Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 7. Juli 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/13092 18. Wahlperiode 11.07.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Corinna Rüffer, Kerstin Andreae, Beate Müller-Gemmeke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/12889 – Schutz von Menschen mit Beeinträchtigung vor Gewalt V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Menschen mit Beeinträchtigung sind in viel höherem Maße von Gewalt betroffen als Menschen ohne Beeinträchtigung. Jede zweite bis dritte behinderte Frau, die im Rahmen einer von der Bundesregierung beauftragten repräsentativen Studie befragt wurde, gab an, im Verlaufe ihres Lebens sexuelle Gewalt erlebt zu haben. Besonders stark betroffen waren psychisch erkrankte Frauen, die in Einrichtungen leben (vgl. Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen in Deutschland, 2013). Auch von Erfahrungen mit körperlicher Gewalt berichten behinderte Frauen und Männer fast doppelt so häufig, wie der Bevölkerungsdurchschnitt (vgl. Lebenssituation und Belastung von Männern mit Behinderungen und Beeinträchtigungen in Deutschland, 2013). Ergebnisse von Evaluationen in Einrichtungen des betreuten Wohnens aus den Jahren 2015 bis 2017, die nach dem Peer-Prinzip durchgeführt wurden, weisen darauf hin, dass die befragten Nutzerinnen und Nutzer mit überwiegend kognitiven Beeinträchtigungen oft nur unzureichend über den Schutz vor und die Konsequenzen von Gewalt und Missbrauch aufgeklärt werden (vgl. Erlebnisse aus dem Arbeitsalltag von nueva.berlin: Fachmitarbeiter *innen von nueva.berlin berichten, 2017). Obwohl bekannt ist, dass Menschen mit Beeinträchtigung in höherem Maße Gewalt erleben und Artikel 16 Absatz 3 der Behindertenrechtskonvention eine unabhängige Behörde vorsieht, die Einrichtungen und Dienste, die für behinderte Menschen bestimmt sind, zur Verhinderung von Gewalt und Missbrauch überwacht , gibt es in Deutschland keine solche Stelle. Einrichtungen wie Wohnheime und Werkstätten für behinderte Menschen verfügen in der Regel über keinen niedrigschwelligen unabhängigen Beschwerdemechanismus, der in Fällen von Gewalt greift. Beides wurde von den Expertinnen und Experten der Vereinten Nationen, die die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in Deutschland im Jahr 2015 überprüft haben, bemängelt (vgl. Abschließende Bemerkungen über den ersten Staatenbericht Deutschlands). Ebenso kritisch wiesen sie darauf hin, dass der Schutz von Frauen vor Gewalt nicht dauerhaft staatlich finanziert wird und forderten unter anderem, die bisher nicht vorhandene unabhängige Überwachungsbehörde zu schaffen (ebd.). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13092 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Sowohl der Bund als auch die Länder stehen in der Verpflichtung, umfassende und wirksame Konzepte für einen besseren Gewaltschutz zu entwickeln und umzusetzen. Im Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Behindertenrechtskonvention (NAP) wird zwar deutlich, dass behinderte Menschen häufig Gewalt erleben, die vorgesehenen Maßnahmen sind aus Sicht der Fragesteller allerdings nicht ausreichend. So werden zwar vereinzelt Projekte und Verbände gefördert, die das Ziel verfolgen, Gewalt gegen behinderte Menschen zu verhindern . Eine langfristige und wirkungsvolle Strategie zum Schutz behinderter Menschen vor Gewalt ist aber nicht erkennbar. 