Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 24. Mai 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/12519 18. Wahlperiode 29.05.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/12228 – Tierschutz bei der Tötung von Nutztieren V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Jahr 2016 wurden in deutschen Schlachtunternehmen 59,3 Millionen Schweine, 3,6 Millionen Rinder und 632 Millionen Hühner geschlachtet. Die Anwendung der Tierschutzschlachtverordnung soll gewährleisten, dass die Tiere unter Vermeidung von Schmerzen und Leiden in einen bis zum Tod anhaltenden Zustand der Empfindungs- und Wahrnehmungslosigkeit versetzt werden. Immer wieder kommt es jedoch zu Berichten über schwere Tierschutzverstöße bei der Anlieferung der Tiere und während des Schlachtprozesses (www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.grauenvolle-zustaende-ingrosskonzern -landshut-schaben-im-schlachthof.0642b80d-cd77-4230-8659- cca2131205cd.html). 1. Wie hat sich die Zahl der Schlachtungen in Deutschland seit dem Jahr 2007 entwickelt, und wie hoch ist der Anteil importierter Tiere (bitte nach Tierarten /Jahren aufschlüsseln) Die Zahl der Schlachtungen von Rindern, Schweinen und Geflügel können der folgenden Übersicht entnommen werden. Seit dem Jahr 2010 ist die Zahl der Rinderschlachtungen rückläufig. Bei Schweinen und Geflügel gab es die höchsten Schlachtzahlen in den Jahren 2011 bzw. 2014; im Übrigen bewegt sich deren Zahl – mit gewissen jährlichen Schwankungen – auf etwa gleichem Niveau. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12519 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Tierart Einheit 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Rinder 1 000 3 658 3 763 3 739 3 755 3 676 3 617 3 487 3 573 3 549 3 565 dar. ausl. Herkunft 1 000 68 68 100 79 88 103 86 75 60 62 Anteil ausl. Herkunft % 1,9 1,8 2,7 2,1 2,4 2,8 2,5 2,1 1,7 1,7 Schweine 1 000 52 991 54 672 56 068 58 414 59 550 58 213 58 622 58 814 59 325 59 262 dar. ausl. Herkunft 1 000 4 513 5 117 5 144 5 224 4 723 4 506 4 812 4 379 4 274 4 658 Anteil ausl. Herkunft % 8,5 9,4 9,2 8,9 7,9 7,7 8,2 7,4 7,2 7,9 Geflügel 1 000 n. v. n. v. n. v. 683 114 705 050 691 627 701 905 725 078 715 688 689 451 dar. importiert 1 000 25 753 33 990 37 045 24 703 30 398 37 598 36 224 35 181 39 438 39 499 Anteil importiert % 3,6 4,3 5,4 5,2 4,9 5,5 5,7 n. v. = nicht vorhanden Anmerkung: Für Rinder und Schweine Ergebnisse der Schlachtungsstatistik (gewerbliche Schlachtungen); Geflügel: Ergebnisse der Geflügelschlachtungsstatistik, Angaben zu Importen aus der Außenhandelsstatistik. Quelle: Statistisches Bundesamt 2. Wie hat sich in Deutschland seit dem Jahr 2007 die Zahl der Schlachtstätten entwickelt? Die Liste der in Deutschland zugelassenen Schlachtbetriebe wird in einer Datenbank beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit geführt. Sie gibt Auskunft über den jeweils aktuellen Stand. Informationen über die Entwicklung von Zulassungszahlen werden nicht geführt. Derzeit sind in Deutschland 4 177 Betriebe für die Schlachtung von Schweinen, 3 878 Betriebe für die Schlachtung von Rindern und 238 Betriebe für die Schlachtung von Geflügel zugelassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zahlreiche Betriebe zugleich für die Schlachtung von Rindern und von Schweinen zugelassen sind. Die hohen Zahlen in den ersten beiden Kategorien dürften zu einem nicht unerheblichen Teil auf selbstschlachtende Metzgereien zurückzuführen sein. 3. Welches sind nach Kenntnis der Bundesregierung die zehn größten Schlachtstätten in Deutschland für Geflügel, Rinder, Schweine (bitte nach Tiergruppe und Schlachtkapazität angeben)? Solche Ranglisten sind der Bundesregierung zum Teil aus Veröffentlichungen in Fachmedien1 bekannt, zu deren Richtigkeit oder Vollständigkeit allerdings keine Angaben gemacht werden können 4. Welche amtlichen Kontrollen zur Überwachung des Tierschutzes werden nach Kenntnis der Bundesregierung an welchen Stellen an Schlachthöfen durchgeführt? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 6 auf Bundestagsdrucksache 17/10021 verwiesen. 1 Siehe beispielsweise unter www.fleischwirtschaft.de/wirtschaft/nachrichten/Ranking-Top-100-der-Fleischbranche-Vertikal-und-global- 33733. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12519 5. Wie beurteilt die Bundesregierung die „Verordnung über amtliche Kontrollen “ der Europäischen Kommission hinsichtlich der Qualität der Kontrolle am Schlachtband und bei der Annahme? Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung hinsichtlich der Auffassung der Bundestierärztekammer, wonach die Schlachttieruntersuchung ausschließlich von Amtsveterinärinnen und Amtsveterinären bzw. amtlichen Tierärztinnen und Tierärzten durchzuführen ist, und amtliche Fachassistentinnen und Fachassistenten nur unter Aufsicht solchen Personals die Fleischuntersuchung durchzuführen haben (www.bundestieraerztekammer.de/downloads/btk/fachausschuesse/BTK_ EU-Kontroll-VO.pdf)? Falls keine, warum nicht? Die Qualität der Kontrollen hängt entscheidend von der Ausgestaltung der Folgevorschriften ab, die zur Umsetzung der ab dem 19. Dezember 2019 geltenden neuen Verordnung über amtliche Kontrollen noch zu erlassen sind. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass der amtliche Tierarzt die beste Qualifikation hat, eine umfassende Beurteilung des Lebendtieres vorzunehmen. Dies sieht die Kontrollverordnung für den Regelfall auch vor. Die Kriterien und Voraussetzungen , unter denen von diesem Prinzip abgewichen werden kann, müssen noch auf EU-Ebene geregelt werden. Die Bundesregierung wird sich bei den Beratungen dafür einsetzen, dass Anforderungen festgelegt werden, die ausreichende Garantien in den Fällen bieten, in denen die amtlichen Kontrollen nicht vom amtlichen Tierarzt selbst, sondern unter seiner Verantwortung durchgeführt werden. 