Deutscher Bundestag Drucksache 18/1275 18. Wahlperiode 30.04.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/1159 – Abschuss eines syrischen Kampfflugzeugs über angeblich türkischem Luftraum am 23. März 2014 Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Über der syrischen Provinz Latakia schossen türkische Kampfflieger am 23. März 2014 ein syrisches Kampfflugzeug ab. Der Pilot konnte sich durch das Betätigen des Schleudersitzes retten. Der Abschuss dieses oder eines anderen syrischen Jets wurde live im regierungsnahen türkischen Fernsehsender „Haber Türk“ übertragen (www.youtube.com/watch?v=AIL-_VQoV1M). Der Umstand , dass der Fernsehsender live vor Ort den Abschuss überträgt, lässt nach Ansicht der Fragesteller an einem Zufall zweifeln. Die türkische Regierung behauptete, dass der syrische Jet in den türkischen Luftraum eingedrungen sei. Die syrische Seite bestritt die in diese Richtung gehenden Aussagen des türkischen Premierministers und beschuldigte die Türkei dagegen der „offenkundigen Aggression“ (www.derwesten.de vom 24. März 2014 „Die Spannungen im syrisch-türkischen Grenzgebiet dauern an“). „Unsere Reaktion wird stets hart ausfallen, wenn unser Luftraum verletzt wird“, sagte der türkische Premier Recep Erdoğan bei einer Wahlveranstaltung im nordtürkischen Kocaeli (www.dw.de/t%C3%BCrkei-syrien-konflikt-als-mittel-zumzweck /a-17519228). Der Abschuss fand einerseits vor dem Hintergrund des weiter andauernden Konflikts in Syrien statt und andererseits kurz vor den Kommunalwahlen in der Türkei. Türkische Oppositionspolitiker vermuteten „hinter dem Kampfjet-Abschuss politische Motive, um kurz vor den Kommunalwahlen […] von der innenpolitischen Krise [in dem Land] abzulenken“ (www.dw.de/t%C3%BCrkeisyrien -konflikt-als-mittel-zum-zweck/a-17519228). Am 27. März 2014 kündigte der türkische Premier Recep Erdoğan an, dass die Internetplattform „YouTube“ gesperrt werden sollte, was kurz darauf auch geschah . Kurz zuvor hatten Unbekannte einen Audiomitschnitt, in dem sich anDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 28. April 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. scheinend der amtierende türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu, der Chef des türkischen Geheimdienstes MIT Hakan Fidan, Armeegeneral Yaşar Güler und der Staatssekretär Feridun Sinirlioğlu über eine mögliche False-Flag-Ope- Drucksache 18/1275 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode ration in Syrien unterhalten, auf „YouTube“ online gestellt (www.spiegel.de/ politik/ausland/tuerkei-erdogan-laesst-youtube-sperren-a-961163.html). Am 6. April 2014 veröffentlichte die britische Literaturzeitschrift „London Review of Books“ einen Artikel des renommierten US-amerikanischen Investigativjournalisten Seymour M. Hersh, in welchem dieser die Hintergründe für den ausgebliebenen US-amerikanischen Angriffskrieg gegen Syrien im August 2013 darstellt. In dem Artikel beschreibt Seymour M. Hersh, dass das britische Militär auf der Militärbasis in Wiltshire herausfand, dass die bei den Giftgasangriffen im syrischen Ghuta am 21. August 2013 benutzten chemischen Waffen nicht aus den bekannten syrischen Chemiewaffenbeständen stammten. Außerdem schreibt Seymour M. Hersh über im Frühjahr 2013 gemachte britische und US-amerikanische Geheimdiensterkenntnisse, nach denen einige syrische Rebellengruppen chemische Waffen entwickeln würden. Außerdem hat es laut Seymour M. Hershs Beobachtungen ergeben, dass al-Nusra das am weitesten entwickelte Programm zur Herstellung von chemischen Waffen (in diesem Falle Saringas) seit den Bemühungen al-Qaidas vor dem 11. September 2011 unterhalten habe. Des Weiteren beschreibt Seymour M. Hersh, dass die Regierung von Barack Obama in den USA und die Regierung Recep Erdoğan in der Türkei ein Abkommen geschlossen haben, Waffen aus lybischen Arsenalen über die Südtürkei zu den bewaffneten Oppositionskräften in Syrien zu transportieren . Darüber hinaus beschreibt Seymour M. Hersh, dass der türkische