Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 13. Juli 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/13133 18. Wahlperiode 17.07.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Nicole Maisch, Kai Gehring, Harald Ebner, Friedrich Ostendorff und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/13052 – Maßnahmen zur Überwindung von Tierversuchen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach wie vor werden jedes Jahr rund 3 Millionen Tiere in deutschen Laboren für Versuche „verbraucht“. In dieser offiziellen Statistik sind die auf „Vorrat“ gehaltenen und getöteten Tiere und die im Rahmen der Genmanipulation entstehenden „Ausschusstiere“ noch nicht einmal mitgezählt. Insbesondere in der Grundlagenforschung werden immer mehr Tiere verwendet. Auch werden immer mehr Tiere gentechnisch verändert, um neue Forschungsmöglichkeiten zu schaffen. Ein breites gesellschaftliches Ziel ist es, Tierversuche konsequent zu reduzieren und schnellstmöglich überflüssig zu machen. In den vergangenen Jahren wurden vielversprechende tierfreie Versuchsmethoden und Versuchsverfahren entwickelt , um Tierversuche zu ersetzen. Doch nach wie vor ist die staatliche Förderung von tierversuchsfreier Forschung sehr gering. Hier gilt es, mehr Mittel in die Erforschung und Weiterentwicklung zu investieren. Insgesamt ist ein Paradigmenwechsel notwendig, bei dem der Tierversuch nicht länger „Goldstandard “ ist. Im Auftrag des niederländischen Landwirtschaftsministeriums wurde im Dezember 2016 das Gutachten „Transition to non-animal research“ vom „Niederländischen Nationalen Komitee für den Schutz von Tieren, genutzt für wissenschaftliche Zwecke“ herausgegeben. In dem Strategiepapier werden klare Ziele für den Ausstieg und spezifische Empfehlungen zur Beschleunigung des Übergangs von Tierversuchen hin zu innovativen tierleidfreien Forschungsmethoden benannt. Auch werden Maßnahmen für eine Abschaffung gesetzlich vorgeschriebener Tierversuche (wie etwa für Chemieprodukte oder Pestizide) bis 2025 sowie ein 10-Jahres-Plan für den Bereich der Grundlagenforschung vorgeschlagen . Bei der angewandten Forschung soll der Fokus auf menschliche Modelle für menschliche Krankheiten gelegt werden (siehe https://english. ncadierproevenbeleid.nl/). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13133 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Auch in Deutschland wäre es möglich, eine solche Gesamtstrategie aufzustellen – mit klaren Maßnahmen, Ziel- und Zeitvorgaben, inklusive der notwendigen Überarbeitung der rechtlichen Bestimmungen. Ein im April 2016 von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Auftrag gegebenes Gutachten hat 18 gravierende Mängel bei der Umsetzung der EU- Tierversuchsrichtlinie in nationales Recht festgestellt. Dazu zählt unter anderem , dass Behörden in Deutschland nicht die Möglichkeit haben, eine unabhängige und unparteiische Schaden-Nutzen-Abwägung vorzunehmen, dass Tierversuche in Deutschland bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung nur der Anzeigeund nicht der Genehmigungspflicht unterliegen sowie dass schwerst belastende Tierversuche nicht eingeschränkt wurden, obwohl diese laut EU-Richtlinie nur im Einzelfall zulässig sein sollten. Das Gutachten wurde auch an die Bundesregierung sowie die Europäische Kommission zur Prüfung übersandt. Diese scheint nach wie vor nicht abgeschlossen zu sein. Die bestehenden Missstände können jedoch umgehend behoben werden. 