Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 15. Mai 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/12345 18. Wahlperiode 16.05.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/12168 – Relocationverfahren von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen aus Griechenland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In den sogenannten Hotspots in Griechenland und Italien befindet sich eine große Zahl von Geflüchteten, unter ihnen auch viele Kinder, die auf die Möglichkeit zur Umverteilung (Relocation) innerhalb der EU warten. Von insgesamt 160 000 im Rahmen des Relocationprogramms vorgesehenen Umverteilungen sind mit Stand vom 4. April 2017 nur gut 16 000 vorgenommen worden (https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-do/policies/ european-agenda-migration/press-material/docs/state_of_play_-_relocation_ en.pdf). In diesem Zusammenhang stellen sich drängende Fragen bezüglich der Hindernisse im Relocationverfahren, zumal sich die Berichte über Misshandlungen und Übergriffe auf der Balkanroute häufen, die nicht wenige Geflüchtete beschreiten, wenn keine legale Weiterreise möglich ist (www.die-linke.de/nc/ presse/presseerklaerungen/detail/zurueck/presseerklaerungen/artikel/klarer-bruchder -fluechtlingskonvention-muss-folgen-haben-wegschauen-bei-misshandlungenist -eine-a/). 1. Hat die Bundesregierung den griechischen Behörden Vorschläge zu den Kriterien , die beim sogenannten Matchingverfahren, mit dem Geflüchtete im Rahmen von Relocation (vgl. Antwort zu Frage 15 auf Bundestagsdrucksache 18/10152) eingeordnet werden, eine Rolle spielen sollten, gemacht? Wenn ja, welche? Die Bundesregierung hat den griechischen Behörden keine Vorschläge zu Kriterien gemacht, die beim sog. Matching-Verfahren eine Rolle spielen, da sich die Kriterien aus den EU-Ratsbeschlüssen ergeben (vgl. Antwort zu Frage 2). Deutschland hat auch keine Präferenzen in Bezug auf Antragsteller angegeben, obwohl die EU-Ratsbeschlüsse diese Möglichkeit vorsehen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 28 des EU-Ratsbeschlusses 2015/1523 vom 14. September 2014 und Erwägungsgrund Nr. 34 des EU-Ratsbeschlusses 2015/1601 vom 22. September 2015). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12345 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 2. Welche Kriterien werden nach Kenntnis der Bundesregierung beim Matching -Verfahren in Griechenland angewandt? Gemäß den Erwägungsgründen Nr. 28 des EU-Ratsbeschlusses 2015/1523 vom 14. September und Nr. 34 des EU-Ratsbeschlusses 2015/1601 vom 22. September 2015 sollte bei der Entscheidung darüber, in welchen Mitgliedstaat die Umsiedlung erfolgen sollte, den speziellen Qualifikationen und Eigenschaften der betreffenden Antragsteller, wie ihren Sprachkenntnissen und anderen individuellen Angaben aufgrund von nachgewiesenen familiären, kulturellen oder sozialen Bindungen , die ihre Integration in den Umsiedlungsmitgliedstaat erleichtern könnten, besonders Rechnung getragen werden. Bei besonders schutzbedürftigen Antragstellern sollte berücksichtigt werden, inwieweit der Umsiedlungsmitgliedstaat in der Lage ist, diesen Antragstellern angemessene Unterstützung zu gewähren, und dass eine gerechte Verteilung dieser Antragsteller auf die Mitgliedstaaten sicherzustellen ist. 3. Wie viele Relocation-Ersuchen wurden von deutschen Behörden im Jahr 2016 aus welchem Grund zurückgewiesen (bei Ablehnung aus Sicherheitsgründen bitte Phänomenbereich zuordnen)? Im Jahr 2016 wurden 46 Ablehnungen gegenüber Griechenland erteilt: Sicherheitsgründe: 7 Personen (Mitteilung der Sicherheitsbehörden „Grund § 5 Absatz 4 i. V. m. § 54 Absatz 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) a.F.“) Ersuchen, die Ehen mit Minderjährigen umfassen: 25 Personen Unbegleitete Minderjährige ohne konkrete familiäre Bezüge nach Deutschland : sechs Personen Polygamie: drei Personen Sonstige Gründe: fünf Personen (ein Elternteil wollte nicht am Relocation- Verfahren teilnehmen) Ablehnungen erfolgen immer fallbezogen, um eine Trennung der Familienangehörigen zu vermeiden. So lagen nur bei einer Person Sicherheitsbedenken vor. Abgelehnt wurde jedoch der komplette Fall von sieben Personen (Wahrung der Familieneinheit). 