Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 20. Juni 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/12790 18. Wahlperiode 21.06.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/12666 – Luftfahrzeug-Flüge im Bereich des Transportbehälterlagers Gorleben V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Aufgrund der mit einem Unfall verbundenen radiologischen Risiken gibt es seit Jahren von verschiedenen Seiten Forderungen nach einem Überflugverbot für das Transportbehälterlager (TBL) Gorleben, in dem hochradioaktiver Atommüll zwischengelagert wird. So beschloss der Kreistag des Landkreises Lüchow- Dannenberg in seiner Sitzung am 13. März 2017 eine Resolution, mit der unter anderem die niedersächsische Landesregierung aufgefordert wird, Überflüge im Bereich des TBL Gorleben zu unterbinden. Dieser Forderung schloss sich der niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Anfang Mai 2017 in einem Brief an den Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur an und verwies auf die Notwendigkeit von allgemein verbindlichen Überflugsbeschränkungen (vgl. Onlineartikel „Wenzel will Flüge über Gorleben stoppen“ der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 2. Mai 2017). Soweit die nachfolgenden Fragen aus Sicherungsgründen zwingend nicht öffentlich beantwortet werden können, wird um Beantwortung über die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages für interessierte Abgeordnete und ihre geheimschutzüberprüften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gebeten. 1. Wie viele Überflüge durch Flugzeuge der Bundeswehr und durch NATO- Partner über das oder nahe dem TBL Gorleben fanden in den letzten drei Jahren statt (hilfsweise in den letzten zwei Jahren, falls andernfalls die Beantwortung unmöglich ist)? Über der Region des Transportbehälterlagers Gorleben befindet sich kein Flugbeschränkungsgebiet zur Durchführung von militärischem Flugbetrieb. Im Luftraum oberhalb von Gorleben verläuft zudem eine Vielzahl von zivilen Luftstraßen , die in einer Höhe von 4 000 Fuß (ca. 1 220 Meter) beginnen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12790 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Es kann keine Aussage über die numerische Anzahl von militärischen Überflügen allgemein oder über einen bestimmten Ort getätigt werden. Hierzu gibt es keine statistische Erfassung. 2. Welche waren dabei die schwersten Luftfahrzeuge (bitte mit Angabe der Gesamtmasse sowie der Kerosinmenge; falls die tatsächliche Kerosinmenge in der Maschine im Bereich des TBL Gorleben unklar ist, bitte generelle maximale Kerosinmenge der jeweiligen Maschine angeben)? Welche waren dabei die schnellsten Luftfahrzeuge (bitte mit Angabe der Geschwindigkeit ; falls die tatsächliche Fluggeschwindigkeit im Bereich des TBL Gorleben unklar ist, bitte generelle Höchstgeschwindigkeit der jeweiligen Maschine angeben)? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Welchen Hintergrund hatten bzw. haben diese Flüge? Soweit es militärische Überflüge gegeben haben sollte, handelte es sich um militärischen Einsatz-, Ausbildungs- oder Übungsflugbetrieb. 4. Ist es korrekt, dass die Bundeswehr und/oder NATO-Partner das TBL Gorleben gezielt ansteuern, da es von Piloten und Pilotinnen als Landmarke zur Orientierung dient? Nein. 5. Wurden seitens der Bundesregierung in den letzten Jahren Überflugsbeschränkungen im Bereich des TBL Gorleben erwogen – insbesondere nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Schleswig vom 19. Juni 2013 zum Zwischenlager Brunsbüttel oder der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts am 16. Januar 2015, gegen das vorgenannte OVG-Urteil keine Revision zuzulassen? Falls nein, warum nicht? Falls ja, wann genau, und mit welchen Ergebnissen? Die Bundesregierung hat kein Flugbeschränkungsgebiet um das Transportbehälterlager Gorleben erwogen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 19 verwiesen . 