Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 16. Juni 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/12767 18. Wahlperiode 19.06.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Ulle Schauws, Maria Klein-Schmeink, weiter Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/12645 – Entwicklung der Kaiserschnittrate in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Kaiserschnittrate ist in den vergangenen Jahren in Deutschland erheblich gestiegen. Im Jahr 1991 lag sie noch bei 15 Prozent aller Geburten. Heute entbindet nahezu jede dritte Schwangere mit Kaiserschnitt (Statistisches Bundesamt 2015). Deutschland liegt damit über dem EU-Durchschnitt und weit über der Rate skandinavischer und einiger osteuropäischer Länder (15 bis 22 Prozent ); vgl. Petra Kolip et al., Faktencheck Kaiserschnitt, 2012, Europäischer Perinatalbericht 20082. Auch innerhalb Deutschlands schwanken die Raten erheblich, je nach Region, teilweise auch je nach Einrichtung. Erfolgten im Jahr 2013 im Saarland 38,1 Prozent aller Entbindungen per Kaiserschnitt, sind es in Sachsen nur 23,8 Prozent (Quelle: Statistisches Bundesamt). Die Gründe für den Anstieg und die regionalen Unterschiede sind bislang nicht genau erforscht. Eine steigende Zahl an Risiko- oder Mehrlingsschwangerschaften allein kann den Anstieg nicht erklären (vgl. Petra Kolip et al., Faktencheck Kaiserschnitt, 2012). Die überwiegende Mehrheit der Frauen gibt an, in die Entscheidung zum Kaiserschnitt aktiv eingebunden gewesen zu sein. Weniger gut sind die Informationen zu den möglichen späteren Folgen: nur die Hälfte der Frauen, die einen ungeplanten Kaiserschnitt hatten, geben an, über die Folgen wie Schmerzen, Stillprobleme, Thrombosegefahren, Risiken für weitere Schwangerschaften oder die Folgen für ihre Kinder ausreichend informiert gewesen zu sein (vgl. Lutz/Kolip, GEK-Kaiserschnittstudie, 2006). 1. Wie bewertet die Bundesregierung die steigende Zahl der Kaiserschnitte in Deutschland? Die Daten des Statistischen Bundesamts von 2016 zeigen, dass die Kaiserschnittrate bis 2009 deutlich angestiegen ist, während es von 2009 (31,4 Prozent aller Geburten) bis 2011 (32,2 Prozent aller Geburten) nur noch eine geringe Steigerung gab. Seitdem ist eine Stagnation bzw. eine leichte Abnahme zu verzeichnen (2012: 31,9 Prozent, 2013 und 2014: jeweils 31,8 Prozent, 2015: 31,1 Prozent). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12767 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die Daten des Institutes für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG), die im Rahmen der externen stationären Qualitätssicherung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) erhoben werden, zeigen insgesamt eine etwas höhere Kaiserschnittrate (2012: 33,0 Prozent, 2015: 32,2 Prozent, 2016: 32,0 Prozent; siehe Antwort zu Frage 8), jedoch ebenfalls in den letzten Jahren eine Stagnation bzw. einen leichten Rückgang. Wie die Bundesregierung in ihrer Vorbemerkung zu ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Entwicklung der Kaiserschnittrate“ auf Bundestagsdrucksache 18/2365 vom 18. August 2014 ausgeführt hat, sind die Gründe für die Entwicklung der Kaiserschnittgeburten vielschichtig, sie werden nach wie vor in der medizinischen Fachwelt intensiv diskutiert. Die von den Fragestellern zitierte Studie „Faktencheck Gesundheit Kaiserschnittgeburten – Entwicklung und regionale Verteilung“ der Bertelsmann-Stiftung von November 20121 unterlegt eine Reihe von Hypothesen zu den Ursachen und Hintergründen des Anstiegs der Kaiserschnittrate in Deutschland mit statistischen Daten und Umfrageergebnissen . Die Studie hat – wie auch weitere wissenschaftliche Erkenntnisse und