Deutscher Bundestag Drucksache 18/1241 18. Wahlperiode 25.04.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Leidig, Karin Binder, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/1139 – Kosten von Stuttgart 21 Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 18. April 2014 jährt sich zum 20. Mal die erste öffentliche Präsentation des Projekts Stuttgart 21 (S21). In den zwei Jahrzehnten seit dieser Präsentation war das Projekt Stuttgart 21 immer wieder ein Topthema in der Bahnpolitik. Schreitet man die Zeitspanne 1994 bis 2014 in Fünf-Jahres-Etappen ab, dann ergeben sich die folgenden prägnanten Daten: Am 18. April 1994, dreieinhalb Monate nach Gründung der Deutschen Bahn AG (DB AG), wurde S21 erstmals öffentlich vorgestellt – unter anderen durch den damaligen Bundesminister für Verkehr, Matthias Wissmann (heute Präsident des Verbandes der Automobilindustrie – VDA). Am 26. Februar 1997 wurde Johannes Ludewig als Nachfolger von Heinz Dürr neuer Bahnchef. Diese Personalentscheidung fiel in der von CDU, CSU und FDP getragenen Bundesregierung unter Dr. Helmut Kohl. Im Jahr 1999 legte der Bahnchef Johannes Ludewig das Projekt Stuttgart 21 auf Eis. Allerdings bestimmte dann bereits am 24. September 1999 die neue von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN getragene Bundesregierung unter Gerhard Schröder Hartmut Mehdorn als neuen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG. Dieser reaktivierte bereits im Jahr 2000 das Projekt Stuttgart 21. Im Jahr 2005 wurde die erste Baugenehmigung für Stuttgart 21 erteilt (Planfeststellungsbeschluss für den Planfeststellungsabschnitt – PFA – 1.1. für die „Talquerung mit neuem Hauptbahnhof“). Am 30. September 2010 kam es zu dem massiven Polizeieinsatz gegen S21- Gegnerinnen und -Gegner im Stuttgarter Schlossgarten, der damals bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Im Frühjahr 2014 gibt es bei dem Projekt zwei entgegengesetzte Bewegungen: Auf der einen Seite versucht die Deutsche Bahn AG bzw. die S21-Projektgesellschaft , in Stuttgart beim Fortgang des baulichen Prozesses vollendete Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 24. April 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Tatsachen zu schaffen, um das Projekt unumkehrbar zu machen. Auf der anderen Seite explodieren die Kosten, wachsen die Risiken und gibt es in Stuttgart und Umgebung selbst weiterhin einen hartnäckigen Widerstand. Drucksache 18/1241 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Fehlende Rechtssicherheit Aus rechtlicher Sicht problematisch ist die Mischfinanzierung des Projekts Stuttgart 21 unter Beteiligung des Bundes und des Landes Baden-Württemberg , der Stadt Stuttgart, der Region Stuttgart sowie des Flughafens Stuttgart. Das Verbot der Mischfinanzierung nach Artikel 104a des Grundgesetzes (GG) ist „einer der tragenden Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes “ (BVerfG 32, 333, 338), dessen strikte Beachtung „eine überragende Bedeutung für die Stabilität der bundesstaatlichen Verfassung zukommt“ (vgl. Selmer, Finanzordnung und Grundgesetz : die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Finanz- und Steuersachen, AöR 101, 1976, S. 240 f.). Weitere rechtliche Unsicherheit ergibt sich für das Projekt Stuttgart 21 aus der vom Bahnvorstand angekündigten möglichen Klage gegen die Finanzierungspartner wegen der Übernahme der Mehrkosten und aus der Einschätzung des Verwaltungsgerichts Stuttgart in seinem Urteil vom 17. Juli 2013 (7 K 4182/11, http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw &sid=8ef077d7e9a02114daf6a8699c988309&nr=17161&pos=0&anz=1), dass es sich beim Wegbrechen der vereinbarten Obergrenze der Projektfinanzierung um einen „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ handelt. Aufsichtsratsentscheidung vom 5. März 2013 Am 5. März 2013 entschied der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG trotz der Kostenexplosion um zuletzt 2,3 Mrd. Euro auf 6,8 Mrd. Euro zugunsten des Weiterbaus des Bahnprojekts Stuttgart 21. Laut Medienberichten hat die Bundesregierung über den Kanzleramtsminister Ronald Pofalla im Vorfeld die drei Staatssekretäre im Bundesministerium der Finanzen, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (vgl. „Bahnhof der Eitelkeiten“, www.zeit.de vom 28. Februar 2013) sowie am Tag der Abstimmung weitere Mitglieder des Aufsichtsrats (vgl. „Pofalla-Debatte löst Führungschaos bei der Bahn aus“, www.tagesspiegel.de vom 7. Januar 2014) zu einer Zustimmung bewogen. Die Zustimmung des Staatssekretärs im Bundesministerium für Wirtschafts und Technologie hatte der damalige Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Dr. Philipp Rösler auf Anforderung des FDP-Generalsekretär Patrick Döring „geregelt“ (vgl. „Anruf beim Minister“, WirtschaftsWoche vom 18. März 2013). Vor der Aufsichtsratsentscheidung war ein kritisches Dossier des damaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) zu den Projektkosten bekannt geworden (vgl. Kurzinformation „Informations-Workshop der DB AG zu Stuttgart 21 für die AR-Vertreter am 05. 02 2013“). Dennoch stimmten die anwesenden Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat für den Weiterbau. Auch die weiteren Aufsichtsräte stimmten bei einer Enthaltung und einer Gegenstimme zu. Dem Aufsichtsrat der DB AG hatte dabei, auch laut Beschlussvorlage der Aufsichtsratsentscheidung (Tagesordnungspunkt – TOP – 2, S. 4 und 10), als eine Grundlage der Entscheidung zu den Projektkosten eine „Plausibilitätsbegutachtung im Auftrag des Aufsichtsrates zu Stuttgart 21“ von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) vorgelegen mit dem Titel „Vermerk – Zwischenergebnis DB AG“. Zuvor hatte die DB AG am 12. Dezember 2012 die Kostensteigerung auf 6,8 Mrd. Euro bekannt geben müssen. 1,1 Mrd. Euro davon beruhen nach Angaben der DB AG auf „notwendigen, aber nicht budgetierten Leistungen“ und „nicht realisierten Einsparpotenzialen“ (vgl. Präsentation „DB S21 Projekt, Information zur Pressekonferenz am 12. Dezember 2012“, S. 5, https:// web.archive.org/web/20130928084422/http://www.bahnprojekt-stuttgartulm .de/mediathek/detail/download/informationen-zur-pressekonferenzwirtschaftlicher -status-s21/mediaParameter/download/Medium/), die nach Auffassung der Fragesteller entsprechend diesen Formulierungen als eingestandene Managementfehler einzuordnen sind. Das zuvor genannte Dossier des BMVBS nennt Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1241 entsprechend auch auf Seite 9 diese Kosten sog. interne Kosten, die auf keinen Fall gegenüber Dritten durchsetzbar seien. Dafür wird ausdrücklich auf die Vorstandshaftung verwiesen. Dieser Teil der Kostensteigerung entspricht auffallend den 900 Mio. Euro, um die das Projekt Stuttgart 21 im Jahr 2009 durch Annahme von „grob geschätzten […] Einsparpotenzialen“ verbilligt wurde, nachdem zuvor interne Berechnungen der Fachplaner eine Kostensteigerung um 1 Mrd. Euro auf damals 4,9 Mrd. Euro ergeben hatten (vgl. „Stuttgart21: Das Versagen von Aufsichtsrat und Bundesregierung“, WDR-Sendung „MONITOR“ vom 21. Februar 2013, Skript: www.wdr.de), einen Wert, der den Finanzierungspartnern die Kündigung des Finanzierungsvertrags ermöglicht hätte. Kostenschätzung und Bundesrechnungshof (BRH) 1. Welche Auswirkungen auf das Projekt Stuttgart 21 hat nach Auffassung der Bundesregierung die Mitteilung seitens der S21-Projektgesellschaft, vertreten durch deren Sprecher Wolfgang Dietrich, wonach der Termin einer Inbetriebnahme von Stuttgart 21 auch im Jahr 2021 infrage steht und möglicherweise erst im Jahr 2022 erfolgen wird (vgl. Schwarzwälder Bote vom 24. März 2014)? Bei Stuttgart 21 handelt es sich nicht um ein Projekt des Bedarfsplans für die Schienenwege des Bundes, sondern um ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen Bahn AG (DB AG). Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind Vorhabenträger und Bauherr. Das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart und die Flughafen Stuttgart GmbH beteiligen sich als Aufgabenträger an der Finanzierung. Der Bund übernimmt mit einem Festbetrag i.H.v. 563,8 Mio. Euro für das Projekt Stuttgart 21 den Anteil, der für die Einbindung der Neubaustrecke (NBS) Wendlingen–Ulm in den Knoten Stuttgart auch ohne Verwirklichung von Stuttgart 21 erforderlich gewesen wäre. Die NBS Wendlingen–Ulm ist Bestandteil des im Vordringlichen Bedarf eingeordneten Bedarfsplanvorhabens ABS/NBS Stuttgart–Ulm–Augsburg. 2. Welche Auswirkungen hätte eine mögliche neue Verzögerung der Inbetriebnahme nach Ansicht der Bundesregierung auf die Gesamtkosten? 