Deutscher Bundestag Drucksache 18/1253 18. Wahlperiode 28.04.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Wöllert, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/936 – Gesundheitsförderung und Prävention vor dem Hintergrund ungleicher Gesundheitschancen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Gesundheit als vollständiges körperliches , geistiges und soziales Wohlergehen definiert. Doch die Chancen auf Gesundheit sind in Deutschland ungleich verteilt. Menschen mit niedrigem Einkommen haben nicht nur durchschnittlich einen schlechteren Gesundheitszustand als Reiche, sie sterben auch früher. Eine aktive, auf den Kenntnisstand der Wissenschaft aufbauende Gesundheitsförderung und Prävention hätte primär an den Lebenswelten und den strukturellen Verhältnissen anzusetzen. Vor allem eine Verminderung der Ungleichheiten in der Verteilung trüge dazu bei, dass weniger Menschen krank wären und die sozial bedingte gesundheitliche Ungleichheit abnähme. Gleichzeitig würden die Gesundheitskosten langfristig sinken. Aufklärung, Information und Beratung als Elemente von Verhaltensprävention, erreichen vor allem Menschen, die ohnehin gesundheitsbewusst und in der Lage sind, sich entsprechend zu informieren und zu verhalten. Aufklärungskampagnen etc. tragen nur dann zum Erfolg von Gesundheits- und Präventionspolitik bei, wenn sie in ein wirksames Konzept von Verhältnisprävention eingebettet sind, das primär an der Verminderung der Verteilungsungleichheit und darauf aufbauend an der Gestaltung gesundheitsförderlicher Lebenswelten ansetzt. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ist für das Jahr 2014 ein Präventionsgesetz angekündigt, „das insbesondere die Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten wie Kita, Schule, Betrieb und Pflegeheim und die betriebliche Gesundheitsförderung stärkt und alle Sozialversicherungsträger einbezieht“. Dabei darf der Lebensweltansatz nicht auf den Ort des GescheDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 24. April 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. hens – Kindergarten, Schule etc. – verkürzt werden. Wichtig ist zudem der Einbezug der Zielgruppen in die gesundheitsförderliche Gestaltung ihrer Lebenswelt . Einem verordneten Sportunterricht oder einer vorgeschriebenen sogenannten gesunden Ernährung fehlt die für den Erfolg wichtige Partizipation. Drucksache 18/1253 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Langfristigen Erfolg erreicht man nur mit intensiver Einbeziehung der Betroffenen . Gesundheitspolitik kann die sozial bedingten gesundheitlichen Ungleichheiten nicht im Alleingang wirksam bekämpfen. Die Einflüsse des Arbeitsmarktes, der Einkommensverteilung, der Qualität der sozialen Sicherungssysteme und der Bildungspolitik sind so groß, dass gesundheits- und präventionspolitische Ansätze allenfalls Gegenakzente setzen können. Um die Chancen, Ressourcen und damit auch die gesundheitliche Situation der Bevölkerung und insbesondere der Kinder und Jugendlichen entscheidend zu beeinflussen, ist eine gesundheitsfördernde Gesamtpolitik erforderlich, die über die klassische Aufgabenstellung der Gesundheitspolitik hinausgeht und alle Politikbereiche umfasst . Insbesondere Bildungs-, Arbeitsmarkt-, Wirtschafts-, Kinder-, Familien-, Wohnungsbau-, Umwelt- und Sozialpolitik sind gesundheitsfördernd aufeinander abzustimmen. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g In Deutschland ist der Zugang zum System der gesundheitlichen Sicherung für alle Bürgerinnen und Bürger ohne Rücksicht auf ihren sozialen Status gewährleistet . Die individuellen Gesundheitschancen und Krankheitsrisiken werden jedoch von vielen weiteren Faktoren bestimmt. Neben den genetischen Faktoren spielen die Lebens- und Arbeitsbedingungen und insbesondere das Gesundheitsbewusstsein und -verhalten eine bedeutsame Rolle. Zwischen den individuellen, sozialen und umweltbedingten Umständen gibt es eine enge Wechselbeziehung, die wiederum durch sozioökonomische Determinanten wie Bildung, Beruf und Einkommen mitbestimmt werden. Deshalb ist es ein besonderes Anliegen der Bundesregierung, in den verschiedenen politischen Handlungsfeldern die erforderlichen Weichen zu stellen, um die gesundheitliche Situation der Bevölkerung zu verbessern. Gesundheitsförderung und Prävention sind insbesondere in einer Gesellschaft des längeren Lebens wichtige Säulen. Erfolg versprechende Aktivitäten setzen sowohl am Individuum selbst an als auch an den Lebenswelten. Sie sind primär an Gruppen mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko auszurichten, wobei alle Altersgruppen einzubeziehen und geschlechtsspezifische Aspekte zu berücksichtigen sind. Menschen mit sozial bedingt ungünstigeren Gesundheitschancen sind dabei eine wichtige Zielgruppe, deren gesundheitliche Ressourcen gestärkt werden müssen . Ebenso müssen Gesundheitsförderung und Prävention von Anfang an bereits bei Kindern und Jugendlichen ansetzen. Hierzu müssen neben den Familien insbesondere auch die Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen in den Blick genommen werden. Des Weiteren stellt der Arbeitsplatz einen wichtigen Ort für gesundheitsförderliche Aktivitäten dar. Nicht zuletzt sind auch ältere Menschen gezielt mit entsprechenden Maßnahmen anzusprechen. Da es sich bei Gesundheitsförderung und Prävention um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, ist unter Beachtung der spezifischen Zuständigkeiten eine enge Zusammenarbeit aller Akteure auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene notwendig . Ungleiche Verteilung, Armut 1. Wie hat sich in Deutschland die Verteilung von Einkommen und Vermögen in den letzten 20 Jahren entwickelt (bitte nach Quintilen aufschlüsseln und den Gini-Koeffizienten angeben)? Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dieser Entwicklung? Daten zur Entwicklung der Höhe und Verteilung von Einkommen und Vermögen privater Haushalte werden durch die Bundesregierung einmal pro Legis- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1253 laturperiode mit dem Armuts- und Reichtumsbericht (ARB) und den dazu in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Studien zur Verfügung gestellt. Die nachfolgende Tabelle und Abbildung zur Einkommensverteilung sind aus dem Vierten Armuts- und Reichtumsbericht entnommen (Bundestagsdrucksache 17/12650, S. 222 und 223) und zeigen die nachgefragten Indikatoren, soweit verfügbar. Nach Erscheinen des vierten ARB berichtete das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seinem Wochenbericht 46/2013, dass der Gini-Koeffizient (Definition siehe o. g. Bundestagsdrucksache, S. 285) für das Jahr 2011 bei 0,288 liegt. Tabelle C I.1.2: Verteilung der Nettoäquivalenzeinkommen 2003 und 2008 Quelle: EVS; Statistisches Bundesamt Schaubild C I.1.1: Ungleichheit der Einkommensverteilung in Deutschland, 2000 bis 2010 (GiniKoeffizient ) Quelle: Berechnungen im DIW auf Basis SOEP 2011. Werte auf zwei Nachkommastellen gerundet. Nach OECD-Angaben (OECD = Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) lag der Gini-Koeffizient der Einkommensverteilung in Deutschland niedriger als der OECD-Schnitt von 0,31 (Jahr 2010). Drucksache 18/1253 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die nachfolgende Tabelle zur Vermögensverteilung ist dem Vierten Armuts- und Reichtumsbericht (siehe o. g. Bundestagsdrucksache, S. 307) entnommen. Tabelle: Vermögensverteilung (Q.1) Im DIW-Wochenbericht 9/2014 werden die aktuellen Werte für das Jahr 2012 sowie die vom DIW revidierten Werte des Gini-Koeffizienten für die Jahre 2002 und 2007 aufgeführt. Danach lag der Gini-Koeffizient der Vermögensverteilung im Jahr 2002 bei 0,776, im Jahr 2007 bei 0,799 und im Jahr 2012 bei 0,780. Daten auf Basis der aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2013 liegen noch nicht vor. Für die Werte zur Einkommens- und Vermögensverteilung vor dem Jahr 2000 bzw. 1998 wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage zur gleichlautenden Frage 1 der Fraktion DIE LINKE. „Gesundheitliche Ungleichheit im europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung“ auf Bundestagsdrucksache 17/4332 verwiesen. Im Wochenbericht Nr. 43, 2012, stellt das DIW fest, dass in der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehnts die Einkommensungleichheit in Deutschland abgenommen hat. Mit Blick auf die Entwicklung der letzten 20 Jahre wird festgestellt, dass sich die Ungleichheit in der Verteilung der verfügbaren Haushaltsnettoeinkommen in den 90er-Jahren kaum verändert hat, bis in das Jahr 2005 signifikant zunahm und danach wieder abgenommen hat. 2. Wie hat sich das Verhältnis zwischen Einkommen aus Löhnen und Gehältern im Verhältnis zu Kapitaleinkommen und Einkommen aus selbstständiger Arbeit im gleichen Zeitraum entwickelt? Daten zur Entwicklung der Arbeitnehmerentgelte sowie der Unternehmens- und Vermögenseinkommen in Deutschland liefern die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR). Entsprechende Zeitreihen können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1253 Quelle: Statistisches Bundesamt 3. Wie hat sich in den letzten 20 Jahren die Armut von Kindern in Deutschland entwickelt, und wie bewertet die Bundesregierung diese Entwicklung (bitte in Jahresschritten auflisten)? Definitionen des Armutsbegriffs betonen die Vielschichtigkeit von Armut, die sich nicht in einer einzigen Maßzahl in Jahresschritten ausdrücken lässt. Ausführliche Analysen zu verschiedenen Aspekten der Armut von Kindern und ihrer Entwicklung werden von der Bundesregierung einmal pro Legislaturperiode mit dem Armuts- und Reichtumsbericht (ARB) und den dazu in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Studien zur Verfügung gestellt. Ein zwar häufig genannter, allerdings nur begrenzt aussagekräftiger statistischer Indikator ist die Armutsrisikoquote. Die zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) vereinbarte Definition des relativen „Armutsrisikos“ ist bestimmt als Anteil armutsgefährdeter Personen in Haushalten, deren bedarfsgewichtetes Nettoäquivalenzeinkommen weniger als 60 Prozent des Median aller Personen beträgt. Wird die Armutsrisikoquote zu der zentralen statistischen Kennziffer gemacht, was oftmals geschieht, verengt sich der Armutsbegriff auf den speziellen Aspekt der Einkommensverteilung. Alle anderen materiellen, kulturellen und sozialen Facetten schlagen sich in diesem Maß nicht nieder. Die Ergebnisse einer auf die Einkommensverteilung konzentrierten Betrachtung hängen zudem von zahlreichen Annahmen ab, die aus normativen und methodischen Gesichtspunkten heraus zu treffen sind. Das betrifft u. a. die Auswahl der Datengrundlage, der Äquivalenzskala , des Einkommensbegriffs und des Schwellenwerts, ab dem von einem relativ geringen Einkommen ausgegangen wird. Aktuelle Daten und Fakten zur Armutsgefährdung differenziert nach Alter sind von der Bundesregierung im Vierten Armuts- und Reichtumsbericht ausführlich Drucksache 18/1253 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode dargestellt und erläutert worden. Die nachfolgenden Tabellen sind diesem Bericht entnommen (Bundestagsdrucksache 17/12650, S. 303 und 304). Tabelle: Einkommensarmutsrisiko nach dem Sozio-ökonomischen Panel SOEP Tabelle: Einkommensarmutsrisiko nach amtlichen Statistiken Für die Werte zur Armutsgefährdung von Kindern vor dem Jahr 1998 wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage zur gleichlautenden Frage 90 der Fraktion DIE LINKE. „Gesundheitliche Ungleichheit im europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung“ auf Bundestagsdruck- Indikator Einkommensjahr 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Armutsrisikoschwelle (60% Medianeinkommen) €/mtl. 781 815 827 832 857 861 876 873 886 924 943 974 993 Armutsrisikoquote1) bezogen auf 60% des Medianeinkommens Insgesamt 10,4 10,5 11,7 12,3 13,0 13,2 14,4 14,1 13,5 14,1 14,3 14,9 13,9 vor Sozialtransfers i.e.S. 18,7 18,2 19,6 20,2 21,3 21,4 22,4 22,7 22,1 22,7 21,7 22,9 20,6 männlich 9,4 9,0 10,1 11,0 11,7 11,8 13,2 12,7 12,4 12,8 13,1 13,6 12,7 weiblich 11,4 12,2 13,3 14,2 14,5 14,7 15,9 15,5 14,5 15,6 15,6 16,4 14,9 Westdeutschland 9,7 9,6 11,2 11,6 12,6 12,3 13,2 12,9 12,4 13,0 13,1 13,8 12,5 Ostdeutschland 13,3 14,2 13,8 15,5 15,4 17,6 19,8 19,7 18,6 19,1 19,3 19,9 20,2 Differenzierung nach Alter bis 17 Jahre 14,3 13,1 14,8 15,7 16,7 16,6 19,1 16,5 15,5 16,7 16,0 18,4 16,5 18 bis 24 Jahre 18,1 18,3 19,0 21,3 21,2 22,6 25,2 24,1 23,2 25,3 23,6 24,4 20,0 25 bis 49 Jahre 8,8 8,6 9,8 10,7 11,4 11,7 13,2 13,3 12,5 12,8 12,6 12,7 12,0 50 bis 64 Jahre 6,9 9,0 9,6 9,9 10,6 10,3 11,4 11,7 11,5 11,5 12,3 13,1 12,1 65 Jahre und älter 10,8 10,9 12,1 12,7 12,4 12,8 12,0 11,8 11,6 13,0 14,4 14,5 14,2 1) Äquivalenzgew ichtetes Haushaltsnettoeinkommen (neue OECD-Skala) < 60% des Medians der Einkommen aller Personen. 2) aktuell und in 2 von 3 Vorjahren betroffen. 3) Differenz zw ischen Armutsrisikogrenze und Median der Nettoäquivalenzeinkommen der Personen unter der Armutsrisikogrenze in Relation zur Armutsrisikogrenze. Quelle: Berechnungen im DIW und im BMAS auf Basis SOEP 2011 Indikator Einkommensjahr 2003 2008 2007 2008 2009 2010 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Armutsrisikoschwelle (60% Medianeinkommen) €/mtl. 1.000 1.063 916 929 940 952 736 746 764 787 801 826 848 Armutsrisikoquote1) bezogen auf 60% des Medianeinkommens Insgesamt 13,6 16,0 15,2 15,5 15,6 15,8 14,7 14,0 14,3 14,4 14,6 14,5 15,1 vor Sozialtransfers i.e.S. - - 24,2 24,1 24,2 25,1 - - - - - - - männlich 12,2 14,7 14,2 14,7 14,9 14,9 14,3 13,7 13,8 13,9 14,1 14,0 14,5 weiblich 14,9 17,4 16,2 16,3 16,4 16,8 15,1 14,4 14,8 15,0 15,1 15,0 15,7 Westdeutschland 12,2 14,6 12,8 13,7 14,2 14,3 13,2 12,7 12,9 13,1 13,3 13,3 14,0 Ostdeutschland 19,8 22,8 22,9 22,7 21,5 22,2 20,4 19,2 19,5 19,5 19,5 19,0 19,5 Differenzierung nach Alter bis 17 Jahre3) 14,0 20,3 15,2 15,0 17,5 15,6 19,5 18,6 18,4 18,4 18,7 18,2 18,9 18 bis 24 Jahre3) 19,6 18,7 20,2 21,1 18,9 19,0 23,3 22,3 22,4 22,4 22,9 22,7 23,4 25 bis 49 Jahre - 14,0 13,4 14,1 14,1 14,6 14,1 13,3 13,4 13,3 13,6 13,3 13,8 50 bis 64 Jahre 12,5 17,3 16,8 16,7 17,0 18,5 11,4 11,3 11,7 12,2 12,4 12,5 12,9 65 Jahre und älter 12,8 14,1 14,9 15,0 14,1 14,2 11,0 10,4 11,3 12,0 11,9 12,3 13,3 1) Äquivalenzgew ichtetes Haushaltsnettoeinkommen (neue OECD-Skala) < 60% des Medians der Einkommen aller Personen. 