold -not-to-flee-mosul/). Nach den Kämpfen ermittelten die UN, dass insgesamt 1 096 Bewohner Mossuls seit Beginn der Angriffe im Oktober 2016 getötet wurden (31. Januar 2017, www.bbc.com/news/world-middle-east-37702442), nach Angaben eines Mitarbeiters des irakischen Zivilschutzes sollen es sogar 3 000 Tote sein (www.tagesschau.de/ausland/mossul-301.html). Nach Angaben des Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA) gab es insgesamt 1 341 Schwerverletzte, darunter 30 Prozent Frauen und Mädchen, 9 Prozent der Schwerverletzten sind unter fünf Jahre alt (31 Januar 2017, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int-/files/resources/iraqhumanitariansnapshot_ january2017_draft_final.pdf). Darauf, dass für diese Opfer nicht nur der IS und/oder die Bomben der Anti-IS-Koalition verantwortlich sind, weisen Berichte hin, die irakische Regierungskräfte in Militär- und Polizeiuniformen bei Folterungen und Misshandlungen von zum Teil jugendlichen Verdächtigen bzw. Gefangenen in Ost-Mosul zeigen (19. Februar 2017, www.theguardian. com/world/2017/feb/19/violent-videos-threaten-iraqi-campaign-mosul). Die UN zitieren die Organisation Human Rights Watch, wonach zwischen November 2016 und Februar 2017 die irakische Armee, verbündete Milizen und kurdische Peshmerga in Ortschaften um Mossul Wohnhäuser und zivile Infrastruktur geplündert, beschädigt und angezündet hätten, ohne dass es eine militärische Notwendigkeit für diese Verwüstungen gegeben habe (16. Februar 2017, http://reliefweb.int/report/iraq/iraq-looting-destruction-forces-fighting-isis). Der westliche Teil von Mossul, in dem sich auch die Altstadt befindet, ist kleiner als der östliche, aber viel dichter besiedelt. Die Gassen sind so schmal, dass weder Panzer noch Humvees hindurch fahren können. In West-Mossul werden 750 000 Menschen vermutet (31. Januar 2017, www.bbc.com/news/worldmiddle -east-37702442), die sich unter Kontrolle des IS befinden. Die UN haben seit Monaten keinen Zugang zu diesen Bezirken. Die irakische Nachrichtenplattform „Niqash“ berichtet, dass die Bewohner ihre Möbel und Kleidung verbrennen, um kochen zu können (1. Februar 2017, www.niqash.org/en/ articles/security/5534/). Die UN-Koordinatorin der humanitären Hilfe im Irak, Lise Grande, geht davon aus, dass in den kommenden Wochen ein Großteil der Menschen versuchen wird, aus der Stadt zu fliehen. Denn in den dichtbebauten Wohnvierteln sind die Zivilisten den Kämpfen schutzlos ausgeliefert (30. Januar 2017, www.spiegel.de/politik/ausland/islamischer-staat-in-mossul-dasschlimmste -kommt-erst-noch-a-1132054.html). Die Sprecherin des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Ravina Shamdasani, verweist auf die hohe Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung durch die alliierten Bombenangriffe auf Ost-Mossul und fordert ein komplettes Verbot von Luftangriffen über West-Mossul (24. Januar 2017, www.businessinsider.com/r-un-says-mosul-airstrikes -kill-civilians-2017-1). Das Leid der Zivilbevölkerung in Mossul löst in Deutschland keine öffentliche Debatte aus, die dem Ausmaß dieser humanitären Katastrophe nach Ansicht der Fragesteller angemessen wäre. Seit Januar 2015 betreibt die Bundeswehr „Ausbildungsunterstützung“ für „Sicherheitskräfte der Regierung der Region Kurdistan-Irak und der irakischen Streitkräfte“, die sie u. a. im Häuserkampf anleitet (Bundestagsdrucksache 18/10820). Zudem rüstete die Bundeswehr die kurdischen Peshmerga, die beim Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12327 „Sturm auf Mossul“ mitkämpfen, mit Milan-Panzerabwehrraketen, Panzerfäusten , mehreren tausend Sturmgewehren und P1-Pistolen sowie mehreren Millionen Schuss Munition aus. Darüber hinaus erhielten die Peshmerga gepanzerte Dingo-Truppentransporter, Funkgeräte, Nachtsichtgeräte und Zelte im Wert von 70 Mio. Euro (18. Oktober 2016, www.welt.de/print/welt_kompakt/ article158845362/Deutschlands-Beteiligung-an-der-Offensive.html; 18. September 2014, www.welt.de/politik/deutschland/article132390811/Waffendepotfuer -die-Kurden-liegt-in-Mecklenburg.html). 