Geheimdienst MIT gemeinsam mit al-Nusra an einem Programm zur Herstellung von chemischen Waffen gearbeitet haben soll (www.lrb.co.uk/2014/04/ 06/seymour-m-hersh/the-red-line-and-the-rat-line). International für Überraschungen sorgte die Äußerung des türkischen Botschafters bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Tacan Ildem, am 27. März 2014, in welcher dieser erklärte, dass al-Qaida hinter den Bombenanschlägen im südtürkischen Reyhanlı im Mai 2013 stehen würde (www.al-monitor.com/pulse/originals/2014/04/reyhanli-qaeda-bombing-attackadmits .html). Zunächst hatte die türkische Regierung den syrischen Geheimdienst dafür verantwortlich gemacht (www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkeibeschuldigt -syriens-geheimdienst-wegen-anschlag-in-reyhanli-a-899309.html) und diese These lange aufrechterhalten. 1. Welche Informationen (Anzahl, Kurs, Geschwindigkeit, Flughöhe, Abschussort ), auch geheimdienstliche, liegen der Bundesregierung aktuell über den Abschuss eines syrischen Kampfflugzeugs am 23. März 2014 vor, das nach Angaben türkischer Behörden den türkischen Luftraum verletzt haben und auf syrischem Gebiet westlich der Grenzstadt Kasab (Gouvernement Latakia) abgestürzt sein soll (dpa vom 23. März 2014), und welche Informationen durch die NATO liegen in diesem Zusammenhang vor? In Bezug auf den Abschuss eines syrischen Kampfflugzeugs am 23. März 2014 durch unter nationaler Führung der Republik Türkei agierende Luftverteidigungskräfte liegen der Bundesregierung keine Informationen aus eigener Erfassung vor. Der in den Erklärungen des türkischen Außenministeriums bzw. des türkischen Generalstabs benannte Luftraum liegt außerhalb der Bereiche, die durch die Radarsysteme der in Kahramanmaraş stationierten deutschen PATRIOT-Systeme aufgefasst werden. Das türkische Luftraumüberwachungszentrum (Control and Reporting Center – CRC) Diyarbakır hat am 23. März 2014 eine Verletzung des türkischen Luftraums an die NATO gemeldet. Anhand von Daten aus dem übergeordneten Luftlagebild der NATO kann diese jedoch weder bestätigt noch dementiert werden . Die Zyklen, in denen das übergeordnete Luftlagebild aktualisiert wird, bieten hierzu keine hinreichende Auflösung. Flugparameter (Höhe, Position, Geschwindigkeit ) zwischen zwei Zyklen lassen sich nicht exakt bestimmen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1275 2. In welcher Form war laut Kenntnis der Bundesregierung die Integrierte Luftverteidigung der NATO (NATINADS) möglicherweise in den Abschuss involviert? Die NATO betreibt ein System der Integrierten Luftverteidigung (NATO Integrated Air and Missile Defence System – NATINAMDS). Dieses besteht aus Anteilen der NATO-Kommandostruktur und aus Beiträgen der Nationen, die der NATO zur Auftragserfüllung (d. h. Sicherstellung der Unversehrtheit des Luftraums ) zur Verfügung gestellt werden. Dementsprechend sind auch türkische militärische Dienststellen Bestandteil des Systems der Integrierten Luftverteidigung der NATO, so z. B. das CRC in Diyarbakır. Ein Waffeneinsatz wird aber grundsätzlich in hoheitlicher Verantwortung der jeweiligen Nation durchgeführt bzw. muss durch die Nation abschließend gebilligt werden. Im Fall des Abschusses des syrischen Luftfahrzeuges wurde die NATO durch das türkische CRC in Diyarbakır über die Luftraumverletzung in dem dafür vorgesehenen Format (Air Incident Report) informiert. Alle Maßnahmen, die zur Bekämpfung des syrischen Luftfahrzeuges führten, fanden jedoch unter nationalem türkischem Kommando und nach türkischen Einsatzregeln (Rules of Engagement – ROE) statt. Der NATO unterstellte Kräfte waren an diesem Einsatz nicht beteiligt . a) In welcher Form hat laut Kenntnis der Bundesregierung die NATINADS die vorausgegangenen Flugbewegungen verfolgt? Die dem Abschuss vorangegangenen Flugbewegungen wurden durch das türkische Luftraumüberwachungszentrum (CRC) in Diyarbakır erfasst und an die übergeordneten NATO-Dienststellen gemeldet. Somit waren die Flugbewegungen sowohl national in der Türkei