6. Wann wurden die Regelungen auf Bundesebene zur Kontrolle an Schlachthöfen zum letzten Mal verändert, sowohl an den lebenden Tieren als auch bei bzw. nach der Schlachtung? In welcher Weise? Die gemeinschaftsrechtlichen Hygieneregelungen, auf deren Grundlage die nationalen Vorschriften zur Kontrolle an Schlachthöfen erlassen worden waren, wurden durch die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 und die Richtlinie 2004/41/EG aufgehoben . Die lebensmittelhygienerechtlichen Vorschriften zur Kontrolle an Schlachthöfen sind seit Inkrafttreten der Verordnungen (EG) Nr. 853/2004 und (EG) Nr. 854/2004 am 20. Mai 2005 durch direkt geltendes Unionsrecht geregelt. Mit der Verordnung zur Durchführung von Vorschriften des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts vom 8. August 2007 kommt die Bundesregierung ihrer Verpflichtung nach, im Rahmen der Subsidiarität bestimmte Formen des Inverkehrbringens von Lebensmitteln, die nicht unter den Geltungsbereich des Unionsrechts fallen, wie z. B. die Abgabe kleiner Mengen, oder Regelungen für Einzelhandelsbetriebe , national zu gestalten. 7. Wie häufig kam es seit dem Jahr 2007 nach Kenntnis der Bundesregierung zur Feststellung von tierschutzrelevanten Vorfällen in Schlachthöfen und bei der Anlieferung? Wie oft wurden welche Rechtsmittel eingelegt (Bußgelder, Entzug der Betriebsgenehmigung ; bitte nach Jahr und Ahndung auflisten)? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 6 und 7 auf Bundestagsdrucksache 17/10021 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12519 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 8. Worin liegen nach Kenntnis der Bundesregierung die Schwierigkeiten in der Feststellung und Verfolgung von Verstößen gegen das Tierschutzgesetz an Schlachthöfen? Die für die Sicherstellung des Tierschutzes bei der Schlachtung relevanten tierschutzrechtlichen Vorschriften finden sich in der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 sowie in der nationalen Tierschutz-Schlachtverordnung. Grundsätzlich stellen sich bei der Feststellung und Verfolgung von Verstößen gegen diese Vorschriften keine anderen Schwierigkeiten als in anderen Bereichen des Tierschutzes oder in anderen Rechtsbereichen. 9. Hält die Bundesregierung die Erhöhung des Strafrahmens sowie eine Strafbarmachung von Fahrlässigkeitsdelikten für angebracht, um eine bessere Ahndung von Verstößen gegen das Tierschutzgesetz zu erreichen? Wenn nein, warum nicht? Verstöße gegen das Tierschutzgesetz können, soweit Straftaten vorliegen, Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren und, soweit Ordnungswidrigkeiten vorliegen, Geldbußen von bis zu 25 000 Euro nach sich ziehen. Die Bundesregierung hält die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten für ausreichend. 10. Welches sind aus Sicht der Bundesregierung die bedeutsamsten Defizite beim Tierschutz in deutschen Schlachthöfen? Deutsche Schlachthöfe unterliegen den einschlägigen europäischen und nationalen tierschutzrechtlichen Vorschriften und werden von den zuständigen Behörden der Länder überwacht. Der Bundesregierung liegen keine Hinweise vor, nach denen bei der Einhaltung dieser Tierschutzvorschriften derzeit grundsätzliche Defizite bestünden. Verstöße gegen diese rechtlichen Bestimmungen sind dann besonders bedeutsam, wenn sie mit Schmerzen oder Leiden bei den Tieren einhergehen . Weiterentwicklungen bei der Wahrung des Wohlbefindens von Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung werden von der Bundesregierung unterstützt (vgl. Antwort zu Frage 18). Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 5 auf Bundestagsdrucksache 17/10021 verwiesen. 11. Wie häufig werden nach Kenntnis der Bundesregierung jährlich trächtige Nutztiere geschlachtet (bitte nach Tierart und Trächtigkeitsstadium auflisten )? Zur Schlachtung von trächtigen Rindern wird zunächst auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 1, 2 und 4 auf Bundestagsdrucksache 18/1535 verwiesen . Vorliegende Zahlen beziehen sich auf nicht repräsentative Untersuchungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Fleischhygiene, Tierschutz und Verbraucherschutz (BAG) auf Schlachthöfen in Süd- und Norddeutschland aus den Jahren 2013 und 2014, nach denen Anteile von 0,8 bis 2,5 Prozent (im Mittel 1,65 Prozent) der Rinder „hochträchtig“ geschlachtet wurden (Braunmiller 2015). Es wurde in diesem Zusammenhang auf 19 800 lebensfähige Kälber verwiesen, die getötet wurden . In einer Literaturstudie zu Umfang und Hintergründen der Schlachtung gravider Rinder stellten Freitag et al. (2014) fest, dass – mit großen saisonalen und zwischenbetrieblichen Schwankungen zwischen den Schlachtstätten – etwa 4 bis 5 Prozent der weiblichen Rinder tragend geschlachtet werden. Auch das laufende Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12519 Projekt „S!GN“ (2017), das von der Bundesregierung gefördert wird (vgl. Antwort zu Frage12), konnte bisher zeigen, dass die Schlachtung tragender Nutztiere kein Einzelphänomen ist. Der Anteil der trächtigen Tiere an der Gesamtzahl der von Behörden untersuchten Schlachtungen beträgt bei Rindern 1,5 Prozent (bezogen auf 596 500 geschlachtete Rinder) und 2,6 Prozent (bezogen auf 356 000 weibliche Rinder), wobei sich mehr als 75 Prozent der Rinder im mittleren und letzten Drittel der Trächtigkeit befunden haben. In eigenen Untersuchungen des Projektteams auf vier Schlachthöfen wurden bei insgesamt 7005 geschlachteten weiblichen Rindern Prävalenzen von 6,4 bis 13 Prozent tragend geschlachteter Tiere