Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 23. Mai 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/12487 18. Wahlperiode 24.05.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Keul, Tom Koenigs, Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/12288 – Strafverfolgung von in Syrien begangenen Völkerstraftaten in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Sechs Jahre Krieg in Syrien hat Hundertausende Menschen das Leben gekostet. Millionen sind innerhalb Syriens und aus Syrien heraus auf der Flucht. Giftgasangriffe , Foltergefängnisse und das Aushungern der Zivilbevölkerung sind nur Beispiele für die vielen Völkerstraftaten, die in Syrien von verschiedenen Konfliktparteien verübt wurden und werden. Tausende sind solchen Völkerstraftaten bereits zum Opfer gefallen. In Deutschland können Völkerstraftaten nach dem Weltrechtsprinzip auf der gesetzlichen Grundlage des Völkerstrafgesetzbuches geahndet werden. Dies ist von besonderer Bedeutung, wenn der Weg zum Internationalen Strafgerichtshof – wie im Falle Syriens – derzeit aufgrund des Vetos einiger Sicherheitsratsmitglieder de facto versperrt ist (vgl. abgelehnte Resolution des Sicherheitsrates vom 22. Mai 2014, S/2014/348). Zahlreiche Syrerinnen und Syrer sind nach Deutschland geflüchtet. Sie stellen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und damit auch den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden, insbesondere der Zentralstelle für die Bekämpfung von Kriegsverbrechen und weiteren Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch (ZBKV) beim Bundeskriminalamt (BKA) und dem Völkerstrafrechtsreferat beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA), wertvolle Hinweise auf Völkerstraftaten und -straftäter zur Verfügung. (Da sich das BAMF und die ZBKV im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern (BMI) befinden, werden diesbezügliche Fragen mit gesonderter Kleiner Anfrage gestellt.) Die wichtige Arbeit der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden verhilft dem Völkerstrafgesetzbuch dabei erst zur praktischen Anwendbarkeit. Sie verdient Anerkennung und bestmögliche Unterstützung. Insbesondere die exorbitant gestiegene Zahl der Hinweise (8 500-prozentige Steigerung innerhalb von zwei Jahren seit 2013, vgl. Antwort auf die Schriftliche Frage 33 des Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Bundestagsdrucksache 18/8052) muss mit ausreichender Ausstattung der Ermittlerinnen und Ermittler, insbesondere genügend Personal, beantwortet werden. Nur dann kann den zahlreichen Hinweisen auf Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12487 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Völkerstraftaten umgehend nachgegangen werden, was im Ergebnis auch zu mehr und zeitnäheren Prozessen führt und somit im Interesse der Opfer zur Beendigung der derzeitigen Straflosigkeit von Völkerstraftaten im syrischen Kontext beiträgt. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Entsprechend der Fragestellung wurden bei den Antworten nur Verfahren des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof (GBA) berücksichtigt, die vom Völkerstrafrechtsreferat des GBA geführt werden. 1. Wie viele Strafanzeigen im syrischen Kontext sind insgesamt beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) eingegangen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) führt keine Statistiken zu eingehenden Strafanzeigen. 2. Wie viele Strafanzeigen betreffen das syrische Regime, wie viele Daesh/IS? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 3. Wie viele Ermittlungsverfahren hat das Völkerstrafrechtsreferat beim GBA seit dem Jahr 2011 eingeleitet (bitte einzeln nach Jahren sowie nach personenbezogenen Ermittlungsverfahren und Strukturverfahren aufschlüsseln)? Das Völkerstrafrechtsreferat beim GBA hat seit 2011 insgesamt folgende Ermittlungsverfahren eingeleitet: a) 2011: 28 Ermittlungsverfahren, davon drei Strukturverfahren b) 2012: Zwei Ermittlungsverfahren c) 2013: Fünf Ermittlungsverfahren d) 2014: Fünf Ermittlungsverfahren, davon zwei Strukturverfahren e) 2015: Zehn Ermittlungsverfahren, davon ein Strukturverfahren f) 2016: 21 Ermittlungsverfahren g) 2017: bisher drei Ermittlungsverfahren 4. Wie viele personenbezogene Ermittlungsverfahren im syrischen Kontext gegen wie viele Beschuldigte mit Bezug a) zu Daesh/IS, Die Fragen 4a und 4c werden gemeinsam beantwortet. Eine Unterscheidung zwischen Verfahren mit Bezug zum IS und anderen aufständischen Milizen ist nicht möglich, da die