Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 20. Juni 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/12904 18. Wahlperiode 22.06.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Omid Nouripour, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/12474 – Korruption und Demokratiedefizit in der Palästinensischen Autonomiebehörde V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit der Einrichtung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) als Resultat der Oslo-Verträge im Jahr 1994 gibt es gegenüber der Behörde Vorwürfe von Intransparenz, Korruption und gewaltsamem Vorgehen gegen die palästinensische Opposition. Im Jahr 2014 hielten laut einer Umfrage 81 Prozent aller Palästinenserinnen und Palästinenser die PA für korrupt (vgl. www.pcpsr.org/en/ node/505). Diese Unzufriedenheit wird häufig von extremistischen politischen Gruppierungen ausgenutzt. Zudem ist das Mandat der derzeitigen Führung schon seit vielen Jahren abgelaufen, ohne dass Neuwahlen stattfanden. Der Unmut darüber in der Bevölkerung wächst. Darüber hinaus zahlen die PA bzw. die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) Mittel an die Hinterbliebenen von sogenannten Märtyrerinnen und Märtyrern, sowie an Inhaftierte, von denen einige an terroristischen Akten beteiligt waren (vgl. www.memri.org/reports/ memri-president-yigal-carmons-testimony-house-committee-foreign-affairs-july- 6-2016#). Diese Zuwendungen finden in Form von Jobs, Einmalzahlungen und Hinterbliebenenrenten statt. Die Bundesrepublik Deutschland gehört bilateral und als Teil der Europäischen Union (EU) zu den wichtigsten Geberinnen und Gebern der PA. Dies ist ein wertvolles Engagement, denn die PA ist die zentrale palästinensische Ansprechpartnerin für eine Zwei-Staaten-Lösung, die nach Ansicht der internationalen Gemeinschaft den einzigen erkennbaren Weg für ein dauerhaftes, friedliches Zusammenleben im Nahen Osten darstellt. Um die Legitimation der PA wieder zu stärken, ist es wichtig, die bestehenden Missstände aufzudecken und offen anzusprechen, damit diese ausgeräumt werden können. 1. Wie schätzt die Bundesregierung die politischen Konsequenzen der hohen Korruptionsperzeption in der Westbank ein? Die Palästinensische Behörde (PA) befindet sich im Westjordanland in einer Legitimitätskrise , die unzureichende Fortschritte im Friedensprozess und eigene Defizite in den Bereichen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämp- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12904 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode fung begründen. Zudem leidet die PA darunter, dass sie in weiten Teilen der palästinensischen Bevölkerung als zu israelfreundlich wahrgenommen wird. In Verbindung mit zahlreichen Einschränkungen durch die israelische Besatzung, zum Beispiel in Bezug auf wirtschaftliche Aktivitäten oder persönliche Bewegungsfreiheit , führt dies zu einem weit verbreiteten Gefühl der Perspektivlosigkeit, vor allem unter jungen Palästinensern. 2. Inwiefern war das Thema Korruption Gegenstand der in der Woche vom 20. März 2017 stattfindenden Gespräche mit PA-Präsident Mahmud Abbas in Berlin, und welche konkreten Maßnahmen wurden dabei vereinbart? Bei den Gesprächen von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Bundesminister Sigmar Gabriel mit dem Präsidenten der PA, Dr. Mahmoud Abbas, wurde der Reformbedarf in der PA thematisiert. Dabei wurde vereinbart, dass Deutschland die palästinensischen Bemühungen im Staatsaufbau einschließlich der Stärkung von Rechtsstaatlichkeit und Transparenz auch künftig unterstützen wird. 3. Inwiefern hängen die sinkenden Zahlungen der Europäischen Union an die PA nach Kenntnis der Bundesregierung mit den Korruptionsvorwürfen gegen die palästinensischen Partner zusammen (vgl. www.reuters.com/article/ us-palestinians-corruption-chief-idUSKCN0VW1M9)? Die finanzielle Unterstützung der EU für die PA im Rahmen des Europäischen Nachbarschaftsinstruments (ENI), insbesondere über den Mechanismus PE- GASE („Mécanisme Palestino-Européen de Gestion de l'Aide Socio-Economique “), sinkt nicht und wird auch 2017, etwa in Form von Sondermaßnahmen, fortgeführt. 