festgestellt. Das jeweilige Trächtigkeitsstadium wurde dabei an 592 Feten untersucht, wobei sich je nach Schlachthof 13,4 bis 29 Prozent der trächtigen Tiere im letzten Drittel der Trächtigkeit befunden haben. Bei Schafen lag der Anteil bei 4,1 Prozent der weiblichen Tiere und bei 0,8 Prozent bei allen Schlachtungen, bei Ziegen bei 0,7 Prozent (alle Ziegen) und 9,5 Prozent (weibliche Ziegen). Die tragenden Tiere wurden zu etwa 90 Prozent im ersten und zweiten Drittel des Trächtigkeitszeitraumes geschlachtet (S!GN 2017). In belgischen Untersuchungen wurde der Anteil tragender Sauen bei den insgesamt 502 untersuchten Sauen (hiervon 14 Prozent Jungsauen) mit 3 Prozent angegeben (De Jong et al. 2014). In einer Studie von Heinonen et al. (1998) lag der Anteil der tragenden Tiere bei den 1708 untersuchten Sauen eines finnischen Schlachthofs innerhalb eines Untersuchungsjahres bei 1,5 Prozent. Angaben zu den Trächtigkeitsstadien erfolgten nicht. In der S!GN-Studie (2017) wird bei den untersuchten 413 737 geschlachteten weiblichen Schweinen von einer Gesamtprävalenz von 0,0367 Prozent tragender Tiere berichtet, von denen sich 0,0229 Prozent im letzten Drittel der Trächtigkeit befunden haben. Die zitierte Literatur ist diesem Schreiben als Anlage beigefügt. 12. Wie ist der aktuelle Bearbeitungsstand des Verbundprojekts „SiGN“ (Untersuchungen zum Anteil von Trächtigkeiten bei geschlachteten Tieren und zu den Ursachen für die Abgabe trächtiger Schlachttiere unter Berücksichtigung der verschiedenen Tier- und Nutzungsarten) der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig? Wird das Projekt planmäßig noch vor Ende der 18. Wahlperiode fertiggestellt ? Welche Erkenntnisse liegen aus Zwischenberichten bereits vor, und welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus diesen? Das in Frage stehende Projekt ist in Bearbeitung und wurde auf Antrag der Projektnehmer finanziell aufgestockt und bis in das Jahr 2018 verlängert. Zwischenergebnisse des Projekts zur Häufigkeit der Schlachtung trächtiger Tiere sind in der Antwort zu Frage 11 berücksichtigt. Des Weiteren enthält der aktuelle Zwischenbericht erste tierartspezifische Maßnahmen- und Handlungsempfehlungen. Über die in der Antwort zu Frage 13 genannten Tätigkeiten hinaus besteht für die Bundesregierung derzeit kein Handlungsbedarf. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12519 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 13. Wird in dieser Legislaturperiode ein Gesetz in Kraft treten, das die Schlachtung trächtiger Nutztiere verhindert? Wenn nein, warum nicht? Die Regierungsfraktionen haben einen Gesetzentwurf zur Änderung des Tiererzeugnisse -Handels-Verbotsgesetz zur Regelung u. a. eines Abgabeverbotes für hochträchtige Tiere zum Zwecke der Schlachtung in ein Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf am 18. Mai 2017 beschlossen. Das Gesetz soll noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten. 14. Welches Länder-Beteiligungsverfahren ist für den Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und SPD für den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Tiererzeugnisse-Handels-Verbotsgesetzes vorgesehen? Der aus der Mitte des Bundestages eingebrachte Gesetzentwurf wird nach Beschluss des Bundestages dem Bundesrat zugeleitet. 15. Welche Betäubungsmethoden sind derzeit gesetzlich erlaubt, und wie häufig werden diese angewandt (bitte nach Jahr, Betäubungsart, Tierart, Tierzahl aufschlüsseln)? Die zulässigen Betäubungsverfahren ergeben sich aus Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 in Verbindung mit Anlage 1 der nationalen Tierschutz- Schlachtverordnung. Wie häufig die einzelnen Verfahren bundesweit Anwendung finden, wird statistisch nicht erfasst. 16. Welche Geräte und Apparate werden in Deutschland zur Betäubung und Tötung von Schlachttieren benutzt (bitte nach Geflügel, Rind und Schwein aufschlüsseln )? Der Bund verfügt über keine entsprechende Statistik. In deutschen Schlachthöfen häufig angetroffene Gerätschaften zur Betäubung und Tötung von Schlachttieren stammen u. a. von: Accles & Shelvoke, Sutton Coldfield, Vereinigtes Königreich (www.acclesandshelvoke.co.uk) BANSS Schlacht- und Fördertechnik GmbH, Biedenkopf (www.banss.de) Freund Maschinenfabrik GmbH & Co. KG, Paderborn (www.freund.eu) Friedr. Dick GmbH & Co. KG, Deizisau (www.dick.de) Fuhrmann Elektrotechnik GmbH, Neckargemünd (www.fuhrmann-elektrotechnik.de) Hubert Haas - Fleischereimaschinen - e.K., Neuler (www.huber-haas.de) Jarvis Engineering Technologies (N.Z.) Ltd, Auckland, Neuseeland (http://jarvisengineering.com) Karl Schermer GmbH & Co. KG, Ettlingen (www.karl-schermer.de) MPS meat processing systems, PG Lichtenvoorde, Niederlande (www.mps-group.nl) bzw. Butina A/S, Holbæk, Dänemark (www.butina.eu) SKF Leblanc, La Borculo, die Niederlande (www.sfkleblanc.com) Termet S.A., Champagné, Frankreich (www.termet.fr) turbocut Jopp GmbH, Bad Neustadt (www.schussapparate.de). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12519 17. Wie stellt die Bundesregierung die technische Funktionsfähigkeit und Wirksamkeit von Geräten und Anlagen sicher, die zur Betäubung und Tötung von Schlachttieren benutzt werden? Gibt es eine Bauart- und Wirksamkeitsprüfung durch das Friedrich-Loeffler- Institut? Finden regelmäßige Kontrollen der an Schlachtstätten installierten und genutzten Geräte statt? Für die technische Funktionsfähigkeit von Geräten und Anlagen, die zur Betäubung und Tötung von Schlachttieren benutzt werden, ist die Bundesregierung nicht zuständig. Für eine Bauart- und Wirksamkeitsprüfung durch das Friedrich- Loeffler-Institut gibt es keine Rechtsgrundlage. Gemäß Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 stellen die Unternehmer sicher, dass Geräte zur Ruhigstellung oder Betäubung gemäß den Anweisungen der Hersteller durch eigens hierfür geschultes Personal instand gehalten und kontrolliert werden. Gemäß § 12 Absatz 5 der Tierschutz-Schlachtverordnung sind Betäubungsgeräte und -anlagen an jedem Arbeitstag mindestens einmal zu Arbeitsbeginn auf ihre Funktionsfähigkeit zu überprüfen. Für die Kontrolle der Einhaltung der Vorgaben sind die Behörden der Länder zuständig. 