1. Wie viele Tiere wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2014 und 2015 jeweils für Versuchszwecke gezüchtet, gehalten und ggf. getötet , ohne dass sie in Tierversuchen eingesetzt wurden (so genannte Vorratshaltung bzw. Überschusszucht) (bitte die Tierzahl nach Geschlecht und Tierart sowie Versuchszweck aufschlüsseln)? Zur Anzahl der in den Jahren 2014 und 2015 für Versuchszwecke gezüchteten, getöteten und nicht in Verfahren verwendeten Tiere liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Nach Artikel 54 Absatz 1 der Richtlinie 2010/63/EU zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere übermitteln die Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission bis zum 10. November 2018 und danach alle fünf Jahre Informationen über die Durchführung dieser Richtlinie. In diesem Zusammenhang sind auch Informationen über Tiere, die gezüchtet, getötet und nicht in Verfahren verwendet werden an die Europäische Kommission zu übermitteln. Über diese Tiere sind nach § 11a Absatz 1 des Tierschutzgesetzes in Verbindung mit § 7 Absatz 1 und 2 der Tierschutz-Versuchstierverordnung in den Versuchstiereinrichtungen Aufzeichnungen zu führen. Die Angaben sind der Europäischen Kommission für das dem Jahr der ersten Vorlage des Berichtes vorangehende Kalenderjahr vorzulegen. Demnach werden die betreffenden Daten erstmals für das Jahr 2017 von den zuständigen Behörden erhoben werden. 2. Wie viele dieser Tiere waren nach Kenntnis der Bundesregierung gentechnisch veränderte Tiere (bitte die Tierzahl nach Geschlecht und Tierart sowie Versuchszweck aufschlüsseln)? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 3. Wie hoch war die Anzahl der Tierversuche nach Kenntnis der Bundesregierung , die für Botulinumtoxin-Präparate A und B in den Jahren 2014 bis 2017 beantragt bzw. durchgeführt wurden? Für die Genehmigung von Tierversuchen sind die Behörden der Länder zuständig . Zur Anzahl der im Zeitraum 2014 bis 2017 beantragten bzw. durchgeführten Versuchsvorhaben liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13133 4. Welche Fortschritte wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2015 gemacht bei der Weiterentwicklung von tierversuchsfreien Testmethoden für Botulinumtoxin B, welchen Beitrag hat die Bundesregierung hierzu geleistet ? Auf Initiative Deutschlands wird in der Monographie „Botulinumtoxin Typ B zur Injektion“ des Europäischen Arzneibuchs der Tierversuch zur Testung auf anomale Toxizität gestrichen. Ein entsprechender Vorschlag wurde im April 2017 zur Kommentierung durch die Fachkreise veröffentlicht. Die Bundesregierung unterstützt seit vielen Jahren intensiv jegliche Bestrebungen der pharmazeutischen Industrie, Alternativmethoden zum LD50 (mittlere letale Dosis)-Test zu entwickeln und zur Anwendung zu bringen. So werden hierzu wissenschaftliche Beratungsverfahren durch die Zulassungsbehörde angeboten. Zudem werden im Paul-Ehrlich-Institut (PEI) seit dem Jahr 2013 tierversuchsfreie Testmethoden zur Aktivitätsbestimmung der Botulinumtoxine A und B entwickelt . Die Methode für Botulinumtoxin B wurde im Jahr 2016 in einer internationalen Fachzeitschrift veröffentlicht*. Die Methodenentwicklung und interne Validierung wurden durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme „Alternativmethoden zum Tierversuch “ finanziert (Förderkennzeichen 031A210). In Vorbereitung sind darüber hinaus die folgenden weiterführenden Untersuchungen : Studie zum direkten in vitro/in vivo Vergleich (Beginn 2017), Transferierbarkeitsstudie (Beginn 2017) und Internationale Ringstudie (Beginn 2018). Auf Basis der Ergebnisse dieser Studien wird die Aufnahme der Alternativmethode in das Europäische Arzneibuch zum Ersatz des derzeit geforderten Tierversuchs zur Aktivitätsbestimmung der Botulinumtoxine A und B angestrebt. 5. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung bzw. haben die zuständigen Bundesministerien unternommen, um eine adäquate Einbeziehung und Beteiligung von Interessensvertretern aus Tierschutz, Industrie, Wissenschaft und anderen Bereichen beim Deutschen Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) und seinen fünf Kompetenzbereichen sicherzustellen, und welche Maßnahmen sollen weiter ergriffen werden? Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nimmt die Aufgaben des „Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R)“ wahr. Für die Arbeiten des BfR stellt das BfR-Gesetz die maßgebliche Rechtsgrundlage dar. Demnach erfolgen die Arbeiten des Bf3R unbeeinflusst und unabhängig von politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen. Das Bf3R mit seinen Kompetenzbereichen wird zukünftig wissenschaftlich beraten durch die ernannten Mitglieder des BfR-Expertenpools für das Prüfrichtlinienprogramm der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) und des Expertenpools des Nationalen Ausschusses nach § 15a des Tierschutzgesetzes sowie durch die ernannten Mitglieder der Bf3R-Kommission. Vertreter des Bf3R berichten in den Sitzungen der Tierschutzkommission beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Ferner arbeiten Beschäftigte des BfR im Rahmen der Erfüllung gesetzlicher Aufgaben in natio- * Toxicology In Vitro. 2016 (34), Seiten 97-104 (siehe auch unter: www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0887233316300492). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13133 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode nalen und internationalen Gremien und Arbeitsgruppen mit, in denen ein wissenschaftlicher fachlicher Austausch sichergestellt ist. Auch die aktive und regelmäßige Teilnahme an wissenschaftlichen Tagungen, Symposien und Kongressen gewährleistet einen fachlichen Austausch. 6. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung bzw. haben die zuständigen Bundesministerien unternommen, um eine adäquate Einbeziehung und Beteiligung von Interessensvertretern aus Tierschutz, Industrie, Wissenschaft und anderen Bereichen in der Bf3R-Kommission sicherzustellen, und welche Maßnahmen sollen weiter ergriffen werden? Die Etablierung des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren ist mit der Erfüllung neuer gesetzlicher Aufgaben und umfangreichen strukturellen Veränderungen verbunden. Um diesen neuen Aufgaben gerecht zu werden, wird eine Bf3R-Kommission ins Leben gerufen, welche die bisherige Kommission der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (ZEBET) ersetzen wird. Die Aufgaben und Arbeiten der Bf3R-Kommission werden durch eine Geschäftsordnung geregelt. Demnach werden in dieser Kommission unabhängige Sachverständige ausschließlich aufgrund ihrer wissenschaftlichen Expertise vertreten sein. Im Rahmen eines öffentlichen Aufrufs konnten sich Sachverständige um eine Mitgliedschaft in der Bf3R-Kommission (Bewerbungsfrist: 15. Mai 2017) bewerben. Die Auswahl der zukünftigen Mitglieder geschieht auf Basis eines transparenten Auswahlverfahrens und endet in der Berufung der Mitglieder durch den Präsidenten des BfR. 7. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung bzw. haben die zuständigen Bundesministerien unternommen, um eine adäquate Einbeziehung und Beteiligung von Interessensvertretern aus Tierschutz, Industrie, Wissenschaft und anderen Bereichen im Nationalen Ausschuss Tierschutzgesetz sicherzustellen , und welche Maßnahmen sollen weiter ergriffen werden? Gemäß § 15a des Tierschutzgesetzes nimmt das BfR die Aufgaben des Nationalen Ausschusses nach Artikel 49 der Richtlinie 2010/63/EU wahr. Für die Arbeiten des BfR stellt das BfR-Gesetz die maßgebliche Rechtsgrundlage dar. Demnach erfolgen auch die Arbeiten des Nationalen Ausschusses unbeeinflusst und unabhängig von politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen. Derzeit richtet das BfR einen Expertenpool ein, um dem Nationalen Ausschuss einen schnellen Zugriff auf ein breites Fachwissen zu ermöglichen. Dieser Expertenpool wird sich aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Bereichen der Naturwissenschaften, Rechtswissenschaften, Tier- und Humanmedizin und Ethik sowie Tierhausleiterinnen und Tierhausleitern und staatlich geprüften Tierpflegerinnen und Tierpflegern in leitender Position zusammensetzen. In diesem Zusammenhang fand vom 1. Februar bis 31. Mai 2017 eine erste öffentliche Ausschreibung statt. Aktuell werden die eingegangenen Bewerbungen für den Expertenpool begutachtet. Die Aufnahme in den Expertenpool richtet sich dabei nach objektiven und transparenten Kriterien (siehe auch: www.bfr.bund.de/cm/343/auswahlkriterienexpertenpool .pdf). Unter anderem müssen die Bewerberinnen und Bewerber ihr Fachwissen durch Vorlage entsprechender Unterlagen und Publikationen nachweisen . Eine Bewerbung steht allen Personen offen, die die relevante Expertise nachweisen können, unabhängig von der Zugehörigkeit zu Interessenverbänden. Die Ausschreibung soll in regelmäßigen Abständen wiederholt werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13133 8. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung aufgrund der bisherigen retrospektiven Bewertungen von Tierversuchen vor? Wofür werden die Ergebnisse von der Bundesregierung konkret genutzt, und wem werden sie zur Verfügung gestellt? Plant die Bundesregierung hierfür eine behördeninterne Datenbank aufzustellen , so dass die Behörden diese Erkenntnisse nutzen können? Für die Genehmigung von Tierversuchen sind die Behörden der Länder zuständig . Im Rahmen des Genehmigungsprozesses haben die zuständigen Behörden in bestimmten Fällen (Tierversuche, in denen Primaten verwendet wurden oder die als schwer belastend eingestuft wurden) eine rückblickende Bewertung von Versuchsvorhaben durchzuführen. Außerdem können die zuständigen Behörden bei weiteren genehmigungspflichtigen Tierversuchen entscheiden, dass eine rückblickende Bewertung durchgeführt wird. Der Bundesregierung liegen keine Informationen zu oder Erkenntnisse aus den bisher durchgeführten rückblickenden Bewertungen vor. Die Regelungen zur rückblickenden Bewertung in § 35 der Tierschutz-Versuchstierverordnung sind auf § 8 Absatz 5 des Tierschutzgesetzes gestützt. Diese Ermächtigung umfasst nicht die Befugnis, eine Übermittlung der rückblickenden Bewertungen durch die zuständigen Behörden an das BMEL und/oder deren Sammlung bzw. Nutzung im Rahmen einer Datenbank zu regeln. Davon unberührt bleibt die Möglichkeit der Übermittlung von Informationen zwischen Behörden im Wege der Amtshilfe unter Beachtung der Vorgaben des Verwaltungsverfahrensrechts und des Datenschutzrechts. 9. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem vom niederländischen Landwirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Gutachten „Transition to non-animal research“ und der darin beschriebenen Strategie zum Abbau von Tierversuchen? 10. Wie will die Bundesregierung auf den Plan der Niederlande, bis 2025 führend auf dem Gebiet der tierversuchsfreien Forschung zu werden, reagieren, um hier nicht den Anschluss zu verpassen? 11. Plant die Bundesregierung, ein vergleichbares Gutachten in Auftrag zu geben , um eine solche Strategie aufzustellen, wenn nein, warum nicht? Warum hat sie dies in der Vergangenheit nicht getan? 12. Teilt die Bundesregierung die Überzeugung der Fragesteller, dass eine nationale Strategie zur Verringerung von Tierversuchen und zum Übergang zu tierfreier Forschung aufgestellt werden sollte? Wenn ja, welche Überlegungen und Pläne hat die Bundesregierung hierfür aufgestellt? Wenn nein, warum nicht, und welche konkreten Maßnahmen bereitet die Bundesregierung stattdessen vor zur Stärkung tierfreier Forschung? Die Fragen 9 bis 12 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Bei dem in Bezug genommenen „Gutachten“ handelt es sich um eine Stellungnahme des Nationalen Ausschusses für den Schutz von für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tieren der Niederlande gemäß Artikel 49 der Richtlinie 2010/63/EU an den Niederländischen Minister für Landwirtschaft, die unabhängig vom für Tierversuche zuständigen Ministerium der Niederlande vorgelegt Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13133 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode wurde. Wie die Stellungnahme vom niederländischen Landwirtschaftsministerium bewertet wird, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Im Hinblick auf die Ankündigung des niederländischen Nationalen Ausschusses, bis zum Jahr 2025 auf Tierversuche komplett verzichten zu können, wird auf die Einschätzung der Europäischen Kommission verwiesen, der zufolge die Vorgaben der Richtlinie 2010/63/EU noch nicht lange genug in Kraft sind, um seriöse Aussagen hinsichtlich eines