3. Hält die Bundesregierung die Einschätzung der Projektgesellschaft, jedes Jahr der verspäteten Inbetriebnahme würde Kosten in Höhe von 100 Mio. Euro verursachen, für glaubwürdig, obwohl allein eine vierprozentige Verzinsung der bis zu diesem Zeitpunkt für Stuttgart 21 investierten Summe einen fast dreifachen Millionenbetrag ausmacht und zudem ferner mit Stuttgart 21 nach Auffassung der Projektbetreiber eine Reihe ergänzender Vorteile verbunden sein soll, in deren Genuss die DB AG und die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH (NVBW) im Fall einer verspäteten Inbetriebnahme ebenfalls erst ein Jahr später kommen würden (bitte mit Begründung)? Die Fragen 2 und 3 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Zu den Auswirkungen eventueller zukünftiger Planungsänderungen kann die Bundesregierung vor dem Hintergrund fehlender Daten keine Aussage machen. Drucksache 18/1241 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus, dass der BRH eine ursprünglich für das Frühjahr 2013 angekündigte neue Analyse der Kostenentwicklung für das Projekt Stuttgart 21 unter Verweis auf die mangelnde „Kooperationsbereitschaft des Bundesverkehrsministeriums “ und die „schwierigen Diskussionen mit der Deutschen Bahn AG über die Reichweite der Prüfungsbefugnisse des Bundesrechnungshofs “ mit Mitteilung vom Oktober 2013 auf einen Zeitpunkt „frühestens Ende des Jahres 2013“ verschoben hat (vgl. Brief des BRH vom 22. Oktober 2013 an den Abgeordneten Harald Ebner)? a) Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung einen neuen Termin für die Vorlage einer weiteren Analyse der Kostenentwicklung von Stuttgart 21 seitens des BRH, nachdem der Zeitpunkt „Ende des Jahres 2013“ verstrichen ist und die angekündigte Analyse noch immer nicht vorliegt? b) Hält die Bundesregierung diese neue Analyse der Kostenentwicklung von Stuttgart 21 für sinnvoll (bitte mit Begründung)? c) Teilt die Bundesregierung die in dem Schreiben vom 22. Oktober 2013 angesprochenen Aussagen des BRH, wonach es seitens der DB AG und seitens des Bundesverkehrsministeriums eine mangelnde Kooperationsbereitschaft hinsichtlich der Erarbeitung der neuen BRH-Kostenschätzung für S21 gibt? d) Welche Kritikpunkte hat der BRH konkret gegenüber dem BMVBS bzw. dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hinsichtlich der Zusammenarbeit geäußert? e) Welche Maßnahmen hat das BMVBS bzw. das BMVI inzwischen ergriffen , um die vom BRH vorgebrachten Kritikpunkte hinsichtlich der Zusammenarbeit zu beheben? Wegen ihres Sachzusammenhangs werden die Fragen 4a bis 4e gemeinsam beantwortet . Der BRH hat zum Prüfungsverfahren „Kostenentwicklung bei Schienenwegeprojekten ; hier: Stuttgart 21 und Neubaustrecke Wendlingen·Ulm (NBS)“ mit Schreiben vom 26. März 2014 eine vorläufige Prüfungsmitteilung mit der Bitte um Stellungnahme durch das BMVI übersandt. Diese Prüfungsmitteilung betrifft den Teilaspekt „Teilfinanzierung des Schienenwegevorhabens Stuttgart 21 aus Mitteln der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung“ und wird zurzeit im BMVI geprüft. Ein Schreiben des BRH an den Abgeordneten Harald Ebner vom 22. Oktober 2013 ist hier nicht bekannt. Daher kann zu den angeblichen Aussagen in diesem Schreiben keine Stellungnahme abgegeben werden. Beschwerden des BRH über eine mangelnde Mitwirkung bei den Prüfungsverfahren im Zusammenhang mit Stuttgart 21 liegen dem BMVI nicht vor. 5. Warum hatte die Bundesregierung den Finanzierungsvertrag vom 2. April 2009 abgeschlossen, der einen Kostenstand aus dem Jahr 2004 und eine Kostenobergrenze einschließlich Risikopuffer (1,45 Mrd. Euro) von 4,526 Mrd. Euro festlegte, obgleich das Bundesverkehrsministerium das Gutachten des BRH aus dem Jahr 2008 über damals erwartete S21-Projektkosten von 5,3 Mrd. Euro nach Auffassung der Fragesteller gekannt haben musste? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1241 6. Welche Schlussfolgerung und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass das Gutachten des BRH seinerzeit nicht veröffentlicht bzw. den anderen Finanzierungspartnern nicht zur Verfügung gestellt wurde, die in einem solchen Fall noch bis Ende 2009 den Finanzierungsvertrag hätten kündigen können? Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, warum das Gutachten den anderen Finanzierungspartnern seinerzeit nicht zur Verfügung gestellt wurde? Die Fragen 5 und 6 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) hat gegenüber dem Bundesrechnungshof mit Schreiben vom 30. Oktober 2008 zu dem Sachverhalt Stellung genommen. Im Ergebnis war die Kalkulation des BRH vor dem damaligen Hintergrund aus Sicht des BMVBS nicht sachgerecht, denn es waren zu dem Zeitpunkt für das BMVBS keine Mehrkosten erkennbar. Unter Berücksichtigung der Darlegungen des BMVBS hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages der für die Realisierung des Projekts „Stuttgart 21“ erforderlichen Erhöhung der Verpflichtungsermächtigung zugestimmt. 7. Wer wird nach Ansicht der Bundesregierung die Mehrkosten von bis zu 2 Mrd. Euro für das Projekt Stuttgart 21 tragen, die erstmals im Dezember 2012 bekannt wurden und die im März 2013 im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG mehrheitlich – bei einer Gegenstimme – zur Kenntnis genommen wurden (www.spiegel.de und www.swp.de vom 5. März 2013)? 8. Hat die DB AG neben dem Land Baden-Württemberg nach Kenntnis der Bundesregierung auch alle anderen Projektpartner zu Gesprächen über die Verteilung der Mehrkosten entsprechend § 8 Absatz 4 des Finanzierungsvertrags (die sog. Sprechklausel) gebeten (vgl. „Bahn und Land verhandeln über S-21-Mehrkosten“, STUTTGARTER ZEITUNG vom 17. März 2014)? Wenn nein, warum hat die DB AG nach Kenntnis der Bundesregierung die anderen Projektpartner nicht (alle) um entsprechende Gespräche gebeten? Wenn ja, fanden bzw. finden diese Gespräche nach Kenntnis der Bundesregierung gemeinsam statt oder jeweils getrennt? 9. Hat die DB AG auch den Bund, auch wenn er formal kein Projektpartner ist, um entsprechende Gespräche gebeten, bzw. wird der Bund an den Gesprächen mit dem Land (und ggf. weiteren Projektpartnern) teilnehmen? 10. Wäre die Bundesregierung bereit, einen Teil der Mehrkosten für das Projekt Stuttgart 21 zu übernehmen, nachdem die DB AG entgegen ihrer anfänglichen Zusage vom Dezember 2012, 1 Mrd. Euro der Mehrkosten selbst finanzieren zu wollen, dem Land Baden-Württemberg gegenüber nun die gesamten Mehrkosten geltend macht? 11. Schließt es die Bundesregierung weiterhin definitiv aus, sich mit zusätzlichen Mitteln an Stuttgart 21 zu beteiligen? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 7 bis 11 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG entschied in seiner außerordentlichen Sitzung am 5. März 2013 über die Erhöhung des Finanzierungsrahmens zum Weiterbau von Stuttgart 21. Er beschloss, dem Vorschlag des Vorstands zuzu- stimmen, den Finanzierungsrahmen für S 21 um 2 Mrd. Euro von 4,526 Mrd. Euro Drucksache 18/1241 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode auf 6,526 Mrd. Euro zu erhöhen. In diesen 2 Mrd. Euro sind bereits ermittelte und weitere mögliche Mehrkosten enthalten. Mit seiner Entscheidung zur Erhöhung des Finanzierungsrahmens hat der Aufsichtsrat den Vorschlag des Vorstands gebilligt, eine Beteiligung der Projektpartner an den Mehrkosten auf Grundlage der „Sprechklausel“ (§ 5 (10) Gemeinsame Erklärung zur Realisierung der Projekte „Stuttgart 21“ und „NBS Wendlingen –Ulm“) einzufordern und dies notfalls auch gerichtlich durchzusetzen. In der „Sprechklausel“ ist vereinbart, dass Land und Eisenbahninfrastrukturunternehmen bei einer über die vereinbarten Beträge hinausgehenden Kostensteigerung Gespräche aufnehmen. Gemäß den geschlossenen Vereinbarungen zu Stuttgart 21 übernimmt der Bund über den vereinbarten Festbetrag hinaus keine Kostensteigerungen. Fehlende Rechtssicherheit 12. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass das Verwaltungsgericht Stuttgart in seinem Urteil vom 17. Juli 2013 (7 K 4182/11) zwar die staatliche Mischfinanzierung des Projekts Stuttgart 21 für zulässig gehalten, aber wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage die Berufung gegen sein Urteil zugelassen hat und eine rechtskräftige Entscheidung darüber noch aussteht? Welche Konsequenzen hätte es für Stuttgart 21, wenn das Berufungsgericht anders als das Verwaltungsgericht die Mischfinanzierung in dieser Form verwirft? 13. Erkennt die Bundesregierung eine Unsicherheit für die Finanzierung des Projekts vor dem Hintergrund, dass nach Auffassung der Fragesteller selbst bei Vorliegen der Zustimmung der Beteiligten eine Kompetenzverschiebung möglicherweise unzulässig ist (vgl. BVerfGE 4, 115, 139) und den Projektbetreibern deshalb möglicherweise rechtskräftig (durch den Verwaltungsgerichtshof [VGH] Mannheim oder das Bundesverwaltungsgericht [BVerwG] Leipzig) etwa 35 Prozent der Zuschussfinanzierung wegen Verfassungswidrigkeit wegzubrechen drohen (bitte mit Begründung)? 