18. Fördert die Bundesregierung die Weiterentwicklung von Betäubungsmethoden bei Schlachttieren? Falls ja, geht die Bundesregierung folglich von Tierschutzproblemen bei den aktuell gängigen Methoden aus? Falls nein, warum nicht? Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft fördert über seinen Projektträger, die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, folgende Vorhaben mit dem in Frage stehenden Bezug: Tierschutz im Bereich der Aquakultur: Verbesserung des Tierschutzes bei Betäubung und Schlachtung von Regenbogenforellen und Karpfen in Fischzuchten mit unterschiedlichen Vermarktungsstrategien Praxiserprobung eines innovativen Verfahrens in der Wels-Aquakultur: Hälterung mit stressfreiem, selbständigen Überschwimmen der Fische zur Schlachtung Definition, Erfassung und Optimierung von Parametern bei der Elektrobetäubung von Schlachtschweinen unter Tierschutz- und Fleischqualitätsaspekten („EPOS“); Verbundprojekt aus fünf Teilprojekten Automatisiertes Verfahren zur Feststellung des sicheren Todeseintritts bei der industriellen Schlachtung von Schweinen - Entwicklungsschritt Praxisreife ; Verbundprojekt aus zwei Teilprojekten Untersuchungen zur tierschutzgerechten Tötung von Geflügel unter Gaseinwirkung im Seuchenfall („TOGIS“). Für diese Vorhaben wurden Mittel in Höhe von insgesamt 2 384 239,33 Euro bewilligt . Die Projekte EPOS und TOGIS werden vom Friedrich-Loeffler-Institut geleitet und nachfolgend ausführlicher beschrieben: Im seit Juni 2015 laufenden Projekt EPOS erfolgen in Kooperation mit zwei Schlachthöfen und zwei technischen Partnern (Hersteller von Betäubungsgeräten ) Untersuchungen zur Optimierung der manuellen und der vollautomatischen Elektrobetäubung von Schlachtschweinen. Durch Modifikation der elektrischen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12519 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Betäubungsparameter und der Erarbeitung neuer Schlüsselparameter soll der dieser Betäubungsmethode nachgesagte nachteilige Einfluss auf die Fleischqualität evaluiert und durch die gleichzeitige Erhebung tierbasierter Indikatoren sichergestellt werden, dass die rechtlichen und fachlichen Anforderungen an eine tierschutzgerechte Betäubung hinsichtlich Effizienz und Wirkungsdauer erfüllt sind. Als möglicher neuer Schlüsselparameter wird die applizierte Ladungsmenge (Coulomb) in Verbindung mit tierbasierten Indikatoren bewertet. Gleichzeitig erfolgt eine Verbesserung des Ansatzortes und der Ausführung der Elektroden zur Minderung des Übergangswiderstandes. Ein wesentlicher Aspekt der Betäubungseffizienz ist die Tierbelastung in den der Betäubung vorangeschalteten Prozessstufen , weshalb diese Bereiche in die Untersuchungen einbezogen und insbesondere für die vollautomatische Elektrobetäubung optimiert werden. In einem weiteren Arbeitspaket erfolgt eine zweite Feldstudie speziell zur vollautomatischen Elektrobetäubung in drei Praxisbetrieben, die bei Nachweis der Betäubungseffizienz unter Anwendung der von Normen der Tierschutz-Schlachtverordnung abweichenden Betäubungsparameter eine wissenschaftliche Basis für eine mögliche Anpassung von Bestimmungen der Tierschutz-Schlachtverordnung hervorbringt. Im dreijährigen Projekt TOGIS werden die im Verlauf verschiedener Seuchenzüge der aviären Influenza entwickelten Verfahren unter Anwendung verschiedener Gase (insbesondere Kohlendioxid) im Container und bei der Stallflutung einer tierschutzfachlichen Überprüfung zunächst im Labormaßstab mit den nur im Experiment anwendbaren Untersuchungsmöglichkeiten unterworfen und ggf. angepasst . Es sollen hierbei auch weitere tierschutzgerechte Verfahren mit der Anwendung von mit inerten Gasen gefüllten, hochexpansiven Schäumen entwickelt werden. Die Ergebnisse beider Teilbereiche des Projektes werden im Feldversuch evaluiert und den Praxisbedingungen angepasst, wofür auch Standardarbeitsanleitungen verfasst werden. Das Vorhaben schafft eine wissenschaftlich fundierte Grundlage zur Anwendung verschiedener unter Tierschutzgesichtspunkten geprüfter Methoden und Verfahren zur Tötung von Tierbeständen im Seuchenfall. Das Friedrich-Loeffler-Institut leitet außerdem ein Projekt zu der Frage, inwieweit eine tierschutzgerechte Betäubung bei der Schlachtung von Schweinen mit hochexpansivem, Stickstoff-gefülltem Schaum möglich ist und eine Alternative zur Betäubung mit Kohlendioxid darstellen kann. 19. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass die Betäubung von Schweinen mit CO2 aversive Reaktionen bei den Tieren auslöst, und somit von Schmerzund Angstempfindungen bei den Tieren ausgegangen werden muss (www.swr. de/odysso/besser-schlachten-neue-methode-kann-schreckliche-tierquaelereideutlich -vermindern/-/id=1046894/did=13451574/nid=1046894/9x755v/ index.html)? Wenn nein, warum nicht? Mit Kohlendioxid angereicherte Atmosphären, wie sie bei der Schlachtung von Schweinen zur Betäubung verwendet werden, haben aus Sicht des Tierschutzes unerwünschte Wirkungen, die das Wohlbefinden der Schweine beeinträchtigen können. Die Bundesforschungsinstitute sind in die Erforschung möglicher Alternativen involviert. Diesbezüglich wird auf die Antwort zu Frage 18 und auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 20 auf Bundestagsdrucksache 17/10021 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/12519 20. Wie können Fehlbetäubungen bei Schweinen, Rindern und Geflügel festgestellt werden? Es wird auf die Antwort zu Frage 22 verwiesen. 