2014 betrug die Unterstützung aus ENI-Mitteln insgesamt 303,2 Mio. Euro, 2015 317,5 Mio. Euro und 2016 330,6 Mio. Euro. Obwohl die PA gute Fortschritte im Bereich Finanz- und Haushaltsangelegenheiten erzielt hat, befinden sich die Palästinensischen Gebiete infolge des drastischen Rückgangs der Budgethilfe anderer Geber in einer anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise. Ziel der finanziellen Unterstützung der EU ist es, die Versorgung der gesamten palästinensischen Bevölkerung mit grundlegenden Dienstleistungen sicherzustellen . Außerdem soll sie bewirken, dass die Institutionen der PA transparenter, verantwortlicher und demokratischer werden. 4. Auf welche Weise unterstützt die Bundesregierung die Arbeit des Palästinensischen Antikorruptionsbeauftragten Rafiq al-Natsheh? Bislang findet keine bilaterale Zusammenarbeit mit dem Palästinensischen Antikorruptionsbeauftragten statt. Durch die Entsendung von Personal in die zivile Polizeimission der Europäischen Union in den Palästinensischen Gebieten (EUPOL COPPS) im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU unterstützt die Bundesregierung mittelbar die Kooperation zwischen der Polizei und dem Palästinischen Antikorruptionsausschuss. Deutschland ist mit vier zivilen Experten, zu denen zwei Polizeibeamte gehören, an der zivilen GSVP-Mission EUPOL COPPS beteiligt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12904 5. Inwiefern unterstützt die Bundesregierung speziell die von Rafiq al-Natsheh angesprochenen Bemühungen, veruntreute Gelder der PA aus dem Ausland zurückzuholen, und welche Kenntnisse liegen ihr über entsprechende Aktivitäten anderer EU-Staaten vor (vgl. www.reuters.com/article/us-palestinianscorruption -chief-idUSKCN0VW1M9)? Der Korruptionsbeauftragte hat keine Anträge auf Unterstützung bei konkreten Untersuchungen an die Bundesregierung gerichtet. Kenntnisse über das Engagement anderer Mitgliedstaaten der EU liegen nicht vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 6. Um welchen Umfang handelt es sich nach Kenntnis der Bundesregierung bei den von Rafiq al-Natsheh beklagten Veruntreuungen? Die Antikorruptionsbehörde, der Herr al-Natsheh im Range eines Ministers vorsteht , gibt keine Informationen über die in Rede stehenden Summen heraus, was der weltweiten rechtsstaatlichen Praxis, Informationen über laufende Verfahren nicht an unbeteiligte Dritte herauszugeben, entspricht. 7. Wie schätzt die Bundesregierung die Anfälligkeit des teuren palästinensischen Sicherheitssektors (vgl. www.al-monitor.com/pulse/originals/2016/ 12/palestinian-budget-security-cuts-us-congress.html) für Korruption ein? Die Palästinensische Behörde hat ihre Korruptionsanfälligkeit nach Ansicht von Beobachtern in den vergangenen zehn Jahren insgesamt erheblich verringert. Inwieweit der Sicherheitssektor anfälliger ist als andere Bereiche der öffentlichen Verwaltung, ist schwer einzuschätzen. Aus der konkreten Projektzusammenarbeit der Bundesregierung ergeben sich keine besonderen Erkenntnisse zu Korruptionsanfälligkeit im palästinensischen Sicherheitssektor. 8. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um eine Veruntreuung ihrer Unterstützungszahlungen im Zuständigkeitsbereich der PA zu verhindern ? Die Unterstützung der Bundesregierung erfolgt auf Basis von Projekten, die strengen Auswahlkriterien unterliegen. Hierzu zählen entsprechende finanzielle Kontroll - und Monitoring-Mechanismen, die die jeweiligen Partnerorganisationen nachweisen müssen. Die Projektdurchführung wird von der zuständigen Auslandsvertretung begleitet. Nach Abschluss werden Projekte auf ihren Erfolg und auf die sachgemäße Durchführung überprüft. 