2) Werte ohne Berücksichtigung selbstgenutzten Wohneigentums. 3) EVS bis 15 bzw . 16 bis 24 Jahre. 4) EVS nur Rentner. 5) Differenz zw ischen Armutsrisikogrenze und Median der Nettoäquivalenzeinkommen der Personen unter der Armutsrisikogrenze in Relation zur Armutsrisikogrenze. Quelle: Statistisches Bundesamt EVS EU-SILC2) Mikrozensus2) sache 17/4332 verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/1253 4. Welche gesundheitspolitischen Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus aktuellen Forschungsergebnissen, denen zufolge die „Vermögensungleichheit (in Deutschland) […] im internationalen Vergleich auf einem hohen Niveau“ liegt (DIW Wochenbericht 9/2014, S. 164), wobei „das wahre Ausmaß von Vermögensungleichheit aller Wahrscheinlichkeit“ unterschätzt wird, da „Milliardäre oder Multimillionäre, in dieser Stichprobe nicht enthalten sind“ (ebd.: S. 165), dass eine „signifikante Zunahme der Zahl von Personen mit negativem Nettovermögen“ zu verzeichnen ist (ebd.: 164) und dass „die Arbeitslosen […] in den letzten Jahren signifikant Vermögen eingebüßt “ haben (ebd.: 165)? Nach gegenwärtigem Stand gibt es für Deutschland keine aussagekräftigen Analysen zum Zusammenhang von Vermögen und gesundheitlicher Lage. Da Vermögen und Schulden methodisch aufwändig zu erfassen sind, wird in gesundheitswissenschaftlichen Studien aus forschungspraktischen Erwägungen regelmäßig auf deren Erfassung verzichtet. Auch die Gesundheitssurveys des Robert Koch-Instituts (RKI) erfassen keine Informationen zum Vermögen der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer. Aus der Vermögensentwicklung in Deutschland selbst lassen sich daher keine gesundheitspolitischen Konsequenzen ableiten. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 5. Hält die Bundesregierung Armut und Ungleichverteilung für einen gesundheitlichen Risikofaktor, der im Rahmen einer Strategie gesundheitlicher Prävention reduziert werden kann? Falls ja, wie wird die Bundesregierung diesen Risikofaktor zu vermindern versuchen? Gesundheit wird von vielen Faktoren beeinflusst. Neben dem individuellen Verhalten haben auch die Lebensbedingungen einen großen Einfluss. Maßnahmen zur Gesundheitsförderung nach dem Setting-Ansatz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zielen daher gleichermaßen auf den Aufbau gesundheitlicher Ressourcen beim Einzelnen und auf den Aufbau gesundheitsförderlicher Strukturen , insbesondere in der Lebens- und Arbeitswelt – etwa am Arbeitsplatz, in den Kindertageseinrichtungen sowie in Bildungs-, Senioren- und Freizeiteinrichtungen . Ein wesentlicher Vorteil von Settingmaßnahmen ist, dass grundsätzlich alle Bevölkerungsgruppen erreicht werden können und sie deshalb den Zugang zu den Zielgruppen erleichtern, die ungünstigere Gesundheitschancen aufweisen . Gesundheitsförderung kann aber nur einen Beitrag bei der Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit leisten. Daneben bedarf es gesamtgesellschaftlicher Aktivitäten, die über den Gesundheitssektor hinausgehen. Bereits seit vielen Jahren adressieren zahlreiche Maßnahmen der Bundesregierung das Thema sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen. Exemplarisch seien hier die Aktivitäten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Rahmen des Kooperationsverbundes „Gesundheitliche Chancengleichheit“ genannt. In dem von der BZgA 2003 initiierten Kooperationsverbund „Gesundheitliche Chancengleichheit“ arbeiten aktuell 60 Partnerorganisationen (Spitzenverbände der Krankenkassen, der Kommunen und der Wohlfahrtspflege, die Bundesagentur für Arbeit, die BZgA, die Bundes- und alle Landesvereinigungen für Gesundheit und weitere Akteure) zusammen, um die Gesundheit insbesondere sozial Benachteiligter zu fördern. Hierzu wurden bei der BZgA Kriterien guter Praxis der Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten entwickelt. Auf der Grundlage dieser Kriterien wurden in einer BundLänder -Kommunen-Strategie gute Praxismodelle identifiziert, beschrieben und veröffentlicht (www.gesundheitliche-chancengleichheit.de). Um bevölkerungsweit die Bundesbürgerinnen und Bundesbürger zu erreichen, wurden bei den Drucksache 18/1253 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Landesvereinigungen für Gesundheit und entsprechenden Organisationen in allen 16 Ländern Koordinierungsstellen „Gesundheitliche Chancengleichheit“ eingerichtet, die hälftig von den Krankenkassen und den Ländern finanziert werden . Darüber hinaus erarbeitet das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) derzeit unter Berücksichtigung der im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode genannten Maßgaben den Entwurf eines Präventionsgesetzes , mit dem insbesondere auch die Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten wie Kita, Schule, Betrieb und Pflegeheim gestärkt sowie die Kooperation und Koordination aller Sozialversicherungsträger sowie der Länder und Kommunen verbessert werden soll. Die Inhalte des Gesetzentwurfs werden im Rahmen der laufenden Vorbereitungs- und Abstimmungsprozesse festgelegt. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 6, 44 und 45 verwiesen. 6. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Erkenntnissen von Richard Wilkinson (Richard Wilkinson, Kate Pickett: Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind, 2009) oder Martin Karlsson (Karlsson, M. et al., Income inequality and health: Importance of a cross-country perspective, 2009), nach denen eine größere Einkommensungleichverteilung zu geringerer Gesundheit einer Gesellschaft führt, einschließlich der oberen Einkommensklassen (bitte begründen)? Die Bundesregierung verfügt über keine gefestigten wissenschaftlichen Erkenntnisse , aufgrund derer zu den Thesen von Richard Wilkinson und Martin Karlsson Stellung genommen werden könnte. Soziale Determinanten von Gesundheitschancen 7. Wie hat sich in den letzten 20 Jahren die Lebenserwartung in den einzelnen Einkommensdezilen entwickelt? Wie hat sich insbesondere die Differenz zwischen dem Dezil mit der höchsten und dem Dezil mit der niedrigsten Lebenserwartung verändert? Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus dieser Entwicklung? In fast allen europäischen Ländern sind soziale Unterschiede in der Mortalität und Lebenserwartung zu beobachten. Für einzelne europäischen Länder wird berichtet, dass sich diese in den letzten Jahren ausgeweitet haben. Allerdings liegen nur wenige aussagekräftige Daten zur Entwicklung der Unterschiede in der Lebenserwartung im Zeitverlauf vor. Das RKI hat im Frühjahr 2014 eine aktuelle Übersicht über die für Deutschland vorliegenden Befunde zum Zusammenhang von sozialer Lage und Lebenserwartung vorgelegt (GBE kompakt 2/2014). Die vorliegenden Befunde sprechen dafür, dass auch in Deutschland ein niedriger sozioökonomischer Status mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko und einer verringerten Lebenserwartung einhergeht. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/1253 8. Welchen Zusammenhang gibt es jeweils zwischen der Höhe des Einkommens , der Höhe des Bildungsabschlusses, dem Berufsstatus auf der einen Seite und der Lebenserwartung, der subjektiven Gesundheitseinschätzung bzw. der Morbidität auf der anderen Seite? Wie erklärt sich die Bundesregierung diese Zusammenhänge (bitte geschlechtervergleichend ausweisen)? Die Lebenserwartung, das Krankheitsrisiko und die subjektive Gesundheitseinschätzung korrelieren mit der Einkommenshöhe und anderen sozialen Statusmerkmalen wie Bildung oder Berufsstatus. Dabei hängt die Lebenserwartung insbesondere auch vom Vorhandensein individueller Risikofaktoren und Lebensgewohnheiten ab (vgl. Antwort zu Frage 7). Die Zusammenhänge und Wechselwirkungen sind komplex. Männer und Frauen aus der hohen Einkommensgruppe bewerten den allgemeinen Gesundheitszustand subjektiv etwa doppelt so häufig als sehr gut oder gut wie Männer und Frauen aus der Armutsrisikogruppe. Zieht man anstelle des Einkommens die Bildung oder den Berufsstatus heran, zeigen sich ebenfalls Unterschiede zu Ungunsten bildungsferner Gruppen. Die Unterschiede sind dabei ähnlich groß wie die Unterschiede beim Einkommen. Dies gilt gleichermaßen für Männer und Frauen. Auch im Auftreten chronischer Krankheiten lassen sich Einkommens-, Bildungs - und Berufsstatusunterschiede feststellen. Besonders deutlich sind diese Unterschiede bei Krankheiten, die im Zusammenhang mit verhaltensbezogenen Risikofaktoren (wie Rauchen, Bewegungsmangel, Adipositas) oder mit belastenden Arbeitsbedingungen stehen. Unterschiede zeigen sich etwa bezüglich des Risikos für Herzinfarkt, Schlaganfall, chronische Bronchitis, Diabetes mellitus, Leberzirrhose und Lungenkrebs. Je nach betrachtetem Sozialindikator, Altersgruppe und Geschlecht ist das Risiko für diese Krankheiten in den sozial benachteiligten Gruppen um das 1,5- bis 2,5-Fache erhöht. Ein erhöhtes Risiko in den sozial besser gestellten Gruppen lässt sich dagegen für allergische Erkrankungen und Brustkrebs bei Frauen belegen. 9. Welche Erkenntnisse sind der Bundesregierung über die Prävalenz gesundheitlicher Beeinträchtigungen (wie z. B. Adipositas, Diabetes, Herzinfarkt ) in den unterschiedlichen Einkommensklassen bekannt? Es wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. 10. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Unterschiede in Bezug auf die so genannten „guten Jahre“ (Jahre mit gutem Gesundheitszustand ) in Abhängigkeit vom Einkommen und vom Geschlecht vor (bitte Entwicklung in den letzten 20 Jahren darlegen)? Betrachtet man die gesunde Lebenserwartung, d. h. die Lebensjahre, die in sehr gutem oder gutem allgemeinen Gesundheitszustand verbracht werden, zeigen sich Unterschiede zwischen der niedrigsten und höchsten Einkommensgruppe bei Frauen und bei Männern. Es ist jedoch einschränkend festzustellen, dass hieraus nicht abgeleitet werden kann, dass die Lebenserwartung 1:1 in Abhängigkeit zum Einkommen steht. Vielmehr korrelieren andere erklärende Faktoren für eine längere Lebenserwartung ebenfalls mit dem Einkommen (z. B. Bewegung , Ernährung, andere Determinanten eines gesunden Lebensstils, Vorsorgeaktivitäten ). Verlässliche Aussagen zur Entwicklung dieser Differenzen im Zeitverlauf sind aufgrund der Limitationen der vorhandenen Daten nicht möglich. Drucksache 18/1253 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 11. Wie viele Beziehende von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) weisen gesundheitliche Beeinträchtigungen auf (bitte differenziert nach Beziehenden von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld, nach Frauen und Männern, nach Alter sowie nach Gruppen von Krankheitsbildern angeben)? Im Rahmen der Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende liegen nach Angaben der Statistik der Bundesagentur für Arbeit keine Informationen zu gesundheitlichen Einschränkungen der Leistungsbezieher nach dem SGB II vor. Die im Vermittlungssystem erfassten Daten zu arbeitslosen Leistungsempfängern gemäß SGB II mit vermittlungsrelevanten gesundheitlichen Einschränkungen sind nicht valide und statistisch nicht verwendbar. Eine Veröffentlichung der Daten findet nicht mehr statt. Auf Basis der Daten der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell 2010“ (GEDA 2010) des RKI wird allerdings berichtet, dass Arbeitslose, die angeben, bereits ein Jahr oder länger arbeitslos zu sein, deutlich häufiger von körperlichen und psychischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen betroffen sind als Erwerbstätige . Eine verlässliche Abgrenzung der Beziehenden von Leistungen nach dem SGB II sowie Aussagen zu deren Krankheitsbildern sind mit diesen Daten jedoch nicht möglich. 12. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über die Auswirkungen des längerfristigen Verbleibs im Niedriglohnsektor auf die gesundheitliche Situation der Betroffenen? 13. Worin sieht die Bundesregierung die Hauptursachen für die schlechtere gesundheitliche Situation von längerfristig im Niedriglohnsektor arbeitenden Beschäftigten (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, Datenreport 2013, Kapitel 8.3)? Die Fragen 12 und 13 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine gefestigten wissenschaftlichen Erkenntnisse vor. In der in Frage 13 genannten Publikation sind mit den Daten des Sozio-ökonomischen Panels SOEP für das Jahr 2011 das Ausmaß der Arbeitsbelastung und der Unzufriedenheit mit der Arbeit der derzeitigen Lohnposition gegenübergestellt worden. Der Lohn der Beschäftigten wurde über den Bruttostundenlohn erfasst und nach internationalen Vorgaben ins Verhältnis zum Median der Einkommensbezieher gesetzt. Beschäftigte mit weniger als zwei Dritteln des Medians (etwa 9 Euro pro Stunde im Jahr 2011) wurden als Niedrigeinkommensbezieher und solche mit mehr als 150 Prozent als Hocheinkommensbezieher angesehen. Aussagen zur gesundheitlichen Situation werden nicht getroffen. Im Zuge der Weiterentwicklung des Gesundheitsmonitorings des RKI ist geplant , im Einklang mit den europäischen Standards für Gesundheitsbefragungen zusätzlich zur Erfassung des Haushaltsnettoeinkommens auch Fragen zum Lohn in die Standarddemographie der Gesundheitssurveys aufzunehmen. 