1. Wie viele Bund-Länder-Gespräche mit dem Ziel der Entwicklung einer ebenenübergreifenden Gewaltschutzstrategie haben seit Veröffentlichung der abschließenden Bemerkungen des UN-Fachausschusses stattgefunden, wer hat an diesen Gesprächen teilgenommen, und wie viel Zeit war in der Tagesordnung der entsprechenden Termine jeweils für das Gespräch zu diesem Thema vorgesehen? Das Thema „Entwicklung einer ebenen-übergreifenden Gewaltschutzstrategie für Menschen mit Behinderungen“ auf Grundlage einer entsprechenden Maßnahme des Nationalen Aktionsplans 2.0 der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) – NAP 2.0 – stand zuletzt im April 2017 auf der Tagesordnung einer Besprechung der in den jeweiligen Sozialressorts angesiedelten Focal Points zur UN-BRK aus Bund und Ländern. Dazu hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales als Nationaler Focal Point (NFP) eingeladen. Unabhängig von dieser NAP 2.0-Maßnahme wurde das Thema aber auch bereits bei einer Bund-Länder-Besprechung im August 2015 im Zuge der Wahrnehmung der Berichtspflicht zu Ziffer 36 der Abschließenden Bemerkungen des UN-Fachausschusses behandelt. Die Diskussion des Themas hat jeweils mehrere Stunden in Anspruch genommen. 2. Können im Rahmen der in Frage 1 angesprochenen Gespräche verbindliche Absprachen zur Entwicklung einer Gewaltschutzstrategie getroffen werden, und wenn ja, welche Absprachen wurden bereits getroffen? Die nach dem NAP 2.0 vorgesehenen Bund-Länder-Gespräche dienen zunächst einer Bestandsaufnahme der Maßnahmen zum Schutz von Menschen mit Behinderungen , insbesondere von Frauen und Mädchen mit Behinderungen. Darüber hinaus sollen weitere Handlungsbedarfe zur Umsetzung der Ziffer 36 der Abschließenden Bemerkungen des UN-Fachausschusses auf Basis der vorgezogenen Berichterstattung aus April 2016 identifiziert werden. Dies wiederum soll die Grundlage zur Vorbereitung des nächsten deutschen Staatenberichts (2018/2019) sein. Die Bund-Länder-Gespräche können damit wichtige Impulse liefern zur Entwicklung von Konzepten und Strategien zum Gewaltschutz. Wegen der unterschiedlichen (Ressort-)Zuständigkeiten sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene und den damit verbundenen (weiteren) Abstimmungsprozessen sind die Bund- Länder-Gespräche aber grundsätzlich nicht darauf angelegt, hier bereits zu verbindlichen Absprachen zu kommen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13092 3. Wann soll die gemeinsame Gewaltschutzstrategie von Bund und Ländern vorgelegt werden? Die föderale Struktur Deutschlands bietet die Grundlage für eine Vielzahl von Maßnahmen und Konzepten zum Gewaltschutz für Menschen mit Behinderungen . Dies wird im Bericht zur Umsetzung der Ziffer 36 der Abschließenden Bemerkungen des UN-Fachausschusses, den die Bundesregierung dem UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen am 16. April 2016 zugeleitet hat und der über die Internetseite www.gemeinsam-einfach-machen.de/ GEM/DE/AS/UN_BRK/Staatenpruefung/staatenpruefung_node.html abgerufen werden kann, umfassend veranschaulicht. Gleichwohl wird in dem Bericht betont , dass es zur Sicherung gleichwertiger Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen in Deutschland aus Sicht von Bund und Ländern auch zielführend ist, Konzepte und Strategien länderübergreifend und bundesweit zu diskutieren und abzustimmen, was aber nicht gleichbedeutend mit nur einer gemeinsamen bundesweiten Gewaltschutzstrategie ist. Denkbar ist hingegen die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses, auf welchen Grundlagen und Kerngedanken die jeweiligen Konzepte und Strategien im Bund und in den Ländern aufgebaut sein sollten. Ziel ist es, spätestens zur nächsten Staatenberichterstellung ein entsprechendes Ergebnis vorzulegen. Dabei ist die Verbesserung des Schutzes von Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen zugleich ein kontinuierlicher Prozess . Hier kann z. B. auf das vom Deutschen Bundestag am 29. Juni 2017 beschlossene Kinder- und Jugendstärkungsgesetz verwiesen werden, das u. a. die Einführung von Gewaltschutzkonzepten als Voraussetzung für die Erteilung einer Betriebserlaubnis für Einrichtungen der Kinder und Jugendhilfe in § 45 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) vorsieht. 