Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 11. Mai 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/12337 18. Wahlperiode 15.05.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Annalena Baerbock, Oliver Krischer, Peter Meiwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/11967 – Umweltstandards für Kohlekraftwerke V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Kohlekraftwerke schaden durch ihre Emissionen nicht nur dem Klima, sondern auch Mensch und Natur. Gerade Stickstoffoxid (NOx) ist sowohl für die menschliche Gesundheit, insbesondere in Form von Reizungen und Schädigungen der Atemwege, als auch für Böden und Gewässer schädlich. In Deutschland sind die Grenzwerte für Kohlekraftwerke in der Dreizehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (13. BIm- SchV) in § 4, Emissionsgrenzwerte für Großfeuerungsanlagen bei Einsatz fester Brennstoffe, ausgenommen Biobrennstoffe, geregelt. Die Grenzwerte für Stickoxid im Tagesmittel liegen für bestehende Großkraftwerke mit einer Leistung von mehr als 300 Megawatt bei 150 mg/m3 und für Braunkohlekraftwerke sogar mit 200 mg/m3 noch höher. Für Anlagen, die erst ab dem Jahr 2014 ans Netz gegangen sind, gilt ein Jahresgrenzwert von 100 mg/m³, unabhängig ob Braunkohle oder Steinkohle (§ 11 Absatz 3 13. BImSchV). Sowohl China als auch die USA haben im Vergleich sehr viel strengere Grenzwerte festgelegt. Im Gegensatz dazu zeigen Genehmigungsbescheide sowie Daten von anderen Betreibern von Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken, dass mit der besten verfügbaren Technik ein Grenzwert im Tagesmittel von 70 mg/m3 technisch erreichbar und ökonomisch darstellbar ist (vgl. Bundestagsdrucksache 17/11060). Auf europäischer Ebene regelt die Richtlinie über Industrieemissionen (Industry Emission Directive 2010/75/EU) Zulassung und Betrieb von Industrieanlagen. Wichtigstes Instrument dieser Richtlinie sind die Merkblätter zur besten verfügbaren Technik, auch BVT-Merkblätter (engl. BAT – Best Available Techniques oder BREF – Best Available Techniques Reference Document) genannt, insbesondere jenes für Großfeuerungsanlagen (LCP BREF), welches im Juli 2006 verabschiedet wurde und den „Stand der Technik“ vorgibt (http://eippcb. jrc.ec.europa.eu/reference/lcp.html). Am 28. April 2017 wird auf europäischer Ebene über die europaweit mit der besten verfügbaren Technik zu erzielenden Emissionswerte für Großfeuerungsanlagen für den Zeitraum bis 2021 entschieden . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12337 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Das Merkblatt zu den besten verfügbaren Techniken (BVT; engl. BAT – best available techniques; BREF – best available techniques reference document) für Großfeuerungsanlagen (engl. LCP – large combustion plants) wurde am 28. April 2017 im Ausschuss nach Artikel 75 der Industrieemissionsrichtlinie unter Mitwirkung der Mitgliedstaaten beschlossen. Es trägt aus Sicht der Bundesregierung grundsätzlich zu einer Verminderung von Schadstoffemissionen aus Großfeuerungsanlagen und zur weiteren Harmonisierung der Umweltanforderungen in der Europäischen Union nach dem besten verfügbaren Stand der Technik bei. Ein BREF sollte die besten verfügbaren Techniken sowie Zukunftstechnologien beschreiben . Dies wurde aus Sicht der Bundesregierung durch den im Artikel 75 Ausschuss vorgelegten Entwurf der Europäischen Kommission nicht ausreichend sichergestellt. Dabei gilt es auch, gemessen am Umweltnutzen die Verhältnismäßigkeit der Kosten zu berücksichtigen. Die Bundesregierung weist auch darauf hin, dass die Anforderungen im internationalen Vergleich als anspruchsvoll anzusehen sind. Eine zahlenmäßige Vergleichbarkeit von Grenzwerten ohne Berücksichtigung der Randbedingungen (u. a. Sauerstoffbezug, Messtechnik) ist ebenfalls nicht gegeben. Wie auch in ihrer Vorbemerkung vom 24. Mai 2016 in der Antwort auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/8540 weist die Bundesregierung auf die immissionsschutzrechtliche Vollzugskompetenz der Länder hin. Anlagenscharfe Informationen von genehmigungsbedürftigen Anlagen – dies umfasst Emissionsgrenzwerte und auch aktuelle Betriebswerte – liegen der Bundesregierung regelmäßig nicht vor. 1. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Gesamtemissionsfracht von Stickoxiden aus Kohlekraftwerken pro Jahr in Europa? Nach Angaben der European Environment Agency (EEA) belief sich die NOx- Gesamtfracht der Großfeuerungsanlagen in der EU im Jahre 2014 auf 1 141 Kilotonnen . Im Jahr 2011 lag die Gesamtfracht noch bei 2 160 Kilotonnen. Daraus resultiert eine Reduzierung von circa 48 Prozent. Umfangreiches Datenmaterial stellt die EEA auf ihrer Internetseite zur Verfügung. 2. Hat die Bundesregierung Kenntnis über die gesellschaftlichen Folgekosten dieser Emissionsfracht, und wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung hat Kenntnis von Verfahren zur Abschätzung von durchschnittlichen Umweltkosten der Luftverschmutzung (Methodenkonvention 2.0 des Umweltbundesamts (UBA); verfügbar auf der Internetseite des UBA). Die Verfahren sind als Orientierungshilfe sinnvoll. Sie erlauben jedoch keine belastbaren Aussagen über Umweltkosten einer bestimmten Teilmenge von Anlagen bezüglich der Emissionen eines einzelnen Schadstoffs. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12337 3. Hat die Bundesregierung Kenntnis über den Einfluss von Stickoxiden aus Kohlekraftwerken auf vorzeitige Todesfälle? a) Wenn ja, welche? b) Wenn nein, warum nicht? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Daten vor. Der Anteil der von industriellen Tätigkeiten, darunter auch Kraftwerken, verursachten Immissionen an Stickstoffdioxid in belasteten Ballungsräumen liegt im Regelfall im einstelligen unteren Prozentbereich. 4. Welche Vorteile hätte aus Sicht der Bundesregierung eine weitere Absenkung von Emissionsgrenzwerten für Luftschadstoffe und insbesondere Stickoxide, z. B. für die Bereiche Umwelt- und Naturschutz, Gesundheit, Kosten für die Allgemeinheit? Die Bundesregierung sieht in einer weiteren Minderung der Emissionen von Luftschadstoffen , darunter auch Stickoxide und andere reaktive Stickstoffverbindungen , eine Vorsorgemaßnahme zum Schutz der menschlichen Gesundheit und des Umwelt- und Naturschutzes. Hierbei steht zum einen die Reduzierung von Atemwegserkrankungen und vorzeitiger Todesfälle aufgrund von Luftverschmutzung und somit die volkswirtschaftlich sinnvolle Verminderung von Krankheitskosten im Mittelpunkt, zum anderen die Reduzierung von Eutrophierung und Versauerung der Ökosysteme aufgrund luftgetragener Stickstoffeinträge. Quellen für Stickoxide und andere reaktive Stickstoffverbindungen sind nicht nur die Industrie bzw. die Energiewirtschaft, sondern auch Verkehr und Landwirtschaft. 5. Welche Position nimmt die Bundesregierung zur Abstimmung zu den europäischen LCP-BREF-Standards für Großfeuerungsanlagen am 28. April 2017 ein? Die Bundesregierung begrüßt den Großteil der Inhalte der BVT-Schlussfolgerungen . Was die Bandbreite der Stickstoffoxid-Emissionen für Braunkohlekraftwerke angeht, hat die Mehrheit der Staaten am 28. April 2017 eine Obergrenze von 175 mg/m3 beschlossen. Die Bundesregierung hat diese Obergrenze in den Verhandlungen abgelehnt, weil sie nicht sachgerecht ist. Sie hat sich dabei auf die wissenschaftliche Einschätzung des Umweltbundesamtes gestützt. 