9. Inwiefern engagiert sich die Bundesregierung im Fall der palästinensischen Parlamentarierin Najat Abu Bakr, gegen die nach ihren Korruptionsvorwürfen gegen den Minister Hussein al-Araj ein Haftbefehl erlassen wurde, und welche Informationen liegen der Bundesregierung über die konkreten Vorwürfe gegen Najat Abu Bakr vor (vgl. www.thedailybeast.com/articles/2016/ 03/14/palestine-s-anti-corruption-crusader.html)? Gegen Abu Bakr wurde nach Kenntnis der Bundesregierung Anklage wegen Verleumdung und Diffamierung des Ministers für Local Governance, Herrn Hussein al-Araj, erhoben. Es bestand kein Haftbefehl, vielmehr handelte es sich nach Aussage der palästinensischen Staatsanwaltschaft um eine Vorladung vor dem Generalstaatsanwalt . Nach Kenntnisstand der Bundesregierung wurde die Anklage mittlerweile fallen gelassen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12904 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Inwiefern haben die Firmen Falcon Electro Mechanical Contracting Company , Sky Advertising Company oder APIC, in denen Söhne des PA-Präsidenten eine wichtige Rolle spielen, Aufträge im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit bekommen, und wenn ja, wie wurde sichergestellt , dass die Vergaben in einem offenen und transparenten Verfahren zustande kamen? Die „Sky Advertising Company“ hat in folgenden Fällen Aufträge durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) erhalten: Öffentlichkeitsarbeit für das Wasserprogramm Öffentlichkeitsarbeit für das Programm zur Abfallberatung Öffentlichkeitsarbeit für den Offenen Regionalfonds (ORF) Öffentlichkeitsarbeit (TV- und Radio-Spots) für das Vorhaben zum Aufbau der palästinensischen Polizei. Bei der Vergabe dieser Aufträge wurden die üblichen Vergabeverfahren eingehalten ; die Verträge sind in einem Wettbewerbsverfahren vergeben worden, bei dem mindestens drei Angebote eingeholt wurden und bei dem – gemäß definierter Kriterien (Preis/Leistung) – das günstigste Angebot den Zuschlag bekam. Im Rahmen der Finanziellen Zusammenarbeit sind keine direkten Aufträge der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) an die genannten Firmen bekannt. 11. Welche Schritte wurden nach Kenntnis der Bundesregierung von der Europäischen Union seit der Vorlage des Rechnungshofberichts über die Verwendung der Unterstützungsmittel für die Palästinensische Autonomiebehörde unternommen, um die darin genannten Missstände, besonders hinsichtlich der Bezahlung von Personal im Gazastreifen, zu unterbinden? Den im Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes von 2013 genannten Missständen tritt die Europäische Kommission durch bessere Koordinierung der Geber mit lokalen und internationalen Beteiligten und durch engere Einbindung der Vertretung der EU in Ost-Jerusalem entgegen. 12. Wie schätzt die Bundesregierung die negativen Konsequenzen der Spaltung der palästinensischen Gebiete in Westbank und Gazastreifen im Zusammenhang mit Korruption, wie zum Beispiel die parteiabhängige Monopolisierung hoher Ämter, ein, und welche Bemühungen unternimmt sie, um zu einem Ende dieser Trennung beizutragen? Nach Auffassung der Bundesregierung hat die Spaltung zwischen Westjordanland und Gaza-Streifen negative Konsequenzen nicht nur im Zusammenhang mit Korruption, sondern befördert allgemein demokratische und rechtsstaatliche Defizite in den Palästinensischen Gebieten. Ein Ende der Spaltung ist außerdem eine Grundbedingung für eine erfolgreiche Umsetzung einer umfassenden Statuslösung , die den Konflikt beendet. Die Bundesregierung setzt sich in diesem Sinne für eine nachhaltige palästinensische Aussöhnung ein und fordert die PA dazu auf, auch im Gaza-Streifen mehr Verantwortung zu übernehmen. Ziel bleibt die Bildung einer palästinensischen Einheitsregierung, die den Weg für demokratische Wahlen in den gesamten Palästinensischen Gebieten ebnet und zur Erfüllung der Prinzipien der Palästinensischen Befreiungsorganisation (sogenannten PLO- Prinzipien), insbesondere Gewaltverzicht, Anerkennung des Existenzrechts Israels sowie Anerkennung der bisherigen israelisch-palästinensischen Abkommen, führt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12904 13. Wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund von Berichten über eine vollständige Abhängigkeit von Richterinnen und Richter von der Willkür der PA-Führung (vgl. „Abbas the politician spoils it for Abbas the statesman“, HAARETZ vom 4. Dezember 2016) die Unabhängigkeit der palästinensischen Justiz, und welche Bemühungen unternimmt sie bilateral oder gemeinsam mit ihren EU-Partnern zur Stärkung der Unabhängigkeit der palästinensischen Justiz? Nach Einschätzung der Bundesregierung ist bei Fällen von politischer Tragweite ein Abhängigkeitsverhältnis des palästinensischen Justizsystems von der PA- Führung nicht auszuschließen. Die Gerichtsbarkeit kann im Alltagsgeschäft unbeeinflusst und unpolitisch arbeiten. Zu den Aufgaben der GSVP-Mission EUPOL COPPS gehört die Ausbildung und Beratung der Institutionen des palästinensischen Justizsystems. Ihre Aktivitäten sind mit den internationalen Bemühungen zum Aufbau von Institutionen und zur Reform des Sicherheitssektors abgestimmt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 14. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen des Urteils des obersten palästinensischen Gerichts, demzufolge der Präsident der PA die Immunität von Mitgliedern des gesetzgebenden Rats aufheben kann (vgl. „Abbas the politician spoils it for Abbas the statesman“, HAARETZ vom 4. Dezember 2016), für die demokratische Verfasstheit der PA, und welche Bemühungen unternimmt sie bilateral oder gemeinsam mit ihren EU-Partnern zur Stärkung der palästinensischen Demokratie? Da der „Palestinian Legislative Council“ (PLC) schon seit 2006 mangels Quorum nicht mehr entscheidungsfähig ist, hat das erwähnte Urteil keine unmittelbaren Auswirkungen auf die demokratische Praxis der PA. Allerdings macht das Urteil deutlich, dass die palästinensische Demokratie noch Defizite in Bezug auf die Gewaltenteilung aufweist. Die Einrichtung eines palästinensischen Verfassungsgerichts im April 2016 war nach Auffassung der Bundesregierung grundsätzlich ein richtiger Schritt für den Aufbau staatlicher Strukturen. Gleichzeitig nimmt die Bundesregierung Stimmen aus der palästinensischen Zivilgesellschaft ernst, die angesichts der politischen Begleitumstände vor einer weiteren Machtkonzentration bei der PA-Führung und vor Gefahren für die Gewaltenteilung warnen. Das erwähnte Urteil des Verfassungsgerichts nährt diese Befürchtungen zusätzlich. Der Aufbau eines funktionsfähigen, demokratischen, palästinensischen Staates und die Einhaltung von Prinzipien guter Regierungsführung sind zentrale Bestandteile der deutsch-palästinensischen Zusammenarbeit. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit soll dazu beitragen, die Legitimität, Transparenz und Leistungsfähigkeit der staatlichen Institutionen, vor allem auch auf kommunaler Ebene, zu fördern. Sie stärkt auch die Zivilgesellschaft in ihrer demokratischen Rolle und achtet auf die Einhaltung partizipativer Verfahren und Bürgerbeteiligung . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12904 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 15. Welche Schritte haben Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien und die Vereinigten Arabischen Emirate nach Kenntnis der Bundesregierung gegenüber der derzeitigen Führung der PA unternommen, um Mohammed Dahlan, der derzeit aus den palästinensischen Gebieten verbannt ist, wieder Zutritt zu gewähren (vgl. „Die Rache des Enterbten“, NZZ vom 21. November 2016)? 16. Inwiefern hat die Bundesregierung eigene Erkenntnisse über die Korruptionsvorwürfe gegen Muhammed Dahlan (vgl. www.al-monitor.com/pulse/ afp/2016/12/palestinians-politics-court-dahlan.html)? Die Fragen 15 und 16 werden zusammengefasst beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine eigenen Erkenntnisse vor. 17. Wie beurteilt die Bundesregierung die Rechtsstaatlichkeit dieses Verfahrens ? Mangels eigener Erkenntnisse über die Korruptionsvorwürfe ist der Bundesregierung eine abschließende Bewertung der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens gegen Mohammed Dahlan nicht möglich. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 14 verwiesen. 