4. Welche Stelle wäre aus Sicht der Bundesregierung geeignet, die unabhängige Aufsicht nach Artikel 16 Absatz 3 der Behindertenrechtskonvention zu übernehmen, und sollte diese Stelle aus Sicht der Bundesregierung auf Bundes - oder Länderebene angesiedelt sein? Im Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung von Ziffer 36 der Abschließenden Bemerkungen des UN-Fachausschusses wurde zur Einrichtung einer unabhängigen Stelle nach Artikel 16 Absatz 3 UN-BRK u. a. festgehalten, dass in den Ländern bereits eine Vielzahl von behördlichen Stellen existiert, die für die Einhaltung von Strategien und Maßnahmen zum Gewaltschutz zuständig sind. Hier geht die Nennung von der Betreuungs- und Pflegeaufsicht über Stellen bei der Schulaufsicht bis zu Anlaufstellen im Maßregelvollzug. Darüber hinaus existieren auch übergeordnete Stellen (z. B. Landeskoordinierungsstelle für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen). Aus Sicht der Bundesregierung sollte die Diskussion daher darauf fokussiert werden, inwieweit diese bereits vorhandenen Strukturen durch eine zusätzliche unabhängige Aufsicht nach Artikel 16 Absatz 3 UN-BRK auf Bundesebene ergänzt werden und wie die Aufgaben der entsprechenden Stellen auf Bundes- und Landesebene ineinandergreifen könnten. Der Diskussionsprozess zu dieser Frage ist innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13092 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 5. Welche Möglichkeiten wurden im Rahmen der Bund-Länder-Besprechung im April 2017 diskutiert, um eine unabhängige Behörde mit menschenrechtlichem Mandat nach Artikel 16 Absatz 3 der Behindertenrechtskonvention zu schaffen (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Corinna Rüffer vom 17. Mai 2017, Plenarprotokoll 18/233)? In der Bund-Länder-Besprechung im April 2017 wurde u. a. darüber diskutiert, wie die bestehenden Aufsichtsmechanismen auf Landesebene auch strukturell so weiterentwickelt werden können, dass sie noch besser die Kriterien einer wirksamen und unabhängigen Überwachungsbehörde zum Gewaltschutz im Sinne von Artikel 16 Absatz 3 UN-BRK erfüllen können. Diese Diskussion soll im weiteren Austausch mit den Ländern fortgeführt werden. 6. Bis zu welchem Zeitpunkt möchte die Bundesregierung in Abstimmung mit den Ländern eine Verständigung darüber hergestellt haben, welche Stelle zur Verhinderung von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch gegen Menschen mit Beeinträchtigung nach Artikel 16 Absatz 3 der Behindertenrechtskonvention eingerichtet wird? Ziel ist es, bis zur nächsten Staatenberichtserstellung eine zumindest grundsätzliche Verständigung zu erzielen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen . 7. Welcher Bedarf besteht nach Kenntnis der Bundesregierung im Hinblick auf den barrierefreien Ausbau von Fachberatungsstellen für Frauen und Mädchen und Frauenhäusern (baulich und personell)? Die Verantwortung für das Vorhandensein, die Ausgestaltung und finanzielle Absicherung von Unterstützungsangeboten liegt in erster Linie bei den Ländern, die ein vielfältiges Unterstützungsangebot bereitstellen. Dies belegt der „Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser, Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder“ (Bundestagsdrucksache 17/10500), mit dem die Bundesregierung erstmals eine umfassende Bestandsaufnahme des gesamten Hilfesystems bei Gewalt gegen Frauen vorgelegt hat. Der Bericht bestätigt das Gesamtbild eines dichten und ausdifferenzierten Unterstützungssystems für gewaltbetroffene Frauen mit ihren Kindern. Spezialisierte Frauenhäuser für bestimmte Zielgruppen gibt es insbesondere in