1. Wie bewertet die Bundesregierung die humanitäre Lage im Irak, insbesondere in Mossul? Die humanitäre Lage in der Republik Irak ist wesentlich geprägt durch kriegerische Auseinandersetzungen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf irakischem Staatsgebiet. IS übte und übt in seinem Machtgebiet eine Terrorherrschaft aus, die einhergeht mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Folter und Mord sowie ethnisch-religiös basierten Vertreibungen, was zu einer signifikanten Verschlechterung der humanitären Lage in weiten Landesteilen des Irak geführt hat. Laut den Vereinten Nationen sind elf Millionen Menschen in der Republik Irak auf humanitäre Hilfe angewiesen, davon etwa drei Millionen Vertriebene. In Irak leben zudem etwa 237 000 Flüchtlinge aus Syrien. Seit Beginn der Militäroffensive in Mossul wurden von den Vereinten Nationen mehr als 433 000 Neu-Vertriebene registriert, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Demgegenüber sind mehr als 97 000 Menschen inzwischen wieder in ihre Heimat im Mossul- Korridor und nach Ost-Mossul zurückgehrt. Die Vereinten Nationen schätzen, dass sich gegenwärtig noch etwa 450 000 Menschen in den westlichen Stadtgebieten befinden. IS-Kämpfer plündern noch vereinzelt vorhandene Lebensmittelbestände der lokalen Bevölkerung für die eigenen Ressourcen. Zivilpersonen werden zudem an einer Flucht aus den von IS besetzten Stadtgebieten gehindert, um den Irakischen Sicherheitskräften (ISF) und ihren Verbündeten das weitere Vordringen zu erschweren. 2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung insbesondere über die humanitären Folgen der „Operation Inherent Resolve“ für die Zivilbevölkerung in Mossul? Zur humanitären Lage der Bevölkerung in Folge der IS-Herrschaft in Mossul wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Die Operation „Inherent Resolve“ der internationalen Anti-IS-Koalition ist wichtiger Bestandteil der Bemühungen, die von der Terrorherrschaft des IS betroffenen Zivilisten zu befreien. 3. Welche militärischen und zivilen Quellen nutzt die Bundesregierung für ihre aktuellen Lageeinschätzungen zur Situation der Zivilistinnen und Zivilisten in Mossul? Zu den zivilen Quellen der Bundesregierung gehören zum Beispiel die Berichte der Internationalen Organisation für Migration (IOM), dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR), dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) sowie Berichte des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Ergänzend werden Berichte und Einschätzungen von vor Ort tätigen Vertretern lokaler und internationaler Hilfsorganisationen herangezogen. Darüber hinaus steht die Bundesregierung über ihre bilateralen und multilateralen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12327 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode militärischen Verbindungselemente im engen Austausch mit Vertretern der irakischen Streitkräfte und der internationalen Anti-IS-Koalition. 