18. Wie trägt die Bundesregierung in ihren Beziehungen zur PA dem Umstand Rechnung, dass Organisationen für Bürgerbeteiligung wie CIVICUS, die den öffentlichen Raum für Zivilgesellschaft weltweit beobachten, davon ausgehen , dass dieser in den palästinensischen Autonomiegebieten derzeit als unterdrückt („repressed“) einzustufen ist (Stufe 4 von 5)? Aus Sicht der Europäischen Union und Ihrer Mitgliedstaaten ist eine handlungsund entscheidungsstarke Zivilgesellschaft in all ihrer Vielfalt ein wesentlicher und unabdingbarer Bestandteil jeder Demokratie und stellt einen Wert an sich dar. Die Bundesregierung fördert tolerante lebendige Zivilgesellschaften etwa durch Kirchen, Nichtregierungsorganisationen, politische und private Stiftungen, die Wirtschaft und Kommunen. Grundsätzlich bestehen in den Palästinensischen Gebieten Spielräume für Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Organisationen. Organisationen wie CIVICUS weisen aber auf Einschränkungen für die Zivilgesellschaft hin, die sowohl durch Maßnahmen der israelischen Behörden als auch durch eine zunehmende Machtkonzentration auf Seiten der PA verursacht werden. Ein Schwerpunkt der bilateralen Zusammenarbeit mit den Palästinensischen Gebieten bildet daher die Stärkung der Legitimität, Transparenz und Leistungsfähigkeit der zentralen und kommunalen Institutionen. Die Bundesregierung hat ihre Sorge über Einschränkungen für die palästinensische Zivilgesellschaft mit der PA thematisiert. Sie nimmt zivilgesellschaftliche Organisationen im Rahmen von Besuchsreisen in die Palästinensischen Gebiete regelmäßig wahr und unterstützt diese in ihrer Arbeit. 19. Inwiefern hat die Bundesregierung eigene Erkenntnisse darüber, wie viele Menschen in der Westbank derzeit wegen Kritik an der Führung der PA inhaftiert sind, zum Beispiel auf Grundlage von Vorwürfen übler Nachrede oder Beleidigung von Autoritäten (vgl. Bericht von Human Rights Watch „Palestine: Crackdown on Journalists, Activists“, August 2016), und welche Bemühungen unternimmt sie bilateral oder gemeinsam mit ihren EU-Partnern zur Stärkung der Meinungsfreiheit in den palästinensischen Gebieten? Über die Anzahl der in den Palästinensischen Gebieten wegen Kritik an der PA- Regierung inhaftierten Menschen liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. Allerdings beobachtet die Bundesregierung mit Sorge, dass in Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12904 Meinungsumfragen nur 38 Prozent der befragten Palästinenser angeben, dass man die PA „angstfrei“ kritisieren könne. Sie thematisiert in ihren diplomatischen Kontakten mit der PA deshalb die zentrale Bedeutung von Presse-, Meinungsund Versammlungsfreiheit für ein demokratisches Gemeinwesen. 20. Inwiefern hat die Bundesregierung eigene Erkenntnisse über die Einhaltung der im Jahr 2014 von der PA unterzeichneten Antifolterkonvention in den palästinensischen Gebieten, und welche Maßnahmen führt sie durch bzw. unterstützt sie, um deren Einhaltung sicherzustellen? Der Bundesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse zur Einhaltung der Antifolterkonvention in den Palästinensischen Gebieten vor. 2015 berichtete die als glaubwürdig eingeschätzte Unabhängige Kommission für Menschenrechte (ICHR) von 1 296 Beschwerden über Folter oder folterähnliche Vorgänge in palästinensischen Gefängnissen, davon über 80 Prozent im Gaza-Streifen, wo die Haftbedingungen nach Einschätzung unabhängiger Beobachter generell deutlich schlechter sind als im Westjordanland. Der Kampf gegen Folter ist ein Schwerpunkt der deutschen Menschenrechtspolitik . Die Bundesregierung engagiert sich weltweit gegen Folter und unterstützt zu diesem Zweck auch finanziell eine Reihe von Mechanismen und Programmen der Vereinten Nationen, die auch den Palästinensischen Gebieten zu Gute kommen. Zu nennen sind insbesondere der deutsche Beitrag für die lokalen Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR), darunter ein Field Office in den Palästinensischen Gebieten, für die Sonderverfahren des OHCHR und für den Fonds der Vereinten Nationen für Folteropfer. 21. Aus welchen Gründen wurden nach Einschätzung der Bundesregierung die Kommunalwahlen in den palästinensischen Gebieten ausgesetzt, und inwiefern drängt die Bundesregierung ihre palästinensischen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner darauf, diese in absehbarer Zeit durchzuführen? Im Westjordanland wurden am 13. Mai 2017 Kommunalwahlen durchgeführt. Grund für die Aussetzung der ursprünglich für Herbst 2016 geplanten Kommunalwahlen war ein Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 3. Oktober 2016, der die Durchführung der Wahlen im Gaza-Streifen untersagte, da dort die Unabhängigkeit der Justiz nicht gewährleistet sei. Die PA beschloss daraufhin, die Wahlen vorerst nicht durchzuführen, um die Spaltung zwischen Westjordanland und Gaza-Streifen nicht zusätzlich zu vertiefen. Mehrfach hat die Bundesregierung in ihren Gesprächen mit der palästinensischen Seite die Notwendigkeit von Wahlen zur Erhöhung der demokratischen Legitimität thematisiert. 