Debatten – dazu beigetragen, die diesbezüglichen Diskussionen in den Fachkreisen weiter zu strukturieren und zu intensivieren. Nach wie vor ist die Frage, wann in die Vorgänge der Schwangerschaft und Geburt mit Interventionen eingegriffen werden sollte, Gegenstand intensiver Diskussionen innerhalb und zwischen den beteiligten Berufsgruppen. Aktuell entwickeln die zuständigen Fachgesellschaften eine interdisziplinäre S3-Leitlinie zur „Sectio caesarea“ wie auch eine interdisziplinäre S3-Leitlinie zur natürlichen Geburt. Die Bundesregierung unterstützt diesen Diskussionsprozess (vergleiche die Antwort zu Frage 18), weist jedoch darauf hin, dass dieser vorrangig innerhalb der Fachwelt zu führen ist. Etwaige Interventionen zur Senkung der Kaiserschnittraten dürfen nicht zu einer erhöhten Gefährdung von Mutter und Kind führen. Grundsätzlich ist die Entscheidung zum Einsatz medizinischer Maßnahmen in jedem Einzelfall gemeinsam zwischen der Hebamme bzw. dem Arzt oder der Ärztin und der werdenden Mutter unter Abwägung der gesundheitlichen Risiken für Mutter und Kind auf der Grundlage der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu treffen. Die Entwicklung von interdisziplinären wissenschaftlichen Leitlinien zur Unterstützung dieser Entscheidungsfindung wird seitens der Bundesregierung ausdrücklich begrüßt und unterstützt. 2. In welchem Ausmaß hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung durch die steigenden Kaiserschnittraten die Mütter- und Säuglingssterblichkeit rund um die Geburt in den letzten 20 Jahren verringert (vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 11 auf Bundestagsdrucksache 17/9039)? In den letzten 20 Jahren (1995 bis 2015) hat sich nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die Säuglingssterblichkeit von 5,3 auf 3,3 Säuglingssterbefälle je 1 000 Lebendgeborene verringert, die Müttersterblichkeit von 5,4 auf 3,3 je 100 000 Lebendgeborene. Die Kaiserschnittrate betrug 1995 17,6 Prozent und 2015 31,1 Prozent (zur Entwicklung in den letzten Jahren siehe Antwort zu Frage 1). Insoweit gibt es eine statistische Korrelation zwischen der Abnahme der Säuglingssterblichkeit und der Müttersterblichkeit und der Zunahme der Kaiserschnittraten , jedoch sind aus diesen Daten keine direkten kausalen Zusammenhänge ableitbar. Zu den entsprechenden Entwicklungen tragen jeweils eine Vielzahl von Faktoren bei. 1 Kolip P, Nolting H-D, Zich K (2012) Faktencheck Gesundheit. Kaiserschnittgeburten – Entwicklung und regionale Verteilung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12767 3. Welchen Einfluss haben nach Auffassung der Bundesregierung folgende Faktoren derzeit auf die Kaiserschnittrate: a) individuelle Geburtsrisiken bei Mutter und Kind; b) vorhergehende Interventionen und Eingriffe in den natürlichen Geburtsverlauf (z. B. Wehentropf, Periduralanästesie, vorangegangener Kaiserschnitt ); c) Aspekte der Klinikorganisation (Personalsituation, Größe der Geburtsabteilung , Belegwesen, 1:1-Betreuung unter der Geburt); d) Aspekte der Vergütung, insbesondere im Vergleich zu Spontanentbindungen ; e) Aspekte der Ausbildung der Geburtshelfer, insbesondere im Hinblick auf Risikoentbindungen; f) Haftungsrisiken, insbesondere im Zusammenhang mit verspäteten oder unterlassenen Kaiserschnitten; g) unzureichende Aufklärung der Mütter über Risiken und gesundheitliche Konsequenzen eines Kaiserschnitts; h) Versichertenstatus der Mutter (gesetzlich, privat); i) andere Gründe? Es wird hierzu auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 2 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Steigende Rate an Kaiserschnittentbindungen “ auf Bundestagsdrucksache 17/9039 vom 21. März 2012 