überwiegende Anzahl der Kämpfer auf Oppositionsseiten mehrfach die Gruppierung gewechselt hat bzw. wechselt. Es erfolgt daher eine einheitliche Auflistung für Verfahren mit Bezug zu Gruppierungen , die nicht der Regierung zuzuordnen sind: aa) 2011: Kein Verfahren bb) 2012: Kein Verfahren cc) 2013: Ein Verfahren gegen einen Beschuldigten Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12487 dd) 2014: Ein Verfahren gegen zwei Beschuldigte ee) 2015: Acht Verfahren gegen 13 Beschuldigte ff) 2016: Zwölf Verfahren gegen zwölf Beschuldigte gg) 2017: Bisher kein Verfahren b) zum syrischen Regime aa) 2011: Kein Verfahren bb) 2012: Kein Verfahren cc) 2013: Kein Verfahren dd) 2014: Ein Verfahren gegen einen Beschuldigten ee) 2015: Kein Verfahren ff) 2016: Fünf Verfahren gegen acht Beschuldigte gg) 2017: Bisher ein Verfahren gegen einen Beschuldigten c) zu anderen im syrischen Bürgerkrieg involvierten Gruppen (welchen?) hat der GBA seit 2011 eingeleitet (bitte einzeln nach Jahren und Ermittlungsverfahren auflisten)? Auf die Antwort zu Frage 4a wird verwiesen. 5. Wie viele der personenbezogenen Ermittlungsverfahren in Bezug auf Daesh/IS betreffen dabei Syrien, und wie viele den Irak? Neun der personenbezogenen Ermittlungsverfahren mit Bezug (unter anderem) zum IS betreffen Syrien, drei den Irak. 6. Seit wann gibt es Strukturverfahren mit Bezug auf a) Daesh/IS, Das Strukturverfahren mit Bezug auf Daesh/IS wird seit dem 1. August 2014 geführt . b) das syrische Regime, Das Strukturverfahren mit Bezug auf das syrische Regime wird seit dem 15. September 2011 geführt. c) zu anderen im syrischen Bürgerkrieg involvierten Gruppen (welchen) Weitere Strukturverfahren zu anderen im syrischen Bürgerkrieg involvierten Gruppen existieren nicht. 7. Inwiefern wird bei Ermittlungsverfahren mit internationalen Organisationen, der EU oder anderen Staaten zusammengearbeitet? 8. Welche Vorhaben bestehen bezüglich zukünftiger Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, der Europäischen Union oder anderen Staaten ? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12487 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Inwiefern gab bzw. gibt es mit welchen Staaten bzw. Organisationen zu Straftaten im mit Bezug a) zu Daesh/IS, b) zum syrischen Regime, c) zu anderen im syrischen Bürgerkrieg involvierten Gruppen und Staaten (jeweils welchen) einen Austausch? Die Fragen 7, 8 und 9 werden gemeinsam beantwortet. Es findet ein regelmäßiger, institutionalisierter Informationsaustausch zweimal jährlich mit den Völkerstrafrechtseinheiten der EU-Mitgliedstaaten und anderen assoziierten Staaten im Rahmen des Network for investigation and prosecution of genocide, crimes against humanity and war crimes bei Eurojust statt, an dem neben dem Internationalen Strafgerichtshof und Europol auch Nichtregierungsorganisationen teilnehmen. Daneben erfolgen bei Anlass häufige bilaterale Treffen mit einzelnen Staaten und Organisationen. Beweismittel werden im Wege der offiziellen Rechtshilfe ausgetauscht. Eine Statistik über die Vielzahl der internationalen Kontakte führt der GBA nicht. 10. Mit der Eröffnung von wie vielen völkerstrafrechtlicher Hauptverfahren, den syrischen Kontext betreffend, rechnet der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof im Jahr 2017? Der GBA rechnet mit der Eröffnung von mindestens zwei solchen völkerstrafrechtlichen Hauptverfahren im Jahr 2017. 11. Wann wird jeweils die Eröffnung der Hauptverfahren in den beiden Strukturverfahren (syrisches Regime und Daesh/IS) angestrebt, wenn einerseits ein Interesse an zügiger Strafverfolgung besteht und bereits viele Beweise vorliegen, andererseits laufend neue Hinweise eingehen? Es liegt in der Natur der Strukturverfahren, dass keine Eröffnung der Hauptverhandlung stattfinden kann. In den Strukturverfahren gegen unbekannte Täter werden Erkenntnisse und Beweise zu einer Struktur gesammelt und gesichert. Neben der Beweissicherung ist das Ziel des Ermittlungsverfahrens, dass auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse personenbezogene Ermittlungsverfahren eingeleitet und erforderliche strafprozessuale Exekutivmaßnahmen zeitnah eingeleitet werden können, wenn sich ein Verdacht wegen Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland ergibt. Daneben werden Beweise für dritte Staaten und die internationale Strafgerichtsbarkeit für den Fall zukünftiger Strafverfolgung gesichert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12487 12. Wie viele Staatsanwältinnen und Staatsanwälte hat das Völkerstrafrechtsreferat des GBA (bitte seit 2011 einzeln nach Jahren aufschlüsseln, Teil- und Vollzeitstellen getrennt ausweisen)? Das Völkerstrafrechtsreferat des GBA ist seit 2011 wie folgt zusammengesetzt: a) Ende 2010: Fünf volle Stellen b) Ende 2011: Acht Stellen, davon eine Halbtagsstelle c) Ende 2012: Neun Stellen, davon zwei Halbtagsstellen d) Ende 2013: Fünf volle Stellen e) Ende 2014: Fünf Stellen, davon eine Halbtagsstelle f) Ende 2015: Sechs volle Stellen g) Ende 2016: Sechs volle Stellen h) Mai 2017: Sieben volle Stellen. 