als auch bei der NATO grundsätzlich nachvollziehbar . Allerdings handelt es sich bei dem übergeordneten NATO-Luftlagebild nicht um eine kontinuierliche, sekundengetreue Darstellung, sondern um eine zyklische Aktualisierung. Flugparameter (Höhe, Position, Geschwindigkeit ) zwischen zwei Zyklen lassen sich dabei nicht exakt bestimmen. b) Wenn ja, welchen Stellen gegenüber hat die NATINADS diese Flugbewegungen gemeldet? Aus dem jeweiligen Erfassungsbereich von Radarsensoren (so auch den Radarsystemen der deutschen, niederländischen und amerikanischen PATRIOT-Einheiten ) und den nationalen Luftraumüberwachungszentren (CRC) im Verbund der Integrierten Luftverteidigung der NATO werden Beiträge zum Luftlagebild an das Luftlagezentrum (Combined Air Operations Center) in Torrejón, Königreich Spanien und von dort an den Luftwaffengefechtstand (Air Command) der NATO in Ramstein, Deutschland gemeldet. Dabei entsteht das übergeordnete Luftlagebild – das so genannte Recognized Air Picture – der NATO, das zyklisch aktualisiert wird. Zusätzlich können Daten zu Flugbewegungen direkt zwischen den an der Erstellung des Luftlagebildes beteiligten Einheiten bzw. Dienststellen über definierte Formate (so genannte Links) ausgetauscht werden. Die Aktualisierung dieser Daten erfolgt ebenfalls zyklisch. 3. Hat die Bundesregierung auf internationaler Ebene eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls angeregt und hierbei Unterstützung angeboten, und wenn nein, warum nicht? Eine solche Untersuchung wurde nach aktuellem Kenntnisstand der Bundesregierung weder von der Türkei noch von Syrien gefordert. Drucksache 18/1275 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. Wann und in welchem Umfang hat nach Informationen der Bundesregierung ein Eindringen syrischer Kampfflugzeuge in den türkischen Luftraum stattgefunden, welche Informationen liegen der Bundesregierung hierzu vor, und in welchen Fällen hat sie zu welchem Zeitpunkt hierzu Stellung genommen ? Zum Abschuss eines syrischen Kampfflugzeuges am 23. März 2014 durch türkische Luftverteidigungskräfte unter nationaler türkischer Führung liegen der Bundesregierung keine Informationen aus eigener Erfassung vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 5. Inwieweit liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, die vor dem Hintergrund der Liveübertragung des Flugzeugabschusses im regierungsnahen türkischen Fernsehsender „Haber Türk“ (www.youtube.com/watch?v= AIL- _VQoV1M) darauf schließen lassen, dass der Abschuss eines oder des in Rede stehenden syrischen Militärflugzeugs schon Stunden, wenn nicht Tage vorher geplant worden war? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. 6. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Aussage des türkischen Ministerpräsidenten Recep Erdoğan in seiner Rede am Wahlabend des 30. März 2014, dass sich „Syrien mit der Türkei im Kriegszustand“ befinde (www.hurriyetdailynews.com/full-textturkish -pm-erdogans-post-election-balcony-speech.aspx?pageID=238&nID =64341& NewsCatID=338)? Die Bundesregierung ist sich der schwierigen Lage der Türkei in unmittelbarer Nachbarschaft zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen in Syrien bewusst. Sie begrüßt die Anstrengungen der Türkei, den syrischen Flüchtlingen Hilfe und Unterkunft zu gewähren und unterstützt sie dabei wo möglich. Die Bundesregierung erkennt die seitens der Türkei perzipierte potenzielle Bedrohung ihrer Sicherheit aus Syrien an. Sie steht zu ihrem Engagement der Verstärkung der NATO-Luftverteidigung in der Türkei zum Schutz der türkischen Zivilbevölkerung und des türkischen Staatsgebietes gegen eine potenzielle Bedrohung vor allem durch syrische ballistische Kurz- und Mittelstreckenraketen. Gleichzeitig hat die Bundesregierung die Regierung der Türkei von Anfang an zur Besonnenheit aufgerufen und setzt sich für eine enge Einbindung und Abstimmung mit der Türkei mit Blick auf das weitere Vorgehen gegenüber Syrien ein. 7. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob der Ende März 2014 auf „YouTube“ veröffentlichte Audiomitschnitt, in dem sich mutmaßlich Ahmet Davutoğlu, Hakan Fidan und Yaşar Güler Feridun Sinirlioğlu über eine mögliche False-Flag-Operation austauschen, authentisch ist? Der Bundesregierung liegen hierzu keine eigenen Erkenntnisse vor. Das türkische Außenministerium veröffentlichte am 27. März 2014 eine offizielle Erklärung, dass Audioaufnahmen einer im Büro des Außenministers am 13. März 2014 abgehaltenen Sicherheitsberatung in den sozialen Medien über das Internet verbreitet wurden. Die türkische Regierung hat dabei geltend gemacht , dass die Aufnahme manipuliert worden sei. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1275 8. Inwieweit wurde das „YouTube“-Video nach Kenntnis der Bundesregierung nachrichtendienstlich analysiert, und wenn ja, mit welchen Ergebnissen ? Eine nachrichtendienstliche Analyse hat keine weiteren Erkenntnisse ergeben. Der Bundesregierung liegen keine Hinweise vor, die auf eine bewusste Provokation einer militärischen Auseinandersetzung seitens Ankaras hindeuten. 9. Inwieweit liegen der Bundesregierung Erkenntnisse – auch nachrichtendienstliche – vor, die auf die Herkunft des „YouTube“-Videos schließen lassen, und wenn ja, auf wen verweisen diese Erkenntnisse? Es wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 10. Inwieweit war der Inhalt des „YouTube“-Videos Thema auf dem NATOAußenministertreffen in Brüssel am 1. April 2014, und wenn ja, mit welchen Erkenntnissen und Ergebnissen sowie welchen Mitteilungen und Informationen seitens der Türkei? Die Inhalte des YouTube-Videos wurden beim Treffen der NATO-Außenminister am 1. April 2014 in Brüssel nicht thematisiert. 11. Welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung vor dem Hintergrund ergreifen, dass die türkische Regierung die Echtheit des Gesprächs – wenn auch vermeintlich „aus dem Kontext gerissen“ – bestätigt hat, wonach der Außenminister Ahmet Davutoglu, Geheimdienstchef Hakan Fidan, Unterstaatssekretär Feridun Hadi Sinirlioglu und Vizearmeechef Yasar Güler über einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Syrien und einen notfalls zu schaffenden rechtfertigenden Grund für den Angriffskrieg beraten haben sollen, ob ein völkerrechtswidriges Handeln seitens der türkischen Regierung geplant war bzw. ist? Die Bundesregierung erwartet grundsätzlich, dass sich die Türkei als NATOMitglied verantwortungsbewusst und besonnen verhält und bündnisrelevante Fragen mit den Alliierten konsultiert. Sie hat dies in Gesprächen mit der türkischen Seite immer wieder deutlich gemacht, auch aus aktuellem Anlass. Die türkische Seite hat der Bundesregierung bestätigt, dass sie sich ihrer Verantwortung als NATO-Mitglied voll und ganz bewusst ist. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu den Fragen 7 und 8 verwiesen. 12. Welche eigenen Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass das türkische Militär auf den bisherigen vermeintlich syrischen Beschuss des grenznahen türkischen Territoriums immer nur reagiert hat und dieser nicht von türkischer Seite möglicherweise ganz im Sinne der Intention des „YouTube“-Videos selbst inszeniert war (Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Mündliche Frage 25 der Abgeordneten Sevim Dağdelen; Plenarprotokoll 18/25)? Der Bundesregierung liegen keine Hinweise vor, die auf eine bewusste Provokation einer militärischen Auseinandersetzung seitens Ankaras hindeuten. Drucksache 18/1275 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 13. Sind der Bundesregierungen Richtlinien innerhalb der NATO bekannt, wie eine Ausrufung des NATO-Bündnisfalls oder die Berufung auf die Bündnissolidarität infolge von False-Flag-Operations oder offenkundiger Provokationen von Gegenangriffen durch einen NATO-Bündnispartner verhindert werden sollen, und hält die Bundesregierung solche Richtlinien spätestens angesichts des Abschusses eines türkischen Kampfflugzeuges am 22. Juni 2012, über dessen Umstände die öffentlichen Aussagen der türkischen Regierung und mehrerer NATO-Vertreter nach Information der Fragesteller deutlich von den Ergebnissen eines internen NATO-Untersuchungsberichtes abweichen, für geboten? Artikel 5 des Nordatlantikvertrags besagt, dass die Feststellung des Bündnisfalls im Konsens aller Alliierten geschieht. 