6. Wie viele Überflüge von zivilen Luftfahrzeugen fanden in den letzten drei Jahren statt (hilfsweise in den letzten zwei Jahren, falls andernfalls die Beantwortung unmöglich ist)? In den letzten drei Jahren fanden in einem Umkreis von ca. 9 Kilometer um die Gemeinde Gorleben 85 577 durch die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH erfasste Überflüge von zivilen Luftfahrzeugen statt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12790 7. Welche waren dabei die schwersten Luftfahrzeuge (bitte mit Angabe der Gesamtmasse sowie der Kerosinmenge; falls die tatsächliche Kerosinmenge in der Maschine im Bereich des TBL Gorleben unklar ist, bitte generelle maximale Kerosinmenge der jeweiligen Maschine angeben)? Welche waren dabei die schnellsten Luftfahrzeuge (bitte mit Angabe der Geschwindigkeit ; falls die tatsächliche Fluggeschwindigkeit im Bereich des TBL Gorleben unklar ist, bitte generelle Höchstgeschwindigkeit der jeweiligen Maschine angeben)? Von den 85 577 zivilen Überflügen in den letzten drei Jahren wurden 11 883 Überflüge von Luftfahrzeugen der schwersten Wirbelschleppenkategorie „Heavy“ durchgeführt. Diese beginnt bei 136 Tonnen MTOW (maximum takeoff weight). Ein „Jumbo“ des Typs Boeing 747-800 hat typischerweise 442 Tonnen MTOW. Informationen zu der Gesamtmasse, der Kerosinmenge und der tatsächlichen Fluggeschwindigkeit der Luftfahrzeuge können aus den durch die DFS erfassten Flugplandaten nicht ausgewertet werden. 8. Welchen Hintergrund hatten bzw. haben diese Flüge? Der Hintergrund der Flüge kann aus den durch die DFS erfassten Flugplandaten nicht ausgewertet werden. 9. Wie bewertet die Bundesregierung die Überflüge im Hinblick auf die Sicherung der TBL Gorleben gegen Flugzeugabstürze? Die potentiellen Auswirkungen eines gezielten Flugzeugabsturzes sind sowohl in den Verfahren zur Erteilung der Genehmigungen für die standortnahen Zwischenlager als auch für zentrale Zwischenlager wie das Transportbehälterlager Gorleben untersucht worden mit dem Ergebnis, dass auch ein Schutz gegen dieses Szenario gewährleistet ist. Auf die Stellungnahme der Entsorgungskommission (ESK) „ESK-Stresstest für Anlagen und Einrichtungen der Ver- und Entsorgung in Deutschland“ vom 14. März 2013 wird verwiesen. 10. Was hat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang bereits unternommen , und mit jeweils welchen Ergebnissen? Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen. 11. Wie wurden die Atomanlagen in Gorleben in Hinsicht auf die allgemein gestiegenen Sicherheits- bzw. Sicherungsanforderungen weiterentwickelt? Die Sicherungsmaßnahmen aller kerntechnischen Anlagen basieren auf den Gefährdungsbewertungen der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern und unterliegen einer kontinuierlichen Überprüfung. Zur erforderlichen Nachrüstung der Zwischenlager wird auf die Antwort zu den Fragen 15 bis 17 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12790 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 12. Wurden die Flugzeugabsturz-Lastannahmen für die Atomanlagen in Gorleben nach dem absichtlichen Absturz des Germanwings-Flugs 9525 am 24. März 2015 durch den Copiloten der Maschine a) überprüft, und b) verändert? Falls nein, warum nicht? Falls ja, wann, und inwiefern? Es wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. Die Lastannahmen mussten nicht angepasst werden, da der fragliche Flugzeugtyp zum Untersuchungsumfang gehörte . 13. Wann ist mit einer atomrechtlichen Genehmigung der zusätzlichen Schutzwand für das TBL Gorleben zu rechnen, die aufgrund des Erlasses des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU; heute Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit , BMUB) vom 28. März 2011 aus Sicherungsgründen zu errichten ist (vgl. Bundestagsdrucksache 17/8773 sowie Vorbemerkung der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksachen 18/9349 bzw. 18/9435)? Die Antragstellerin hat derzeit noch nicht alle Antragsunterlagen eingereicht. Nach Einreichung aller Unterlagen wird der Antrag durch das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) sowie durch die hinzugezogenen Sachverständigen abschließend geprüft. Sind die Unterlagen vollständig, eventuell notwendige Unterlagennachforderungen erfüllt und die Prüfungen mit positivem Ergebnis abgeschlossen, erfolgt eine Beteiligung der zuständigen Behörden. Der Antragstellerin wird vor Erteilung der Genehmigung rechtliches Gehör gewährt . Ein Termin zum Abschluss des Genehmigungsverfahrens kann zu diesem Zeitpunkt nicht genannt werden. 14. Welcher Zeitpunkt wird nach aktuellem Stand spätestens für die Fertigstellung der Schutzwand veranschlagt? Nach Erteilung der erforderlichen Genehmigungen kann die Antragstellerin mit dem Bau der Schutzwand beginnen. Im Rahmen der Genehmigung werden keine Vorgaben zur Bauzeit gemacht. Je nach Baufortschritt und Witterungsbedingungen variiert die Dauer der Bauphase. Sie liegt allein in der Verantwortung der Antragstellerin. Nach bisherigen Erfahrungen ist mit einer Dauer von zwei bis drei Jahren zu rechnen. 