21. Wie häufig kommt es nach Kenntnis der Bundesregierung zu einer Fehlbetäubung bei Rindern, so dass mehr als ein Bolzenschuss notwendig wird? In der aktuell verfügbaren Literatur variieren die Angaben hinsichtlich der Fehlbetäubungsrate beim Rind (Algers u. Atkinson 2007, EFSA 2004, Endres 2005, Fries et al. 2012, Gouveia et al. 2009, Gregory 2007, Gregory et al. 2007, Ilgert 1985, Marzin et al. 2008, von Wenzlawowicz et al. 2012). Im Vergleich zu weiblichen Tieren sind Bullen annähernd doppelt so häufig von Fehlbetäubungen betroffen (Gregory et al. 2007). Allgemein wird die Fehlbetäubungsrate definiert als die Häufigkeit der Notwendigkeit von wiederholten Schüssen, weil die Tiere nach dem ersten Schuss nicht oder nicht ausreichend tief betäubt waren. Nach Gregory (2007) sind Abweichungen von mehr als zwei Zentimetern von der idealen Schussposition mit einem signifikanten Anstieg der Fehlbetäubungsrate verbunden. Aufgrund der heterogenen anatomischen Verhältnisse bei Tieren unterschiedlicher Rasse und Alters sowie des Geschlechts scheint es wenig sinnvoll, einen generellen bzw. gemeinsamen Ansatzpunkt für alle Tierkategorien festzulegen . Nach Untersuchungen auf deutschen Schlachthöfen führen Treffer des bisher als ideal erachteten Schusspunktes (Schnittpunkt zweier imaginärer Linien ausgehend von der Mitte des Hornansatzes zur Mitte des kontralateralen Auges) bei den Rassen Charolais, Deutsche Angus und Limousin selbst bei ausreichender Bolzenaustrittslänge nicht zu den geforderten Läsionen im Hirnstamm (Kohlen 2011; Bergmann et al. 2011). Der momentan empfohlene Ansatzpunkt sollte deshalb um 1,25 Zentimeter in die dorsale Richtung verschoben werden. Dieser neu definierte Applikationsort wurde von der tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) (2013) in das Merkblatt „Kugelschuss auf der Weide“ übernommen . Auch Gilliam et al. (2012) demonstrierten in ihrer Studie den Vorteil einer höher lokalisierten Schussposition, welche die Häufigkeit der Hirnstammschädigung deutlich erhöht. Dörfler (2015) untersuchte die Betäubungseffektivität verschiedener Kaliber des Bolzens und verschiedener Treibladungsstärken auf zwei süddeutschen Schlachthöfen an unterschiedlichen Rassen von Rindern. Das höchste Risiko von Fehlbetäubungen (8,1 Prozent) wiesen dabei männliche Tiere von schweren Fleischrassen mit einem Lebendgewicht von mehr als 400 Kilogramm bei der Betäubung mit schwächeren Kalibern (Schermer Typ KS) auf, obwohl die Stundenleistung des Schlachthofes gering war und die Betäubungsfalle eine gute Kopffixierung aufwies. Im selben Schlachthof wurden an denselben Rassen Fehlbetäubungsraten von 1,6 bzw. 1,9 Prozent unter Verwendung größerer Kaliber (Schermer KR bzw. KL) erzielt. Fehlbetäubungen an einem anderen Schlachthof wurden dagegen auf ungenügende Kopffixierung und damit einhergehend unpräzise Schusspositionen und -ansätze zurückgeführt. Von Wenzlawowicz et al. (2012) untersuchten im Zeitraum der Jahre 2000 bis 2011 die Effektivität der Bolzenschussbetäubung von Rindern an 25 Schlachthöfen in Deutschland und Österreich. Insgesamt blieb bei 9,2 Prozent der Rinder nach Abgabe des (ersten) Bolzenschusses ein vollständiger Verlust des Wahrnehmungs - und Empfindungsvermögens aus. Betriebe mit höherer Schlachtleistung waren kleineren Betrieben in Bezug auf den Betäubungserfolg häufig überlegen. Die Ergebnisse von Bourguet et al. (2011) lassen auf einen Zusammenhang zwi- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12519 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode schen dem Zutrieb am Schlachthof und der Effektivität der Bolzenschussbetäubung schließen. In ihrer Studie ließen sich Tiere, bei denen sich der Zutrieb zur Betäubungsbox ruhig und unproblematisch gestaltet hat, häufiger mit nur einem einzigen Bolzenschuss in einen Zustand der Empfindungs- und Wahrnehmungslosigkeit versetzen als Rinder, die vor der Einrichtung zur Ruhigstellung scheuten und mittels eines elektrischen Viehtreibers zur Vorwärtsbewegung angetrieben werden mussten. Generell ist die Fehlbetäubungsrate in Rinderschlachthöfen durch wiederkehrende Tierschutzaudits nachweislich zu reduzieren. So verringerte sich in den USA der durchschnittliche Anteil an Tieren, die mit dem ersten Schuss nicht zufriedenstellend betäubt wurden, bei den kontrollierten Betrieben innerhalb eines Zeitraumes von sieben Jahren von 10,5 Prozent auf 1,4 Prozent (Grandin 2006). Die zitierte Literatur ist diesem Schreiben als Anlage beigefügt. 22. Wird beim Schlachtvorgang die Tiefe der Betäubung der Schweine und der Grad der Entblutung kontrolliert? Wenn ja, wie findet die Kontrolle konkret statt? Die Fragen 20 und 22 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Zunächst wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 14 und 16 auf Bundestagsdrucksache 17/10021 verwiesen. Darin genannte Leitfäden für bewährte Verfahrensweisen bei der Schlachtung wurden zwischenzeitlich erarbeitet und der Europäischen Kommission gemäß Artikel 13 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 übermittelt. Sie sind u. a. beim Verband der Fleischwirtschaft abrufbar (www.v-d-f.de/news/pm_20140711_0265). Detaillierte tierartbezogene Ausführungen zur Überprüfung der Betäubungswirkung finden sich darüber hinaus u. a. in den diesbezüglichen Veröffentlichungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit aus dem Jahr 2013 („Monitoring slaughter for pigs“, „Monitoring slaughter for bovines“, „Monitoring slaughter for poultry“)2. 23. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass bei fehlerhafter Betäubung , Schweine bei vollem Bewusstsein in das kochende Wasserbad geraten ? Falls ja, bei wie vielen Schweinen kommt dies nach Kenntnis der Bundesregierung vor (bitte nach Jahren seit 2007 aufschlüsseln)? Gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 sind Tiere so zu schlachten, dass sie ab der Betäubung bis zum Tod wahrnehmungs- und empfindungslos sind. § 12 Absatz 1 der Tierschutz-Schlachtverordnung enthält die zusätzliche Maßgabe, dass Tiere so zu betäuben sind, dass sie schnell und unter Vermeidung von Schmerzen oder Leiden in einen bis zum Tod anhaltenden Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit versetzt werden. Gemäß Artikel 15 Absatz 1 in Verbindung mit Anhang III Nummer 3.2 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 darf ein weiteres Zurichten oder Brühen erst erfolgen, nachdem überprüft wurde, dass keine Lebenszeichen des Tieres mehr festzustellen sind. § 12 Absatz 7 der Tierschutz-Schlachtverordnung ergänzt, dass solche weiteren Schlachtarbeiten erst erfolgen dürfen, wenn keine Bewegungen des betäubten Tieres mehr wahrzunehmen sind. Die Einhaltung dieser Anforderungen ist 2 Siehe unter www.efsa.europa.eu/en/topics/topic/animalwelfareslaughter. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/12519 durch geeignete Kontrollen zu überprüfen und wird von den zuständigen Behörden der Länder überwacht, wobei auf die Antworten zu den Fragen 4 und 22 verwiesen wird. Eine ausbleibende Betäubung bzw. ein ausbleibender oder nicht bis zum Tod anhaltender Verlust des Wahrnehmungs- und Empfindungsvermögens kann mit Schmerzen und Leiden der Tiere (z. B. bei der Brühung) einhergehen. In diesem Zusammenhang ist bedeutsam, dass eine tierschutzgerechte Schlachtung nur sichergestellt werden kann, wenn eine ausreichend wirksame Betäubung mit einer schnellen und effektiven Entblutung kombiniert wird. Ein ausbleibender oder nur teilweiser Verlust des Wahrnehmungs- und Empfindungsvermögens stellt nicht erst zum Zeitpunkt der Durchführung weiterer Schlachtarbeiten einen tierschutzrelevanten Tatbestand dar, sondern ist bereits davor (z. B. bei der Entblutung) unzulässig. Bezüglich der Häufigkeit solcher Fälle wird zunächst auf den zweiten Absatz der Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 12 und 13 auf Bundestagsdrucksache 17/10021 verwiesen. Zwischenzeitlich können die dort gemachten Angaben um Ergebnisse aus dem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Vorhaben „Erforschung der Möglichkeiten zum Einsatz eines automatisierten Verfahrens zur Feststellung des sicheren Todeseintritts bei der Schlachtung von Schweinen“ ergänzt werden. Darin wurde an acht deutschen Schlachthöfen der Anteil an Schweinen ermittelt, die mehr als 90 Sekunden nach dem Entblutestich während eines Kontaktes mit Heißwasser Bewegung zeigten. An drei Schlachthöfen traten keine Schweine mit Bewegung auf. An den übrigen fünf Schlachthöfen betrugen die Häufigkeiten 2,8 Prozent, 4,8 bzw. 4,9 Prozent (zwei Werte für einen Schlachthof), 0,4 Prozent, 0,25 Prozent und 0,02 Prozent. Weitere Details sind den entsprechenden Veröffentlichungen zu entnehmen (z. B. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:15-qucosa-188953 und https://doi.org/ 10.1017/S1751731115001573). Eine wichtige Abgrenzung gegenüber der Fragestellung ist, dass sich die oben genannten Häufigkeiten nicht auf Schweine beziehen, die „bei vollem Bewusstsein “ waren. Vielmehr lagen bei einem nicht zu vernachlässigenden Teil der an den fünf Schlachthöfen verzeichneten Schweine mit Bewegung Anzeichen eines bereits eingetretenen Hirntodes vor. 24. Wird an Schlachthöfen der Ausblutungsgrad der toten Schweine untersucht, was einen Rückschluss auf den noch nicht eingetretenen Tod zulassen würde, bevor das Schwein in das Brühwasser verbracht wurde? Gemäß Anhang I Abschnitt II Kapitel V Nummer 1 Buchstabe p der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 berücksichtigen die Entscheidungen der amtlichen Tierärztinnen und Tierärzte an Schlachthöfen auch den Ausblutungsgrad. 25. Wenn festgestellt wird, dass wiederholt Schweine ohne korrekte Betäubung geschlachtet werden, wird hier gesetzlich gegen die Betreiberinnen und Betreiber des Schlachthofes vorgegangen? Mit welchen Konsequenzen müssen die Betreiberinnen und Betreiber des Schlachthofes rechnen? Mögliche Konsequenzen von Verstößen gegen tierschutzrechtliche Vorschriften enthalten der Anhang I Abschnitt II Kapitel IV der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 sowie der Artikel 22 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009. Dem- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12519 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode nach kann die zuständige Behörde u. a. eine Verlangsamung oder auch die vollständige Einstellung der Produktion veranlassen. Im Übrigen wird auf die Ordnungswidrigkeiten gemäß § 16 der Tierschutz-Schlachtverordnung und die Antwort zu Frage 9 verwiesen. 26. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass es auch in Schlachtstätten in Deutschland zu groben Verstößen gegen das Tierschutzgesetz kommt, wie es im März 2017 von belgischen Schlachthöfen bekannt wurde (www.raiffeisen. com/news/artikel/30332613)? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung kann nicht ausschließen, dass Normadressaten gegen Rechtsnormen verstoßen. Die Überwachung der Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorgaben obliegt den zuständigen Behörden der Länder. 