4. Wie bewertet die Bundesregierung das militärische Gebaren der mit deutschen Waffen unterstützten Peschmerga-Kämpfer bzw. -Kämpferinnen im Kampf um Mossul, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Kurdische Peschmerga haben in der Anfangsphase der im Oktober 2016 begonnenen Offensive im Raum Mossul ihre Frontlinie nördlich, nordöstlich und östlich von Mossul in Richtung der Stadt verschoben und dort eine neue Verteidigungslinie errichtet. Die Kampfhandlungen zur Befreiung des Stadtgebietes selbst werden durch Kräfte der Irakischen Sicherheitskräfte und ihrer Verbündeten – nicht durch Peschmerga – vorgenommen. 5. Inwiefern hält die Bundesregierung eine Unterzeichnung einer Endverbleibserklärung durch eine Bürgerkriegspartei für hinreichend, um die unkontrollierte Weiterverbreitung gelieferter Waffen zu verhindern, und welche Sanktionsmöglichkeiten gibt es bei Verstößen? Seitens der Bundesregierung gelieferte Waffen sind an Endverbleibserklärungen gebunden. Mit ihrer Unterzeichnung verpflichtet sich die kurdische Regionalregierung die gelieferten Waffen ausschließlich im Kampf gegen den IS anzuwenden . Diese Verpflichtung ist damit die notwendige Grundlage für die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit Irak im Kampf gegen den IS. Die kurdische Regionalregierung ist sich dessen bewusst. Konkrete Hinweise auf Missbrauch oder Nichteinhaltung der Verpflichtung über den Endverbleib nimmt die Bundesregierung sehr ernst und geht ihnen durch Kontaktaufnahme mit den zuständigen Regierungsstellen sowie durch eigene Untersuchungen nach. 6. Hat die Bundesregierung jemals Sanktionen bei einem Verstoß gegen die Vereinbarungen zur Weiterverbreitung von Rüstungsgütern angewendet, und wenn ja, welche, und gegen wen? Entsprechend den Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern wird ein Empfängerland, das entgegen einer abgegebenen Endverbleibserklärung den Weiterexport von Kriegswaffen oder kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern genehmigt oder einen ungenehmigten derartigen Export wissentlich nicht verhindert hat oder nicht sanktioniert, bis zur Beseitigung dieser Umstände grundsätzlich von einer Belieferung mit weiteren Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern ausgeschlossen. Empfänger, die entgegen einer abgegebenen Endverbleibserklärung erhaltene sonstige Rüstungsgüter ohne vorherige Zustimmung der Bundesregierung re-exportieren oder weitergeben, werden bis zur Klärung dieses Sachverhalts bei künftigen Anträgen einer besonders kritischen Prüfung unterzogen. Sofern der Endverbleib bei diesem Empfänger nicht hinreichend gesichert erscheint, können künftige Anträge auf Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen abgelehnt werden. Zu den Umständen und Einzelheiten abgelehnter Ausfuhranträge von Rüstungsexportvorhaben erteilt die Bundesregierung unter Verweis auf die Entscheidung des BVerfG vom 21. Oktober 2014 (Az: 2 BvE 5/11) grundsätzlich keine Auskunft. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12327 7. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die an die Bodentruppen der Peschmerga gelieferten Bundeswehrwaffen im Verlauf der Kämpfe in Mossul nicht von Terrorgruppen erbeutet und gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 4, 5 und 6 verwiesen. 8. Welche Aufgaben soll der von der Bundesregierung gemeinsam mit dem US-Verteidigungsministerium beauftragte „military contractor“ Janus Global Operations (bis 2016: Sterling Global Operations), der u. a. im Irak Ölförderanlagen militärisch absichert (21. Juli 2016, www.prnewswire.com/ news-releases/janus-global-operations-to-provide-security-risk-managementin -iraq-for-major-international-oil-company-300302111.html), in Kuwait nationale und US-Munitionsdepots verwaltet (http://kwt.jobs/janus-globaloperations -llc/careers/?) und in Somalia, Mozambik, Libyen und Uganda mit eigenem Personal Krisenlagen absichert (10. Mai 2016, www.bloomberg. com/features/2016-uganda-mercenaries/), in Mossul übernehmen? Die Bundesregierung unterstützt im Irak gemeinsam mit dem amerikanischen Außenministerium (nicht mit dem US-Verteidigungsministerium) Minen-/Sprengfallenräumung durch den privatwirtschaftlichen Dienstleister Janus Global Operations LLC, Reston (USA). Die Beauftragung bezieht sich ausschließlich auf die Stadt Ramadi der Provinz Anbar. 