sowie auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Entwicklung der Kaiserschnittrate“ auf Bundestagsdrucksache 18/2365 vom 18. August 2014 (insbesondere zu den Fragen 6, 8 und 17) hingewiesen . Ergänzend hierzu ist in Bezug auf die Faktoren a und b darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Weiterentwicklung der externen stationären Qualitätssicherung (esQS) des G-BA mit dem Ziel, die Kaiserschnittrate zu senken bzw. zu optimieren , ab 2012 eine risikoadjustierte Kaiserschnittrate (genauer: „Verhältnis der beobachteten zur erwarteten Rate (O/E) an Kaiserschnittgeburten“) entwickelt und 2014 eingeführt wurde. Dabei werden individuelle Geburtsrisiken (vgl. a) wie auch vorhergehende Interventionen (vgl. b) berücksichtigt, die eine signifikante Assoziation mit der Kaiserschnittrate aufweisen. Aktuell werden folgende Faktoren /Risiken zur Berechnung herangezogen: Alter (35 bis 38 Jahre und über 38 Jahre) Mehrlingsschwangerschaft Befunde im Mutterpass: Z. n. Sectio oder Uterusoperation Befunde im Mutterpass: Placentainsuffizienz Befunde im Mutterpass: Hypertonie oder Proteinurie Geburtsrisiko: Frühgeburt Geburtsrisiko: Hypertensive Schwangerschaftserkrankung oder HELLP-Syndrom Geburtsrisiko: Diabetes mellitus Geburtsrisiko: Z. n. Sectio caesarea oder andere Uterusoperationen Geburtsrisiko: Placenta praevia Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12767 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Geburtsrisiko: Amnioninfektionssyndrom (Verdacht auf) Geburtsrisiko: Pathologisches CTG, auskultatorisch schlechte kindliche Herztöne oder Azidose während der Geburt (festgestellt durch Fetalblutanalyse) Geburtsrisiko: Querlage/Schräglage Geburtsrisiko: Beckenendlage Geburtsrisiko: Gesichtslage/Stirnlage. Seit 2015 ist dieser Qualitätsindikator mit einem Referenzwert versehen, so dass Krankenhäuser, die über diesem Wert liegen, als rechnerisch auffällig gelten und im Rahmen von sogenannte Strukturierten Dialogen angeschrieben werden und darlegen müssen, warum sie eine so hohe Kaiserschnittrate aufweisen. Durch das Verfahren der Risikoadjustierung werden alle Geburten und auch relative Indikationen zur Durchführung eines Kaiserschnitts bei der Berechnung berücksichtigt (vgl. auch Antwort zu Frage 6). 4. Wie erklärt sich die Bundesregierung die im Vergleich zu Deutschland niedrigen Kaiserschnittraten von 15 bis 22 Prozent in Skandinavien und einigen osteuropäischen Ländern (s. o.), und ist in diesen Ländern die Mütter- und Säuglingssterblichkeit rund um die Geburt höher? Allgemein ist zu internationalen Vergleichen anzumerken, dass Datenerhebung und -aufbereitung nicht in allen Ländern nach derselben Methodik erfolgen. Dies schränkt die Vergleichbarkeit der Daten ein. Tabelle 1 zeigt die aktuellen Daten der OECD zu Kaiserschnitten, Säuglings- und Müttersterblichkeit: Tabelle 1 Kaiserschnitte je 100 Lebendgeburten 2014 Quelle: OECD Säuglingssterbefälle (< 1 Jahr) je 1.000 Lebendgeburten 2014 Quelle: OECD Müttersterbefälle je 100.000 Lebendgeburten 2014 Quelle: OECD Österreich 29,3 3,0 8,6 Tschechien 25,44 2,4 6,4 Dänemark 21,54 4,0 7,3 (2013) Finnland 15,77 2,2 3,4 (2012) Ungarn 35,67 4,5 6,6 Irland 29,12e 3,7 3,0 Italien 35,7 2,8 2,1 (2012) Luxemburg 28,83e 2,8 0 (2013: 16,4) Polen 35,65 4,2 1,9 (2013) Spanien 25,04 2,9 2,1 Schweden 16,97 2,2 3,5 Großbritannien 25,20 3,9 6,7 Estland 19,98 2,7 0 (2013: 7,3) Litauen 20,43 3,9 * Lettland 19,94 3,8 * Deutschland 30,82 3,2 4,1 e geschätzter Wert * keine Daten angegeben Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12767 Zu den Gründen der unterschiedlichen Kaiserschnittraten liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. In