22. Welche Erkenntnisse – Quellen der Zahlungen, Höhe der Zahlungen, Administration der Zahlungen – (www.rbb-online.de/kontraste/archiv/kontraste- 25-08-2016/wie-die-palaestinensische-regierung-moerder-und-deren-familienunterstuetzt .html, www.memri.org/report/en/0/0/0/0/0/0/9305.htm#) hat die Bundesregierung über die Zahlung von sogenannten Märtyrerinnen- und Märtyrerrenten durch die PA bzw. die PLO an die Hinterbliebenen palästinensischer Terroristinnen und Terroristen, bzw. an inhaftierte palästinensische Terroristinnen und Terroristen, und mit welchem konkreten Ergebnis hat die Bundesregierung als einer der größten Geber diesen Missstand bei ihren Gesprächen mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas in Berlin angesprochen? Die PA leistet nach Erkenntnissen der Bundesregierung aus eigenen Haushaltsmitteln Zahlungen an Hinterbliebene (Ehepartner und arbeitslose Kinder bis Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/12904 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 26 Jahre) von durch israelische Sicherheitskräfte getöteten Palästinensern. Der Bundesregierung sind Fälle bekannt, in denen auch Angehörige von Unfallopfern Zahlungen erhielten, auch liegen ihr Hinweise vor, dass Zahlungen nicht geleistet werden, wenn Hinterbliebene von einem gegen Israel gerichteten Vorhaben der oder des Getöteten wussten und die palästinensischen Sicherheitskräfte nicht informierten . Die Zahlungen beliefen sich 2016 auf etwa 172,8 Mio. US-Dollar. Die Kommission für Gefangenenfragen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) leistet nach Erkenntnissen der Bundesregierung finanzielle Unterstützung an in Israel inhaftierte Palästinenser und ihre Angehörigen. Da dabei nicht nach Haftgründen unterschieden wird, ist davon auszugehen, dass auch verurteilte schwere Straftäter von den Zahlungen profitieren, sofern sie von der PLO als „politische Gefangene“ eingestuft werden. Diese Eingruppierung übernimmt die palästinensische Seite nach übereinstimmenden Berichten von den israelischen Behörden, die zwischen sogenannten Sicherheitshäftlingen und „gewöhnlichen “ kriminellen Gefangenen unterscheiden. Zu den Sicherheitshäftlingen zählen auch solche in Administrativhaft, einer präventiven Verhaftung, bei der Häftlinge den Grund ihrer Haft nicht erfahren und ohne Anklage für zunächst bis zu sechs Monate in Gewahrsam genommen werden können. Die Zahlungen für Inhaftierte und ihre Angehörigen stammen nicht aus dem Haushalt der PA, sondern aus dem PLO-Nationalfonds, der bei Bedarf aus dem Haushalt der PA aufgestockt wird. Zahlungen an Inhaftierte werden über das israelische Banken- bzw. Postbankensystem auf Konten eines Unternehmens der israelischen Gefängnisverwaltung geleistet, das dafür eine Gebühr verlangt. Mithilfe dieser Konten können sich palästinensische Inhaftierte im Rahmen der vorgesehenen Möglichkeiten Gegenstände von der israelischen Gefängnisverwaltung kaufen und das verpflichtende Kantinengeld zahlen. Die Zahlungen beliefen sich 2016 auf etwa 127,8 Mio. US- Dollar. Die Bundesregierung leistet keine Budgethilfe für die PA. 23. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um künftige Märtyrerinnen - und Märtyrerrentenzahlungen aus dem Staatshaushalt der PA zu unterbinden (vgl. www.memri.org/reports/memri-president-yigal-carmons-testimonyhouse -committee-foreign-affairs-july-6-2016)? Die Bundesregierung bestärkt die PA in Überlegungen zur Einführung einer allgemeinen Sozialversicherung, die Zahlungen an Hinterbliebene, die ohnehin größtenteils den Charakter einer Sozialhilfe haben, perspektivisch ersetzen könnte. Die Einführung einer allgemeinen Sozialversicherung wäre darüber hinaus ein Fortschritt im palästinensischen Staatsaufbau, den die Bundesregierung unterstützt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 22 verwiesen. 