Zeitpunktes zu machen, bis zu dem Tierversuche komplett ersetzt werden können. Der Erlass nationaler Maßnahmen, die über die Vorgaben der Richtlinie 2010/63/EU hinausgehen, ist den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 2 der Richtlinie nicht gestattet. Die Tierwohlinitiative des BMEL „Eine Frage der Haltung – neue Wege für mehr Tierwohl“ greift bereits zentrale Maßnahmen der in der Stellungnahme des niederländischen Nationalen Ausschusses genannten Strategie auf. So werden vom BMEL verschiedene Projekte initiiert und unterstützt, die zum Ziel haben, Tierversuche möglichst schnell durch alternative Methoden zu ersetzen bzw. die Anzahl verwendeter Versuchstiere zu reduzieren. Dazu gehören unter anderem die Errichtung und der Betrieb des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren , die Forschungsförderung durch das BfR, die Unterstützung der Stiftung zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zur Einschränkung von Tierversuchen sowie die jährliche Vergabe des Tierschutzforschungspreises des BMEL. Daneben wird die Entwicklung von Alternativmethoden zum Tierversuch auch im Rahmen des beim BMBF angesiedelten Forschungsschwerpunktes „Ersatzmethoden zum Tierversuch“ seit dem Jahr 1980 in rund 530 Projekten mit über 170 Mio. Euro Fördermitteln unterstützt. Durch diese Förderung konnte die Entwicklung innovativer Ansätze bereits entscheidend vorangetrieben werden. Die beschriebene Förderung durch BMEL und BMBF sowie der Betrieb des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren sind weltweit einzigartig. Sie werden fortgeführt und stellen die Grundlage für die Erforschung und Entwicklung innovativer, tierversuchsfreier Verfahren dar. 13. Wie viele staatliche Mittel wurden in den letzten zehn Jahren pro Jahr für die biomedizinische Forschung zur Verfügung gestellt, und wie viel davon (auch prozentual) für die tierversuchsfreie Forschung? Eine Darstellung der Mittel, die laut Bundeshaushalt speziell für die Forschung im Bereich Biomedizin zur Verfügung standen, ist nicht möglich. Einerseits vergibt die Bundesregierung Mittel für Forschungsprojekte, die vielfältigen Zwecken dienen und in der Regel nicht kategorisch einem einzelnen Forschungsbereich zugeordnet werden können. So sind die Ausgaben für biomedizinische Forschung in der Leistungsplansystematik des Bundes in den Ausgaben für den Förderbereich „Gesundheitsforschung und Gesundheitswirtschaft“ enthalten (siehe auch: Bundesbericht Forschung und Innovation 2016, EB I Tab. 5, sowie Daten- Portal des BMBF, Tab. 1.1.5). Andererseits wird auch nicht gesondert erhoben, welcher Anteil der Ausgaben für tierversuchsfreie Forschung zur Verfügung gestellt wird. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/13133 14. Welchen Stand hat die Überprüfung der Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie (EU-Richtlinie 2010/63) in nationales Recht (insbesondere auch in Deutschland) durch die Europäische Kommission nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit, und wann soll die Überprüfung abgeschlossen sein? 15. Welche Rückmeldungen hat die Bundesregierung bislang wann von der Europäischen Kommission zur Umsetzung der Richtlinie in Deutschland bekommen , welche konkreten Punkte einer nicht richtlinienkonformen Umsetzung wurden von der Europäischen Kommission beanstandet? Wann ist dies erfolgt? 16. Wann wurde die Bundesregierung von der Europäischen Kommission um welche Stellungnahmen zu welchen konkreten Regelungsaspekten bzw. Fragen gebeten? Hat die Bundesregierung hierauf Rückmeldungen durch die Europäische Kommission bekommen? Wenn ja, bitte darlegen. Die Fragen 14 bis 16 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung hat die Richtlinie 2010/63/EU durch die Änderung des Tierschutzgesetzes und den Erlass der Tierschutz-Versuchstierverordnung im Jahr 2013 in nationales Recht umgesetzt. Die Europäische Kommission prüft seit dem Jahr 2014 nicht anlassbezogen die Umsetzung der Richtlinie in allen Mitgliedstaaten . Im Juni 2016 ist die Europäische