internationalen Vergleichen (OECD 20152, EURO-PERISTAT 20133) werden die niedrigeren Kaiserschnittraten in den skandinavischen Ländern berichtet ohne mögliche Ursachen zu benennen. So stellt die OECD fest, dass die Kaiserschnittraten im Jahr 2014 in fast allen OECD-Ländern angestiegen, in einigen Ländern (Schweden, Finnland, Italien und Spanien) jedoch gesunken sind. Es wird außerdem festgestellt, dass in den nordischen Ländern (Island, Finnland, Schweden und Norwegen) sowie in Israel und den Niederlanden die Kaiserschnittraten am niedrigsten sind, es werden aber keine Gründe dafür angegeben. Im OECD-Report wird außerdem darauf verwiesen, dass auch innerhalb eines Landes (genannt werden Italien und Spanien) regionale Unterschiede der Kaiserschnittraten existieren können. Für einige Länder wird auch eine niedrige Säuglings- und Müttersterblichkeit und eine niedrige Kaiserschnittrate beschrieben. 5. Wie erklärt sich die Bundesregierung die teilweise großen Unterschiede bei der Kaiserschnittrate zwischen den Bundesländern (vgl. Statistisches Bundesamt 2015)? Regionale Unterschiede spielen nicht nur auf Ebene der Bundesländer, sondern auch auf Kreisebene eine Rolle. Es ist davon auszugehen, dass es dafür eine Vielzahl von Gründen gibt. Sie werden in der Fachwelt diskutiert, beispielsweise in der von den Fragestellern zitierten Studie Faktencheck Gesundheit Kaiserschnittgeburten von 20124. 6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den regional oder einrichtungsbezogen unterschiedlichen Umgang mit relativen Indikationen zum Kaiserschnitt, und inwieweit kann dies die unterschiedlich hohen Kaiserschnittraten erklären? Seit 2014 wird im Rahmen der Qualitätssicherung des G-BA auf Bundesebene ein risikoadjustierter Qualitätsindikator zur Kaiserschnittrate („Verhältnis der beobachteten zur erwarteten Rate (O/E) an Kaiserschnittgeburten“) erhoben. Dabei werden alle Geburten mit entsprechenden Risiken und damit auch die relativen Indikationen zum Kaiserschnitt berücksichtigt. Nach Risikoadjustierung reicht die Spannbreite der Kaiserschnittraten immer noch von 13 Prozent bis 61 Prozent . Diese Unterschiede gehen überwiegend auf einrichtungsspezifische Vorgehensweisen zurück, da andere Risikofaktoren durch die Adjustierung berücksichtigt wurden. Hier wird von Seiten der externen Qualitätssicherung eine höhere Standardisierung mit einer Absenkung der Raten an Kaiserschnitten angestrebt. Zu regionalen Unterschieden hat das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) keine Informationen. In die Auswertungen für die Krankenhäuser wurde seit 2016 eine weitere Kennzahl eingefügt („Robson-Score“), die es den Einrichtungen selbst und den Landesgeschäftsstellen für Qualitätssicherung im Strukturierten Dialog erlaubt, auffällige Kaiserschnittraten noch detaillierter als bisher zu analysieren und künftig mit den Einrichtungen abzuklären. 2 OECD (2015) „Ceasarean sections“, in Health at a Glance 2015: OECD Indicators. OECD Publishing, Paris. 3 EURO-PERISTAT Project (2013) European Perinatal Health Report. Health and Care of Pregnant Women and Babies in Europe in 2010. 4 Kolip P, Nolting H-D, Zich K (2012) Faktencheck Gesundheit. Kaiserschnittgeburten – Entwicklung und regionale Verteilung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12767 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit der Anteil an primären Kaiserschnitten (geplant vor oder nach Einsetzen der Wehen) im Vergleich zu sekundären Kaiserschnitten (aufgrund einer Notfallsituation oder einer spontan auftretenden medizinischen Indikation bei Mutter und/oder Kind)? In der Basisauswertung 2016, die im Rahmen der externen stationären Qualitätssicherung des G-BA erfolgt, beträgt der Anteil primärer Kaiserschnitte 13,7 Prozent (105.941/773.338), der Anteil sekundärer Kaiserschnitte 16,0 Prozent (123.557/773.338). 