Ballungsgebieten. Dort ist ein differenziertes Angebot an Personal und eine erkennbar hohe Dichte an Einrichtungen vorhanden. In den ländlichen Regionen wird ein allgemeines Angebot für ein breites Spektrum von Nutzerinnen vorgehalten . Grundsätzlich finden die betroffenen Frauen die Unterstützung, die sie benötigen. Schutzsuchende Frauen werden in ca. 90 Prozent der Frauenhäuser 24 Stunden täglich aufgenommen. Für einzelne Zielgruppen, zum Beispiel für psychisch kranke Frauen, Frauen mit Behinderungen oder Frauen, die Söhne, die älter als 14 Jahre sind, mitbringen, bestehen teilweise Zugangsschwierigkeiten und Versorgungslücken. Frauenhäuser nehmen nach Einzelfallprüfung in der Regel jedoch auch Frauen mit spezifischen Problemlagen auf. Andernfalls werden die Frauen im Bedarfsfall grundsätzlich an andere Hilfeeinrichtungen weitervermittelt . Durch eine Vernetzung der lokalen Hilfestruktur wird eine gute Versorgung auch für spezifische Bedarfe von Frauen mit Behinderungen angestrebt. Nach dem o. g. Bericht kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass gewaltbetroffene Frauen regelmäßig unmittelbaren Schutz vor Gewalt sowie Beratung und Unterstützung in professionell dafür ausgelegten Einrichtungen finden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13092 8. In wie vielen Fällen mussten nach Kenntnis der Bundesregierung behinderte Frauen, die Gewalt erlebt haben, aufgrund mangelnder Barrierefreiheit des nächstgelegenen Frauenhauses in einer Einrichtung der Behindertenhilfe verbleiben? Nach dem Bericht der Bundesregierung kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass gewaltbetroffene Frauen regelmäßig unmittelbaren Schutz vor Gewalt sowie Beratung und Unterstützung in professionell dafür ausgelegten Einrichtungen finden. Genaue Angaben zu punktuellen Versorgungslücken und Zugangsschwierigkeiten für bestimmte Zielgruppen liegen der Bundesregierung aufgrund der Zuständigkeit von Ländern und Kommunen nicht vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 9. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen behinderte Frauen, die Gewalt erlebt haben, aufgrund mangelnder Barrierefreiheit des nächstgelegenen Frauenhauses in eine Einrichtung der Behindertenhilfe verwiesen wurden, obwohl Frauen, die in Einrichtungen leben, am stärksten von Gewalt betroffen sind? Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. 10. Haben bereits Gespräche zwischen Bund und Ländern stattgefunden, um die gemeinsame Finanzierung des barrierefreien Ausbaus von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen (etwa im Rahmen eines gemeinsamen Investitionsprogrammes ) zu eruieren, und wenn ja, wie viele Gespräche, zu welchem Zeitpunkt, und mit welchem Ergebnis? Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) steht mit den Gleichstellungsministerien der Länder im Rahmen der Gleichstellungs - und Frauenministerkonferenz (GFMK) in einem kontinuierlichen Dialog zu Fragen der bedarfsgerechten Ausgestaltung des Hilfesystems bei Gewalt gegen Frauen. Im Kontext der GFMK 2016 und 2017 wurden auch erste Überlegungen ausgetauscht, wie ggf. der Zugang von Frauen mit Behinderungen zu Einrichtungen des Hilfesystems unterstützt werden könnte. 11. Wie viele barrierefreie, externe, auf Gewalt spezialisierte Fachberatungsstellen stehen gewaltbetroffenen behinderten Menschen, die in Einrichtungen leben oder arbeiten, nach Kenntnis der Bundesregierung offen, und was tut die Bundesregierung, um die Zahl und Erreichbarkeit solcher Stellen zu erhöhen bzw. ihre Bekanntheit bei behinderten Menschen zu steigern? Welche Rolle kann und soll das Peer-Prinzip hierbei spielen? Im Bereich der spezialisierten Fachberatungsstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Kindheit und Jugend bestehen in vielen