9. Was weiß die Bundesregierung über das Vorgehen irakischer und kurdischer Sicherheitskräfte, unter den zurückgekehrten Flüchtlingen in Ost-Mossul und in den Flüchtlingslagern rund um Mossul nach „verdächtigen“ Männern (2. Februar 2017, www.hrw.org/news/2017/02/02/iraq-men-fleeing-mosulheld -secret) und „fanatisierten Kindern“, darunter 9- bis 12-Jährige (10. Januar 2017, www.deutschlandfunk.de/kampf-um-mossul-alles-was-zurueckbleibtist -zerstoerung.1773.de.html?dram:article_id=375987) zu suchen, diese zu verhaften und an unbekannten Orten zu internieren sowie über den Verbleib und die aktuelle Verfassung dieser Menschen? Nach Kenntnis der Bundesregierung führen die irakischen Sicherheitsbehörden ein Sicherheitsscreening durch, um unter den Vertriebenen mutmaßliche IS- Kämpfer ausfindig zu machen. Bei den Screenings als verdächtig identifizierte Personen werden der irakischen Justiz übergeben. Die Bundesregierung betont in ihren Gesprächen mit der irakischen Regierung und der irakisch-kurdischen Regionalregierung stets, dass die unter dem Verdacht einer IS-Mitgliedschaft stehenden Personen Verfahren zugeführt werden müssen, die rechtsstaatlichen Prinzipien genügen. 10. Hält die Bundesregierung die Anfang Februar 2017 vom Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller, angekündigte Summe von 50 Mio. Euro zur Unterstützung der Menschen in und um Mossul (2. Februar 2017, www.bmz.de/de/presse/aktuelleMeldungen/ 2017/februar/170202_pm_013_Wiederaufbau-und-Mossul-Hilfe- Entwicklungsminister-reist-in-den-Irak/index.html) für ausreichend? Die Bundesregierung engagiert sich umfassend, um zur Deckung der von den Vereinten Nationen aufgezeigten Bedarfe beizutragen. Mit der vom Bundesminister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller, bereitgestellten Summe von 47 Mio. Euro wurden im Rahmen der Übergangshilfe des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mittelfristige Unterstützungsmaßnahmen für die Versorgung der Men- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12327 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode schen aus Mossul in besonders betroffenen Regionen eingeleitet. Insgesamt wurden in 2016 entwicklungspolitische Maßnahmen in Höhe von 325 Mio. Euro im Irak umgesetzt, ein Großteil davon zur Stabilisierung von Regionen, die besonders viele Geflüchtete aus Mossul aufgenommen haben. Schwerpunkt der vom Auswärtigen Amt bereitgestellten humanitären Hilfe der Bundesregierung in Höhe von 100 Mio. Euro im Jahr 2017 ist die Versorgung der im Zuge der Mossul-Offensive Vertriebenen, Rückkehrer und zurückgebliebenen Menschen in befreiten Gebieten. Die Bundesregierung unterstützt mit diesen Mitteln landesweite Programme von Organisationen der Vereinten Nationen wie dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), dem Welternährungsprogramm (WFP), der Internationalen Organisation für Migration (IOM), dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) in großem Umfang, die laufende Maßnahmen nach Mossul umgeschichtet haben. Der Bedarfsplan der Vereinten Nationen für Mossul in Höhe von 284 Mio. Euro konnte zu 97 Prozent gedeckt werden. Für das Jahr 2017 sind weitere substantielle Beiträge für die Stabilisierung und den Wiederaufbau