8. Wie hat sich dieses Verhältnis seit 2009 entwickelt, und welche Gründe vermutet die Bundesregierung hinter dieser Entwicklung? Wie in Tabelle 2 dargestellt, zeigt sich eine Zunahme der sekundären Kaiserschnitte (Sectiones) und Abnahme der primären Kaiserschnitte. Das IQTIG hat noch keine abschließende Bewertung der Zahlen vorgenommen. Tabelle 2: Entwicklung der primären, sekundären und nicht näher bezeichneten Sectiones 2008 – 2015 (Daten der esQS) Es zeigt sich seit 2014 (Einführung der risikoadjustierten Kaiserschnittrate als Qualitätsindikator) ein absoluter Rückgang der Kaiserschnittrate von 32,8 auf 32 Prozent. Ähnliches gilt auch für die risikoadjustierte Kaiserschnittrate. 9. Inwieweit wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Indikation zu einem sekundären Kaiserschnitt im Nachhinein von der Klinik überprüft, und wie hoch ist der Anteil der Fälle, in denen sich diese Indikation im Nachhinein nicht bestätigt? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Eine Prüfung im Rahmen des Strukturierten Dialogs der esQS des G-BA wird von den vom G-BA auf Landesebene beauftragten Stellen in Einzelfällen durchgeführt. Im Strukturierten Dialog geht es zumeist um die generelle Vorgehensweise bei der Indikationsstellung zum Kaiserschnitt in einer Einrichtung. 10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die körperlichen und psychischen Folgen eines Kaiserschnitts für die Mutter? Insgesamt kann festgestellt werden, dass geplante Kaiserschnitte im Vergleich zu ungeplanten als risikoärmer gelten; ihre Risiken unterscheiden sich Angaben des RKI zufolge nur sehr geringfügig von denen vaginaler Entbindungen. Mit dem Eingriff selbst sind – wie mit allen Operationen – vor allem folgende Risiken verbunden: Infektionen, Gewebeversetzungen, Wundheilungsstörungen, Komplikationen durch die Anästhesie, Thromboserisiken. In seltenen Fällen kann es zu einer Gebärmutterentfernung infolge einer starken Blutung nach der Geburt Jahr 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Anzahl Geburten 669.494 650.247 662.357 650.597 663.796 671.354 704.152 728.496 773.338 Raten in % Sectiorate Gesamt 31,7 32,3 32,7 33,0 33,0 32,7 32,8 32,2 32,0 Primäre Sectiorate 15,1 15,1 14,6 14,6 14,6 14,2 14,2 13,8 13,7 Sekundäre Sectiorate 14,0 14,4 15,4 15,9 16,1 16,2 16,4 16,1 16,0 n. näher bez. Sectiones 2,6 2,8 2,7 2,5 2,3 2,3 2,2 2,3 2,3 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12767 kommen. Bei einer erneuten Schwangerschaft nach Kaiserschnitt besteht ein erhöhtes Risiko für einen erneuten Kaiserschnitt, auch wenn nicht zwangsläufig jede weitere Geburt ebenfalls mit einem Kaiserschnitt enden muss. Nach Angaben des Berufsverbandes der Frauenärzte e. V. wird heute mit einem horizontalen Schnitt eröffnet und nur in seltenen Fällen mit einem senkrechten Bauchschnitt. Das mindert das Risiko eines Gebärmutterrisses in einer Folgeschwangerschaft bzw. unter den Belastungen einer vaginalen Geburt. Gegenüber einer vorangegangenen natürlichen Geburt sei dieses Risiko zwar erhöht, jedoch bei ansonsten unkompliziertem Verlauf häufig vertretbar. Wurden jedoch bei einer Frau mehrere Kaiserschnitte durchgeführt, steige die Gefahr einer Komplikation (Riss der Narbe der Gebärmutter, Verwachsungen des Narbengewebes). Zudem besteht nach Kaiserschnittgeburten nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ein erhöhtes Risiko für eine Einnistung der Plazenta an einer falschen Stelle (Plazenta praevia). Auch zeigen Studien, dass Mütter nach vaginalen Entbindungen häufiger beginnen zu stillen als nach Kaiserschnitt. Auch psychische Belastungen können auftreten. 