4. Gehört Deutschland zu den im 9. Bericht der Europäischen Kommission zu Relocation und Resettlement (Seite 7) angesprochenen Ländern, die zögern, bestimmte Kategorien besonders Schutzbedürftiger zu akzeptieren, zum Beispiel Schwerkranke (https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/ what-we-do/policies/european-agenda-migration/20170208_ninth_report_ on_relocation_and_resettlement_en.pdf), und welche EU-Länder lehnen nach Kenntnis der Bundesregierung welche Kategorien besonders Schutzbedürftiger ab (bitte nach Land und Kategorie aufschlüsseln)? Deutschland zögert nicht, bestimmte Kategorien besonders Schutzbedürftiger anzuerkennen . Welche EU-Länder welche Kategorien besonders Schutzbedürftiger ablehnen, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12345 5. Gibt es Fälle, in denen Fristen für Relocation nach Deutschland aufgrund einer Erkrankung der Betroffenen nicht eingehalten werden konnten und infolgedessen die zuvor bewilligte Relocation danach abgelehnt wurde (bitte für das Jahr 2016 bis einschließlich März 2017 monatlich aufschlüsseln)? Nein, in Deutschland gibt es keinen solchen Fall. Artikel 5 Absatz 10 Satz 4 der o. g. EU-Ratsbeschlüsse sieht unter anderem für solche Fälle die Möglichkeit einer angemessenen Fristverlängerung vor. Hiervon macht Deutschland Gebrauch. 6. Trifft die im 9. Bericht der Europäischen Kommission zu Relocation und Resettlement beschriebene Problematik, dass rechtliche Vorschriften zur Strafbarkeit der Ehe zwischen Minderjährigen und Erwachsenen in einigen Mitgliedstaaten zu einer Zurückweisung von Anfragen bzgl. Relocation führten, auch auf Deutschland zu (https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/ homeaffairs/files/what-we-do/policies/european-agenda-migration/2017 0208_ninth_report_on_relocation_and_resettlement_en.pdf)? Nein, die beschriebene Problematik trifft nicht auf Deutschland zu. a) Stellt die geplante automatische Annullierung von Ehen mit unter 16 Jahre alten Minderjährigen ein Hindernis bei Relocation dar? Welche Abwägung trifft die Bundesregierung in diesem Rahmen zwischen dem Kindeswohl, das durch die Ehe mit einem Erwachsenen gefährdet sein könnte (was aber nicht in jedem Einzelfall so sein muss), und der Gefährdung des Kindeswohls durch den weiteren Aufenthalt in „Hotspots “ oder anderen Formen der Unterbringung? Seit Herbst 2016 wurde auf politischer Ebene der Umgang mit „Minderjährigen- Ehen“ diskutiert. Vor diesem Hintergrund eines in der Debatte herausgearbeiteten starken Gewichts der Gefährdung des Kindeswohls durch eine Eheschließung vor Erreichen der Volljährigkeit sowie in Abwägung aller Umstände einschl. des Aufenthalts von Minderjährigen in Hotspots hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Abstimmung mit dem Bundesministerium des Innern (BMI) im Herbst 2016 entschieden, keine minderjährigen Personen aufzunehmen , die mit einem volljährigen Ehepartner verheiratet sind. Daher werden diese Fälle vom BAMF im Rahmen des Relocation-Verfahrens abgelehnt. b) Sieht die Bundesregierung in den Fällen von minderjährigen Verheirateten eine Einzelfallprüfung vor? Anhand der aus Griechenland und Italien übermittelten Informationen wird im Rahmen der Relocation im Einzelfall geprüft, ob eine Ehe zwischen einem Minderjährigen und einem Erwachsenen geschlossen wurde. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6a verwiesen. c) Ist nach Auffassung der Bundesregierung die Relocation einer minderjährigen Mutter mit ihren Kindern zum in Deutschland aufhältigen Ehemann prinzipiell möglich oder gibt es aufgrund des Verbots der Eheschließung Minderjähriger Einschränkungen, und wenn ja, welche? Solche Fälle (Kernfamilie) wären nicht im Rahmen des Relocation-Verfahrens, sondern im Rahmen des Dublin-Verfahrens zu bearbeiten. Hier wäre jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12345 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode d) Wie trägt die Bundesregierung der besonderen Schutzbedürftigkeit minderjähriger Verheirateter im Rahmen von Relocation Rechnung? Die besondere Schutzbedürftigkeit Minderjähriger wird seitens des Bundesamts gesehen und angemessen berücksichtigt. In Bezug auf die besondere Schutzbedürftigkeit verheirateter Minderjähriger wird auf die Antwort zu Frage 6a verwiesen . e) Erkennt die Bundesregierung eine erhöhte Schutzbedürftigkeit von minderjährigen Ehepartnern an (bitte ausführen)? Ja. Es wird auf die Antworten zu Fragen 6a und 6d verwiesen. f) Inwiefern versucht die Bundesregierung auf eine der besonderen Schutzbedürftigkeit von minderjährig verheirateten Kindern entsprechende Form von Relocation hinzuwirken, und welche Probleme sieht sie dabei? Es wird auf die Antworten zu Fragen 6a und 6d verwiesen. 