Bundesländern, gerade in ländlichen Regionen, noch Lücken in der Versorgung von betroffenen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Behinderungen (vgl. Kavemann, Nagel, Hertlein – Fallbezogene Beratung und Beratung von Institutionen zu Schutzkonzepten bei sexuellem Missbrauch, herausgegeben vom Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, https://beauftragtermissbrauch .de/presse-service/hintergrundmaterialien/). Das BMFSFJ fördert im Bereich Kinder und Jugendliche seit dem Jahr 2016 die Bundeskoordinierung Spezialisierte Fachberatung gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend, die sich für eine bedarfsgerechte und langfristige Finanzierung von Fachberatungsstellen für Betroffene sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend und für die Schließung von Versorgungslücken einsetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13092 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Zur Bekanntmachung dient das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 8 und 12 verwiesen. 12. Auf welche Weise unterstützt die Bundesregierung unabhängige Beratungsstellen für Opfer von Gewalt im Hinblick auf Barrierefreiheit (sowohl personell als auch baulich), um auch besonders vulnerablen Gruppen, wie z. B. Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, die in Einrichtungen leben, den Zugang zu ermöglichen, und welche Rolle kann und soll das Peer-Prinzip hierbei spielen? Die Bundesregierung fördert seit dem Jahr 2015 im Bundesmodellprojekt „BeSt – Beraten und Stärken“ Maßnahmen zum Schutz von Mädchen und Jungen mit Behinderungen vor sexualisierter Gewalt in Institutionen. Im Rahmen des Projekts werden derzeit rund 60 Einrichtungen der Behindertenhilfe bei der Entwicklung bzw. Verbesserung ihrer Kinderschutzstrukturen unterstützt. Dazu werden die Einrichtungen zur nötigen Organisationsentwicklung beraten und das Personal zum Thema sexualisierte Gewalt sensibilisiert und qualifiziert. Gleichzeitig wird mit den Kindern und Jugendlichen in den Einrichtungen ein Programm zur Prävention sexualisierter Gewalt („Was tun gegen sexuellen Missbrauch? – Ben und Stella wissen Bescheid!“) durchgeführt, welches innerhalb des Projekts entwickelt wurde. Das Projekt „Emma unantastbar: Entwicklung und Evaluation eines Programms für Mädchen mit geistiger Behinderung zur Prävention von sexuellem Missbrauch “ wurde von der Bundesregierung im Rahmen des Förderschwerpunktes „Forschungsverbünde zu Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch in Kindheit und Jugend“ von 2012 bis 2016 gefördert. Im Rahmen des Projektes wurde ein Präventionstraining für Mädchen mit kognitiven Beeinträchtigungen entwickelt und evaluiert, welches ihr Risiko, Opfer von sexualisierter Gewalt zu werden, senkt. Das Programm wurde den relevanten Fachkräften und ausgebildeten Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungstrainerinnen als Trainingsmanual über einen halböffentlichen Online-Zugang verfügbar gemacht. Die Bundesregierung hat im Jahr 2013 mit dem bundesweiten Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ein niedrigschwelliges Angebot für Erstberatung und Weitervermittlung von Frauen eingerichtet, die von Gewalt betroffen sind. Dabei sieht das Hilfetelefongesetz (BGBl. I S. 448 vom 7. März 2012) ausdrücklich vor, dass dieses dauerhaft eingerichtete Angebot barrierefrei ist. Es besteht rund um die Uhr ein Zugang zur Beratung: mehrsprachig, kostenlos und vertraulich per Telefon und Website, zusätzlich 15 Stunden täglich über Gebärdendolmetschung . Auch die Website ist barrierefrei gestaltet und die Fachberaterinnen des Hilfetelefons wurden fortgebildet, um die spezifischen Bedarfe von Frauen mit Behinderungen angemessen zu berücksichtigen Ein Schwerpunkt der Fortbildungen ist die Schulung zur Beratung in Leichter Sprache. Auch Familienmitglieder , Personen des sozialen Umfeldes gewaltbetroffener Frauen und Fachkräfte wenden sich mit ihren Fragen an die Telefonnummer 08000 116 016 oder an die Website www.hilfetelefon.de. Da dieses Hilfetelefon barrierefrei ausgestaltet ist, ist es auch für gewaltbetroffene Frauen mit Beeinträchtigungen einfacher, Beratung und Hilfe zu erhalten. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass das Hilfetelefon von diesem Personenkreis auch tatsächlich in Anspruch genommen wird. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/13092 Der von der Bundesregierung geförderte Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) führte von 2014 bis 2016 das Projekt „Suse – sicher und selbstbestimmt. Frauen und Mädchen mit Behinderung stärken“ durch. Das Projekt verfolgte das Ziel, von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen mit Behinderungen leichter Unterstützung zu gewähren. Dazu wurden unter anderem an verschiedenen Orten regionale Vernetzungen gestärkt und aufgebaut. Eine entsprechende Online-Plattform mit Informationen wird seit Frühjahr 2015 bereitgestellt . Ende 2016 wurde das „Handbuch guter Praxis zum Aufbau regionaler inklusiver Netzwerke gegen Gewalt“ veröffentlicht. In dem Handbuch werden die konzipierten und durchgeführten Maßnahmen beschrieben und Anregungen zum Aufbau und Weiterentwicklung regionaler Netzwerke und Kooperationen gegeben. Seit dem Jahr 2010 führt der bff das Projekt „Zugang für alle“ durch, um für Frauen und Mädchen mit Behinderungen den Zugang zu den Fachberatungsstellen zu verbessern. Die von der Bundesregierung geförderten bundesweiten Vernetzungsstellen der Frauenhäuser sowie der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe bieten in ihren Internetauftritten Informationen in Leichter Sprache sowie in Deutscher Gebärdensprache an. Außerdem haben sie in Zusammenarbeit mit der Zentralen Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser einen Leitfaden für den Erstkontakt mit von Gewalt betroffenen Frauen mit Behinderungen erarbeitet, der den Mitarbeitenden von Hilfs- und Beratungseinrichtungen Anleitungen zum Umgang mit betroffenen Frauen gibt. Darüber hinaus wurden verschiedene weitere Materialien für die Beratungspraxis von gewaltbetroffenen Frauen mit Behinderungen entwickelt . Grundsätzlich ist es aus Sicht der Bundesregierung zu begrüßen, wenn Unterstützungs -angebote zum Schutz von Frauen mit Behinderungen vor Gewalt mit Expertinnen mit Behinderungen bzw. mit Organisationen von Menschen mit Behinderungen zusammenarbeiten und in geeigneten Fällen Arbeit nach dem Peer-to- Peer-Prinzip in ihr Angebot einbinden. Diesem Gedanken trägt z. B. das BMFSFJ Rechnung, indem es die Selbsthilfeorganisation der Politischen Interessenvertretung im Weibernetz e. V. unterstützt, die u. a. auch als Informationsstelle für gewaltbetroffene Frauen mit Behinderungen fungiert. 13. Auf welche Weise und in welchem Umfang fördert die Bundesregierung die Schulung der mit dem Bundesteilhabegesetz bundesweit eingeführten Frauenbeauftragten in Werkstätten für behinderte Menschen, und auf welche Weise wird die Qualität der Schulungen sichergestellt? Nach § 39a Absatz 5 Satz 5 der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) gelten § 37 Absatz 1 und 2, 4 bis 6 sowie die §§ 38 und 39 WMVO für die Frauenbeauftragte und die Stellvertreterinnen entsprechend. Für erforderliche Schulungs - und Bildungsveranstaltungen haben Frauenbeauftragte und ihre Stellvertreterinnen nach § 37 Absatz 4 WMVO pro Amtszeit einen Freistellungsanspruch von 15 Tagen, bei erstmaliger Amtsführung von 20 Tagen. Die Kosten, die durch die Teilnahme der Frauenbeauftragten und ihrer Stellvertreterinnen an Schulungs - und Bildungsveranstaltungen