14. Folgt die Bundesregierung der Auffassung des Verwaltungsgerichts Stuttgart (s. Frage 12), dass es sich beim Wegbrechen der vereinbarten Obergrenze der Projektfinanzierung um einen „Wegfall der Geschäftsgrundlage “ im Sinne von § 60 des Verwaltungsverfahrensgesetzes handelt (bitte mit Begründung)? Die Fragen 12 bis 14 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Stuttgart 21 ist – wie bereits in der Antwort zu Frage 1 erläutert – kein Bedarfsplanprojekt . Artikel 87e Absatz 4 des Grundgesetzes verbietet nicht die eigenverantwortliche Finanzierung von Infrastrukturausbau durch Dritte. Das Land Baden-Württemberg beteiligt sich an Stuttgart 21 und der NBS Wendlingen– Ulm, um das Nahverkehrsangebot und die regionale Wirtschaftsstruktur zu verbessern . Die Sicherstellung des Schienenpersonennahverkehr ist eine Landesaufgabe . Diese Position hat das Verwaltungsgericht Stuttgart in seinem Urteil bestätigt. 15. Folgt die Bundesregierung der Einschätzung, dass sich aus der Mitteilung des Bahnvorstands, gemäß dem Aufsichtsratsbeschluss vom 5. März 2013 die Projektpartner anteilig auf die Übernahme der Mehrkosten zu verkla- gen, falls die zwei geplanten Gespräche über die Aufteilung der Zusatzkosten zu einer Ablehnung des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/1241 Stuttgart, solche zusätzlichen S21-Kosten mitzutragen, führen, weitere Unwägbarkeiten für die Finanzierung ergeben (bitte mit Begründung)? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 7 bis 11 verwiesen. 16. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung mit dem Haushaltsgrundsatz der Sparsamkeit (§ 7 der Bundeshaushaltsordnung – BHO) vereinbar, ein Großprojekt mit einer Größenordnung zwischen 6 und 11 Mrd. Euro Kosten auf nach Auffassung der Fragesteller ungesicherter Vertragsbasis bzw. trotz fehlender Rechtssicherheit weiter zu verfolgen? Mit der Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Bund und der DB AG zu Stuttgart 21 ist ein rechtsgültiger Vertrag zustande gekommen. Die Finanzierungsvereinbarung berücksichtigt wie alle Finanzierungsvereinbarungen zum Ausbau der Schienenwege die Vorgaben der BHO. Strukturen der Deutschen Bahn AG und von S21 17. Wie und bis wann gedenkt die Bundesregierung, die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom Dezember 2013 festgehaltene Absichtserklärung umzusetzen, wonach „wir die Geschäftspolitik der DB AG noch stärker an diesen Zielen [Ausbau und Stärkung der Schiene; Anm. d. Verf.] ausrichten [werden], ohne die Wirtschaftlichkeit infrage zu stellen “, wonach „[wir] dazu […] das Steuerungskonzept für die DB AG unter Berücksichtigung des Aktienrechts überarbeiten [werden]“ und wonach „die Steuerung der DB AG im Aufsichtsrat von dem im für Verkehr zuständigen Bundesministerium angesiedelten Staatssekretär koordiniert“ wird? 18. Welche Auswirkung wird ein solches Steuerungskonzept (voraussichtlich) auf das Projekt Stuttgart 21 haben vor dem Hintergrund, dass dieses zu den drei größten aktuellen Investitionsvorhaben der DB AG zählt? Die Fragen 17 und 18 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung begreift die bereits begonnene Umsetzung des Koalitionsvertrages nicht als kurzfristig orientierte, zeitlich befristete Aufgabenstellung, sondern als einen fortwährenden Optimierungsansatz, der im Sinne der Förderung einer nachhaltigen Unternehmensausrichtung und -entwicklung bewusst auf eine terminliche Befristung verzichtet. 19. Treffen nach Kenntnis der Bundesregierung die am 7. Januar 2014 im „Handelsblatt“ wiedergegebenen Behauptungen zu, wonach die Boni des Bahnchefs Dr. Rüdiger Grube unter anderem dann ausgezahlt werden, wenn es zu „regelmäßige[n] Treffen“ zwischen dem Bahnchef und dem „Ministerpräsident[en] Winfried Kretschmann“ kommt (bitte mit Begründung )? 20. Treffen nach Kenntnis der Bundesregierung die am 7. Januar 2014 im „Handelsblatt“ dokumentierten Fakten zu, wonach die Boni des Infrastrukturvorstands Dr. Volker Kefer unter anderem dann ausgezahlt werden , wenn dieser eine „intensive Kommunikation mit den Projektpartnern, der Geschäftsführung und dem Beirat der Projektgesellschaft“ (Stuttgart 21) betreibt (bitte mit Begründung)? 21. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem sich möglicherweise ergebenden Interessenkonflikt, dass Drucksache 18/1241 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode nach Angaben des Verfassers des „Handelsblatt“-Artikels die Bonizahlungen von Topmanagern der DB AG an die Durchsetzung und Fertigstellung von Stuttgart 21 geknüpft sind und somit der Vorstand der DB AG etwa in Bezug auf unternehmensschädigende Wirkungen des Großprojekts seine Entscheidungen nicht mehr unbeeinflusst allein gemäß der gesetzlich vorgegebenen „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters “ (§ 93 Absatz 1 des Aktiengesetzes – AktG) treffen kann? Die Fragen 19 bis 21 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Aufsichtsrat der DB AG setzt nach § 87 des Aktiengesetzes (AktG) die Vergütung des Vorstands fest und ist nach § 116 i. V. m. § 93 AktG zur Verschwiegenheit verpflichtet. Aufsichtsratsentscheidung vom 5. März 2013 22. Wann haben die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat den PwCVermerk zur „Plausibilitätsbegutachtung“ der S21-Kosten analysiert, und zu welchem Ergebnis sind sie gelangt (um Veröffentlichung sämtlicher Bewertungen wird gebeten)? 23. Stellt aus Sicht der Bundesregierung eine „Plausibilitätsbegutachtung“ der Projektkosten eine belastbare Planungsgrundlage für eine Investitionsentscheidung dieses Umfangs dar, wenn sie sich möglicherweise allein auf die „von der DB AG zur Verfügung gestellten“, nicht „verifizierten“ Unterlagen – und zwar lediglich auf zwei Abweichungslisten und drei Präsentationen – stützt (PwC Nr. 4, 10, 11; bitte mit Begründung)? a) Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Fragesteller, dass der Aufsichtsrat auf unzureichender Grundlage abgestimmt hat, wenn die PwC-Wirtschaftsprüfer klargestellt hatten, dass ihre Plausibilitätsbeurteilung „weder eine Abschlussprüfung noch eine prüferische Durchsicht darstellt“ und sie „ein höheres Risiko“ sehen, „dass selbst wesentliche Fehler, rechtswidrige Handlungen oder andere Unregelmäßigkeiten nicht aufgedeckt werden“ (PwC Nr. 4)? b) Wie erklärt es sich die Bundesregierung, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Prof. Dr. Dr. Utz-Hellmuth Felcht dagegen von einem „Testat“ der Wirtschaftsprüfer als Grundlage der Entscheidung sprach (vgl. DB-Pressemitteilung „DB-Aufsichtsrat genehmigt zusätzliche Mittel für die Erhöhung des Finanzrahmens des Bahnhofprojektes Stuttgart 21“ vom 5. März 2013, http://www.pressrelations.de/new/standard/result_ main.cfm?pfach=1&n_firmanr_=101744&sektor=pm&detail=1&r= 524914&sid=&aktion=jour_pm&quelle=0&profisuche=1)? c) Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung hinsichtlich ihrer Finanzierungszusage aus der Tatsache, dass laut PwC die Kostenberechnung dieser Plausibilisierung zudem in einer nicht revisionssicheren Excel-Liste (Nr. 21) erfolgte und gegen die „Grundsätze des Risikomanagements im DB AG-Konzern“, speziell gegen die Risikomanagement-Richtlinie 224.0101 und das Controlling -Handbuch, Kapitel 14, (Nr. 18) verstößt, da die Eintrittswahrscheinlichkeit nicht regelkonform abgebildet ist und die Beiträge somit nicht zum Gesamtwertumfang hochzurechnen sind (PwC Nr. 19/20, 23) und auf deren Basis somit die unabdingbare Überleitung ins Konzernreporting (Nr. 16) nicht möglich ist? 24. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass dem gesamten Aufsichtsrat der DB AG und damit auch den von ihr in dieses Gremium entsandten Mitgliedern laut PwC ein Teil der Kostensteigerungen nicht vorlag (die „Abweichungsliste “ mit Stand vom 8. Oktober 2012 für den Aufsichtsrat weist einen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/1241 „geringeren Datenumfang“ gegenüber der vom 13. September 2012 für den Vorstand auf, siehe PwC Nr. 10, 11, 14)? 25. Wie rechtfertigt die Bundesregierung die von ihren in den Aufsichtsrat der DB AG entsandten Mitgliedern mitgetragene Entscheidung des Aufsichtsrates vom 3. Mai 2013 zum Weiterbau von Stuttgart 21, obwohl PwC in ihrer Plausibilitätsbegutachtung über das Stuttgart-21-Projektmanagement urteilte, „die Voraussetzungen für ein möglichst geringes Nachtragsvolumen sind in der Projektorganisation des Großprojektes noch nicht etabliert“ und dass mit „einem im Vergleich zum Gesamtwertumfang erheblichen Nachtragsvolumen“ zu rechnen ist sei (PwC Nr. 24)? a) Wie begründet die Bundesregierung diese Entscheidung vor dem Hintergrund , dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC auch festgestellt hatte, dass das für das