14. Wie hat sich in den unteren Einkommensgruppen in den letzten 20 Jahren die Beurteilung des eigenen Gesundheitszustandes entwickelt? Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus dieser Entwicklung? In Deutschland wurden bislang nur wenige Studien durchgeführt, die den Zu- sammenhang zwischen Armut und Gesundheit unter Berücksichtigung zeit- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/1253 licher Entwicklungen und Trends betrachten. Die vorliegenden Ergebnisse liefern keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Unterschiede im Gesundheitszustand und Gesundheitsverhalten, die sich am Einkommen festmachen lassen, verringert haben. Aktuelle Analysen zur Selbsteinschätzung des allgemeinen Gesundheitszustandes und zur Gesundheitszufriedenheit, die auf Daten des Sozio-ökonomischen Panels SOEP basieren, deuten dagegen eher auf eine Vergrößerung der gesundheitlichen Unterschiede zwischen den Einkommensgruppen hin. Eine Analyse zur Selbsteinschätzung des allgemeinen Gesundheitszustandes , in die Daten aus zehn Mitgliedstaaten der Europäischen Union einbezogen wurden, kam zu dem Ergebnis, dass sich die Unterschiede zwischen den Einkommensgruppen in den 80er- und 90er-Jahren nicht wesentlich verringert haben. 15. In welchem Ausmaß sind Kinder aus einkommensschwachen Familien gesundheitlich benachteiligt gegenüber Kindern aus einkommensstarken Familien? Die Ergebnisse aus epidemiologischen Studien wie dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) des RKI und aus Erhebungen zu den Schuleingangsuntersuchungen zeigen, dass Entwicklungsverzögerungen und -störungen wie z. B. Sprachentwicklungsstörungen und motorische Defizite bei Kindern aus Familien mit niedrigem Sozialstatus deutlich häufiger festgestellt werden. Unterschiede ergeben sich nach den KiGGS-Daten (Erhebung 2003 bis 2006) auch in Bezug auf das Auftreten von psychischen und Verhaltensauffälligkeiten, von denen Jungen und Mädchen aus Familien mit niedrigem Einkommen – ins besondere in der Altersgruppe der 3- bis 10-Jährigen – häufiger betroffen sind. Auch verhaltenskorrelierte Risikofaktoren wie Rauchen, Passivrauchen, Bewegungsmangel und Übergewicht kumulieren bei einkommensschwachen Familien . Heranwachsende aus diesen Familien ernähren sich weniger gesund, treiben weniger Sport und sind deutlich häufiger übergewichtig. Hingegen lässt sich den KiGGS-Daten zufolge für die meisten akuten Erkrankungen kein Zusammenhang zum sozialen Status feststellen. Auch in der Verbreitung chronischer Krankheiten zeigen sich nur geringe Unterschiede. Die KiGGS-Ergebnisse zeigen gleichzeitig, dass neben dem Einkommen u. a. auch der Bildungsgrad der Eltern, die familiäre Lebensform, das Familienklima ebenso wie ein Migrationshintergrund erheblichen Einfluss auf die Gesundheit der Kinder besitzen. So ist der Einfluss des Bildungshintergrundes der Eltern auf die Gesundheitschancen ihrer Kinder unabhängig von der familiären Einkommenssituation zu beobachten. Die KiGGS-Daten belegen zudem einen protektiven Einfluss familiärer Ressourcen auf die Gesundheit der Heranwachsenden. Für Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren lässt sich zeigen, dass ein starker familiärer Zusammenhalt und eine aktive Freizeitgestaltung in der Familie mit einem besseren allgemeinen Gesundheitszustand, geringeren Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit und einem geringeren Anteil an Übergewicht assoziiert sind. Eine ausführliche Darstellung der Erkenntnisse aus den KiGGSDaten zu den Zusammenhängen zwischen sozialer Lage und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen beinhaltet die Veröffentlichung des RKI im Rahmen der Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE) „Gesundheitliche Ungleichheit bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ (Berlin 2010). Drucksache 18/1253 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 16. Welchen Einfluss auf die Gesundheitschancen von Kindern hat der Besuch einer Kita (bitte nach Halbtags- und Ganztagsbetreuung so- wie nach dem Alter der Kinder unter 1 Jahr, 1 bis unter 3 Jahre und 3 Jahre bis zur Einschulung aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegen dazu keine belastbaren Daten vor. 17. Welchen Einfluss hat die Schulform auf die Gesundheitschancen der Schulkinder (bitte getrennt für Halb- und Ganztagsschulen, nach Grundschulen sowie bei weiterführenden Schulen nach Sonder-, Haupt-, Realschulen , Gymnasien, Gemeinschafts- bzw. Gesamtschulen und integrativen Schulen angeben)? Allgemein stellen Schulen einen wichtigen Teil der alltäglichen Lebenswelt von Kindern im schulpflichtigen Alter dar. Schulen sind zentrale Orte, um über Gesundheitsförderung und Prävention sowie Gesundheitsrisiken aufzuklären, Gesundheitswissen zu vermitteln, gesundheitsbezogene Handlungs- und Lebenskompetenzen einzuüben und gesundheitsförderliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Über alle Schulformen hinweg gilt, dass durch die gesundheitsförderliche Ausgestaltung der Lebenswelt „Schule“ positive Impulse auf die gesundheitliche Entwicklung von Schülerinnen und Schülern ausgehen können. Analysen zum Zusammenhang von besuchter Schulform und gesundheitlicher Lage liegen derzeit vor allem für den Vergleich von Gymnasiastinnen bzw. Gymnasiasten und Gleichaltrigen in anderen Schulformen vor. Wie aus Analysen der am RKI durchgeführten KiGGS-Studie (2003 bis 2006) hervorgeht, besteht bei Jungen und Mädchen eine Korrelation zwischen der besuchten Schulform und den Gesundheitschancen. Sowohl in Bezug auf den Gesundheitszustand als auch das Gesundheitsverhalten stellt sich die gesundheitliche Lage von Jugendlichen, die eine Hauptschule besuchen, ungünstiger gegenüber Gleichaltrigen , die auf ein Gymnasium gehen, dar. Dass Gymnasiastinnen und Gymnasiasten seltener rauchen als Schülerinnen und Schüler anderer Schulformen, wird durch die Ergebnisse der Repräsentativerhebungen der BZgA, die Studie „Health Behaviour in School-aged Children“ (HBSC) sowie die Europäische Schülerstudie zu Alkohol und anderen Drogen (ESPAD) bestätigt. Verlässliche Aussagen zum Einfluss der Dauer des täglichen Aufenthalts in der Schule auf die gesundheitliche Entwicklung sind derzeit nicht möglich. Die bisherigen Analysen beruhen zudem auf Querschnittsdaten und lassen keine Rückschlüsse auf längerfristige Effekte zu. 18. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass der Anteil von Kindern mit psychischen Auffälligkeiten sowie Verhaltensauffälligkeiten mit der Zunahme des Einkommens der Eltern zurückgeht (Prof. Dr. Jörg M. Fegert auf www.uniklinik-ulm.de „Arme Kinder armer Eltern“, 2009)? Wie erklärt die Bundesregierung, dass umgekehrt die Kinder aus Elternhäusern mit höherem Einkommen mehr Sport treiben, eine bessere motorische Entwicklung aufweisen, sich gesünder ernähren, weniger Essstörungen verzeichnen und seltener bzw. weniger Tabak konsumieren (ebd.)? Die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien weisen darauf hin, dass ein enger Zusammenhang zwischen einer sozial benachteiligten Lebenslage, der Bewältigung von altersspezifischen Entwicklungsaufgaben, der Persönlichkeitsentwicklung und dem Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen besteht . Die Zusammenhänge sind dabei komplex. Das Gesundheitsverhalten selbst hängt nicht nur von individuellen Einstellungen , Wahrnehmungen und Präferenzen ab, sondern wird auch durch die Lebens- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/1253 umstände der Menschen bereits ab dem Kindesalter geprägt. Studien weisen darauf hin, dass Verhaltensänderungen Menschen deutlich schwerer fallen, wenn sie psychosozialen Belastungen, wie z. B. finanziellen Sorgen, familiären Konflikten oder arbeitsbedingten Stresserfahrungen ausgesetzt sind. Das elterliche Verhalten prägt wesentlich den Lebensstil und das Gesundheitsverhalten der Kinder; in der Phase der Adoleszenz gewinnt der Einfluss Gleichaltriger und anderer Personen aus dem unmittelbaren Lebensumfeld an Bedeutung. Weitere Einflussfaktoren sind das Vorhandensein personaler und sozialer Ressourcen, die sich unmittelbar positiv auf die Gesundheit auswirken oder aber zur Verringerung und Bewältigung von Belastungen und damit verbundenen Gesundheitsgefahren beitragen können sowie die Verfügbarkeit gesundheitsförderlicher Angebote und Möglichkeiten im unmittelbaren Lebensumfeld. 19. Welche konkreten Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um der in zahlreichen Studien festgestellten überproportional stärkeren Fehlernährung einkommensschwacher und bildungsferner Bevölkerungsschichten zu begegnen? Die Bundesregierung führt im Rahmen des vom Bundeskabinett 2008 beschlossenen Nationalen Aktionsplans „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ (www.in-form.de) eine Vielzahl von Maßnahmen zur Verbesserung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens durch. Die Maßnahmen setzen direkt in den Lebenswelten an, dort wo Menschen spielen, lernen, arbeiten und leben – also in den Kindertageseinrichtungen , in Schulen, am Arbeitsplatz, in Senioreneinrichtungen und Vereinen. Auch Multiplikatoren aus dem Gesundheitsbereich wie Frauenärztinnen und -ärzte, Kinderärztinnen und -ärzte sowie Hebammen sind in verschiedene Maßnahmen eingebunden. Über diese Zugangswege werden alle Bevölkerungsschichten erreicht, so auch sozial Benachteiligte und Menschen mit Migrationshintergrund . Mit dem Unterrichtskonzept „Ess-Kult-Tour – Entdecke die Welt der Lebensmittel“ werden darüber hinaus gezielt Jugendliche und junge Erwachsene aus benachteiligten Wohngebieten angesprochen. Das im Rahmen von IN FORM etablierte Netzwerk „Gesund ins Leben“ setzt bereits ab der Schwangerschaft an und hat eigens eine Arbeitsgruppe „Migration“ eingerichtet , um sich der frühzeitigen Ansprache schwer erreichbarer Zielgruppen zu widmen (www.gesund-ins-leben.de). Der Fokus der bereits vorliegenden Projektevaluationen lag auf der Verbesserung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens aller Bevölkerungsschichten. Im Jahr 2005 hatte die Bundesregierung das Modellvorhaben „Besser essen. Mehr bewegen. Kinderleicht-Regionen“ initiiert. Das Ziel des im Zeitraum von drei Jahren (2006 bis 2009) durchgeführten Vorhabens bestand darin, beispielhaft aufzuzeigen, mit welchen Methoden, über welche Zugangswege und mit welchen Organisationen der Entstehung von Übergewicht bei Kindern dauerhaft entgegen gewirkt werden kann. Der Fokus lag dabei auf Kindern aus schwer erreichbaren Familien, z. B. bildungsfernen und sozial benachteiligten Familien und Familien mit Migrationshintergrund, die besonders von Übergewicht betroffen sind. Aus den Ergebnissen der Evaluation kann abgeleitet werden, wie diese Zielgruppen angesprochen werden müssen und wie sie zur Teilnahme an Maßnahmen motiviert werden können. Dazu gehören beispielsweise aufsuchende Angebote sowie die persönliche Ansprache auf Augenhöhe durch den Einsatz von Muttersprachlern. Die Ergebnisse wurden in einem Leitfaden für Projektplanende und Entscheider zusammengeführt, damit diese Projekte zur Gesundheitsförderung zielgerichtet angehen können (www.in-form.de). Zudem trägt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit seinen Fördermaßnahmen in der Ernährungsforschung dazu bei, zielgruppen- Drucksache 18/1253 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode spezifische Strategien und Empfehlungen zu entwickeln, die nachhaltig das Ernährungsverhalten der Bevölkerung und das Ernährungsangebot verbessern sollen. Diese Ansätze werden auch einkommensschwache und bildungsferne Bevölkerungsschichten darin unterstützen, sich ausgewogen und gesundheitsfördernd zu ernähren. Eine wichtige aktuelle Maßnahme des BMBF zum Aufbau von mehr Exzellenz und Anwendungsorientierung der Ernährungsforschung ist die Förderung der Bildung von „Kompetenzclustern in der Ernährungsforschung “, in denen eine leistungsstarke, interdisziplinäre und lösungsorientierte Forschungslandschaft aufgebaut werden soll. Die BZgA orientiert sich bei der Durchführung ihrer Maßnahmen zur Förderung eines gesunden Essverhaltens an den „Kriterien guter Praxis der Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“. Ein zentrales Ziel ist es, Fach- und Mittlerkräften (z. B. Pädagoginnen und Pädagogen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern , Therapeutinnen und Therapeuten), die mit einkommensschwachen und bildungsfernen Bevölkerungsschichten arbeiten, evidenzbasierte und qualitätsgesicherte Informations- und Aufklärungsmaterialien zur Förderung eines gesunden Ernährungsverhaltens zur Verfügung zu stellen. Ferner stellt die BZgA den o. g. Multiplikatoren eine Plattform zum gegenseitigen Austausch zur Verfügung. Dies erfolgt zum einen über Fachgespräche, Expertenkreise und Workshops, zum anderen über die Internetauftritte (www.bzga-ebs.de, www.bzga-kinderuebergewicht.de sowie www.bzga-essstoerungen.de). Die Aktion „GUT DRAUF“ (www.gutdrauf.net) hat das Ziel, Ernährung, Bewegung und Stressregulation bei Kindern und Jugendlichen zu fördern und ist auf Gebiete bzw. Regionen mit besonderem Entwicklungsbedarf ausgerichtet. Ebenso berücksichtigen die Qualitätskriterien für Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Primärprävention von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen den besonderen Bedarf sozial Benachteiligter. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat im Zeitraum von 2011 bis 2013 die Erstellung eines „Curriculums zur Gesundheitsförderung 0- bis 3-jähriger Kinder für die Aus- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften in der Kindertagesbetreuung“ gefördert, das auf der Grundlage evidenzbasierter multidisziplinärer Leitlinien zur Gesundheitsförderung erstellt wurde und dabei auch die Themen gesunde Ernährung und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern umfasst. Das Curriculum soll voraussichtlich im Herbst 2014 veröffentlicht werden. Die curricularen Inhalte fließen zugleich in das derzeit vom Deutschen Jugendinstitut entwickelte neue kompetenzorientierte Qualifizierungshandbuch für Kindertagespflegepersonen ein, dessen Veröffentlichung im Sommer 2015 erfolgen soll. 20. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, sozial bedingte gesundheitliche Benachteiligungen nachhaltig und effektiv zu verringern, ohne die sozialen Unterschiede als auslösende Faktoren zu verändern? Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, und welche messbaren Gesundheitsziele verfolgt sie dabei in welchem Zeitraum ? Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention sollten sich grundsätzlich an den Bedürfnissen und Belangen der Menschen orientieren sowie an deren Alltag ansetzen. Um den Abbau sozial bedingter gesundheitlicher Benachteiligungen wirkungsvoll zu unterstützen, sind evidenzbasierte Konzepte zu entwickeln , die ein hohes Maß an Zielgruppenspezifität aufweisen. Dieser Prozess ist auf einen längeren Zeitraum angelegt. Das BMBF hat deshalb zwischen 2004 und 2012 mit dem Förderschwerpunkt „Präventionsforschung“ hierzu einen wichtigen Beitrag geleistet. Es wurden zielgruppenspezifische, wirksame und Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/1253 praxisnahe Präventionsangebote identifiziert und entwickelt. Eine besondere Zielgruppe waren Menschen in schwierigen sozialen Lagen. Darüber hinaus fördert das BMBF ab Sommer 2014 spezifische Vorhaben, die die langfristige Wirkung solcher Maßnahmen untersuchen. Ab Herbst 2014 fördert das BMBF mit der Maßnahme „Forschungsverbünde zur Primärprävention und Gesundheitsförderung“ weitere Projekte der primären Prävention und Gesundheitsförderung . Fragen des schichtspezifischen Zugangs sowie der Reduktion sozial bedingter gesundheitlicher Ungleichheiten sind hier bereits in der Ausschreibung als prioritäre wissenschaftliche Arbeitsfelder formuliert. Des Weiteren hat der von der BZgA initiierte Kooperationsverbund „Gesundheitliche Chancengleichheit“ das Ziel die Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten zu unterstützen (siehe auch Antworten zu den Fragen 5, 44, 45, 59 und 60). Dies geschieht auf unterschiedliche Art und Weise z. B. durch die Verbreitung guter Praxis der Gesundheitsförderung, die Unterstützung der Qualitätsentwicklung bei den Angeboten, die bessere Vernetzung von Institutionen und Akteuren sowie die Förderung des Austausches von Wissenschaft und Praxis. Ebenso greift der Kooperationsverbund gesundheitsziele.de die besondere Situation von sozial Benachteiligten auf. Die Berücksichtigung der gesundheitlichen Chancengleichheit bei der Erarbeitung und Umsetzung von Gesundheitszielen gehört zu den grundlegenden Querschnittsanforderungen von gesundheitsziele de. Diese Thematik ist auch Gegenstand einer neu eingerichteten Arbeitsgruppe des Evaluationsbeirates. Neben den im Konsens entwickelten Gesundheitszielen hat das partizipative Verfahren Arbeitsstrukturen sowie einen Handlungsrahmen für die Umsetzung zielführender Maßnahmen geschaffen. Beispielhaft seien die Ziele „Gesund aufwachsen: Lebenskompetenz, Bewegung , Ernährung“, „Gesund älter werden“ und „Tabakkonsum reduzieren“ genannt . Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 32, 44 und 45 verwiesen. 21. Wie viel Prozent der unterschiedlichen Lebenserwartungen, der unterschiedlichen subjektiven Gesundheitseinschätzungen und der Morbidität zwischen niedrigem und hohem Sozialstatus können nach Ansicht der Bundesregierung etwa durch das individuelle Gesundheitsverhalten erklärt werden? Der Einfluss und damit der Anteil des individuellen Gesundheitsverhaltens bei der Entstehung sozialer Unterschiede in der Gesundheit und Lebenserwartung hängt mit dem jeweils betrachteten Gesundheitsindikator, den berücksichtigten Gesundheitsverhaltensweisen, der Art, wie soziale Ungleichheit gemessen wird, der Auswahl des statistischen Analyseverfahrens sowie der jeweils zugrundeliegenden Untersuchungspopulation zusammen. Bislang wurden nur sehr wenige Studien durchgeführt, die sich mit dieser Frage beschäftigen. Eine aktuelle Arbeit, die auf Daten des Mortalitäts-Follow-up’s des Bundesgesundheitssurveys 1998 des RKI basiert, kommt zu dem Ergebnis, dass rund ein Viertel des Zusammenhangs zwischen dem sozioökonomischen Status und dem Mortalitätsrisiko Erwachsener auf Unterschiede im Tabakkonsum sowie der Verbreitung von Adipositas und sportlicher Inaktivität zurückgeführt werden kann (Männer: 24 Prozent, Frauen: 28 Prozent; siehe hierzu auch Antwort zu Frage 7). Einer weiteren deutschen Studie zufolge, die auf Daten des Sozioökonomischen Panels SOEP basiert, kann das Gesundheitsverhalten bei Männern etwa 33 Prozent der bildungsspezifischen Unterschiede im selbsteingeschätzten allgemeinen Gesundheitszustand erklären, bei Frauen etwa 29 Pro- zent. Es wird aber darauf hingewiesen, dass das Gesundheitsverhalten nachhaltig durch die Lebensumstände bestimmt wird. Drucksache 18/1253 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Soziale Stellung und Pflegebedürftigkeit 22. Welchen Einfluss haben nach Ansicht der Bundesregierung die folgenden Faktoren auf das Risiko der Pflegebedürftigkeit: Alter, Geschlecht, Familie und soziale Netzwerke, Einkommen und Vermögen, Bildung, berufliche Stellung sowie Behinderung (bitte jeweils für sich und in Relation zu den jeweiligen Faktoren aufschlüsseln und unter Angabe der zugrunde liegenden wissenschaftlichen Studien begründen)? Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus diesen Erkenntnissen ? 23. Wie bewertet die Bundesregierung die wissenschaftlich belegte Erkenntnis , dass „die sozioökonomische Position nicht nur […] einen signifikanten Einfluss auf das Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko ausübt, sondern zugleich auch auf das Risiko einer möglichen Pflegebedürftigkeit einwirkt“ (Borchert/Rothgang 2009)? Inwieweit lassen sich hierbei Unterschiede zwischen den verschiedenen Pflegestufen feststellen? Die Fragen 22 und 23 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Maßgebender Faktor für das Risiko der Pflegebedürftigkeit ist das Alter. Beispielsweise sind 29 Prozent der über 80-Jährigen pflegebedürftig. Infolge der höheren Lebenserwartung von Frauen sind knapp zwei Drittel der Pflegebedürftigen weiblich. Zum Einfluss der anderen genannten Faktoren auf das Risiko pflegebedürftig zu werden, liegen der Bundesregierung keine gesicherten Erkenntnisse vor. Zum Zusammenhang zwischen gesundheitlicher und sozialer Lage hat die Bundesregierung zuletzt mit dem Vierten Armuts- und Reichtumsbericht Stellung genommen (Bundestagsdrucksache 17/12650, vgl. Abschnitte IV Nr. 5.2 und V.1.1). Menschen mit Behinderungen 24. Wie wird die Bundesregierung den Artikel 25 Buchstabe a der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen umsetzen, nach der „Menschen mit Behinderungen eine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in derselben Bandbreite, von derselben Qualität und auf demselben Standard […] wie anderen Menschen, einschließlich sexual- und fortpflanzungsmedizinischer Gesundheitsleistungen und der Gesamtbevölkerung zur Verfügung stehender Programme des öffentlichen Gesundheitswesens“ bereitgestellt werden muss? Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) nimmt eine entscheidende Rolle im System der gesundheitlichen Sicherung ein und trägt der Forderung aus der UN-Behindertenrechtskonvention bereits umfassend Rechnung. Sie stellt allen Versicherten Sachleistungen zur Krankenbehandlung zur Verfügung, die dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen. Für Menschen mit Behinderun- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 17 – Drucksache 18/1253 gen gilt dies gleichermaßen. Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) enthält eine eigenständige Regelung, die ausschließlich die Belange behinderter Menschen in den Mittelpunkt stellt (§ 2a SGB V). Danach ist den besonderen Belangen behinderter Menschen Rechnung zu tragen. Auch behinderte Menschen, die nicht in der GKV versichert sind, haben Zugang zur Gesundheitsversorgung. Seit dem 1. Januar 2009 haben sie die Möglichkeit, sich in der privaten Krankenversicherung (PKV) jedenfalls im so genannten Basistarif zu versichern. Im Basistarif der PKV kann sich jeder versichern (Kontrahierungszwang ); Leistungsausschlüsse oder Risikozuschläge sind in diesem Tarif nicht zulässig. Die Leistungen müssen in Art, Umfang und Höhe mit jenen der GKV vergleichbar sein. Des Weiteren wurde mit dem Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention vom 15. Juni 2011 eine langfristige Gesamtstrategie zur Umsetzung des Übereinkommens erstellt. Es geht um die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am politischen, gesellschaftlichen , wirtschaftlichen und kulturellen Leben, um Chancengleichheit in der Bildung, um berufliche Integration und um die Aufgabe, allen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit für einen selbstbestimmten Platz in einer barrierefreien Gesellschaft zu geben. Die Aktivitäten der Bundesregierung zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderungen wurden dabei in einem eigenen Handlungsfeld „Prävention, Rehabilitation, Gesundheit und Pflege“ umfassend berücksichtigt. 25. Welche Daten liegen der Bundesregierung bezüglich der barrierefreien Gestaltung von Praxisräumen, Kliniken sowie von Verwaltungs- und Dienstgebäuden der Sozialleistungsträger (§ 15 Absatz 1 Nummer 4 SGB I)? Es liegen der Bundesregierung keine Daten über die konkrete Anzahl barrierefreier Arztpraxen oder Kliniken vor. Die diesbezüglich von der Stiftung Gesundheit erhobene Selbstauskunft bei den Ärzten hat ergeben, dass nur 20 bis 30 Prozent der Arztpraxen Aspekte der Barrierefreiheit berücksichtigen. Daher hat sich die Bundesregierung im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet, gemeinsam mit den Bundesländern und der Ärzteschaft ein Gesamtkonzept vorzulegen, das dazu beiträgt, die Anzahl barrierefreier Arztpraxen zu erhöhen. § 17 Absatz 1 Nummer 4 SGB I verpflichtet die Leistungsträger darauf hinzuwirken , dass ihre Verwaltungs- und Dienstgebäude frei von Zugangs- und Kommunikationsbarrieren sind und Sozialleistungen in barrierefreien Räumen und Anlagen ausgeführt werden. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, dass die Sozialleistungsträger dieser Verpflichtung nicht nachkämen. Soweit Sozialversicherungsträger betroffen sind, ist es Aufgabe der Aufsichtsbehörden, die Einhaltung dieser Verpflichtung sicherzustellen. Geschlecht als Determinante 26. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, wie sich das Geschlecht und andere Variablen zur Differenzierung der gesundheitlichen Lage (Bildungsstand, Erwerbsstatus, Lebensform, soziale Schicht usw.) jeweils gegenseitig beeinflussen? Die gesundheitliche Lage von Männern und Frauen wird von zahlreichen Deter- minanten beeinflusst: Biologische, soziale, kulturelle und umweltbezogene Faktoren tragen zur Gesundheit und damit zu den geschlechtsspezifischen Unter- Drucksache 18/1253 – 18 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode schieden bei und interagieren miteinander. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass gesundheitsbezogene geschlechtsspezifische Unterschiede sowohl zwischen den Altersgruppen, den Indikatoren sozialer Ungleichheit und vor allem zwischen den betrachteten gesundheitlichen Indikatoren variieren. Neben den biologischen und verhaltensbezogenen Unterschieden, die bei zahlreichen Erkrankungen eine Rolle spielen, haben insbesondere die geschlechtsspezifischen Arbeits- und Lebensbedingungen einen zentralen Einfluss auf die Gesundheit . Männer und Frauen sind nach wie vor in unterschiedlichem Maße in Erwerbs- und Familienarbeit eingebunden und arbeiten in Berufen mit unterschiedlichen Formen von Anforderungen und Belastungen. Aktuelle Ergebnisse auf Basis der Studie GEDA 2010 des RKI zeigen, dass in Deutschland ausgeprägte gesundheitliche Differenzen zwischen den Berufsstatusgruppen bestehen . Im Vergleich der unteren und oberen 20 Prozent der nach ihrem Berufstatus differenzierten Erwerbstätigen bestehen deutliche Unterschiede hinsichtlich des allgemeinen Gesundheitszustands, der Wahrnehmung einer Gesundheitsgefährdung durch die Arbeit und der Häufigkeit von Arbeits- und Wegeunfällen. Männer und Frauen mit hohem Berufsstatus haben bei allen untersuchten Gesundheitsparametern eine bessere gesundheitliche Lage als solche mit niedrigem Berufsstatus . Der Zusammenhang zwischen Berufsstatus und Gesundheit erwies sich sowohl bei Männern als auch bei Frauen gleichermaßen stark ausgeprägt, unterscheidet sich aber zwischen einzelnen Gesundheitsbereichen. Bei Männern war das Risiko für einen schlechten Gesundheitszustand nach Kontrolle für Alter und Erwerbsbeteiligung 2,3-fach, bei Frauen 3,3-fach erhöht. Das Risiko für eine starke Beanspruchung durch die Arbeit lag dagegen bei Männern höher als bei Frauen: 3,3-fach erhöhtes Risiko bei Männern, 1,8-fach erhöhtes Risiko bei Frauen. 