15. Welche temporären Maßnahmen schützen das TBL Gorleben bis zur Fertigstellung der Schutzwand vor den Folgen eines Flugzeugabsturzes und vor denen eines terroristischen Angriffs mit panzerbrechenden Waffen neuester Generation? 16. Ist die Errichtung der Schutzmauer aus Sicht der Bundesregierung ausreichend , um das TBL Gorleben vor den Auswirkungen eines Flugzeugabsturzes und eines terroristischen Angriffs mit panzerbrechenden Waffen neuester Generation zu schützen (bitte begründen)? Falls nein, welche ergänzenden Maßnahmen auf welcher Ebene sind aus Sicht der Bundesregierung noch sinnvoll oder sogar notwendig? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12790 17. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf bei der konzeptionellen Weiterentwicklung von atomaren Zwischenlagern in Bezug auf Flugzeugabstürze und Terrorangriffe (bitte begründen)? Die Fragen 15 bis 17 werden gemeinsam beantwortet. Bei der Schutzwand handelt es sich um einen Teil der baulichen Nachrüstungsmaßnahme zum Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter (SEWD). Die Nachrüstungsmaßnahme wurde erforderlich, da sich neue Erkenntnisse, insbesondere zu den Auswirkungen der unterstellten Szenarien, ergeben hatten. Dazu werden bauliche Maßnahmen und – bis zu deren Umsetzung – temporäre Maßnahmen durchgeführt. Einzelheiten zu den temporären Sicherungsmaßnahmen unterliegen der Geheimhaltung und können öffentlich nicht genannt werden, um ihre Wirksamkeit nicht zu gefährden. Zu einzelnen Maßnahmen liegt ein Schreiben der zuständigen Aufsichtsbehörde vor (Az: 43c-12122/3/20/1 vom 10. Oktober 2011), das als Verschlusssache „Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft ist.* Auf die „Sicherung der Zwischenlager und Hintergründe der erforderlichen Nachrüstung“ (www.bmub.bund.de/P1739) wird verwiesen. Die Lastannahmen zur Auslegung kerntechnischer Anlagen und Einrichtungen gegen SEWD beschreiben die für die Sicherung zu unterstellenden Szenarien und wurden zuletzt im Jahr 2015 evaluiert. Danach wurden keine ergänzenden Sicherungsmaßnahmen erforderlich. 18. Warum sind die Atomanlagen in Gorleben nicht in die aktuellen Renegade- Szenarien zur Evakuierung von Atomanlagen bei Luftalarm eingebunden? Sieht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang Änderungsbedarf, und ggf. welchen, und bis wann will sie hierzu welche Schritte unternehmen? Der RENEGADE-Rahmenplan KKW gilt ausschließlich für die Atomkraftwerke und legt die Einzelheiten der Alarmierung bei einem RENEGADE-Vorfall fest. Damit können möglichst frühzeitig vorsorgende Maßnahmen zur Schadensminderung wie eine Teilräumung ergriffen werden. Die Zwischenlager dagegen sind meistens nur mit Personal besetzt, das von einer Teilräumung nicht betroffen wäre und weisen bereits einen hohen Schutzgrad für das Szenario „Flugzeugabsturz“ auf. Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen. Die Bundesregierung sieht daher keinen Änderungsbedarf. * Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12790 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 19. Hält die Bundesregierung die Einrichtung einer allgemein verbindlichen Flugverbotszone , wie sie auch bei Atomkraftwerken besteht, auch für atomare Zwischenlager für sinnvoll? Falls ja, wann ist mit einer Einrichtung einer solchen Zone für das TBL Gorleben zu rechnen? Falls nein, a) warum nicht, und b) ist es möglich, über freiwillige Vereinbarungen (z. B. mit der Bundeswehr) faktisch zukünftige Überflüge zu vermeiden? Die Flugbeschränkungsgebiete für Kernkraftwerksstandorte und größere Forschungseinrichtungen haben typischerweise eine zylindrische Ausdehnung von 1,5 bis 2,0 Kilometer Radius um die Anlagen und eine Höhe von ca. 600 Meter über Grund. Diese Maßnahme ist eng gekoppelt mit entsprechenden Detektionsund Warnfunktionalitäten bei Ein- und Durchflügen rund um die Uhr. Aufgrund des deutlich geringeren Gefahrenpotentials aller Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle im Hinblick auf das Szenario Flugzeugabsturz und im Zusammenhang mit der in Deutschland zu unterstellenden Bedrohung ist die Einrichtung von Flugbeschränkungsgebieten um die zentralen Zwischenlager nicht geboten. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 9 und 18 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333