nach § 37 Absatz 4 WMVO entstehen, trägt nach § 39 Absatz 1 Satz 2 WMVO die Werkstatt. Die Werkstatt hat gegen die Leistungsträger einen Refinanzierungsanspruch im Rahmen der Vergütungsvereinbarungen nach § 75 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII). Die Entwicklung und Erprobung qualitativ hochwertiger Schulungskonzepte für die Ausbildung von Frauenbeauftragte in Einrichtungen wurde im Rahmen der Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13092 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Projekte „Frauenbeauftragte in Wohnheimen und Werkstätten für behinderte Menschen“ (Oktober 2008 bis Mai 2011) und „Frauenbeauftragte in Einrichtungen : Eine Idee macht Schule“ (Oktober 2013 bis September 2016) durch die Bundesregierung gefördert (siehe auch www.weibernetz.de/frauenbeauftragte/download /Curriculum__Weibernetz_Schulung_Frauenbeauftragte.pdf). Um die bisherigen guten Erfahrungen aus der Praxis mit Frauenbeauftragten in Einrichtungen weiterzuentwickeln und ihre Interessen zu bündeln ist als flankierende Maßnahme das am 1. Oktober 2016 begonnene dreijährige Modellprojekt „Bundes-Netzwerk für Frauenbeauftragte in Einrichtungen“ gestartet. Ziel des Projektes des Weibernetz e. V. – gefördert durch die Bundesregierung – ist die Schaffung einer Selbsthilfeorganisation, die als Bundes-Netzwerk für Frauenbeauftragte in Einrichtungen fungiert und bereits entwickelte Curricula und Hilfestellungen aus den Vorgängerprojekten weiterträgt. 14. Warum ist es aus Sicht der Bundesregierung im Einzelfall zumutbar, dass behinderte Menschen gegen ihren Willen in einer Wohneinrichtung leben müssen, obwohl auch laut Teilhabebericht der Bundesregierung insbesondere Frauen in Einrichtungen in viel höherem Maße von Gewalt betroffen sind als die weibliche Durchschnittsbevölkerung? Es wird auf die Antwort auf die Mündliche Frage 33 der Abgeordneten Corinna Rüffer, Plenarprotokoll 18/220, verwiesen. 15. Welchen Beitrag leistet ein uneingeschränktes Wahlrecht bezüglich gleichgeschlechtlicher Pflege und Assistenz zur Vorbeugung von Gewalt, und aus welchen Gründen hat die Bundesregierung einen entsprechenden Rechtsanspruch nicht in den von ihr vorgelegten Entwurf des Bundesteilhabegesetzes aufgenommen? Nach § 9 Absatz 2 Satz 1 SGB XII bzw. § 104 Absatz 2 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch – SGB IX – (ab 2020) ist Wünschen der Leistungsberechtigten , die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, zu entsprechen, soweit sie angemessen sind. Danach ist dem Wunsch nach gleichgeschlechtlicher Pflege und Assistenz grundsätzlich zu entsprechen. 16. Wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag vorschlagen, das erweiterte polizeiliche Führungszeugnis, das seit Beginn des Jahres 2017 von Personen vorgelegt werden muss, die haupt- oder ehrenamtlich in Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen arbeiten, so zu erweitern, dass nachgewiesen ist, dass die entsprechende Person nicht wegen sexueller Belästigung (§ 184i des Strafgesetzbuchs – StGB), Straftaten aus Gruppen (§ 194j StGB) oder der Herstellung und dem Verkauf von Nacktaufnahmen Minderjähriger (§ 201a Absatz 3 StGB) verurteilt ist? Wenn nein, warum nicht? Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zum Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG sind vom Deutschen Bundestag Änderungsanträge beschlossen worden, mit denen der Straftatenkatalog des § 124 Absatz 2 SGB IX in der ab dem 1. Januar 2020 geltenden Fassung sowie der Straftatenkatalog des § 75 Absatz 2 SGB XII mit dem Inkrafttreten des KJSG um die Straftatbestände der §§ 184i und 184j sowie um den Straftatbestand des § 201a Absatz 3 Strafgesetzbuch erweitert werden soll. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333