Nachtragsmanagement nötige Personal nicht eingestellt worden war (PwC Nr. 25), dass die Grundstücke noch nicht gesichert waren (PwC Nr. 26 bis 28), dass weitere Kosten für zu verlegende Leitungen übersehen wurden (PwC Nr. 29, 30), dass Terminrisiken noch nicht bewertet worden waren (PwC Nr. 31) und dass die Personalsituation kritisch ist (PwC Nr. 32)? b) Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass der geplante Abstellbahnhof nicht in der geplanten Größe gebaut werden soll, was als Kostenersparnis eingerechnet wurde (PwC Nr. 122), wofür aber zusätzliche Abstellkapazitäten im Umland gebraucht werden, die jedoch nicht als zusätzliche Kosten berücksichtigt worden sind? 26. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass als Voraussetzung der Kostenplanung ein Verzicht der Projektpartner auf die Wertsteigerung ihrer Grundstücke (PwC Nr. 124) unterstellt wird? Welche Zusagen liegen hierzu vor (um die Dokumente mit den entsprechenden Zusagen wird gebeten)? 27. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass als Voraussetzung der Kostenplanung rund 200 Mio. Euro Einsparungen durch „Kooperation“ Dritter, insbesondere der Finanzierungspartner (PwC Nr. 126), erzielt werden sollen? Welche Zusagen liegen hierzu vor (um die Dokumente mit den entsprechenden Zusagen wird gebeten)? 28. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Fragesteller, dass aufgrund der vorgenannten Punkte die Kostenplanung, die die Grundlage der Entscheidung vom 3. Mai 2013 war, nicht belastbar ist (bitte mit Begründung )? Die Fragen 22 bis 28 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Beratungen im Aufsichtsrat der DB AG unterliegen der Verschwiegenheitspflicht nach §§ 116, 394 und 395 AktG. Die Aufsichtsratsmitglieder sind insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verpflichtet. Verstöße sind strafbar nach § 404 AktG. Die Beschlüsse zu Stuttgart 21 hat der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG getroffen. Die Aufsichtsratsmandate bei einer Aktiengesellschaft sind immer persönliche Mandate. Die Vertreter des Bundes in den Aufsichtsräten unterliegen keinen Weisungen. Der Bund bewertet nicht die Entscheidungen des Aufsichtsrats . Drucksache 18/1241 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 29. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung im Sinne ihres im Koalitionsvertrag vom Dezember 2013 festgehaltenen Willens der Umsetzung eines Steuerungsmodells für die DB AG aus den Entwicklungen beim Projekt Stuttgart 21? a) Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass die Kostensteigerung um 1,1 Mrd. Euro möglicherweise auf Managementfehlern beruht (bitte mit Begründung)? b) Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass die den Mitgliedern des Aufsichtsrates nicht vorliegenden Kosten („Abweichungsliste “) einen Vertrauensbruch darstellen (bitte mit Begründung )? c) Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass das Projektmanagement erhebliche Defizite aufweist (bitte mit Begründung )? d) Teilt die Bundesregierung die Befürchtung der Fragesteller, dass es weitere Kostensteigerungen in Milliardenhöhe geben kann (bitte mit Begründung)? e) Welche Verantwortung für diese Defizite sieht die Bundesregierung bei den zuständigen Vorständen Dr. Rüdiger Grube und Dr. Volker Kefer? f) Halten die Bundesregierung bzw. ihre Vertreter im DB-AG-Aufsichtsrat trotz der vorgenannten Punkte weiterhin am DB-AG-Vorstand fest (bitte mit Begründung)? Soweit die Bundesregierung über die von ihr entsandten Vertreter im Aufsichtsrat der DB AG informiert worden ist, hat der Vorstand in der außerordentlichen Aufsichtsratssitzung am 5. März 2013 plausibel dargelegt und in kritischen Diskussionen bestätigt, dass die Fortführung des Projekts Stuttgart 21 für die Deutsche Bahn AG wirtschaftlich vorteilhafter als ein Abbruch ist. Die weitere Umsetzung des Projekts wird der Aufsichtsrat auch künftig kritisch begleiten. 