27. Wie bewertet die Bundesregierung die Versorgung von Frauen im Gesundheitssystem durch unspezifische und daher in der Regel männerorientierte Arzneimittel, Arzneidosierungen, Diagnosen und Therapien (www. bvpraevention.de „Gesundheit von Männern und Frauen effektiv fördern – geschlechterspezifische Prävention und Gesundheitsförderung“)? Welche Schritte erwägt die Bundesregierung, um diese unspezifische Versorgung zu beseitigen? Bei der Versorgung mit Arzneimitteln wird nicht zwischen Männern und Frauen unterschieden. Zu Fragen von Genderaspekten bei der Arzneimittelentwicklung wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Angemessene Berücksichtigung von Frauen bei klinischen Arzneimittelprüfungen“ auf Bundestagsdrucksache 17/6634 verwiesen . 28. Welche Erkenntnisse über die möglicherweise bestehende Über-, Unterund Fehlversorgung beider Geschlechter liegen der Bundesregierung vor, und was unternimmt sie, um diese möglichen Missstände zu beheben? Die solidarisch finanzierte GKV gewährleistet Frauen und Männern den gleichen Zugang zu Gesundheitsdiensten und Gesundheitseinrichtungen. Unabhängig von Geschlecht, Alter und Einkommen erhält jede bzw. jeder die gesundheitlichen Leistungen, die notwendig sind. Hierbei kommen die Fortschritte der Medizin und Medizintechnik Frauen und Männern gleichermaßen zugute. Die Leistungsgewährung in der GKV richtet sich am Bedarf der Versicherten aus. Individuelle Aspekte und geschlechtsspezifische Belange sind hierin eingeschlossen . Aus den Gesundheitssurveys des RKI lassen sich geschlechtsspezifische Unterschiede in der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen ablesen. Da die Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 19 – Drucksache 18/1253 Inanspruchnahme in diesen Erhebungen nicht als Folge eines bestimmten Bedarfes (z. B. Krankheit) erfasst wird, lassen sich hieraus für die Frage der Über-, Unter- oder Fehlversorgung keine Schlussfolgerungen ziehen. Zur Messung von Über-, Unter- oder Fehlversorgung ist neben der Bestimmung des geschlechtsspezifischen Bedarfes auch eine fachlich abgesicherte Festlegung über Art und Ausmaß einer angemessenen geschlechtsspezifischen Versorgung notwendig (z. B. in Form medizinischer Leitlinien). 29. Wie bewertet die Bundesregierung die deutlich höhere Frequenz der Arztbesuche von Frauen gegenüber der von Männern (www.rki.de „Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems: Arztbesuch“)? 30. Warum nehmen Frauen deutlich häufiger an Vorsorgeuntersuchungen teil? Die Fragen 29 und 30 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der § 25 SGB V regelt den Anspruch auf Leistungen zur Früherkennung von bestimmten Krankheiten. Die inhaltliche Ausgestaltung dieses Leistungsanspruchs erfolgt durch den Gemeinsamen Bundesausschuss in dessen Richtlinien . Gesetzlich versicherte Frauen und Männer haben danach Anspruch auf Gesundheitsuntersuchungen zur Früherkennung von Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie Diabetes mellitus („Check-up 35“) sowie auf Untersuchungen zur Früherkennung von Hautkrebs und Darmkrebs. Ferner haben Frauen Anspruch auf Untersuchungen zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs und von Brustkrebs und Männer auf Untersuchungen zur Früherkennung von Prostatakrebs. Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland schätzt auf der Basis abgerechneter Leistungen die Inanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen. Demnach variiert das Teilnahmeverhalten von Frauen und Männern in Abhängigkeit von der angebotenen Früherkennungsmaßnahme . So zeigt sich z. B., dass bei den Untersuchungen, die Frauen und Männern gleichermaßen angeboten werden (Check-up 35, Hautkrebs - und Darmkrebsfrüherkennung), kaum Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen. So nahmen am „Check-up 35“, der im zweijährigen Intervall angeboten wird, 47,6 Prozent der anspruchsberechtigten Frauen und 44,7 Prozent der anspruchsberechtigten Männer im Zeitraum von 2010 bis 2011 teil. Die Teilnahme an der Hautkrebsfrüherkennung lag im Jahr 2011 bei 17,6 Prozent der anspruchsberechtigten Frauen und bei 15,7 Prozent der anspruchsberechtigten Männer. Da die Hautkrebsfrüherkennung im zweijährigen Intervall angeboten wird, entspricht dies einer auf zwei Jahre hoch gerechneten Teilnahmerate von ca. 35 Prozent bei den Frauen und ca. 32 Prozent bei den Männern. Eine Ausnahme stellt der Test auf verborgenes Blut im Stuhl (FOBT) dar, den Frauen häufiger in Anspruch nehmen. So haben den FOBT (für die Altersgruppe der 50- bis 54-Jährigen jährlich und ab 55 Jahre alle zwei Jahre angeboten) im Zeitraum von 2010 bis 2011 31,3 Prozent der anspruchsberechtigten Frauen und 23,2 Prozent der anspruchsberechtigten Männer durchführen lassen. Dieser Unterschied kann z. T. darauf zurückgeführt werden, dass der Stuhlbluttest Frauen auch im Rahmen der jährlichen gynäkologischen Untersuchung zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs angeboten wird. Außerdem kann die insgesamt höhere Inanspruchnahme ambulanter ärztlicher Versorgung von Frauen eine Rolle spielen. Im Jahr 2011 haben 47,5 Prozent der anspruchsberechtigten Frauen an der gynäkologischen Krebsfrüherkennung und 26,8 Prozent der anspruchsberechtigten Männer an der Prostatakrebsfrüherkennung teil- genommen. Hingegen beträgt die kumulative Teilnahmerate (2003 bis 2011) für Drucksache 18/1253 – 20 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode die Früherkennungsdarmspiegelung (Koloskopie) bei Frauen 17,4 Prozent und bei Männern 19,3 Prozent. Um die Gesundheitskompetenz von Frauen und Männern zu stärken, ist die Bereitstellung aktueller, fachlich geprüfter geschlechtsspezifischer Gesundheitsinformationen zu ausgewählten Präventions- und Versorgungsthemen erforderlich . Hierzu unterhält die BZgA mit www.frauengesundheit.de und www.maennergesundheit.de zwei geschlechtsspezifisch ausgerichtete Internetportale , die für viele Gesundheitsfragen qualitätsgesicherte Informationen zur Verfügung stellen. Auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) veröffentlicht auf seiner Internetseite mit evidenzbasierten Gesundheitsinformationen spezifische Artikel zur Frauen- und zur Männergesundheit (www.gesundheitsinformation.de). 31. Betrachtet die Bundesregierung das schlechtere Gesundheitsverhalten von Jungen und Männern (www.bvpraevention.de „Gesundheit von Männern und Frauen effektiv fördern – geschlechterspezifische Prävention und Gesundheitsförderung “ sowie www.bmg.bund.de „Männer in Bewegung!“) als strukturelles, verhältnisbedingtes Problem oder als individuelles, verhaltensbedingtes Problem? Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Das Gesundheitsverhalten wird nicht allein über die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht bestimmt. So zählen neben dem Geschlecht auch das Alter, der soziale Status und die Arbeits-, Lebens- und Familiensituation zu den individuellen Determinanten des Gesundheitsverhaltens. Außerdem wirken strukturelle Faktoren , z. B. das Angebot an präventiven Maßnahmen. Für die Konzeption von präventiven Maßnahmen ist es wichtig, sowohl die Besonderheiten eines geschlechtsspezifischen gesundheitlichen Risikoverhaltens zu beachten als auch die strukturellen, verhältnisbedingten Gegebenheiten zu berücksichtigen. Kenntnisse der geschlechtsspezifischen Variationen sowohl der Verhaltensparameter als auch der Einflussfaktoren sind deshalb wichtige Voraussetzung für zielgruppenadäquate Prävention. Männer verhalten sich in vielen Bereichen gesundheitsriskanter als Frauen und nehmen seltener als Frauen (Primär-)Präventions- und Gesundheitsförderungsangebote in Anspruch. Vor diesem Hintergrund bietet die BZgA mit ihren geschlechtsspezifisch ausgerichteten Portalen zur Männer- und zur Frauengesundheit zielgruppenspezifische Informationen. Im Rahmen von jährlich stattfindenden Kongressen diskutiert die BZgA gemeinsam mit Akteuren aus dem Feld der Jungen- und Männergesundheit prioritär anstehende Fragen, (z. B. Fragen zu Zugangswegen und zu den Möglichkeiten adäquater Zielgruppenansprache). 32. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der geschlechtervergleichenden Gesundheitsberichterstattung des Robert Koch-Instituts in Bezug auf die Formulierung geschlechtsspezifischer Gesundheitsziele? Die GBE des Bundes am RKI hat die Aufgabe, aktuelle Daten und Informationen über den Gesundheitszustand und die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in Deutschland bereitzustellen. Gegenstand der GBE sind dabei neben der gesamten Bevölkerung auch einzelne Gruppen, die unterschiedlichen Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind bzw. unterschiedliche gesundheitliche Bedarfe haben. Die GBE verfolgt grundsätzlich das Anliegen einer geschlechtersensiblen Berichterstattung. Die konsequente Berücksichtigung der Kategorie „Geschlecht“ kann einen wesentlichen Beitrag zur Qualitätsverbesserung im Gesundheitswesen leisten, weil Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 21 – Drucksache 18/1253 auf Grundlage der Ergebnisse Maßnahmen zielgruppenspezifischer konzipiert und umgesetzt werden und damit die eingesetzten Mittel besser verwendet werden können. Neben Evidenzbasierung und der Berücksichtigung gesundheitlicher Chancengleichheit ist deshalb die Berücksichtigung von Gender Mainstreaming eine der Querschnittsanforderungen an die Gesundheitsziele, die im Rahmen von gesundheitsziele.de erarbeitet wurden und werden. Migration und Gesundheitschancen 33. Wie hat sich in den letzten zehn Jahren die Armut von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland entwickelt, und wie bewertet die Bundesregierung diese Entwicklung? Für die Entwicklung der Armut von Menschen mit Migrationshintergrund in den letzten zehn Jahren wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage zur gleichlautenden Frage 144 der Fraktion DIE LINKE. „Gesundheitliche Ungleichheit im europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung “ auf Bundestagsdrucksache 17/4332 verwiesen. 34. Welche Zusammenhänge sieht die Bundesregierung zwischen der gesundheitlichen Situation von Menschen und dem Umstand ihrer (freiwilligen) Migration bzw. (erzwungenen) Flucht, und welche Mängel sieht sie bei Berücksichtigung interkultureller Aspekte der gesundheitlichen Versorgung in Deutschland? Die gesundheitliche Situation von Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlingen ist heterogen und wird unter anderem von der Migrationserfahrung, der sozialen Integration, der beruflichen und sozialen Lage sowie unterschiedlichen kulturellen Gesundheits- und Krankheitsvorstellungen beeinflusst. Darüber hinaus wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage zur gleichlautenden Frage 145 der Fraktion DIE LINKE. „Gesundheitliche Ungleichheit im europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung“ auf Bundestagsdrucksache 17/4332 verwiesen. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD hebt die Bedeutung der interkulturellen Öffnung im Gesundheits- und Pflegebereich hervor. Die Bundesregierung wird die interkulturelle Öffnung in allen Bereichen der gesundheitlichen Versorgung weiterhin berücksichtigen und fördern. 35. Worin sieht die Bundesregierung die Ursachen für das migrationsabhängig unterschiedliche Gesundheitsverhalten (Bundeszentrale für politische Bildung , Datenreport 2013, Kapitel 8.3), und was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu tun? 36. Welche Unterschiede sind auch dann noch konsistent, wenn Einkommensund Vermögensdifferenzen sowie unterschiedliche Alters- und Wohnstrukturen , Bildungsstandards, Arbeitsbedingungen usw. berücksichtigt werden (z. B. schlechtere Wohnungen, belastende Arbeitsplätze, höherer Migrationsanteil in Großstädten usw.)? Die Fragen 35 und 36 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Unterschiede in Bezug auf das Gesundheitsverhalten bedeuten nicht grundsätz- lich eine gesundheitliche Benachteiligung von Menschen mit Migrationshinter- Drucksache 18/1253 – 22 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode grund. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund konsumieren beispielsweise weniger Tabak und Alkohol als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund , dagegen ernähren sie sich oft weniger gesund, treiben weniger Sport und weisen einen höheren Anteil Übergewichtiger auf. Während durch die KiGGS-Studie des RKI repräsentative Daten für Kinder und Jugendliche vorliegen , bestehen bei Erwachsenen vergleichsweise große Erkenntnislücken. Repräsentative Informationen zum Gesundheitsverhalten der erwachsenen Bevölkerung mit Migrationshintergrund liegen bislang vor allem aus dem Mikrozensus vor. Danach unterscheiden sich Erwachsene mit Migrationshintergrund in Bezug auf den Body Mass Index (BMI) nur wenig von Personen ohne Migrationshintergrund . Ausnahme ist der Anteil adipöser Frauen im mittleren Lebensalter , der besonders unter Frauen mit türkischem Migrationshintergrund bzw. einem Herkunftsland der ehemaligen Sowjetunion im Vergleich zu Frauen ohne Migrationshintergrund erhöht ist. Beim Rauchen zeigt sich, dass Männer mit Migrationshintergrund häufiger, Frauen dagegen seltener rauchen als Menschen ohne Migrationshintergrund. Die Frage nach der Gewichtung sozioökonomischer und kultureller Einflussfaktoren auf das Gesundheitsverhalten lässt sich nicht allgemeingültig beantworten, denn der Sachverhalt ist zeitlich veränderlich und zudem abhängig von der betrachteten Verhaltensweise und Herkunftsgruppe. Umfassende Auswertungen, in denen die Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in Bezug auf zentrale Verhaltensparameter unter Kontrolle der wichtigsten sozio-ökonomischen und sozio-demographischen Einflussfaktoren sowie unter Berücksichtigung von Generation, Aufenthaltsdauer und Herkunftsgruppe untersucht wurden, sind bislang nicht verfügbar. 