Deutscher Bundestag Drucksache 18/1298 18. Wahlperiode 02.05.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, Heidrun Bluhm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/1182 – Einführung von Ausschreibungen bei der Ökostromförderung ab spätestens 2017 Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Zuge der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2014 plant die Bundesregierung spätestens ab dem Jahr 2017 die verpflichtende Einführung von Ausschreibungen (§ 2 Absatz 5). Presseberichten zufolge gab es zu diesen Plänen Widerstand aus den Ländern. So erklärte der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Das geplante Ausschreibungsmodell ist eine Einladung für Hedgefonds und eine Ausladung für Bürgerbeteiligung“ (DIE WELT, 31. Januar 2014). In einem Brief von Bundesminister Sigmar Gabriel vom 4. April 2014 an die Bundestagsabgeordneten , in dem er diese über die Ergebnisse des Ländergipfels vom 1. April 2014 informierte, ist zu lesen: „Es herrschte zwischen Bund und Ländern große Übereinstimmung darüber, dass wir 2017 mit der Ausschreibung starten müssen .“ Nach wie vor lehnen Bürgerenergie-Bündnisse und Umweltverbände wie Greenpeace e. V. oder der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) dieses Verfahren ab. Laut Kabinettsentwurf für die EEG-Novelle soll bei der Umstellung auf Ausschreibungen „die Akteursvielfalt bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien erhalten bleiben“. Hingegen äußerte der Dipl.-Volkswirt Lars Holstenkamp von der Leuphana Universität Lüneburg: „Die volkswirtschaftliche Logik und sämtliche Erfahrungen aus der Praxis anderer Länder zeigen: Ausschreibungen begünstigen die größten Anbieter. Mit einer Ausschreibung entstehen Transaktionskosten und Risiken, die größere Unternehmen leichter abfangen können. Bürgerenergie-Akteure hingegen können weder die Risiken streuen, sie durch eigenes großes Kapital absichern oder die höheren Transaktionskosten zwischenfinanzieren. Bürgerenergie wird daher kaum eine Chance haben, sich im Ausschreibungsverfahren gegen größere Konkurrenten durchzusetzen“ (BUND und Bündnis Bürgerenergie e. V., Pressemitteilung vom 7. April 2014). Die bisherigen Erfahrungen mit Ausschreibungen in anderen Ländern zeigen nach Untersuchungen der IZES gGmbH – Institut für ZukunftsEnergie-Systeme und der Leuphana Universität Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 29. April 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Lüneburg nicht, dass diese zu einer Reduzierung der Kosten führen und Ausbauziele oftmals nicht erreicht werden, auch wenn Pönalen festgelegt werden. Ausschreibungen sind nicht zuletzt mit Kosten für Administration verbunden. Die Studie „Marktrealität von Bürgerenergie und mögliche Auswirkungen von Drucksache 18/1298 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode regulatorischen Eingriffen“ (Leuphana Universität Lüneburg, 2014) resümiert, dass „eine Umstellung auf ein Ausschreibungssystem … ein möglicherweise existenzielles Risiko für die Bürgerenergie dar[stellt]“ (S. viii). 1. Welcher Sachstand, welche Erkenntnisse und welche Erfahrungen lagen der Entscheidung der Bundesregierung zugrunde, Ausschreibungen für die Ermittlung der Förderhöhe für Strom aus erneuerbaren Energien grundsätzlich zu befürworten? 8. Plant die Bundesregierung ein oder mehrere staatliche längerfristige Projekte, in denen Erfahrungen mit Ausschreibungen gemacht werden können? 13. Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass das geplante Pilotprojekt im Bereich Photovoltaik die gewünschten Erfahrungen auch für andere Technologien, die mitunter andere Entwicklungsvoraussetzungen haben, gewährleistet? Plant die Bundesregierung weitere Pilotprojekte, wenn ja, in welchen Bereichen, und wie viele? Wann rechnet die Bundesregierung mit belastbaren Ergebnissen aus dem Pilotprojekt/den Pilotprojekten? Die Fragen 1, 8 und 13 werden gemeinsam beantwortet. Die Europäische Kommission hat am 9. April 2014 neue Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien verabschiedet. Diese Leitlinien sehen für die Förderung erneuerbarer Energien eine stufenweise Einführung von Ausschreibungsmechanismen vor. In einer Testphase ab dem Jahr 2015 soll die Förderung für mindestens 5 Prozent der geplanten neuen Installationen in einem wettbewerblichen Ausschreibungsverfahren vergeben werden. Ab dem Jahr 2017 ist die Umstellung auf eine technologieneutrale Ausschreibung als Grundsatz der