27. Welche Erkenntnisse zieht die Bundesregierung aus dem Projekt zur Entwicklung und Erprobung eines stressfreien Betäubungs- und Tötungsverfahrens für Rinder aus ganzjähriger Freilandhaltung (s. Antwort zu Frage 10, Bundestagsdrucksache 17/10021), und in welcher Weise wird dieses besonders tierschutzgerechte Tötungsverfahren gefördert? Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat im Rahmen seines Programms zur Innovationsförderung das in Frage stehende Verbundprojekt „Entwicklung und Erprobung eines stressfreien Betäubungs- und Tötungsverfahrens für Rinder aus ganzjähriger Freilandhaltung“ mit Mitteln in Höhe von insgesamt 318 490,17 Euro gefördert. Das Projekt endete im April 2015. Wie geplant wurden Standards zur Schlachtung von Rindern unter Anwendung des Kugelschusses etabliert, die u. a. in einem Lehrfilm veröffentlicht sind (https://youtu. be/eX6l1RBaEpM). Eine weitergehende Förderung des Verfahrens ist derzeit nicht geplant. 28. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass eine Änderung der Tierschutz-Schlachtverordnung dahingehend sinnvoll ist, dass das Schlachtverfahren des Kugelschusses auf der Weide nicht nur bei Rindern und Schweinen aus ganzjähriger Freilandhaltung zulässig ist, sondern auch bei Tieren, die nicht ganzjährig im Freiland gehalten werden? Wird sich die Bundesregierung für eine solche Änderung einsetzen? Gemäß § 12 Absatz 3 i. V. m. Anlage 1 Nummer 2 der Tierschutz-Schlachtverordnung darf der Kugelschuss mit Einwilligung der zuständigen Behörde zur Betäubung oder Tötung von Rindern, die ganzjährig im Freien gehalten werden, angewendet werden. Dabei ist u. a. auch § 12 Absatz 2 der Tierische Lebensmittel- Hygieneverordnung zu beachten. Eine Ausweitung dieser Regelung beabsichtigt die Bundesregierung derzeit nicht. 29. Wie viele Tiere (Rinder, Schweine, Schafe) werden nach Kenntnis der Bundesregierung jährlich in Tierkörperbeseitigungsanlagen verbracht? Der Bundesregierung liegen konkrete Angaben lediglich zu verendeten Rindern (Abfrage HI-Tier) vor, da die verendeten Rinder in „Tierkörperbeseitigungsanlagen “ verbracht und dort verarbeitet werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/12519 Die Anzahl ergibt sich aus nachstehender Tabelle: Jahr Anzahl verendeter Rinder nach HIT 2010 571.949 2011 549.123 2012 527.901 2013 537.250 2014 527.721 2015 547.713 2016 579.111 30. Wie werden nach Kenntnis der Bundesregierung die Tierkadaver in Tierkörperbeseitigungsanlagen verwertet? Die Tierkörper verendeter Tiere werden in „Tierkörperbeseitigungsanlagen“ nach der Verarbeitungsmethode 1 (Drucksterilisation; Zerkleinerungsgrad höchstens 50 Millimeter; Temperatur über 133 Grad Celsius; Druck mindestens drei bar; Zeitdauer mindestens 20 Minuten) nach Anhang IV Kapitel III Abschnitt A der Verordnung (EU) Nr. 142/2011 verarbeitet. Dabei entstehen die Folgeprodukte Fleisch- und Knochenmehl und ausgeschmolzene Fette. 31. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der Schweineund Rinder-Kadaver in Tierkörperbeseitigungsanlagen, die Hinweise auf Tierschutzverstöße zulassen? Eine Statistik zur Höhe des Anteils von Kadavern in „Tierkörperbeseitigungsanlagen “, die Hinweise auf Tierschutzverstöße zulassen, wird nicht geführt. 32. Wie bewertet die Bundesregierung die Berichte, wonach Stichproben-Untersuchungen nahelegen, dass 10 bis 20 Prozent der Schweine- und Rinderkadaver auf erhebliches Leid der betroffenen Tiere schließen lassen (www. noz.de/deutschland-welt/wirtschaft/artikel/854189/hinweise-auf-massivetierschutzverstoesse -bleiben-unentdeckt#comments-jump-to)? 33. Was schließt die Bundesregierung aus Berichten, wonach in Tierkörperbeseitigungsanlagen Rinderköpfe mit sechs Einschusslöchern von Bolzenschussgeräten aufgefunden wurden (www.noz.de/deutschland-welt/wirtschaft/ artikel/854189/hinweise-auf-massive-tierschutzverstoesse-bleiben-unentdeckt# comments-jump-to)? 34. Was schließt die Bundesregierung aus Berichten aus Tierkörperbeseitigungsanlagen , wonach Rinder nicht sachkundig getötet wurden und sie, s tatt zu entbluten, an ihrem eigenen Blut erstickt sein sollen (www.noz.de/ deutschland-welt/wirtschaft/artikel/854189/hinweise-auf-massivetierschutzverstoesse -bleiben-unentdeckt#comments-jump-to)? Die Fragen 32, 33 und 34 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Wie dem in Bezug genommenen Presseartikel zu entnehmen ist, wurden die genannten Befunde im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung an einer „Tierkörperbeseitigungsanlage“ erhoben, die sich in Österreich befindet. Eine Zuständigkeit deutscher Behörden ist insofern nicht ersichtlich. Grundsätzlich unterstreichen die Befunde, dass es im Hinblick auf § 1 des Tierschutzgesetzes Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12519 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode erforderlich sein kann, Tiere in der Haltung zu töten, um ihnen Schmerzen und Leiden zu ersparen. Gleichzeitig ist § 4 des Tierschutzgesetzes in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung, wonach ein Wirbeltier nur töten darf, wer die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat. Die zuständigen Behörden der Länder können gegen an „Tierkörperbeseitigungsanlagen“ festgestellte Tierschutzverstöße vorgehen, wobei auf die Antworten zu den Fragen 35, 36 und 37 verwiesen wird. 35. Sieht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang (Frage 22 und 23) die Notwendigkeit, die Sachkunde der Tierhalterinnen und Tierhalter zu fördern, wie es auch im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD angekündigt ist? Die in Bezug genommenen Fragen beziehen sich auf die Betäubung und Tötung von Schweinen im Rahmen von gewerblichen Schlachtungen. Personen, die solche Tätigkeiten durchführen, müssen über einen Sachkundenachweis gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 