14. Ist es der Bundesregierung bekannt, dass britische Chemiewaffenspezialisten auf der Militärbasis in Wiltshire herausgefunden haben sollen, dass die bei den Giftgasangriffen im syrischen Ghuta am 21. August 2013 benutzten chemischen Waffen nicht aus den bekannten syrischen Chemiewaffenbeständen stammten (www.lrb.co.uk/2014/04/06/seymour-m-hersh/thered -line-and-the-rat-line)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 15. Ist es der Bundesregierung bekannt, dass die britischen und US-amerikanischen Geheimdienste im Frühjahr 2013 herausgefunden haben sollen, dass einige syrische Rebellengruppen chemische Waffen entwickelten (www.lrb.co.uk/2014/04/06/seymour-m-hersh/the-red-line-and-the-ratline )? Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesen Erkenntnissen? Die Position der Bundesregierung zu dem grausamen Giftgasangriff am 21. August 2013 ist unverändert. Hierzu wird auf die Antworten der Bundesregierung vom 30. Januar 2014 auf die Schriftliche Frage 20 der Abgeordneten Annette Groth sowie die Schriftliche Frage 21 der Abgeordneten Heike Hänsel auf Bundestagsdrucksache 18/412 verwiesen. Die Antwort zu dieser Frage kann jedoch nur teilweise offen erfolgen. Die begehrten Auskünfte sind unter dem Aspekt des Schutzes der Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten des Bundes mit ausländischen Nachrichtendiensten in besonderer Weise schutzbedürftig. Eine öffentliche Bekanntgabe von dem Informationsaustausch mit anderen Stellen zugeordneten Auskünften und damit einhergehend die Kenntnisnahme durch Unbefugte würde erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit haben. Würden in der Konsequenz eines Vertrauensverlustes Informationen von ausländischen Stellen entfallen oder wesentlich zurückgehen, entstünden signifikante Informationslücken mit negativen Folgewirkungen für die Genauigkeit der Abbildung der Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland sowie im Hinblick auf den Schutz deutscher Interessen im Ausland. Die künftige Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste des Bundes würde stark beeinträchtigt. Insofern könnte die Offenlegung der entsprechenden Informationen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen. Deshalb ist die Antwort zu dieser Frage als Verschlusssache gemäß der Verschlusssachenanweisung (VSA) mit dem Geheimhaltungsgrad „Geheim“ einge- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/1275 stuft. Es wird insoweit auf die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegte Anlage verwiesen.* 16. Ist es der Bundesregierung bekannt, dass die US-amerikanischen Geheimdienste herausgefunden haben sollen, dass al-Nusra das am weitesten entwickelte Programm zur Herstellung von chemischen Waffen (in diesem Falle Saringas) seit den Bemühungen al-Qaidas vor dem 11. September 2011 unterhalten hat (www.lrb.co.uk/2014/04/06/seymour-m-hersh/thered -line-and-the-rat-line)? Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesen Erkenntnissen? Auf die Antwort zu Frage 15 wird verwiesen. 17. Ist es der Bundesregierung bekannt, dass die Regierung von Barack Obama in den USA und die Regierung Recep Erdoğan in der Türkei ein Abkommen geschlossen haben sollen, Waffen aus lybischen Arsenalen über die Südtürkei zu den bewaffneten Oppositionskräften in Syrien zu transportieren (www. lrb.co.uk/2014/04/06/seymour-m-hersh/the-red-line-and-the-rat-line)? Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesen Erkenntnissen? Der Bundesregierung ist bekannt, dass Teile des bewaffneten syrischen Widerstands Waffen auf dem Schwarzmarkt in Libyen beschaffen. Ein Abkommen im Sinne der Fragestellung ist der Bundesregierung nicht bekannt. 