24. Wie beurteilt die Bundesregierung die demokratische Legitimität der verschiedenen quasistaatlichen Machtstellen der PA angesichts der Tatsache, dass seit 2006 keine Wahl mehr stattgefunden hat? Die völkerrechtliche Vertretung des palästinensischen Volkes liegt seit den Verträgen von Oslo international anerkannt bei der PLO. Daraus ergibt sich per se ein demokratisches Defizit, da Mitglieder der PLO in erster Linie politische und zivilgesellschaftliche Organisationen, nicht Personen sind. Diese Organisationen vertreten zunächst nur ihre Mitglieder und folgen intern unterschiedlichen Partizipationsverfahren . Dennoch ist die PLO auch der Kern politischer Legitimität für die PA. Sowohl die PLO als auch die PA leiden zunehmend an mangelnder demokratischer Legitimität. Nach dem palästinensischen Grundgesetz wird der Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/12904 Präsident der PA in allgemeiner und direkter Wahl vom palästinensischen Volk gewählt. Er ernennt den Premierminister, der seinerseits die Minister der PA auswählt . Premierminister und Minister müssen sich anschließend einer Vertrauensabstimmung im Palästinensischen Legislativrat (PLC) stellen. Dass in den Palästinensischen Gebieten seit 2005 keine Wahlen zum PA-Präsidenten und seit 2006 keine Wahlen zum PLC mehr stattgefunden haben, schadet deshalb der demokratischen Legitimität der PA. Mangelnder Fortschritt im Friedensprozess untergräbt die Legitimität der PA ebenfalls, da ihre Zusammenarbeit mit Israel, besonders im Sicherheitsbereich, nicht als Weg zur politischen Unabhängigkeit, sondern als Hilfestellung für eine fortgesetzte Besatzung perzipiert wird. 25. Wie entwickelt sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Christinnen und Christen in den palästinensischen Gebieten im Verhältnis zu den Muslimen, und worauf ist diese Entwicklung zurückzuführen? Die Zahl der Christinnen und Christen in der palästinensischen Bevölkerung liegt bei ungefähr ein bis zwei Prozent und sinkt unter anderem aufgrund einer niedrigen Geburtenrate und stärkeren Abwanderung junger Christinnen und Christen weiter. Verlässliche Erhebungen gibt es nicht. Ebenfalls gibt es keine belastbaren Informationen zur Zahl der christlichen Israelis in den Palästinensischen Gebieten , die aufgrund russischstämmiger Israelis, die in Siedlungen leben, höher sein dürfte, wenngleich orthodoxe Christinnen und Christen von Israel statistisch nicht als Christinnen und Christen erfasst werden. 26. Wie beurteilt die Bundesregierung die politischen Betätigungsmöglichkeiten für politisch Aktive jenseits von Hamas oder PLO? Auf kommunaler Ebene ist die politische Interessenvertretung außerhalb von PLO und Hamas in Familienverbänden verankert. Diese traditionelle Form war bereits bei der Aufstellung von Listen zu den im Oktober 2016 abgesagten Kommunalwahlen zu beobachten. Bei den Kommunalwahlen im Mai 2017 waren es die parteiunabhängigen Wahllisten, die insgesamt 65 Prozent der zu vergebenden Mandate erhielten. Allerdings stehen die Personen auf diesen Listen häufig etablierten Parteien/Gruppierungen nahe. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen sind in den Palästinensischen Gebieten tätig. Organisationen wie CIVICUS weisen aber auf Einschränkungen für die Zivilgesellschaft hin, die sowohl durch Maßnahmen der israelischen Behörden als auch durch eine zunehmende Machtkonzentration auf Seiten der PA verursacht werden. Soziale Medien wie Facebook sind ein wichtiges Medium für politische Debatten und die öffentliche Meinungsbildung. Sie werden für einen regen Austausch zwischen Privatpersonen, der Zivilgesellschaft und palästinensischen Politikern genutzt . Die Betätigung von Studierenden in der Hochschulpolitik, sofern von den Universitäten Wahlen von Studierendenvertretern zugelassen sind, bewegt sich entlang der etablierten Parteien und wird häufig als Gradmesser für die politischen Ansichten der palästinensischen Jugendlichen betrachtet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333