11. Hält die Bundesregierung die aktuelle Studienlage in diesem Bereich für ausreichend , und falls nicht, zu welchen Fragen sieht sie zusätzlichen Forschungsbedarf ? 13. Hält die Bundesregierung die aktuelle Studienlage in diesem Bereich für ausreichend , und falls nicht, zu welchen Fragen sieht sie zusätzlichen Forschungsbedarf ? Die Fragen 11 und 13 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Beurteilung, ob eine ausreichende Studienlage in diesen Bereichen vorliegt, bzw. die Formulierung von klinisch relevantem Forschungsbedarf, obliegt den an der Geburtshilfe beteiligten Berufsgruppen und ist Bestandteil der Entwicklung höherwertiger Leitlinien, wie sie derzeit von den zuständigen Fachgesellschaften zu „Die vaginale Geburt am Termin“ und „Die Sectio caesarea“ erarbeitet werden. 12. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die gesundheitlichen Folgen eines Kaiserschnitts für die betroffenen Kinder? Neugeborene können nach einer Kaiserschnittgeburt häufiger zunächst Probleme mit der Atmung haben, da das Fruchtwasser nicht vollständig aus den Lungen gepresst werden konnte, wie das bei der Passage durch den engen Geburtskanal der Fall ist. Zudem wird nach Angaben des Berufsverbandes der Frauenärzte e. V. vermutet, dass eine Tränenwegs-Stenose bei Kindern, die durch eine Sectio zur Welt kommen, häufiger auftritt; auch hier könnte der Druck, der auf das Kind entsteht, wenn es durch den Geburtskanal gepresst wird, entscheidend sein. Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) reagieren Kinder, deren Mütter eine Vollnarkose bekommen haben, gelegentlich mit Schläfrigkeit oder verzögertem Atmungsbeginn. In Einzelfällen kann das Kind durch die Operation kleine Schürf- oder Schnittwunden erleiden. Als Langzeitrisiken von Kaiserschnittentbindungen für die Kinder werden Asthma bronchiale, Diabetes mellitus Typ 1, Nahrungsmittelallergien und Adipositas diskutiert. Dementsprechende statistische Zusammenhänge wurden in Studien beobachtet. Ob aber ein kausaler Zusammenhang allein zum Geburtsmodus besteht, ist nach den gegenwärtigen Diskussionen in Fachkreisen nicht sicher Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12767 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode einzuschätzen. Obwohl pathophysiologische Erklärungen formuliert wurden, steht eine definitive Bestätigung oder Verwerfung der Kausalität noch aus. Die wissenschaftliche Diskussion dazu wird in der Fachwelt intensiv geführt. 14. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung in den letzten Jahren ergriffen, um die Information von Schwangeren über Risiken und Folgen von Kaiserschnitten zu verbessern, und welche weiteren Maßnahmen plant sie diesbezüglich ? Falls sie keine Maßnahmen ergriffen hat oder plant, wieso nicht? Die Aufklärung über die Risiken des Kaiserschnitts ist fester Bestandteil jedes Aufklärungsgesprächs vor einem Kaiserschnitt. Der Schwangeren stehen neben dem Gespräch mit Hebammen, Ärztinnen und Ärzten umfangreiche und detaillierte schriftliche und elektronische Informationen zur Verfügung. Hinweise, dass diese Beratungen nicht nach den berufsrechtlichen Prinzipien einer am Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse orientierten Behandlung durchgeführt werden, liegen dem Bundesministerium für Gesundheit nicht vor. Auch der Faktencheck Kaiserschnitt von 2012 kommt zu dem Ergebnis, dass sich 86 Prozent der befragten Frauen gut oder sehr gut durch den Arzt bzw. die Ärztin über den Ablauf einer Sectio beraten fühlten. Über die Folgen einer Kaiserschnittgeburt fühlten sich 89 Prozent der befragten