18. Ist es der Bundesregierung bekannt, dass die US-amerikanischen Geheimdiensten Beobachtungen gemacht haben, dass der türkische Geheimdienst MIT gemeinsam mit al-Nusra an einem Programm zur Herstellung von chemischen Waffen gearbeitet haben soll (www.lrb.co.uk/2014/04/06/ seymour-m-hersh/the-red-line-and-the-rat-line)? Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesen Erkenntnissen? Auf die Antwort zu Frage 15 wird verwiesen. 19. Ist es der Bundesregierung bekannt, dass der türkische Botschafter bei der OSZE, Tacan Ildem, am 27. März 2014 erklärte, dass al-Qaida hinter den Bombenanschlägen im südtürkischen Reyhanlı im Mai 2013 stand (www.al-monitor.com/pulse/originals/2014/04/reyhanli-qaeda-bombingattack -admits.html)? a) Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesen Äußerungen des türkischen OSZE-Botschafters? Der Sprecher des türkischen Außenministeriums hat diese Aussagen dementiert und auf eine entsprechende Klarstellung der türkischen Vertretung bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verwiesen. * Das Auswärtige Amt hat die Antwort als „VS – Geheim“ eingestuft. Die Antwort ist in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden. Drucksache 18/1275 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode b) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Autobombenanschläge in Reyhanlı im Mai 2012? Nach Erkenntnissen der Bundesregierung ereigneten sich am 11. Mai 2013 in der nahe der syrischen Grenze gelegenen türkischen Stadt Reyhanlı, Provinz Hatay, zwei Sprengstoffanschläge. Dabei wurden zwei Autobomben (Vehicle Borne Improvised Explosive Device – VBIED) zum Einsatz gebracht, von denen die erste gegen 13.45 Uhr (Ortszeit) vor einem Gebäude der Stadtverwaltung explodierte. Cirka 15 Minuten später explodierte das zweite VBIED vor einem Postgebäude. Bei den Anschlägen wurden über 50 Personen getötet und mehr als 100 zum Teil schwerverletzt. Die türkische Regierung beschuldigte unmittelbar nach den Anschlägen die links-extremistische Terrororganisation Volksbefreiungspartei-Front (THKP-C) und ihre Splittergruppierung Acilciler (Die Eiligen) und als Drahtzieher das syrische Regime. Das Gerichtsverfahren gegen 33 Angeklagte wurde mittlerweile eröffnet. 19 Personen wird laut türkischen Medien u. a. Mord und 14 Personen die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung vorgeworfen. Beschuldigt wird die THKP-C und ihre Splittergruppierung Acilciler. c) Wie viele zivile und militärische Opfer haben nach Kenntnis der Bundesregierung die türkisch-syrischen Grenzscharmützel seit Beginn des Syrienkonfliktes auf türkischer sowie auf syrischer Seite gekostet (bitte auflisten nach zivilen und militärischen Opfern sowie auf syrischer bzw. auf türkischer Seite)? Seit Beginn des Syrien-Konflikts sollen laut türkischen Regierungskreisen bisher über 70 türkische Staatsangehörige getötet worden sein. Ministerpräsident Recep Erdoğan sprach am 30. März 2014 von 74 getöteten türkischen Zivilisten. Darunter dürften nach Einschätzung der Bundesregierung die über 50 Todesopfer von Reyhanlı, fünf am 3. Oktober 2012 bei einem Einschlag eines Mörsergeschosses in Akcakale getötete türkische Zivilisten, zwei infolge des Abschusses eines türkischen Kampfflugzeugs am 22. Juni 2012 getötete türkische Soldaten sowie vier bei einem Anschlag am Grenzkontrollpunkt Cilvegözü umgekommene türkische Zivilisten fallen. Weitere, über entsprechende Presseberichterstattung hinausgehende Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor. Zur Zahl der Opfer auf syrischer Seite, die im Zusammenhang mit den türkischsyrischen Grenzzwischenfällen zu sehen sind, liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Belastbare Informationen zur Zahl Verletzter liegen der Bundesregierung nicht vor. d) Auf wessen Angaben stützt sich die Aussage des Staatsministers Michael Roth, dass „72 Zivilisten durch syrische Angriffe zu Tode gekommen [seien]“ (Plenarprotokoll 18/25)? Auf die Antwort zu Frage 19c wird verwiesen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333