30. Durch welche Argumente wurden die Staatssekretäre der Bundesregierung mit Sitz im Aufsichtsrat der DB AG hinsichtlich ihrer sich abzeichnenden Entscheidung, im Aufsichtsrat der DB AG einer Weiterführung des Projekts S21 nicht zuzustimmen, umgestimmt? a) Welche Argumente überwogen gegenüber den im BMVBS-Dossier dargestellten Punkten, in dem es heißt, „der Vorstand gründet seine Fortführungsempfehlung auf der Einschätzung, die Planungsvariante sei wirtschaftlicher als ein Ausstieg, konnte aber die Ausstiegskosten nicht belastbar darlegen“ und in dem auf die fehlende Gesamtfinanzierung sowie die Frage der Wirtschaftlichkeit verwiesen wurde mit Aussagen wie „vor dem Hintergrund der identifizierten 2,3 Mrd. Euro Mehrkostenrisiko und zu erwartender negativer Eigenkapitalverzinsung bereits vor Beginn der Hauptarbeiten“ (S. 3 des Dossiers), „bei Betrachtung der gesamten Mehrkosten wird die Eigenkapitalverzinsung negativ“, „deshalb müssen Alternativen bis hin zum Ausstieg ernsthaft geprüft werden, um den Schaden minimieren zu können“, „die Wirtschaftlichkeit der Weiterführung kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden, ebenso kann nicht beurteilt werden, ob die Weiterführung eindeutig wirtschaftlicher als eine Alternative ist“ (S. 4 des Dossiers)? b) Wie haben die Aufsichtsräte der Bundesregierung den Umstand bewertet , dass der relative Kostenvorteil des Weiterbaus in Höhe von 77 Mio. Euro (wobei hier noch nicht die möglicherweise entstehenden Nachtragsrisiken in Milliardenhöhe berücksichtigt sind) zum Zeitpunkt der Entscheidung schon keinen Bestand mehr hatte, nachdem Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn mit Schreiben vom 4. März 2013 an den stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrats Alexander Kirchner Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/1241 darauf hingewiesen hatte, dass sich die Bilanz aufgrund von nicht mehr rückabwickelbaren Grundstücksverkäufen in jedem Falle um 123,5 Mio. Euro verschlechtert, also ein Weiterbau schon unwirtschaftlich ist (vgl. „Falsche Zahlen“, www.kontextwochenzeitung.de vom 13. März 2013)? Auf die Antwort zu den Fragen 22 bis 28 wird verwiesen. 31. Bis zu welchem Kostennachteil des Weiterbaus von Stuttgart 21 wirkt die möglicherweise günstigere Cash- bzw. Liquiditätsbetrachtung noch kompensierend ? Dazu liegen dem BMVI für den derzeitigen Projektstand keine Werte vor. 32. War der Einsatz des inzwischen als zukünftiger DB-AG-Vorstand angekündigten damaligen Kanzleramtsministers Ronald Pofalla von einer derart sorgfältigen Abwägung geprägt, dass er die Verantwortung der Bundesregierung als Vertreterin des Eigners der DB AG für deren Geschäftserfolg hinreichend berücksichtigt hatte? Hat er insbesondere die zuvor dargestellten Aspekte der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Projekts Stuttgart 21 abgewogen und mit welchem Ergebnis (um die belegenden Dokumente wird gebeten)? Die Bundesregierung nimmt ihre Verantwortung als Anteilseigner der DB AG über den Aufsichtsrat und über die Hauptversammlung wahr. Bundesminister a. D. Ronald Pofalla war in seiner Amtszeit als Chef des Bundeskanzleramts nicht im Aufsichtsrat und nicht in der Hauptversammlung der DB AG vertreten. 33. Welches Gewicht misst die Bundesregierung – vor dem Hintergrund der Rede der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel vor dem Deutschen Bundestag am 15. September 2010, bei der sie Stuttgart 21 zum Maßstab für die „Zukunftsfähigkeit Deutschlands“ gemacht hatte und mit ihrem Hinweis auf die Bedeutung eines Scheiterns von Stuttgart 21 für die „Verlässlichkeit der Politik“ und die „Investitionssicherheit in Deutschland“ (vgl. „Merkel warnt vor Scheitern“, www.stuttgarter-zeitung.de vom 28. September 2010) – bei Großprojekten den Aspekten einer belastbaren Kostenplanung , einer konsistenten Nutzenberechnung, eines professionellen Projektmanagements und der zeitnahen und nachvollziehbaren Aufarbeitung begründeter Kritik bei? Wie wird dies jeweils bei dem Projekt Stuttgart 21 umgesetzt? Die optimale Umsetzung von Großprojekten ist ein wichtiges Anliegen des BMVI. Im April 2013 wurde aus diesem Grund eine Reformkommission Großprojekte geschaffen. Sie soll Handlungsempfehlungen für eine bessere Umsetzung von Großprojekten geben. Wesentliches Ziel der Reformkommission ist es, bei Großprojekten Kostenwahrheit , Kostentransparenz und Termintreue zu stärken, sowie die angestrebte Qualität und Funktionalität der Projekte im gesetzten Zeit- und Kostenrahmen zu erreichen. Es gilt, Lehren aus den Fehlern bei den aktuellen Großprojekten zu ziehen und Leitlinien für künftige Großprojekte im Hochbau und im Verkehrsbereich aufzustellen. Dazu gehört auch, die zugrunde liegenden Vorschriften auf den Prüfstand zu stellen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333