13. Wie viele Staatsanwältinnen und Staatsanwälte des Völkerstrafrechtsreferats des GBA beschäftigen sich mit der Auswertung von Hinweisen auf Völkerstraftatenbezogen auf Syrien (bitte seit 2011 einzeln nach Jahren aufschlüsseln , planmäßige Stellen und abgeordnete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Teil- und Vollzeitstellen getrennt ausweisen)? Aufgrund der Vielzahl der Verfahren und der Hinweise befassen sich alle Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Völkerstrafrechtsreferat mit Sachverhalten mit Bezug zu Syrien. Eine Statistik hierzu führt der GBA nicht. 14. Würde nach Auffassung der Bundesregierung eine signifikante Aufstockung der Personaldecke des Völkerstrafrechtsreferats beim GBA dieses in die Lage versetzen, mehr und zügigere Ermittlungen durchzuführen? Der Einsatz von mehr Personal ist regelmäßig geeignet, Strafverfolgung zu intensivieren und effektiver zu gestalten. Dies gilt gleichermaßen für das staatsanwaltschaftliche Personal, wie für das Personal der Behörden des Polizeidienstes. Letztendlich obliegt es dem Haushaltsgesetzgeber, welche Prioritäten im Bereich der Stellenhaushalte der Bundesbehörden gesetzt werden. 15. Sammelt der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof trotz des derzeit bestehenden Verfahrenshindernisses gemäß § 20 Absatz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (Immunität für amtierende Staatsoberhäupter) Beweise für Völkerstraftaten gegen Baschar al Assad? Ein wegen Immunität bestehendes Verfahrenshindernis bedeutet nicht, dass etwaige Beweise nicht gesammelt werden können. 16. Ist geplant, diese Beweise nach Wegfall des Verfahrenshindernisses (Immunität für amtierende Staatsoberhäupter) in einem Verfahren nach dem Völkerstrafgesetzbuch in Deutschland zu verwenden, oder sollen sie einem internationalen Strafgericht (insbesondere dem ICC) zur Verfügung gestellt werden, bei dem ein solches Verfahrenshindernis nicht besteht? Solche Beweise könnten nach den gesetzlichen Vorgaben einem internationalen Strafgericht zur Verfügung gestellt werden. Sie könnten nach Wegfall des Verfahrenshindernisses auch in einem Verfahren nach dem Völkerstrafgesetzbuch in Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12487 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode der Bundesrepublik Deutschland Verwendung finden, soweit nicht wegen mangelnden Deutschlandbezugs ein Absehen von der Verfolgung nach § 153f der Strafprozessordnung (StPO) in Betracht kommt. 17. Wie viele Hinweise von völkerstrafrechtlicher Relevanz im syrischen Kontext gibt es auf in Deutschland aufhältige Personen bzw. mögliche Täter? Der GBA führt hierzu keine Statistik. 18. Wie viele Zeuginnen und Zeugen wurden bereits im Rahmen der Strukturermittlungsverfahren zu Syrien vernommen, und wie viele Zeugenaussagen stehen derzeit noch aus? In den Strukturverfahren zu Syrien (also auch zum IS) wurden nahezu 200 Personen als Zeugen vernommen. Eine Aussage zu der Anzahl noch ausstehender Zeugen ist nicht möglich, da eine Vielzahl von Zeugen noch nicht vernommen werden konnte und nahezu täglich neue hinzukommen. Der Kreis der potentiellen Zeugen in der Bundesrepublik Deutschland ist schon jetzt nicht überschaubar. 19. Wie werden in Deutschland aufhältige Opfer und Zeuginnen und Zeugen, die ja nicht alle über vom BAMF übermittelte Hinweise bekannt sind, von Völkerstraftaten durch das Völkerstrafrechtsreferat des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof identifiziert, kontaktiert und ggf. geschützt? Zeugen, die nicht über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, sondern über andere Quellen (Nichtregierungsorganisationen, Internet, Benennung durch andere Zeugen etc.) bekannt werden, werden durch das Bundeskriminalamt ermittelt und kontaktiert. Falls erforderlich, erfolgt Zeugenschutz nach den Regeln der StPO, gegebenenfalls unter Hinzuziehung polizeilicher Zeugenschutzstellen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333