von Mossul und die Unterstützung der Geflüchteten aus Ost- und West-Mossul geplant. a) Nach welchen Kriterien wurde diese Summe berechnet? Die Planung von Unterstützungsmaßnahmen für Mossul orientiert sich an den von irakischen Partnern geäußerten Bedarfen und Prioritäten vor Ort. Die 47 Mio. Euro wurden in Regionen eingesetzt, die besonders viele Geflüchtete aus Mossul aufnehmen. b) Warum hält es die Bundesregierung für angemessen, ca. fünfmal so viel für den bundesdeutschen Militäreinsatz im Rahmen der Operation Inherent Resolve auszugeben wie für die die Hilfsleistungen „für die Menschen in und um Mossul“? Die internationale Anti-IS-Koalition, der auch die Bundesregierung angehört, verfolgt einen umfassenden Ansatz bei der Bekämpfung von IS, der auf ein Zusammenwirken aller dabei eingesetzten Elemente zielt, weshalb diese in ihrer Bedeutung nicht singulär erfassbar sind. c) Für welche konkreten Maßnahmen verwendet die Bundesregierung das zur Verfügung gestellte Geld aus dem Entwicklungsetat, und von wem (Bundesregierung oder Dritte) sollen diese ausgeführt und kontrolliert werden? Mit den zusätzlich bereitgestellten 47 Mio. Euro im Rahmen der Übergangshilfe wurden, eingebunden in das bereits existierende entwicklungspolitische Engagement , Unterstützungsmaßnahmen in den Bereichen Beschäftigung, Bildung, Gesundheit und Wasserversorgung sowie die Beschaffung von mobilen Gütern wie Krankenwagen und Wassertankwagen eingeleitet. Zu den konkreten Maßnahmen gehören unter anderem: Einrichtung eines besonders auf Frauen ausgerichteten Sozial-Zentrums und eines Ausbildungszentrums im Debaga Camp südlich von Erbil – das Sozial- Zentrum bietet psychosoziale Betreuung und soziale Aktivitäten (Schulungen , Alphabetisierungskurse, Englischunterricht), im Ausbildungszentrum werden handwerkliche Grundkenntnisse vermittelt. Von diesen Maßnahmen profitieren etwa 2 000 Menschen; Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12327 Übergabe von sieben Wasserwagen und zwei Abwasserwagen; Kauf von 600 Wassertanks (Fassungsvermögen jeweils 5 000 Liter) und Installation von 300 öffentlichen Wasserstellen zur Versorgung von bis zu 150 000 Menschen pro Tag. Die Installation (in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen vor Ort) in den Camps – vor allem in der Provinz Ninewa – ist abgeschlossen; Beschaffung von fünf Großraumzelten; Übergabe von 14 voll ausgestatteten Krankenwagen und von drei Personenkraftwagen zum Krankentransport; Instandsetzung von Wasserstationen und Gesundheitszentren für 80 000 Menschen – mehr als 10 000 Menschen profitieren von cash-for-work-Maßnahmen an öffentlichen Gebäuden; Psychosoziale Unterstützung für 23 400 Kinder, Basisbildung in sicheren Lernzonen für 64 000 Kinder. Diese Maßnahmen wurden und werden durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sowie UNICEF und UNDP umgesetzt. 11. Welche allgemeinen Vorbereitungen werden durch und in Kooperation mit der Bundesregierung getroffen, um die Zivilgesellschaft im (ehemaligen) Einflussgebiet der Terrororganisation IS im Irak und speziell in Mossul in den friedlichen Wiederaufbau einzubeziehen? Die von der Bundesregierung finanziell unterstützte und in den Provinzen mit ISbefreiten Gebieten (einschließlich der Stadt Mossul) operierende UNDP-Stabilisierungsfazilität „Funding Facility for Stabilization“ bindet zivilgesellschaftliche Akteure in ihre Arbeit ein. Die Bundesregierung fördert ferner durch IOM ein Vorhaben zur Entwicklung einer bürgernahen Polizei, um die Zusammenarbeit zwischen Gemeindevertretern und der lokalen Polizei zu stärken. 