Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 3. August 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/13258 18. Wahlperiode 04.08.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Corinna Rüffer, Kerstin Andreae, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/13043 – Barrierefreiheit in der Privatwirtschaft V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Behinderte Menschen stoßen im Alltag schnell an die Grenzen der gleichberechtigten Teilhabe. Der Restaurantbesuch, der Ausflug ins Kino, zu einem Konzert oder der Arztbesuch können für Menschen mit Beeinträchtigungen schwierig und im schlimmsten Fall unmöglich werden, wenn Gebäude nicht barrierefrei sind. Dabei haben behinderte Menschen das gleiche Recht auf den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten . So steht es in Artikel 1 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die auch von Deutschland unterzeichnet wurde. Barrieren ergeben sich natürlich nicht nur durch Stufen, Treppen oder andere Hindernisse, die die Fortbewegung einschränken. Sie entstehen auch, wenn Webseiten für blinde oder sehbehinderte Menschen nicht lesbar sind, Veranstaltungen nicht in Gebärdensprache übersetzt werden oder Informationen nicht in Leichter Sprache zur Verfügung stehen. Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) regelt in Deutschland Barrierefreiheitsanforderungen , allerdings nur für den öffentlich-rechtlichen Bereich. Die Koalitionsfraktionen aus CDU, CSU und SPD haben bei der Novellierung des BGG im Jahr 2016 den Privatsektor nicht in den Geltungsbereich des Gesetzes mit aufgenommen. Damit müssen Kinos, Cafés, Arztpraxen etc. weiterhin nicht barrierefrei sein. Im Dezember 2015 legte die Europäische Kommission den „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen“ (Barrierefreiheits-RL; COM(2015) 615 endg.) vor. Die Richtlinie soll dazu beitragen, behinderten Menschen ein breiteres und kostengünstigeres Angebot an barrierefreien Produkten und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch die Richtlinie würden auch private Wirtschaftsakteure wie Hersteller, Händler und Dienstleitungserbringer zur Umsetzung von Barrierefreiheit verpflichtet. Eine Einigung aller Mitgliedstaaten wurde bisher allerdings nicht erzielt, was aus Sicht der Fragesteller auch an der zögerlichen Verhandlungsstrategie und den Vorbehalten der Bundesregierung liegt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13258 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Europäische Kommission hat am 2. Dezember 2015 den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen vorgelegt (RL-Entwurf über die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen oder European Accessibility Act – EAA). Die Bundesregierung begrüßt ausdrücklich das Ziel des Richtlinienentwurfes , über einheitliche Barrierefreiheitsanforderungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr im EU-Binnenmarkt zu verbessern und damit auch die Umsetzung der UN-BRK weiter voran zu bringen. In diesem Sinn setzt sich die Bundesregierung für ein gutes Verhandlungsergebnis zum EAA ein. Dafür muss der Richtlinientext für alle Beteiligten, insbesondere für die betroffenen Wirtschaftsakteure, klar und verständlich formuliert sein. Es müssen sich zudem die administrativen und finanziellen Auswirkungen für die Marktteilnehmer und die beteiligten staatlichen Behörden realistisch einschätzen lassen. Der Richtlinienentwurf wird in der Ratsarbeitsgruppe (RAG) Sozialfragen verhandelt und hat – zuletzt unter maltesischer Präsidentschaft – eine Reihe von Änderungen erfahren. Die Verhandlungen werden derzeit unter estnischer Ratspräsidentschaft fortgesetzt. Die estnische Präsidentschaft hat den Vorschlag unterbreitet , die weiteren Verhandlungen zum Anwendungsbereich abschnittsweise zu führen. Die Bundesregierung begrüßt diese Vorgehensweise und hat dabei abermals umfangreiche Vorschläge eingebracht, um den Textentwurf zu verbessern. Barrierefreiheit durch die Barrierefreiheits-RL der EU 1. Bei welchen konkreten Produkten oder Dienstleistungen im Geltungsbereich der Barrierefreiheits-RL bestehen seitens der Bundesregierung Bedenken hinsichtlich der Anwendbarkeit, und aus welchen Gründen? In Bezug auf den aktuellen Verhandlungsstand (Dokument des Rates Nr. 9483/17 ADD1 vom 24. Mai 2017) hat die Bundesregierung keine Bedenken hinsichtlich der Anwendbarkeit bei Produkten. Einige Formulierungen müssen aus Gründen der Rechtssicherheit jedoch noch weiter präzisiert werden. Im Bereich Dienstleistungen weist die Bundesregierung hinsichtlich von elektronischen Kommunikationsdiensten/Notrufdiensten darauf hin, dass derzeit auch die Überarbeitung des europäischen Rechtsrahmens für die elektronischen Kommunikationsnetze und -dienste („European Electronic Communications Code“, kurz „EECC“) verhandelt wird, der ebenfalls Barrierefreiheitsanforderungen enthält . Hier ist auf Kohärenz der Regelungen zur Barrierefreiheit zu achten. 