37. Wie reagiert die Bundesregierung auf Erkenntnisse, dass Migrantinnen und Migranten besonders selten an Früherkennungsmaßnahmen teilnehmen (Dr. Birgit Babitsch, Prof. Dr. Thea Bode „Gesundheitsversorgung von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“)? Es wird auf die Antwort zu Frage 40 verwiesen. 38. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über eine unterschiedliche Pflegebedürftigkeit von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, welche Gründe sieht die Bundesregierung hierfür, welche Auswirkung hat dies ggf. auf deren Versorgung, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesem Umstand? Nach dem Abschlussbericht der Studie „Wirkungen des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes “ von TNS Infratest Sozialforschung (2011) haben 8 Prozent der Pflegebedürftigen in Privathaushalten einen Migrationshintergrund. In stationären Pflegeeinrichtungen beträgt dieser Anteil 9 Prozent. Gemäß § 1 Absatz 4a Sozialgesetzbuch des Elften Buches (SGB XI) soll in der Pflegeversicherung den Bedürfnissen nach einer kultursensiblen Pflege nach Möglichkeit Rechnung getragen werden. Sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Pflege gibt es Angebote für Menschen mit Migrationshintergrund. Darüber hinausgehende , repräsentative Daten liegen der Bundesregierung nicht vor. Im Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz ist in § 7 Absatz 2 Satz 1 SGB XI die Regelung aufgenommen worden, dass die Pflegekassen die Versicherten und ihre Angehörigen und Lebenspartner in den mit der Pflegebedürftigkeit zusammenhängenden Fragen, insbesondere über die Leistungen der Pflegekassen sowie über die Leistungen und Hilfen anderer Träger, in für sie verständlicher Weise zu unterrichten und zu beraten haben. Diese Regelung ist insbesondere auch im Hinblick auf Menschen mit Migrationshintergrund getroffen worden. Zudem ist Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23 – Drucksache 18/1253 in der Begründung zu dem im gleichen Gesetz eingefügten § 18b SGB XI (Dienstleistungsorientierung im Begutachtungsverfahren) darauf hingewiesen worden, dass die Ankündigung des Besuchs zur Begutachtung sowie weitere Informationen bei Bedarf auch in einer Fremdsprache erfolgen sollten, die der Adressat versteht. Früherkennung 39. Welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen dem Sozialstatus und der Inanspruchnahme von Vorsorgeleistungen und Früherkennungsuntersuchungen in der gesetzlichen Krankenversicherung? In Deutschland haben in der GKV Versicherte Anspruch auf Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten nach dem SGB V. Zu diesen Leistungen gehören die Früherkennungsuntersuchungen von Krankheiten bei Kindern und bei Jugendlichen, die Gesundheitsuntersuchung zur Früherkennung von HerzKreislauf - und Nierenerkrankungen sowie Diabetes mellitus („Check-up 35“) und die Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung bei Erwachsenen. Hierzu gehören auch Maßnahmen zur Verhütung von Zahnerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Die routinemäßig vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland erhobenen Daten zur Inanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen erfassen die Determinante „Sozialstatus“ nicht. Somit ist nicht zu erkennen, in welchem Umfang bestimmte gesellschaftliche Gruppen, z. B. Personen mit Migrationshintergrund oder geringer Schulbildung, Früherkennungsuntersuchungen in Anspruch nehmen. In epidemiologischen Studien ist jedoch eine Vielzahl von Faktoren und deren Assoziation zur Inanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen untersucht worden. Danach ergibt sich ein uneinheitliches Bild, soweit es den Zusammenhang von „Sozialstatus“ bzw. dessen bestimmende Variablen (Bildung, Einkommen , Berufsstatus) und der Inanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen betrifft. Im Hinblick auf Früherkennungsuntersuchungen für Kinder (U1 bis U9) zeigen die Ergebnisse der KiGGS-Studie des RKI für den Erhebungszeitraum von 2003 bis 2006 eine insgesamt hohe Inanspruchnahme der Untersuchungen, jedoch mit einer geringeren Teilnahme von Kindern aus Familien mit niedrigem Sozialstatus und von Kindern mit Migrationshintergrund. Es ist davon auszugehen, dass durch verschiedene Maßnahmen des Bundes, der Länder und der Krankenkassen zwischenzeitlich die Teilnahmeraten bei allen Bevölkerungsgruppen weiter gestiegen sind. Im Bereich der Zahnvorsorge ist festzustellen, dass Erwachsene mit niedriger Bildung seltener Zahnvorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen. Bei Kindern erweisen sich eine benachteiligte sozioökonomische Lage der Familie und ein Migrationshintergrund als „hemmende“ Faktoren bezüglich der Inanspruchnahme der jährlichen zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchungen. Für den „Check-up 35“ zur Früherkennung von Herz-Kreislauf-, Nierenerkrankungen und Diabetes mellitus liegen Hinweise vor, dass die allgemeine Informiertheit zu Gesundheitsthemen einen Einfluss auf das Teilnahmeverhalten haben kann. So scheinen besser Informierte dieses Angebot häufiger wahrzunehmen . Ein niedriger Sozialstatus ist zudem bei Frauen und bei Männern mit einer geringeren Teilnahme am Check-up 35 assoziiert. Studien zur Inanspruchnahme von Krebsfrüherkennungsuntersuchungen zeigen, dass der sozioökonomische Status bzw. der Faktor Bildung das Teilnahmeverhalten beeinflussen. Tendenziell lässt sich feststellen, dass bei Frauen mit höhe- Drucksache 18/1253 – 24 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode rer Bildung eine häufigere Inanspruchnahme vorliegt, bei Männern ist diese tendenziell mit einer niedrigeren Beteiligung assoziiert. Insgesamt findet sich bei Frauen ein stärkerer, bei Männern ein schwächerer Zusammenhang der Inanspruchnahme mit dem Sozialstatus. Hinsichtlich der Schutzimpfungen gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission lässt sich feststellen, dass die Impfquoten gegen Tetanus, Diphtherie, Poliomyelitis, Pertussis, Hepatitis A und Hepatitis B bei Frauen und Männern mit abnehmendem sozioökonomischem Status sinken. Ein anderes Muster des Zusammenhangs weisen Impfungen gegen Masern und Mumps, Influenza bei Frauen und Impfungen gegen Röteln bei Männern auf. Hier zeigen sich eher höhere Impfquoten bei Erwachsenen mit niedrigem sozioökonomischem Status als bei Erwachsenen mit hohem sozioökonomischem Status. Die Quoten der Impfungen gegen Pneumokokken und Influenza bei Männern unterscheiden sich nicht nach dem sozioökonomischen Status. Impflücken bestehen bei älteren Kindern bzw. bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund; es fehlen nicht nur Auffrischungsimpfungen, sondern häufiger auch Grundimmunisierungen . Fast alle Impfquoten sind am höchsten bei Kindern und Jugendlichen aus Familien mit mittlerem Sozialstatus. 40. Wird nach Ansicht der Bundesregierung die Zielsetzung der Teilnahmequoten von Früherkennungsuntersuchungen erreicht, und sieht die Bundesregierung angesichts der reduzierten Inanspruchnahme von sozial Benachteiligten (vgl. etwa „Kinderarmut in Deutschland“, www.armutszeugnisse.de) den Bedarf an sozial spezifischen Maßnahmen in diesem Bereich? Falls ja, welche? Mit dem Kinderuntersuchungsprogramm nach § 26 SGB V wird bereits eine hohe Anzahl an Kindern erreicht. Nach den Ergebnissen des KiGGS, die sich auf Erhebungen aus den Jahren 2003 bis 2006 stützen, bringen etwa 94 Prozent der Eltern ihr Kind während des ersten Lebensjahres zu den Früherkennungsuntersuchungen . Vom zweiten bis sechsten Lebensjahr geht die Inanspruchnahme etwas zurück. Bei der 10. Untersuchung im 6. Lebensjahr (U9) sind es durchschnittlich immer noch mehr als 86 Prozent. Seither wurden auf Bundes- und Landesebene erhebliche Anstrengungen unternommen , um die Teilnahme am Kinderuntersuchungsprogramm weiter zu verbessern . So hat die BZgA über mehrere Jahre ein bundesweites Projekt an Kindertagesstätten zur Erhöhung der Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen U7, U8 und U9 durchgeführt, deren Schwerpunkt bei Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund und aus sozial benachteiligten Familien lag (Aktion „Ich geh’ zur U! Und Du?“). Mit dem von der BZgA entwickelten Elternordner „Gesund groß werden“ können Eltern bei der Geburt zielgruppengerechte Informationen über die Kinderuntersuchung zur Verfügung gestellt werden. Zudem wurde zum 1. Januar 2009 durch eine Ergänzung des § 26 SGB V eine Kooperationsverpflichtung der Krankenkassen und der Länder eingeführt, mit der diese gemeinsam auf eine Inanspruchnahme der Früherkennungsuntersuchungen für Kinder hinwirken sollen. Dies ist eine Basis für gemeinsame Einladungssysteme . Viele Länder haben zudem in den letzten Jahren im Rahmen der Diskussion zum Kinderschutz Einladungs-, Rückmelde- oder Erinnerungssysteme zu den Kinderuntersuchungen eingeführt. Es ist davon auszugehen, dass durch diese Initiativen nunmehr noch höhere Teilnahmeraten bei allen Bevölkerungsgruppen erreicht werden. Aktuelle Zahlen hierzu werden in der zwei- ten Jahreshälfte erwartet. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 25 – Drucksache 18/1253 Im Rahmen des Modellvorhabens „Gesundheitsuntersuchung in Grundschulen“ wird bis 2016 in ausgewählten Modellregionen erprobt, wie möglichst viele Schülerinnen und Schüler der dritten Jahrgangsstufe erreicht und für eine Teilnahme an einer Untersuchung in der Grundschule gewonnen werden können. Gleichzeitig soll die Gesundheitsuntersuchung mit Prävention im Setting Schule verknüpft werden. Bedingt durch die allgemeine Schulpflicht in Deutschland werden dabei auch diejenigen Kinder erreicht, die erfahrungsgemäß die U-Untersuchungen nicht vollständig in Anspruch nehmen (z. B. Kinder mit Migrationshintergrund oder aus sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen). Bei den Erwachsenen erfolgen derzeit alle Früherkennungsuntersuchungen mit Ausnahme des Mammographie-Screenings zur Brustkrebsfrüherkennung, zu dem alle Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren alle zwei Jahre schriftlich eingeladen werden, opportunistisch, d. h. die Initiative zur Teilnahme geht in der Regel von den Versicherten aus. Die Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung ist eines der Handlungsfelder im Nationalen Krebsplan, den das BMG im Juni 2008 gemeinsam mit Deutscher Krebsgesellschaft e. V., Deutscher Krebshilfe e. V. und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren e. V. initiiert hat. Hierzu wurde u. a. die Verbesserung der Information und Teilnahme an der Krebsfrüherkennung im Sinne einer „informierten Entscheidung“ der Bürgerinnen und Bürger als Ziel formuliert. Mit dieser Maßnahme soll sichergestellt werden, dass alle Teilnahmeberechtigten , auch Personen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status, adäquat erreicht werden. Zudem soll durch das aus dem Nationalen Krebsplan resultierende und im Jahr 2013 in Kraft getretene Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG) die derzeit opportunistische Gebärmutterhals- und Darmkrebsfrüherkennung in organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme mit Einladungswesen , Qualitätssicherung und Erfolgskontrolle bis April 2016 überführt werden . Damit sollen Reichweite und Wirksamkeit der Krebsfrüherkennung verbessert und insbesondere bisherige Nichtteilnehmerinnen und -teilnehmer erreicht werden. Dabei ist das Konzept der informierten Entscheidung im KFRG verankert. Dies bedeutet zugleich, dass das Prinzip der informierten Entscheidung einer rein quantitativen Teilnahmesteigerung übergeordnet ist. Prävention und Gesundheitsförderung 41. Welche Daten und Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Evaluationen zu den bisherigen Kampagnen im Bereich der Prävention bei Ernährung und Bewegung liegen der Bundesregierung bisher vor, und inwieweit haben die bisherigen Kampagnen einen Beitrag dazu geleistet, die sozial bedingte Ungleichheit von Gesundheitschancen zu verringern? Die Indikatoren des Ernährungsverhaltens und der körperlichen Aktivität aus dem Gesundheitsmonitoring des RKI zeigen, dass in Deutschland unausgewogene Ernährung und unzureichende Bewegung bedeutende gesundheitliche Risikofaktoren darstellen. Die Veränderungen innerhalb dieser Indikatoren können aber nicht direkt zur Evaluation einzelner Kampagnen herangezogen werden . Die Ergebnisse des Monitorings geben die Effekte einer Vielzahl von Einflussfaktoren wieder, zu denen auch, aber nicht nur, Präventionskampagnen zählen . Die Auswertungen der Studien des Gesundheitsmonitorings des RKI zeigen in den letzten Jahren überwiegend keine wesentlichen Veränderungen bei den Indikatoren für eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung. Die sozialen Unterschiede in der sportlichen Aktivität haben sich in den letzten Jahren ebenfalls nicht maßgeblich verringert. Eine systematische Literaturanalyse zu Prävention von Adipositas bei Kindern und Jugendlichen kommt zu dem Schluss, dass sowohl zielgruppenorientierte Drucksache 18/1253 – 26 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Maßnahmen für sozioökonomisch Benachteiligte unterrepräsentiert sind als auch Studien, die die Wirksamkeit der Intervention für die Zielgruppe beschreiben , bisher fehlen. Eine aktuelle Übersichtsarbeit des Helmholtz-Zentrums München (Veröffentlichung in Vorbereitung), die von der BZgA gefördert wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass erst seit kurzem vermehrt Studien über den Einfluss von Gesundheitsförderungsmaßnahmen auf das Bewegungsverhalten sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher initiiert wurden. Diese Studien werden Aussagen über Unterschiede von sozial benachteiligten im Vergleich zu nicht benachteiligten Menschen zulassen. Im Rahmen des Nationalen Aktionsplans „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ werden Maßnahmen geplant und gefördert, die die Verbesserung eines gesunden Ernährungs- und Bewegungsverhaltens in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zum Ziel haben. Menschen , die sozial benachteiligt sind, stehen besonders im Fokus. Die Erkenntnisse aus diesen Maßnahmen werden systematisch ausgewertet. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 19 verwiesen. 42. Hat nach Ansicht der Bundesregierung der § 20 SGB V, wonach die gesetzlichen Krankenversicherungen einen Beitrag zur „Verminderung von sozial bedingter Ungleichheiten von Gesundheitschancen“ zu leisten haben, ausreichend Wirkung gezeigt? Gibt es Evaluationen dazu, und an welchen Parametern macht sich eine Wirkung fest? Über die Wirkung von Maßnahmen nach § 20 SGB V bezüglich der Verbesserung von Gesundheitschancen in der Bevölkerung liegen keine fundierten Erkenntnisse vor. § 20 Absatz 1 Satz 2 SGB V, wonach „Leistungen zur primären Prävention den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung der sozial bedingter Ungleichheit leisten sollen “, ist seiner Formulierung nach ein programmatisches Ziel, das durch die im Leitfaden Prävention des GKV-Spitzenverbandes empfohlene Konzentration der Maßnahmen auf Zielgruppen mit hohem Bedarf konkretisiert wird. Da sich nach allen Erfahrungen sozial Benachteiligte durch Interventionen, die auf den einzelnen Menschen und sein Verhalten ausgerichtet sind, schwerer erreichen lassen, wird für diese Zielgruppe im Leitfaden Prävention vorrangig der Settingansatz als Zugangsweg empfohlen. Im jährlich erscheinenden Präventionsbericht informiert der GKV-Spitzenverband über die von den Krankenkassen erbrachten Leistungen zur primären Prävention . Der Bericht geht auch auf Gesundheitsförderungsmaßnahmen ein, mit denen Menschen mit sozial bedingt ungünstigeren Gesundheitschancen erreicht werden sollen. So bieten die Krankenkassen u. a. in Kindertagesstätten, Schulen und Pflegeeinrichtungen Aktivitäten an oder unterstützen gesundheitsfördernde Maßnahmen in Kommunen und Stadtteilen. Dokumentiert sind auch Gesundheitsförderungsmaßnahmen , die in so genannten Sozialen Brennpunkten durchgeführt wurden. Diese sind im Präventionsbericht definiert als Wohngebiete, in denen Bewohnerinnen und Bewohner stark von Einkommensarmut, Integrationsproblemen und Arbeitslosigkeit betroffen sind und deren soziales Netzwerk eingeschränkt ist. So fanden im Jahr 2012 ausweislich des aktuellen Präventionsberichts (www.gkv-spitzenverband.de) beispielsweise 26 Prozent der Angebote in Kindertagesstätten und jeweils über 40 Prozent der stadtteilbezogenen Aktivitäten und der Maßnahmen in Grund- und Hauptschulen in sozialen Brennpunkten statt. Dies lässt auf eine gezielte Auswahl der einzelnen Einrichtungen im Sinne der im Leitfaden Prävention empfohlenen Orientierung an den Ziel- gruppen mit hohem Bedarf schließen. Damit leisten die Aktivitäten der Kran- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27 – Drucksache 18/1253 kenkassen nach dem Settingansatz zugleich einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Zielbestimmung des § 20 Absatz 1 Satz 2 SGB V. 43. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass durch ein besseres Gesundheitsverhalten der Versicherten eine deutliche Kostensenkung im Gesundheitssystem erreicht werden könnte? Falls ja, auf welche Studien und Daten beruft sie sich dabei? Ein Großteil der Krankheiten, die das Versorgungsgeschehen dominieren, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, Krebs, chronische Lungenerkrankungen und Erkrankungen des Bewegungsapparats, wird durch gesundheitsrelevante Verhaltensweisen mit verursacht. Da bei der Entstehung von Krankheiten in der Regel jedoch eine Vielzahl von Einflussfaktoren zu berücksichtigen ist, ist eine konkrete quantitative Zuordnung von Gesundheitskosten auf einzelne Verhaltensweisen mit vielen Unwägbarkeiten und Annahmen verbunden . Entsprechend lässt sich auch das Potenzial von Kostenreduktionen im Gesundheitssystem durch Verhaltensänderungen nicht unmittelbar erkennen und zuordnen. In welchem Umfang verhaltenspräventive Maßnahmen tatsächlich zu langfristigen Kostensenkungen im medizinischen Versorgungssystem führen, lässt sich daher nicht abschließend beziffern. 44. Welche Präventionskonzepte und Gesundheitsförderprogramme sind nach Ansicht der Bundesregierung geeignet, besonders sozial benachteiligte Menschen zu erreichen und somit sozial bedingte gesundheitliche Ungleichheiten zu verringern (bitte jeweils begründen)? 45. Mit welcher Summe im aktuellen Bundeshaushalt werden diese geeigneten Präventionskonzepte und Gesundheitsförderprogramme von der Bundesregierung gefördert? Die Fragen 44 und 45 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention sind grundsätzlich dann Erfolg versprechend, wenn sie im Alltag der Menschen ansetzen und die Zielgruppen aktiv einbeziehen. Dies gilt in besonderem Maße für Menschen mit niedrigem sozialem Status, die rein verhaltensorientierte, individuelle Programmangebote weniger in Anspruch nehmen. Daher ist hier der so genannte Settingansatz der WHO gut geeignet, um den Aufbau gesundheitlicher Ressourcen beim Individuum (Verhaltensprävention) und gesundheitsförderlichen Strukturen in der Lebens- und Arbeitswelt (Verhältnisprävention) zu verankern. Mit Settingmaßnahmen werden alle Beteiligten erreicht und einbezogen, somit gerade auch Zielgruppen mit gesundheitlichen Risiken. Dabei ist die aktive Beteiligung der Zielgruppen eine wesentliche Komponente. Partizipation gilt als ein Qualitätskriterium bei der Planung und Durchführung von entsprechenden Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention. Deshalb entwickelt die BZgA partizipativ ausgerichtete Maßnahmen wie die Qualifizierung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Die Internetplattform www.inforo-online.de bietet hierfür den Austausch über und die Entwicklung von partizipativen Verfahren an. Darüber hinaus wird mit anderen Aktivitäten der Bundesregierung die Bedeutung der Einbeziehung und Beteiligung von Zielgruppen unterstrichen, beispielsweise mit dem Nationalen Aktionsplan „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung “. Dies gilt sowohl für einzelne Projekte als auch für allgemeine Angebote wie den Leitfaden „Qualitätssicherung“. Drucksache 18/1253 – 28 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Neben den Zielgruppen müssen alle weiteren Beteiligten und Akteure entsprechend ihren Zuständigkeiten aktiv werden. Ein Beispiel ist der von der BZgA initiierte Kooperationsverbund „Gesundheitliche Chancengleichheit“. Hier arbeiten die eingebundenen Akteure zusammen, um die Gesundheit insbesondere sozial Benachteiligter zu fördern (siehe hierzu auch Antworten zu den Fragen 5 und 20). Des Weiteren sei auf den kommunalen Partnerprozesses „Gesund aufwachsen für alle“ der BZgA hingewiesen, der mit den kommunalen Spitzenverbänden und dem Gesunde-Städte-Netzwerk (GSN) im Rahmen des Kooperationsverbundes „Gesundheitliche Chancengleichheit“ durchgeführt wird. Partizipation im Sinne von Einbeziehung und Beteiligung von Kindern und ihren Familien bei der Bedarfserhebung, der Gestaltung und der Auswertung von Maßnahmen wird dort als eine von sieben Handlungsempfehlungen konkret empfohlen. Im Jahr 2014 hat die BZgA für den Schwerpunkt „Gesundheitliche Chancengleichheit“ Mittel des Bundes in Höhe von rund 476 000 Euro veranschlagt. Darüber hinaus richten sich zahlreiche Kampagnen und Programme der BZgA an die unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen. Dabei sind zielgruppen- und themenspezifisch auch Menschen in schwierigen Lebenssituationen einbezogen . In Ansprache und Darstellung werden in der Regel auch bildungsferne Schichten berücksichtigt, so dass ein gesonderter Anteil am Gesamthaushalt der für die Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit eingesetzt wird, nicht beziffert werden kann. Der Gesamthaushalt der BZgA, einschließlich der der BZgA zur Bewirtschaftung durch die BZgA vorgesehenen Mittel aus Kapitel 15 02, beträgt für 2014 nach dem Regierungsentwurf II insgesamt 49 875 000 Euro. Damit können unterschiedliche Zielgruppen nachhaltig in die Lage versetzt werden , die Einflussfaktoren auf ihre Gesundheit zu erkennen, mit zu gestalten und eine Steigerung ihrer Selbstwirksamkeit (Empowerment) zu erfahren. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 19 und 20 verwiesen. Für die in der Antwort zu Frage 19 genannten Kompetenzcluster in der Ernährungsforschung werden ab dem Jahr 2015 für drei Jahre bis zu 21 Mio. Euro bereitgestellt . Die in der Antwort zu Frage 20 aufgeführten Fördermaßnahmen zur Präventionsforschung sollen vom BMBF von 2014 bis 2020 mit insgesamt rund 31 Mio. Euro gefördert werden. 46. Welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen den persönlichen Ressourcen (im Sinne von Fähigkeiten, auf externe Herausforderungen adäquat reagieren zu können) und dem Gesundheitsverhalten? Persönliche Ressourcen sind alle Fähigkeiten, Persönlichkeitsmerkmale und Bewältigungsstrategien, die einem Menschen zur Verfügung stehen, um auf Herausforderungen adäquat reagieren zu können. Im Handlungsfeld Prävention und Gesundheitsförderung werden sie auch als Schutzfaktoren bezeichnet. Hierzu gehören zum Beispiel positive Selbstwahrnehmung, Selbstwirksamkeitserwartung , Optimismus, aktive Bewältigungsstrategien oder Kontrollüberzeugung . Diese persönlichen Ressourcen tragen wesentlich dazu bei, ein die Gesundheit förderndes Verhalten aufrechtzuerhalten oder neu zu erreichen. 47. Welchen Unterschied gibt es nach Ansicht der Bundesregierung zwischen Gesundheitsförderung und Prävention? Maßnahmen zur Prävention dienen der Vermeidung und Verringerung gesundheitlicher Risikofaktoren und Belastungen und umfassen alle Aktivitäten, die mit dem Ziel durchgeführt werden, Erkrankungen zu verhindern, frühzeitig zu erkennen, zu verzögern oder die Krankheitsfolgen abzuschwächen. Präventive Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29 – Drucksache 18/1253 Interventionsstrategien können ausgerichtet sein auf die Veränderung des individuellen Verhaltens oder der Verhältnisse, d. h. der gesundheitsrelevanten Lebensbedingungen wie Arbeits- und Umweltbedingungen. Demgegenüber zielt der auf die Ottawa-Charta der WHO aus dem Jahr 1986 zurückgehende Begriff der Gesundheitsförderung auf die Stärkung der individuellen Gesundheitsressourcen und -potenziale („Schutzfaktoren“) sowie den Aufbau gesundheitsförderlicher Strukturen, insbesondere die gesundheitsförderliche Gestaltung von Lebenswelten wie Kindertagesstätte, Schule, Betrieb oder Pflegeheim. Gesundheitsförderliche Lebenswelten 48. Welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen dem Sozialstatus und der gesundheitlichen Gefährdung durch Arbeitsbedingungen? Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus? Auskunft über gesundheitliche Gefährdungen durch Arbeitsbedingungen gibt eine Auswertung von Daten der Erwerbstätigenbefragung des Bundesinstituts für Berufsbildung und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin aus dem Jahr 2012, bei der 20 036 Erwerbstätige u. a. nach ihren physischen und psychischen Arbeitsbedingungen befragt wurden. Der soziale Status wurde über die Stellung im Beruf abgebildet. Danach haben Arbeiterinnen und Arbeiter häufiger schwierige körperliche Umgebungsbedingungen als Angestellte, Beamte oder Selbstständige. Potenziell negativ wirkende psychische Anforderungen gibt es in allen vier Gruppen, jedoch unterscheidet sich die Art der psychischen Anforderungen nach dem jeweiligen beruflichen Status. Während Arbeiterinnen und Arbeiter häufig genaue Vorgaben und viele wiederkehrende Arbeitsvorgänge haben, müssen sich viele Angestellte, Beamte und Selbstständige oft mit neuen Aufgaben auseinandersetzen. Alle vier Gruppen geben an, häufig unter Termin- und Leistungsdruck arbeiten zu müssen und verschiedene Dinge gleichzeitig erledigen zu müssen. Aus den vorliegenden Daten lässt sich jedoch kein direkter Zusammenhang zwischen den Arbeitsbedingungen und den angegebenen Gesundheitsbeschwerden ableiten. Diese sind in der Regel multikausal und werden vom Gesundheits- und Freizeitverhalten insgesamt mitbestimmt. Allerdings zeigen sich bei Arbeiterinnen und Arbeitern deutliche Häufungen bei muskuloskelettalen Beschwerden. Psychovegetative Beschwerden hingegen sind weniger eindeutig einzelnen Gruppen zuzuschreiben. Arbeiterinnen und Arbeiter geben zudem häufiger körperliche und vergleichsweise seltener emotionale Erschöpfungszustände an. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird in diesem Zusammenhang die Entwicklung neuer Präventionskonzepte und betrieblicher Gestaltungslösungen in enger Zusammenarbeit mit den Trägern der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) – einer auf Dauer angelegten konzertierten Aktion von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern zur Stärkung von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz – vorantreiben. Die GDA will im Zeitraum von 2013 bis 2018 folgende Arbeitsschutzziele verwirklichen : ● Verbesserung der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes, ● Verringerung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefährdungen und Erkran- kungen im Muskel-Skelett-Bereich und ● Schutz und Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belas- tung. Drucksache 18/1253 – 30 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Darüber hinaus sind auch die Krankenkassen wichtige Ansprechpartner für die betriebliche Gesundheitsförderung und arbeiten bei der Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren eng mit den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung zusammen (§§ 20a und 20b SGB V). 49. Welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen dem Sozialstatus und der gesundheitlichen Gefährdung durch Umweltbedingungen? Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus? 50. Welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen dem Sozialstatus und der gesundheitlichen Gefährdung durch Wohnbedingungen? Welche Daten liegen der Bundesregierung diesbezüglich jeweils für städtische und ländliche Regionen vor? Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus? Die Fragen 49 und 50 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet Bildung, Einkommen und Faktoren wie der Migrationshintergrund beeinflussen die Wohnbedingungen und Lebensstile sowie die damit verbundenen Gesundheitsrisiken der Menschen. Sozial- und umweltepidemiologische Studien weisen darauf hin, dass der soziale Status mit darüber entscheidet, ob und in welchem Umfang Kinder, Jugendliche und Erwachsene durch Umweltschadstoffe belastet sind. Studien zeigen bei Menschen mit niedrigem Sozialstatus eine Tendenz zur stärkeren gesundheitlichen Belastung durch negative Umwelteinflüsse. Sie wohnen häufiger in Wohnlagen, die stärker Straßenverkehr, Lärm und verkehrsbedingten Luftschadstoffen ausgesetzt sind und berichten von Feuchtschäden in ihren Wohnungen. Vor allem regionale Studien zeigen, dass Menschen mit geringerem Einkommen und niedrigem Bildungsniveau tendenziell stärker durch Umweltschadstoffe (z. B. Luftschadstoffe oder ungünstige bioklimatische Bedingungen) belastet sind und einen schlechteren Zugang zu Umweltressourcen (z. B. Grünflächen) haben. Auch konnte für diese Bevölkerungsgruppen häufiger eine Betroffenheit von chemisch-physikalischen Risiken wie hohe Verkehrsdichte und hoher Verkehrslärm nachgewiesen werden. Die Auswertungen des Kinder-UmweltSurvey des Umweltbundesamtes lassen unterschiedliche körperliche Schadstoffbelastungen der Kinder und Jugendlichen in Abhängigkeit vom Sozialstatus erkennen. Die untersuchten Kinder mit einem niedrigen Sozialstatus haben beispielsweise eine höhere Bleikonzentration im Blut als Kinder mit mittlerem und hohem Sozialstatus. Die Belastung mit polychlorierten Biphenylen ist dagegen bei Kindern mit hohem im Vergleich zu denen mit mittlerem und niedrigem Sozialstatus deutlich höher. Die soziale Verteilung von gesundheitsrelevanten Umweltbelastungen und Wohnbedingungen ist immer wieder ein wichtiges Thema im Aktionsprogramm Umwelt und Gesundheit (APUG), in dem BMG, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sowie die zuständigen Bundesoberbehörden kooperieren. So wurden beispielsweise Forschungsvorhaben und Fachtagungen zum Thema gefördert, verschiedene Publikationen herausgebracht sowie eng mit der WHO bei der Bearbeitung des Themas kooperiert. APUG soll auch zukünftig dazu beitragen, den Kenntnisstand zur sozialen Verteilung von gesund- heitsrelevanten Umweltbelastungen in Deutschland zu verbessern und entsprechende Handlungsstrategien zu entwickeln. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 31 – Drucksache 18/1253 51. Welche Bedeutung kommt nach Ansicht der Bundesregierung der Partizipation , also der freiwilligen, aktiven Beteiligung, der Zielgruppen bei Präventions - und Gesundheitsförderungsprogrammen zu? 52. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, dass Partizipation eine Schlüsselgröße für erfolgreiche Gesundheitsförderung und Prävention darstellt? Wenn ja, wie will die Bundesregierung die Partizipation besonders der sozial benachteiligten Gruppen stärken und gewährleisten? 53. Welche Bedeutung kommt nach Ansicht der Bundesregierung der Gesundheitsförderung durch Settingentwicklung zu (bitte begründen)? 54. Welche Präventions- und Gesundheitsförderungsprogramme werden derzeit von der Bundesregierung durchgeführt, unterstützt oder finanziert, die eine Gesundheitsförderung durch Settingentwicklung beinhalten (bitte benennen)? Die Fragen 51 bis 54 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Hierzu wird auf die Antworten zu den Fragen 44 und 45 verwiesen. Über die dort bereits genannten Initiativen hinaus fördert die Bundesregierung gesundheitsförderliche Settingansätze zur Vermeidung und Reduzierung des Konsums von psychoaktiven Substanzen. So zielt die BZgA mit der Kampagne zur Förderung des Nichtrauchens bei Jugendlichen „rauchfrei“ auch auf die Entwicklung rauchfreier Schulen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Unterstützung von Haupt- und Berufsschulen. Ergänzend dazu fördert das BMG direkt die Entwicklung settingbezogener Suchtpräventionsprogramme zur Tabakprävention an Pflegeschulen. Auch mit den Kampagnen zur Förderung eines kritischen Umgangs mit Alkohol im Jugendalter „ALKOHOL? Kenn dein Limit.“ und „Null Alkohol – voll Power“ sowie in der Kampagne zur Prävention von Suchtverhalten „Kinder stark machen“ werden Maßnahmen durchgeführt, die sich auf Schulen und Sportvereine konzentrieren. Flankiert wird dies durch die Förderung settingbezogener Maßnahmen zur Reduktion von Substanzkonsum an Hochschulen seitens des BMG. Präventionsgesetz 55. Vor dem Hintergrund, dass im Koalitionsvertrag unter dem Motto „Gesundheit im Lebensverlauf“ neue Initiativen für eine moderne Kinder- und Jugendmedizin, Arbeitsmedizin sowie die Geschlechter- und Altersmedizin auch unter dem Gesichtspunkt der Prävention und Gesunderhaltung angekündigt sind, welche konkreten Initiativen kann sich die Bundesregierung vorstellen, um diese Ziele umzusetzen? Neben bereits beschriebenen konkreten Initiativen besteht das förderpolitische Ziel der Bundesregierung darin, mit exzellenter Forschung die Grundlage dafür zu schaffen, die Gesundheit der Bevölkerung zu stärken sowie die gesundheitliche Lage definierter Zielgruppen zu verbessern. Ein Schwerpunkt wird hierbei auf Prävention und Gesundheitsförderung gelegt. Das BMBF wird unter Einbindung der betroffenen Ressorts eine Förderinitiative zur „Gesundheit im Lebensverlauf “ entwickeln. Ein wichtiges Ziel dieser Förderinitiative wird es sein, wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse zur Verbesserung von Gesundheitschancen aller Kinder und Jugendlichen zu liefern. Drucksache 18/1253 – 32 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 56. Mit welchen konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung im Entwurf des Präventionsgesetzes verhindern, dass möglich weitere Zunahmen der Verteilungsungleichheit und ein Anwachsen der von Armut betroffenen Bevölkerungsanteile Maßnahmen der Verhaltensprävention in ihren Wirkungen mindestens reduzieren, im schlimmsten Fall sogar überkompensieren können? 57. Welchen konzeptionellen Stellenwert wird die Bundesregierung im Entwurf eines Präventionsgesetzes der wissenschaftlich belegten Tatsache beimessen, dass mit wachsender Einkommensungleichheit die Gesundheit der gesamten Bevölkerung leidet, während umgekehrt die Reduktion der Einkommensungleichheit die Gesundheit der gesamten Bevölkerung verbessert ? Die Fragen 56 und 57 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Das BMG erarbeitet derzeit unter Berücksichtigung der im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode genannten Maßgaben den Entwurf eines Präventionsgesetzes, mit dem insbesondere auch die Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten wie Kindertagesstätte, Kindergarten , Schule, Betrieb und Pflegeheim gestärkt sowie die Kooperation und Koordination aller Sozialversicherungsträger sowie der Länder und Kommunen verbessert werden soll. Die Inhalte des Gesetzentwurfs werden im Rahmen der laufenden Vorbereitungs- und Abstimmungsprozesse festgelegt. 58. Berücksichtigt die Bundesregierung bei ihren Reformplänen besonders die Wirkungen auf die gesundheitliche Versorgung von chronisch Kranken und Menschen mit Behinderungen? Die Bundesregierung berücksichtigt bei ihren Gesetzesvorhaben grundsätzlich die Wirkungen auf die gesundheitliche Versorgung von chronisch kranken und behinderten Menschen. Sie ist dazu auch durch die Grundsatzvorschrift des § 2a SGB V verpflichtet: „Den besonderen Belangen behinderter und chronisch kranker Menschen ist Rechnung zu tragen“. Entsprechende Maßnahmen dazu wurden zuletzt durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22. Dezember 2011 getroffen. Alle künftigen gesundheitspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung werden mit den Zielen der UN-Behindertenrechtskonvention in Einklang stehen, damit keine nachteiligen Auswirkungen auf die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe entstehen. § 45 Absatz 1 i. V. m. Anlage 6 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) stellt darüber hinaus ausdrücklich klar, dass – soweit die Belange behinderter Menschen bei Gesetzgebungsvorhaben anderer Ressorts berührt sind – das BMAS zu beteiligen ist. Ferner ist die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen von den Bundesministerien bei allen Gesetzes-, Verordnungs- und sonstigen wichtigen Vorhaben zu beteiligen , soweit Menschen mit Behinderungen betroffen sind (§ 15 Absatz 2 des Behindertengleichstellungsgesetzes). Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 33 – Drucksache 18/1253 59. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, bei statistischen Erhebungen im Gesundheitsbereich und bei der Evaluation von Maßnahmen im Gesundheitsbereich grundsätzlich neben dem Geschlecht auch den Sozialstatus , den Behinderungsstatus, den Migrationsstatus und den Familienstatus zu berücksichtigen und öffentlich auszuweisen und bei Bewertungen und Entscheidungen zu berücksichtigen? Im Zuge des Gesundheitsmonitorings am RKI sowie im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes wurde dafür Sorge getragen, dass die genannten Merkmale mit den Erhebungen des RKI abzubilden sind. In den Erhebungen wird sich dabei an den demographischen Standards des Statistischen Bundesamtes für sozialwissenschaftliche Erhebungen orientiert, um die Vergleichbarkeit mit anderen Datenquellen zu gewährleisten. Die Studien im Rahmen des Gesundheitsmonitorings am RKI (KiGGS, DEGS und GEDA) erlauben es daher, bei Kindern und bei Erwachsenen den Sozialstatus, das Vorliegen und den Schweregrad von Behinderungen oder Erwerbsminderungen, die Lebensform und den Migrationshintergrund der Befragten im Einklang mit gängigen Standards abzubilden. Für prozessproduzierte Daten der Sozialversicherungsträger sind diese Hintergrundmerkmale nicht in gleichem Maße verfügbar . Insbesondere zur Identifikation von gesundheitlich besonders belasteten Bevölkerungsgruppen sowie zur Evaluation von Maßnahmen im Gesundheitsbereich ist eine differenzierte Darstellung nach den oben genannten Merkmalen sinnvoll. Im Rahmen des Kooperationsverbundes „Gesundheitliche Chancengleichheit“ (siehe Antworten zu den Fragen 5, 20, 44 und 45) sind der Bezug auf und das Erreichen von sozial benachteiligten Zielgruppen beispielsweise bereits zentrale Evaluationskriterien für Gesundheitsförderungsprojekte . 60. Welche konkreten Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um so genannte Leuchtturmprojekte, also Projekte mit anerkannter guter Wirksamkeit , zu verstetigen und in die Fläche zu bringen? Gesundheitsförderung nach dem Settingansatz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Hierzu bedarf es des Zusammenwirkens und der gemeinschaftlichen Bereitstellung von Ressourcen aller für die jeweiligen Settings zuständigen Akteure. Daher können auch Projekte der Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten mit anerkannter Wirksamkeit nur durch einen breiten Konsens und in Kooperation verstetigt und in die Fläche gebracht werden. So bündelt der Nationale Aktionsplan „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ die bereits bestehenden vielfältigen Initiativen von Bund, Ländern, Kommunen und der Zivilgesellschaft in einer nationalen Strategie und trägt zur Etablierung gesundheitsförderlicher Alltagsstrukturen in den Bereichen Ernährung und Bewegung bei. Die Nachhaltigkeit und Verstetigung der Projekte wird durch den Auf- und Ausbau tragfähiger Kooperationen sichergestellt. Hierzu werden insbesondere auch allgemeine Leitfäden zur Verfügung gestellt, die die Arbeit in den Projekten vor Ort erleichtern sollen. So gibt es bereits den Leitfaden „Qualitätssicherung“, der praxisnahe Hilfestellungen rund um die Verbesserung und Sicherung der Qualität in Maßnahmen der Prävention insbesondere im Bereich Ernährung und Bewegung gibt (www.in-form.de). Darüber hinaus wird in Kürze ein Online-Angebot bereitstehen , das möglichst niedrigschwellig Grundlagen der Evaluation vermittelt und einzelne Bestandteile erläutert. Weitere konkrete Beispiele finden sich in der Antwort zu Frage 9. Ferner werden im Rahmen des von der BZgA initiierten Kooperationsverbunds „Gesundheitliche Chancengleichheit“ gute Praxisbeispiele identifiziert, die in Drucksache 18/1253 – 34 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode einer Datenbank nach zuvor konsentierten Kriterien aufgenommen werden. Die so dokumentierten „guten Beispiele“ stehen damit für die landes- und bundesweite Verbreitung zur Verfügung. Der Transfer wird über Fortbildungsveranstaltungen und Kongresse unterstützt. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 44 und 45 verwiesen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333