Förderung vorgegeben. Von diesem Grundprinzip sind Ausnahmen möglich, etwa beim Nachweis bestimmter objektiver Kriterien und für Kleinanlagen. Die Bundesregierung geht zwar weiterhin davon aus, dass das EEG keine Beihilfe ist. Die Europäische Kommission hat aber in ihrem Eröffnungsbeschluss zum Beihilfeverfahren zum EEG vom 18. Dezember 2013 festgestellt, dass sie das EEG als Beihilfe einstuft. Um Risiken zu minimieren, hält die Bundesregierung es deshalb für geboten, das neue EEG 2014 so auszugestalten, dass es mit den Leitlinien konform ist. Das Instrument der Ausschreibung wird in vielen anderen Ländern bereits genutzt, um die Förderhöhe für erneuerbare Energien zu ermitteln. Aus diesen Erfahrungen werden derzeit Schlussfolgerungen gezogen und die Ergebnisse werden bei der Ausgestaltung des neuen Ausschreibungsmodells berücksichtigt. Entsprechend dem Kabinettsbeschluss zur EEG-Novelle vom 8. April 2014 sollen spätestens ab dem Jahr 2017 die finanzielle Förderung und ihre Höhe für die erneuerbaren Energien wettbewerblich über Ausschreibungen ermittelt werden. Hierfür bedarf es einer erneuten Änderung des EEG. Ziel der Ausschreibungen ist, dass durch die wettbewerbliche Ermittlung der Förderhöhe die Ziele der Energiewende kostengünstiger erreicht werden. Um Erfahrungen mit dem neuen Fördersystem der Ausschreibungen zu sammeln , soll in einem ersten Schritt mindestens eine Pilotausschreibung erfolgen. Mit dem Gesetzentwurf für die EEG-Reform, den die Bundesregierung am 8. April 2014 im Bundeskabinett verabschiedet und dem Deutschen Bundestag vorgelegt hat, soll die Grundlage für ein Ausschreibungsmodell für Photovoltaik -Freiflächenanlagen geschaffen werden. Dieses Modell wird nach dem Inkrafttreten der EEG-Reform durch eine Rechtsverordnung konkretisiert. Dabei wird zeitnah eine installierte Leistung in der Größenordnung von 400 Mega- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1298 watt ausgeschrieben und die gesamte Förderung für Photovoltaik-Freiflächenanlagen auf Ausschreibungen umgestellt. Über die Erfahrungen mit dieser Pilotausschreibung wird die Bundesregierung dem Bundestag berichten und bis spätestens zum 30. Juni 2016 einen Erfahrungsbericht hierzu vorlegen. Dieser Bericht wird auch Handlungsempfehlungen zur Ermittlung der finanziellen Förderung und ihrer Höhe durch Ausschreibungen und zu den für die Erreichung der Ausbauziele im Bereich der erneuerbaren Energien erforderlichen auszuschreibenden Strommengen enthalten. 2. Welche Ausschreibungssysteme hat die Bundesregierung geprüft, und welche genauen Ausgestaltungsoptionen bewertet sie als vorteilhaft? Welche Überlegungen gibt es hinsichtlich des Vergütungssystems? 5. Gibt es Überlegungen für eine Abfederung der Risiken für Bieter in einem Auswahlverfahren hinsichtlich des Totalausfalls der investitionsvorbereitenden Kosten im Falle des Nichtzuschlags? 6. Welche Überlegungen bestehen von Seiten der Bundesregierung bezüglich der konkreten Ausgestaltung des Engagements des Staates in der Vorentwicklung von Standorten? Welche Kosten wären damit für den Staat verbunden? 7. Plant die Bundesregierung, eine Institution mit der Aufgabe der Vorentwicklung von Standorten zu betrauen? Welche Kosten sind voraussichtlich damit verbunden? 12. Welcher genaue Ablauf ist von der Bundesregierung bei der Einführung von Ausschreibungen geplant? Wer übernimmt die Koordination? Wie genau will die Bundesregierung die Administration von Auktionen gestalten? Welches Modell liegt dabei zugrunde? Die Fragen 2, 5, 6, 7 und 12 werden gemeinsam beantwortet. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung für die EEG-Reform schafft die rechtliche Grundlage für die Ausgestaltung der Pilotausschreibung für PhotovoltaikFreiflächenanlagen . Nach dem Inkrafttreten der EEG-Reform sollen die Details des Ausschreibungsmodells und -verfahrens durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung konkretisiert werden. Als ausschreibende Stelle sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur EEG-Reform derzeit die Bundesnetzagentur vor. Die Verordnungsermächtigung im Gesetzentwurf ermöglicht der Bundesregierung aber, im Rahmen der Verordnung auch eine andere private oder öffentliche Stelle mit der Durchführung der Ausschreibung zu betrauen. Die Bundesregierung prüft derzeit die unterschiedlichen Ausgestaltungsoptionen bei der Ausschreibung. Ergebnisse der Prüfung liegen derzeit noch nicht vor. Drucksache 18/1298 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 3. Wie genau will die Bundesregierung gewährleisten, dass die Eigentümervielfalt bei der Stromerzeugung erhalten und die Bürgerenergie in der Lage bleibt, bei der Stromerzeugung in einem wachsenden Maße beteiligt zu sein? 4. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um Bonitätsprobleme, die insbesondere bei Bürgerenergie-Projekten zu erwarten sind, abzufedern ? Erwägt die Bundesregierung staatliche Bürgschaften für Bürgerenergieprojekte ? Welche anderen Optionen erwägt die Bundesregierung, um Risiken für regionale Bürgerenergie abzufedern? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Bei der Umstellung auf Ausschreibungen soll die Akteursvielfalt bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien erhalten bleiben. Die Bundesregierung prüft derzeit unterschiedliche Ausgestaltungsmöglichkeiten der Ausschreibung. Dabei ist es das Ziel der Bundesregierung, auch die Belange der Bürgerenergieprojekte angemessen zu berücksichtigen. Ergebnisse der Prüfung liegen derzeit noch nicht vor. 9. Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass bei der schnellen Einführung von Ausschreibungen (2017) keine Ausbau- und Technologieeinbrüche sowie Kostensteigerungen erfolgen? 10. Auf welchen Erfahrungen beruhen die Annahmen der Bundesregierung, dass Ausschreibungen mit einer Kostenreduktion verbunden seien? 11. Mit welchen konkreten Kostenreduktionen rechnet die Bundesregierung bei Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzentwurfs für eine EEG-Novelle durch die Einführung der Ausschreibung? Die Fragen 9, 10 und 11 werden gemeinsam beantwortet. Um zu verhindern, dass es aufgrund des Systemwechsels zu Ausschreibungen ab spätestens 2017 zu einem Einbruch beim Ausbau oder bei der Projektplanung kommt, sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur EEG-Reform eine Übergangsvorschrift vor. Nach § 98 EEG erhalten die Betreiber von Anlagen, die nach Bundesrecht genehmigungsbedürftig sind, Vertrauensschutz, wenn sie vor dem 1. Januar 2017 genehmigt oder zugelassen worden sind. Diese Projekte können noch bis Ende 2018 eine Förderung nach dem EEG 2014 bekommen, ohne eine Zuschlagserteilung im Rahmen einer Ausschreibung erhalten zu haben. Windenergieanlagen auf See erhalten Vertrauensschutz, wenn sie vor dem 1. Januar 2017 eine unbedingte Netzanbindungszusage oder Kapazitätszusage erhalten haben und vor dem 1. Januar 2021 in Betrieb genommen worden sind. Grundsätzlich ist ein wettbewerbliches Verfahren geeignet, Überförderungen zu vermeiden und die Förderkosten zu reduzieren. Die Höhe der Kosten hängt unter anderem von der Ausgestaltung des Verfahrens und der Wettbewerbssituation im Markt ab. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1298 14. Welche Erfahrungen der Bundesregierung aus anderen Ländern fließen in die Planung von Ausschreibungen ein? Welche von diesen Erfahrungen aus anderen Ländern bewertet die Bundesregierung als erfolgreiches Modell für Ausschreibungen im Bereich der erneuerbaren Energien? 15. Gibt es Erfahrungen mit dem Ausschreibungsmodell in vergleichbarem Volumen, wie es die Bundesregierung gemäß ihren Ausbauzielen (2 500 MW jeweils für PV und Wind an Land) plant? Die Fragen 14 und 15 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung wertet im Rahmen von Forschungsvorhaben die internationalen Erfahrungen mit Ausschreibungsmodellen im Bereich erneuerbarer Energien aus. Dies umfasst beispielsweise die Länder Großbritannien, Frankreich , Dänemark, Niederlande, Brasilien, China, Peru und Südafrika. Diese Erfahrungen werden unter anderem im Hinblick auf die Förderkosten und die Realisierungsraten ausgewertet und die Erkenntnisse fließen in die weiteren Überlegungen zur Ausgestaltung der Ausschreibungen ein. Dabei wird auch stets geprüft, inwieweit die Erfahrungen auf die Situation in Deutschland übertragbar sind. 16. Gibt es Berechnungen, mit welchen administrativen Kosten die von der Bundesregierung angestrebten Ausbauziele verbunden wären (bitte nach Bietern und Koordination aufschlüsseln)? Die jeweiligen administrativen Kosten der Ausschreibung hängen stark von der konkreten Ausgestaltung der Ausschreibung ab. Die genaue Ausgestaltung der Ausschreibungsverfahren steht jedoch derzeit noch nicht fest. Die Bundesregierung prüft die unterschiedlichen Ausgestaltungsoptionen unter anderem unter dem Aspekt der jeweils anfallenden administrativen Kosten. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333