7. Welche Regelungen sieht die Europäische Kommission für die Relocation von Minderjährigen, die von ihren Eltern getrennt wurden und in Begleitung einer erwachsenen Bezugsperson reisen, als besonders vulnerable Gruppe (vgl. VN-Sicherheitsresolution 1261 zu Kindern im bewaffneten Konflikt) vor? Die o. g. EU-Ratsbeschlüsse für Relocation sehen keine gesonderte Regelung explizit für diese Personengruppe vor. Trotz der Kenntnis der rechtlichen und praktischen Hürden für eine Aufnahme dieser Personengruppe in einigen Mitgliedstaaten sollen nach Auffassung der EU-Kommission die Mitgliedstaaten die Aufnahme dieser Personengruppe ermöglichen (vgl. https://ec.europa.eu/homeaffairs /sites/homeaffairs/files/what-we-do/policies/european-agenda-migration/ 20170208_ninth_report_on_relocation_and_resettlement_en.pdf, S. 5). a) Hält die Bundesregierung einen Nachweis des Sorgerechts bzw. der Übertragung des Sorgerechts für die das minderjährige Kind begleitende Person für zwingend notwendig, welche Alternativen sieht sie, und sind zumindest Einzelfallprüfungen vorgesehen? Auch diesbezüglich ist unbestritten, dass es sich bei dieser Personengruppe um besonders schutzbedürftige Personen handelt. Allerdings sind die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 6 der o. g. EU-Ratsbeschlüsse auch verpflichtet, vor jeder Umverteilung vorrangig das Kindeswohl zu berücksichtigen. Die Eltern dieser Minderjährigen befinden sich in den bisher vorgelegten Fällen entweder im Heimatland (z. B. Syrien, Irak) oder in einem anderen Drittstaat (z.B. Türkei). Um die Gefahr des Menschenhandels bzw. der Entziehung Minderjähriger von ihren Eltern auszuschließen , fordert das BAMF vor einer Umverteilung – wie auch in Fällen einer Familienzusammenführung – die Erbringung bestimmter Nachweise. Daher werden in jedem Einzelfall bei Minderjährigen, die von ihren Eltern getrennt wurden und in Begleitung einer erwachsenen Bezugsperson reisen, offizielle Sorgerechtserklärungen angefordert, die eine Einverständniserklärung der Eltern mit der Übertragung des Sorgerechts beinhalten müssen. Ohne eine Sorgerechtserklärung kann eine Umverteilung dieser Personengruppe nicht erfolgen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12345 b) Welche Maßnahmen sind vorgesehen, wenn die Bezugsperson ihre Sorgeberechtigung nicht nachweisen kann? In diesem Fall findet eine Umverteilung nach Deutschland nicht statt. c) Wie viele Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen von ihren Eltern getrennte Minderjährige im Rahmen des Relocationverfahrens von ihren Bezugspersonen getrennt wurden? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zu solchen Fällen vor. 8. Unterstützt die Bundesregierung die Aussage des EU-Kommissars für Migration , Inneres und Bürgerschaft Dimitris Avramopoulos, dass der Relocation -Plan im September 2017 sein Ziel erreicht haben wird, und wie wird sie sich dafür einsetzen (www.theguardian.com/world/2016/dec/08/eu-met-only- 5-of-target-for-relocating-refugees-from-greece-and-italy)? Der Bundesregierung liegen keine Informationen zur Frage vor, wie viele Umsiedlungen alle Mitgliedstaaten bis September 2017 geplant haben. Deutschland nimmt monatlich bis zu je 500 Personen aus Griechenland und Italien auf und hat mit Stand 9. Mai 2017 mehr Personen aufgenommen als jeder andere Mitgliedstaat . Aktuell hat Deutschland jeweils rund 4 000 Aufnahmezusagen gegenüber Griechenland und Italien abgegeben. Die Bundesregierung hat wiederholt betont, dass sie auch von anderen Mitgliedstaaten erwartet, ihre Aufnahmeverpflichtung zu erfüllen und somit ihren Teil zur erfolgreichen Implementierung der Umsiedlungsbeschlüsse beizutragen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333