Kommission an die Bundesregierung herangetreten und hat um Übermittlung von konkreten Details zur Umsetzung der Richtlinie gebeten. In ihrer Mitteilung gab die Europäische Kommission an, dass sie sich ein vollständiges Bild der Situation der Umsetzung in Deutschland machen wolle. Die entsprechenden Details hat die Bundesregierung der Europäischen Kommission im September 2016 übermittelt. Die Beurteilung durch die Europäische Kommission steht noch aus. Der Bundesregierung liegen keine Informationen dazu vor, wann diese Beurteilung abgeschlossen sein wird. 17. Inwiefern hält die Bundesregierung einen Anstieg der Tierversuche (Fütterungsversuche ) aufgrund des Leitfadens der European Food Safety Authority (EFSA) zur ab Januar 2018 geltenden novellierten Verordnung über neuartige Lebensmittel (Novel Food) für ethisch vertretbar – auch angesichts der Tatsache, dass sich einige der Lebensmittel bereits seit langem auf dem Markt befinden? 18. Wie hoch schätzt die Bundesregierung Anzahl und Art der Tiere ein, die zukünftig für diese Versuche in Deutschland verwendet werden, wie sieht dies insbesondere bei subchronischen Toxizitätsversuchen aus? Die Fragen 17 und 18 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat im Zusammenhang mit der novellierten Verordnung über neuartige Lebensmittel (Verordnung (EU) 2015/2283) den Leitfaden für die Vorlage von Anträgen auf Zulassung von neuartigen Lebensmitteln überarbeitet. Danach erfolgt die Risikobewertung von neuartigen Lebensmitteln in Anlehnung an den EFSA-Leitfaden für Anträge zur Bewertung von Lebensmittelzusatzstoffen in einem stufenweisen Verfahren, bei dem jeweils im Einzelfall zu entscheiden ist, ob und ggf. welche Tierversuche Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13133 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode erforderlich sind. Dabei wird auf der Basis der verfügbaren Informationen und der Ergebnisse von Studien, die ggf. auf der ersten Stufe des Bewertungsverfahrens durchzuführen sind, entschieden, ob und ggf. welche weitergehenden Studien auf der nächsten Stufe des Verfahrens erforderlich sind, um bestimmte gesundheitliche Aspekte abzuklären. So wird beispielsweise das genotoxische Potenzial zunächst nur an Bakterien und Zellkulturen untersucht, und erst wenn die Ergebnisse dieser Studien nicht eindeutig negativ sind, werden Genotoxizitätstests an Mäusen oder Ratten erforderlich. Das Erfordernis von Tierversuchen richtet sich bei diesem stufenweisen Verfahren der Risikobewertung somit nach dem gesundheitlichen Risiko, das sich aus bereits verfügbaren Daten ableiten lässt. Damit sollen einerseits ein hohes gesundheitliches Schutzniveau erreicht und andererseits Tierversuche möglichst vermieden werden. Die Bundesregierung hält dieses Verfahren für nachvollziehbar und angemessen. Da Anträge auf Zulassung von neuartigen Lebensmitteln und das Erfordernis von Tierversuchen jeweils im Einzelfall zu prüfen sind, lässt sich Anzahl und Art der Tierversuche bei der Bewertung von neuartigen Lebensmitteln nicht vorhersagen. 19. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über die diesbezüglichen Abschätzungen der EFSA sowie der Europäischen Kommission vor? Dazu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 20. Inwiefern kann nach Ansicht der Bundesregierung eine Übertragbarkeit dieser Tierversuchsergebnisse auf den Menschen sichergestellt werden? Tierversuche dürfen nur durchgeführt werden, wenn sie zur Erreichung des angestrebten Ziels unerlässlich sind. Die zuständigen Behörden der Länder prüfen in jedem Einzelfall die Zulässigkeit der beantragten Versuchsvorhaben auf der Grundlage der Bestimmungen des Tierschutzrechts. Auf diese Weise ist u. a. sichergestellt , dass ein Tierversuch zum Erreichen eines zulässigen Zwecks (z. B. Ausschluss möglicher Gefährdungen von Menschen) unerlässlich ist und die für die Beurteilung der sicheren Anwendung von Produkten bei Menschen geeigneten Informationen liefert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333