12. Hat die Bundesregierung Kenntnisse, inwiefern im Hinblick auf Trauma-Bearbeitung und Deeskalationsarbeit Expertinnen und Experten (Lehrerinnen und Lehrer, Ärztinnen und Ärzte, Psychologinnen und Psychologen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter usw.) in Mossul mit in den Prozess des Wiederaufbaus einbezogen werden? Die von der Bundesregierung finanziell unterstützte und in Mossul operierende UNDP-Stabilisierungsfazilität „Funding Facility for Stabilization“ führt unter anderem Maßnahmen im Bereich Versöhnung und soziale Kohäsion durch, die deeskalierende Wirkungen haben. Die übergeordneten Ziele des von der Bundesregierung unterstützten und von den Vereinten Nationen koordinierten Humanitären Hilfsplans für 2017 priorisieren auch den Schutz und die psychologische Unterstützung der Menschen aus Mossul, die von Krieg und Gewalt traumatisiert sind. Dabei werden Experten und Psychologen eingesetzt, die gemeindebasiert in Gruppen oder auf individueller Basis psychologische Unterstützung und Reintegrationsaktivitäten, spezifische Betreuung von Kindern, Opfer sexueller Gewalt und Menschen mit Behinderung, psychosoziale Unterstützung und Ausbildung von Schutzmechanismen leisten können. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12327 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 13. Beteiligt sich die Bundesregierung an der Aufstockung des Budgets des „World Food Programs“ für die mehr als 1,4 Millionen vertriebenen Irakerinnen und Iraker, welches im Januar um die Hälfte gekürzt worden war (28. Januar 2017, http://ffm-online.org/¬2017/01/28/welternaehrungsprogrammhalbiert -lebensmittelrationen-fuer-irakische-fluechtlinge/), und wenn ja, in welcher Höhe? Die Bundesregierung unterstützt das „World Food Programme“ (WFP) Irak mit einer mehrjährigen Förderung von bisher 28 Mio. Euro im Jahr 2017 und 4,4 Mio. Euro im Jahr 2018. 14. Welche Informationen hat die Bundesregierung über die Anzahl und den Verbleib der seit Oktober 2016 aus Mossul geflüchteten Menschen, und wie bewertet die Bundesregierung die aktuelle Versorgungslage der Geflüchteten ? Seit Beginn der Militäroffensive zur Befreiung Mossuls wurden mehr als 433 000 Neu-Vertriebene registriert. Durch die gleichzeitig zunehmende Rückkehrbewegung sind Ende April 2017 noch etwa 334 000 Vertriebene registriert. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind 81 Prozent der Vertriebenen in Notlagern beziehungsweise Auffangstellen untergebracht, etwa 18 Prozent in privaten Unterkünften und ein Prozent in improvisierten Unterkünften. Für weitere 35 000 Menschen stehen Notunterkünfte bereit; zusätzliche Flächen zur Erweiterung bestehender und Errichtung neuer Lager werden laufend in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und der irakischen Regierung erschlossen. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 15. Wie setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass die rund 3 000 vom IS als Geiseln genommenen Jesidinnen und Jesiden aus Mossul (10. Januar 2017, www.deutschlandfunk.de/kampf-um-mossul-alles-was-zurueckbleibt-istzerstoerung .1773.de.html?dram:article_id=375987) und alle anderen Gefangenen des IS vor Angriffen geschützt werden und unversehrt bleiben? Die Befreiung aller von IS als Geiseln genommenen Personen ist ein prioritäres Ziel des Gesamtengagements der Anti-IS-Koalition, das auch die Bundesregierung ausdrücklich mitträgt. Die Bundesregierung setzt sich in diesem Zusammenhang als Mitglied der Anti- IS-Koalition im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die Vermeidung ziviler Opfer ein und plädiert etwa bei Luftoperationen der Anti-IS-Koalition, einen strengen Maßstab bezüglich der Zielauswahl, den Planungen zum Waffeneinsatz sowie der Waffenwahl (jeweils ohne Beteiligung der Bundeswehr) anzulegen. Darüber hinaus ist die Beachtung der Vorgaben des humanitären Völkerrechts für alle Mitglieder der Anti-IS-Koalition verpflichtend. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/12327 16. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, dass die US-geführte Koalition die Zahl der Militärberater für Mossul auf 450 aufstocken will (4. Januar 2017, www.zeit.de/news/2017-01/04/usa-us-gefuehrte-koalition-stocktzahl -der-militaerberater-fuer-mossul-auf-450-auf-04212818)? a) Welche Nationalität haben diese Militärberater? b) Was ist ihre Qualifikation? c) Wem sind sie unterstellt? d) Was ist ihre Aufgabe? Die Beantwortung der Frage ist gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) als „VS-Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und wird als separater Anhang verschickt.* 17. Angesichts der in der Vorbemerkung der Fragesteller geschilderten Menschenrechtsverletzungen und Zerstörungen, hat sich die Bundesregierung davon distanziert, dass der Kommandeur der Anti-IS-Koalition, US-General Stephen Townsend, den Einsatz „der Armee, der Polizei und der Milizen“ zur Befreiung von Mossul ausdrücklich gelobt hat (19. Februar 2017, www.heute.de/zdf-korrespondent-uli-gack-zur-offensive-auf-west-mossul- 46589660.html), bzw. bemüht sich die Bundesregierung, den geschilderten Übergriffen der Mitglieder der „Anti-IS-Koalition“ nachzugehen und sie juristisch zur Verantwortung zu ziehen? Der Bundesregierung sind die Aussagen von General Townsend zum Einsatz der Irakischen Sicherheitskräfte bekannt; sie geht davon aus, dass die irakischen Sicherheitskräfte im Kampf gegen den terroristischen Gegner IS die entsprechenden völkerrechtlichen Gebote und Normen einhalten. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 15 verwiesen. 18. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass der IS bewusst Zivilistinnen und Zivilisten als „menschliche Schutzschilde“ benutzt und auch Luftangriffe auf zivile Ziele provoziert? Gemäß dem vorliegenden Lagebild kann nach Einschätzung der Bundesregierung davon ausgegangen werden, dass die Terrororganisation IS in ihrem Herrschaftsbereich einen möglichen Tod von Zivilisten in ihre militärischen Überlegungen bewusst einkalkuliert, nicht zuletzt, um die Bemühungen der internationalen Anti-IS-Koalition um die Befreiung der Zivilbevölkerung im Raum Mosul zu diskreditieren und zu erschweren. 19. Welche Position bezieht die Bundesregierung zu weiteren Luftangriffen der Anti-IS-Koalition? Zu hypothetischen Fragen nimmt die Bundesregierung grundsätzlich nicht Stellung . * Das Auswärtige Amt hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12327 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 20. Unterstützen Bundeswehrkräfte die Luftangriffe der Anti-IS-Koalition, und wenn ja, durch welche militärischen Maßnahmen erfolgt diese Unterstützung ? Deutschland unterstützt die Operation „Inherent Resolve“ auf Grundlage des Bundestagsmandats vom 10. November 2016 mit derzeit sechs Aufklärungstornados , einem Luftbetankungsflugzeug und Stabspersonal. Deutschland beteiligt sich zudem an der Unterstützung der NATO für die internationale Anti-IS- Koalition mit Personal an NATO-AWACS-Luftraumüberwachungsflügen. 21. Was schlägt die Bundesregierung vor, wie sich die Menschen in West- Mossul in Anbetracht der Luftangriffe verhalten sollen? Eine Formulierung von Verhaltenshinweisen für die Bevölkerung in West- Mossul steht der Bundesregierung nicht zu, sie sieht hier die irakischen Sicherheitskräfte in der Verantwortung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333