verfügen. Gemäß § 4 der Tierschutz-Schlachtverordnung wird der Sachkundenachweis im Rahmen einer amtlichen Prüfung erlangt, die aus einem theoretischen Teil, der schriftlich und mündlich abgelegt wird und einem praktischen Teil besteht. Verstöße gegen die tierschutzrechtlichen Bestimmungen können zum Entzug des Sachkundenachweises führen, womit die betreffende Person die Betäubung und Tötung der Tiere bis auf weiteres nicht mehr durchführen darf. Diese Rahmenbedingungen erlauben es sicherzustellen, dass nur sachkundige Personen die Betäubung und Tötung durchführen. Sofern die Frage sich (entgegen ihres Bezugs) auf die Sachkunde bei (Not-)tötungen im Haltungsbetrieb bezieht, ist § 4 des Tierschutzgesetzes einschlägig . Nach Kenntnis der Bundesregierung veranlassen die zuständigen Behörden der Länder, dass Personen, die Tötungen in der Haltung nachweislich ohne Sachkunde durchgeführt haben, den o. g. Sachkundenachweis erwerben müssen. 36. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, die Tierschutzüberwachung auf die Beseitigungsanstalten auszuweiten? Falls nein, warum nicht? 37. Wird die Bundesregierung noch in der laufenden Legislaturperiode konkrete Maßnahmen ergreifen, um die Tierschutzüberwachung auf die Tierkörperbeseitigungsanstalten auszuweiten? Die Fragen 36 und 37 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Diesbezüglich wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 14 und 16 auf Bundestagsdrucksache 18/11818 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/12519 38. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem sogenannten Hummer-Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts vom 15. Februar 2017, in dem anerkannt wurde, dass Hummer Schmerzen, Leiden und Stress empfinden können? Zunächst ist festzustellen, dass die in Bezug genommene Randnummer 56 des in Frage stehenden Urteils mit folgendem Satz beginnt: „Die Schmerzfähigkeit von Hummern ist in der zoologischen Literatur aufgrund der spezifischen Anatomie umstritten“. Im Übrigen nimmt die Bundesregierung zur Kenntnis, dass in dem genannten Fall behördliche Anordnungen zur Sicherstellung der tierschutzgerechten Hälterung von Hummern vor Gericht Bestand hatten, die auf §16a Absatz 1 Satz 1 und 2 Nummer 1 in Verbindung mit § 2 Nummer 1 des Tierschutzgesetzes fußten. 39. Plant die Bundesregierung, konkrete rechtliche Maßnahmen bzw. Vorgaben zur Haltung, Hälterung und Tötung von Hummern zu erlassen? Wenn ja, wann, und welche genau, und wenn nein, warum nicht? Rechtliche Vorgaben an die Haltung von Hummern bestehen zunächst in Form von § 2 des Tierschutzgesetzes (vgl. Antwort zu Frage 38). Weitere konkrete Vorgaben zur Hälterung dieser Tiere normiert § 10 der Tierschutz-Schlachtverordnung . Schließlich enthält § 12 dieser Verordnung auch spezifische Anforderungen an die Betäubung und Tötung von Hummern. Alle diese Tätigkeiten dürfen gemäß § 4 der Tierschutz-Schlachtverordnung nur von sachkundigen Personen durchgeführt werden, welche über die hierfür notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. Weitere Regelungen zur Sicherstellung des Tierschutzes werden im Rahmen der nächsten Änderung der Tierschutz-Schlachtverordnung geprüft . 40. Wie lange werden Hummer nach Kenntnis der Bundesregierung nach dem Fang durchschnittlich lebend transportiert, bis sie in Deutschland zum Verkauf angeboten werden? Wie erfolgt der Transport? Wie lang ist die Zeit, in der die Hummer außerhalb von Wasser transportiert werden? Nach dem Fang werden Hummer (Europäischer Hummer, Homarus gammarus; Amerikanischer Hummer, Homarus americanus) bis zum Transport in einer Lebendhälterung gehältert. Der Transport erfolgt i. d. R. in temperaturisolierten Kisten . Die Transportkisten sind mit feuchten Zellulosetüchern versehen, damit eine feuchte Atmosphäre in den Transportkisten geschaffen wird. Die Kühlung der Kisten erfolgt entweder durch Eis, welches in wasserdichten Beuteln verpackt ist oder durch Kühlakkus mit Gelfüllung. Eis und Hummer sind zumeist über einen weiteren Boden voneinander getrennt, um einen direkten Kontakt der Tiere mit dem Eis zu vermeiden. Wird Eis verwendet, ist dieses in wasserdichten Beuteln verpackt, damit die Hummer nicht mit dem Schmelzwasser (Süßwasser) in Berührung kommen. Der Transportraum der Kiste ist entweder ungekammert oder in einzelne Kompartimente aufgeteilt. In Kompartimente geteilte Kisten werden verwendet, um einen direkten Kontakt der Tiere zu vermeiden. Auf diese Weise können Hummer maximal drei bis fünf Tage transportiert werden. Laut Aussage des Handels wurden der Transportprozess sowie die Transportabläufe in den vergangenen Jahren optimiert, so dass Hummer im Schnitt anderthalb bis zwei Tage Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12519 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode außerhalb des Wassers transportiert werden. Dadurch konnte die transportbedingte Sterblichkeit auf etwa 0,1 Prozent gesenkt werden. In der Vergangenheit betrug die transportbedingte Sterblichkeit 4 bis 5 Prozent. 41. Hält die Bundesregierung den Verkauf lebender Hummer und die Tötung durch nichtsachkundige Endverbraucherinnen und Endverbraucher unter Tierschutzaspekten für vertretbar – auch angesichts wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie des o. g. Urteils, wonach Hummer schmerzempfindliche Tiere sind und leiden können, sowie unter Berücksichtigung der derzeitigen Transportbedingungen? Die Bundesregierung hält den Verkauf lebender Hummer und deren Tötung durch Endverbraucher unter den in der Antwort zu Frage 39 genannten Bedingungen bis auf Weiteres für vertretbar. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333