Frauen durch den Arzt bzw. die Ärztin nicht schlecht beraten. Von einem generellen Informations- und Aufklärungsdefizit ist vor diesem Hintergrund nach Ansicht der Bundesregierung nicht auszugehen . Neben der entscheidenden individuellen Information der Schwangeren durch die Ärztinnen, Ärzte und Hebammen bieten auch viele weitere Akteure des Gesundheitssystems umfangreiche Informationen zu Fragen der Schwangerschaft, der Geburt und eines gesunden Aufwachsens des Kindes an, wie z. B. die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und die Krankenkassen. Die BZgA informiert im Rahmen ihrer Aufklärungsmaßnahmen zu Schwangerschaft und Geburt umfassend über Indikationen, Risiken und Auswirkungen eines Kaiserschnitts (siehe Antwort zu Frage 15). Ziel ist unter anderem die Förderung einer informierten Entscheidung im Falle eines geplanten Kaiserschnitts. 15. Welche speziellen Informationsangebote von Seiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gibt es im Hinblick auf Chancen und Risiken von Kaiserschnittgeburten? Die BZgA informiert online seit 2010 in Broschüren umfassend über Gründe, Ablauf und Risiken eines Kaiserschnitts, die möglichen körperlichen Folgen für Mutter und Kind und auch über mögliche seelische Auswirkungen. Über das Thema „Angst vor der Geburt“ als mögliche Ursache für einen „Wunschkaiserschnitt “ wird in einem eigenen Text informiert, mit der klaren Empfehlung, sich frühzeitig beraten zu lassen. In der Broschüre „Rundum – Schwangerschaft und Geburt“ wird neben den Grundinformationen zur Sectio ebenfalls deutlich auf die Risiken eines Kaiserschnitts hingewiesen. Die BZgA hat dabei das Ziel, Frauen zu informieren sowie das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten und Entscheidungskompetenzen zu stärken. Diese Materialien werden laufend auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse weiterentwickelt und um aktuelle relevante Informationen ergänzt. So verweist die BZgA beispielsweise ausführlich auf die Ergebnisse des „Faktenchecks Kaiserschnitt“ zu den regionalen Unterschieden in Deutschland beim Kaiserschnitt. Auch in ihrem Frauengesundheitsportal ver- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/12767 weist die BZgA zum Thema Kaiserschnitt auf wichtige Initiativen und Informationsangebote , wie z. B. auf das Nationale Gesundheitsziel „Gesund rund um die Geburt“ sowie auf Aufklärungsbroschüren. 16. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung in den letzten Jahren ergriffen, um Anreize für Kliniken, Kaiserschnitte durchzuführen, zu senken, und welche weiteren Maßnahmen plant sie diesbezüglich? Falls sie keine Maßnahmen ergriffen hat oder plant, wieso nicht? Die Entscheidung für eine bestimmte Behandlungsform liegt im Ermessen der behandelnden Ärztinnen und Ärzte, die sie im Einvernehmen mit den Patientinnen treffen und verantworten müssen. Die in der Fragestellung unterstellten Anreize zur vermehrten Durchführung von Kaiserschnitten ergeben sich jedenfalls nicht aus der im Vergleich zur normalen Entbindung teilweise höheren Vergütung . Die höhere Vergütung für einen Kaiserschnitt ergibt sich aus dem in der Regel höheren Aufwand (Bereitstellung eines sterilen Operationssaals, Anästhesie , Operationsvorbereitung, Operation durch zwei Ärzte, zwei Operationsschwestern , Hinzuziehung eines Kinderarztes, postoperative Überwachung etc.), so dass die Krankenhäuser trotz höherer Erstattungsbeträge nicht automatisch auch höhere Deckungsbeiträge oder Gewinne erzielen. Im Rahmen des pauschalierenden Entgeltsystems wird die Sachgerechtigkeit der Pauschalen jährlich geprüft , so dass ergänzender Handlungsbedarf nicht vorliegt. 