6. Ist der Bundesregierung der Vorwurf gemacht worden, dass sie sich gegen NOx-Grenzwerte von 175 mg/Nm³ ausspricht, weil damit Kraftwerke wie Jänschwalde, Weisweiler oder Boxberg modernisierungsfrei weiterlaufen könnten, und wie begegnet sie solchen Vorwürfen? Die Bundesregierung erkennt in der Festlegung einer oberen Bandbreite von 175 mg/Nm3 (Jahresmittel) für große bestehende Braunkohlekraftwerke keine fachliche Grundlage. Anlagen, die primäre feuerungstechnische Maßnahmen – die als bestverfügbare Technik anerkannt werden – ausschöpfen, können ihre Emissionen nachweislich auf Jahresmittelwerte von bis zu 190 mg/Nm3 mindern. Umweltverbände haben hierzu insbesondere an das Bundesministerium für Umwelt , Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Anfragen gestellt. Der Sachverhalt wurde in mehreren Gesprächen auf Fachebene – inhaltlich wie zuvor beschrieben – erläutert und diskutiert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12337 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Wie viele Kohlekraftwerke müssten aus Sicht der Bundesregierung bei einer Absenkung des Grenzwertes für NOx auf 175 mg/Nm³ nachgerüstet werden (bitte jeweils Kraftwerksname/Kraftwerksstandort und aktuellen Ausstoß angeben)? Eine gesicherte Beurteilung der Notwendigkeit zur Nachrüstung einer Anlage kann nur durch die Vollzugsbehörde erfolgen. 8. Wie haben sich die Stickoxidemissionen der Kohlekraftwerke in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren entwickelt (bitte nach Kraftwerk und mg/m3 pro Jahr im Jahresmittel auflisten)? Die Bundesregierung verweist auf ihre Antwort vom 24. Mai 2016 zu Frage 1 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/8540. 9. Was hat die Bundesregierung unternommen, um den eigenen Erkenntnisgewinn über die Auswirkungen von Stickoxidemissionen deutscher Kohlekraftwerke aufgrund des Fehlens entsprechender Informationen aus dem Vollzug zu verbessern, und auf welchen aktuellen Erkenntnissen fußt ihre Positionierung im europäischen Abstimmungsprozess? Die Bundesregierung sieht kein Erkenntnisdefizit bei den Auswirkungen von Stickoxidemissionen und verweist ergänzend auf ihre Antwort vom 24. Mai 2016 zu den Fragen 6 und 7 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/8540. Die Bundesregierung hat von den betroffenen Ländern Informationen aus der Emissionsüberwachung erhalten. Diese Informationen bestätigen die fachliche Einschätzung der Bundesregierung vollumfänglich. Danach erkennt die Bundesregierung in der Festlegung einer oberen Bandbreite von 175 mg/Nm3 (Jahresmittel ) für große bestehende Braunkohlekraftwerke keine fachliche Grundlage. Anlagen, die primäre feuerungstechnische Maßnahmen – die als beste verfügbare Technik anerkannt werden – ausschöpfen, können ihre Emissionen nachweislich auf Jahresmittelwerte von bis zu 190 mg/Nm3 mindern. 10. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung im Bereich der Stickoxidemissionen Vollzugsdefizite, und welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung ggf. in dieser Hinsicht? Großfeuerungsanlagen gehören neben Abfallverbrennungsanlagen zu den Anlagen in Deutschland, die am umfassendsten überwacht werden. Die Stickstoffoxidemissionen aller Kohlekraftwerke werden kontinuierlich überwacht. Vollzugsdefizite werden insofern nicht gesehen. 11. Unter welchen konkreten Voraussetzungen können einzelne Kraftwerke von den Vorgaben des Stands der Technik abweichen, und gibt es solche insbesondere beim Einsatz von einheimischer Kohle? Die in Betrieb befindlichen Kohlekraftwerke werden dem Stand der Technik entsprechend betrieben. Abweichungen von den Regelanforderungen im Einzelfall müssen grundsätzlich von der zuständigen Behörde unter Beachtung der bestehenden rechtlichen Vorgaben geprüft und zugelassen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12337 12. Wie sollten nach Auffassung der Bundesregierung die Grenzwerte für Quecksilberemissionen angepasst werden (bitte begründen)? Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, Freisetzungen von Quecksilber medienübergreifend (Luft, Wasser) so weit wie möglich zu mindern. Sie beabsichtigt dazu, die Emissionen der bekannten dominanten Quellen entsprechend dem Stand der Technik durch die rechtliche Verankerung von anspruchsvollen Emissionsgrenzwerten weiter zu reduzieren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333