17. Inwieweit befürwortet die Bundesregierung eine Verpflichtung der Kliniken, ihre Kaiserschnittraten und gegebenenfalls die ergriffenen Maßnahmen zu deren Senkung zu veröffentlichen? Die Bundesregierung befürwortet Maßnahmen, die die Transparenz über die Qualität der Versorgung stärken. Es gehört zu den Aufgaben des G-BA, die verpflichtenden Maßnahmen sowie die Anforderungen an die Qualitätssicherung zu bestimmen. Nach Beschluss des G-BA wird seit 2014 auf Bundesebene ein risikoadjustierter Qualitätsindikator zur Kaiserschnittrate („Verhältnis der beobachteten zur erwarteten Rate (O/E) an Kaiserschnittgeburten“) erhoben. Die Krankenhäuser sind verpflichtet, das Ergebnis des Indikators sowie die Bewertung durch den Strukturierten Dialog im jährlichen Qualitätsbericht der Krankenhäuser darzustellen. 18. Welche sonstigen Maßnahmen hat die Bundesregierung in den letzten Jahren ergriffen, um natürliche Geburten zu fördern, und welche weiteren Maßnahmen plant sie diesbezüglich? Falls sie keine Maßnahmen ergriffen hat oder plant, wieso nicht? Eines der wichtigen Ergebnisse der interministeriellen Arbeitsgruppe „Versorgung mit Hebammenhilfe“ im April 2014 war, dass zur Verbesserung der Qualitätssicherung insbesondere die Erarbeitung einer hochwertigen interdisziplinären Leitlinie zur Geburtshilfe durch die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) befürwortet wurde. Dabei wurde in der Konzeptionsphase deutlich, dass zwei getrennte Leitlinien erforderlich sind: Zur vaginalen Geburt sowie zum Kaiserschnitt. Die Ergebnisse von vier Forschungsvorhaben zur Auswertung des aktuellen Forschungsstandes zu Kaiserschnitten , die mit finanziellen Mitteln des BMG gefördert und im Januar 2017 an die zuständigen Fachgesellschaften übermittelt wurden, fließen in eine interdis- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12767 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode ziplinäre S3-Leitlinie „Kaiserschnitte“ ein, die derzeit von den zuständigen Fachgesellschaften erarbeitet wird. Die Projekte beinhalteten Fragestellungen zur Beratung der Schwangeren, zum Zeitpunkt des geplanten Kaiserschnitts, zu Maßnahmen zur Begegnung von Gefahren beim Kaiserschnitt und zum Zustand der Frau nach Kaiserschnitt. Zudem erfolgt aktuell eine den Fachgesellschaften zugesagte Unterstützung des BMG hinsichtlich der Entwicklung einer interdisziplinären S3-Leitlinie zur natürlichen Geburt durch das IQWiG, das für zentrale Fragen der Leitlinie die Ergebnisse von vertieften Evidenzrecherchen aufbereitet. Auch die Ergebnisse dieses Vorhabens finden direkt Eingang in die Erstellung der interdisziplinären Leitlinie zur natürlichen Geburt durch die AWMF. Darüber hinaus hat der Kooperationsverbund Gesundheitsziele.de mit einer Expertengruppe mit finanzieller Unterstützung des BMG das Nationale Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ entwickelt und konsentiert. Die Expertengruppe umfasste mehr als 35 Mitglieder, die sich aus dem Bereich Bund (u. a. BMG, BZgA und RKI), Länder, Forschung, Selbsthilfe und Krankenkassen zusammensetzte. In dem im Februar 2017 veröffentlichten Gesundheitsziel wird u. a. das Ziel formuliert, dass eine physiologische Geburt ermöglicht und gefördert wird; dieses Ziel wird mit mehreren Teilzielen und Maßnahmenempfehlungen konkretisiert. Um den Austausch von Fachkräften zur Senkung der Kaiserschnittrate zu unterstützen, hat die BZgA zudem den Fachtag „Zeit zu Handeln. Konzepte zur Senkung der Kaiserschnittrate – Konzepte zur Förderung der gesunden Geburt“ des Arbeitskreises Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e. V. (AKF) im Juni 2014 in Berlin finanziell unterstützt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333