2. Welche positiven wirtschaftlichen Auswirkungen sind aus Sicht der Bundesregierung durch einheitliche Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen zu erwarten? Derzeit sehen sich die Wirtschaftsakteure uneinheitlichen und häufig widersprüchlichen nationalen Barrierefreiheitsanforderungen gegenüber, so dass sie das Potenzial des Binnenmarkts nicht ausschöpfen können. Die Richtlinie soll dazu beitragen, das Funktionieren des Binnenmarkts weiter zu verbessern und Hindernisse für den freien Verkehr von barrierefreien Produkten und Dienstleistungen zu beseitigen bzw. gar nicht erst entstehen zu lassen. Der Bedarf an barrierefreien Produkten und Dienstleistungen ist groß, und die Zahl der Menschen mit Behinderungen und/oder funktionellen Einschränkungen wird angesichts der Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13258 älter werdenden EU-Bevölkerung noch deutlich steigen. Angesichts der Alterung der Bevölkerung wird davon ausgegangen, dass im Jahr 2020 rund 120 Millionen Menschen in der Europäischen Union mehrfache und/oder leichte Behinderungen haben werden. Wenn der Binnenmarkt für bestimmte barrierefreie Produkte und Dienstleistungen besser funktioniert, kommt dies sowohl diesen Verbrauchern als auch den Unternehmen zugute. 3. Bis wann ist nach Schätzung der Bundesregierung mit einer Einigung zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Barrierefreiheits-RL zu rechnen? Die estnische Ratspräsidentschaft plant, bis zum Dezember 2017 eine allgemeine Ausrichtung über den Richtlinien-Vorschlag zu erreichen. Wie der Fortschrittsbericht der maltesischen Ratspräsidentschaft aufgezeigt hat, wurden bereits einige Fortschritte bei den Verhandlungen in der Ratsarbeitsgruppe erzielt. Letztlich hängt die Frage, wann eine allgemeine Ausrichtung erreicht werden kann, jedoch von der mehrheitlichen Zustimmung der Mitgliedstaaten ab, so dass eine abschließende Einschätzung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich ist. 4. Welche Fragen zum Anwendungsbereich der Richtlinie sind aus Sicht der Bundesregierung noch zu klären, damit der Richtlinienvorschlag wirksam werden kann (s. Antwort auf die Schriftliche Frage 57 der Abgeordneten Corinna Rüffer auf Bundestagsdrucksache 18/12322)? Ein Wirksamwerden der Richtlinie ist nicht allein von der Klärung einzelner Verhandlungspunkte in der Ratsarbeitsgruppe der Mitgliedstaaten (MS) abhängig, sondern vielmehr von der Einigung zwischen Rat und Europäischem Parlament (EP). Daher sind nach der Klärung der restlichen offenen Punkte im Rat auch die Trilog-Verhandlungen mit dem EP abzuwarten. 5. Welche Fragen hinsichtlich der Rechtssicherheit und Verständlichkeit bedürfen aus Sicht der Bundesregierung noch der Klärung (s. Antwort auf die Schriftliche Frage 57 der Abgeordneten Corinna Rüffer auf Bundestagsdrucksache 18/12322)? Hinsichtlich der funktionalen Barrierefreiheitsanforderungen in Anhang I des Richtlinien-Vorschlags ist es wichtig, dass diese möglichst klar und verständlich formuliert sind. Dies ist aus Sicht der Bundesregierung noch nicht durchgängig der Fall. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 6. In welchen anderen EU-Rechtsakten befinden sich bereits Barrierefreiheitsanforderungen , und welche sind aus Sicht der Bundesregierung verbesserungsbedürftig (s. Antwort auf die Schriftliche Frage 57 der Abgeordneten Corinna Rüffer auf Bundestagsdrucksache 18/12322)? Die EU-Vergaberichtlinien 2014/23/EU, 2014/24/EU und 2014/25/EU setzen bereits hohe Standards. Sie wurden zudem gerade erst novelliert und mit Inkrafttreten des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes und der Vergaberechtsmodernisierungsverordnung am 18. April 2016 in deutsches Recht umgesetzt. Die Verordnung zu den EU-Struktur- und Investitionsfonds (VO (EU) 1303/2013 vom 20. Dezember 2013, sog. CPR) enthält in Übereinstimmung mit Artikel 10 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) bereits Barrierefreiheit als Querschnittsziel bei der gesamten Vorbereitung und Umsetzung der ESIF-Pro- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13258 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode gramme. Die sektorspezifische Verordnung sieht ebenfalls bereits eigene Sanktionen vor, bis hin zum Verlust der Fördermittel aus den ESIF, wenn einschlägiges Recht, wie die Verpflichtung zur Barrierefreiheit, nicht beachtet wird. Im Bereich Verkehr sind die Belange von Menschen mit Behinderungen bereits Gegenstand zahlreicher spezifischer EU-Vorschriften. Dies gilt zum Beispiel für die Fahrgastrechte-Verordnungen, die es für alle Verkehrsträger (Luft, Schiene, Wasser, Bus) gibt und in denen es darum geht, dass Fahrgäste mit eingeschränkter Mobilität nicht benachteiligt und ihnen Assistenzleistungen angeboten werden. Daneben gibt es EU-Vorschriften zur Zugänglichkeit von Fahrzeugen zur Personenbeförderung , etwa zu Niederflurbussen, Eisenbahnfahrzeugen und Wasserfahrzeugen , sowie technische Standards, die die Zugänglichkeit von Fahrzeugen verschiedener Verkehrsträger gewährleisten. Im Bereich audiovisueller Medien wird derzeit die entsprechende Richtlinie 2010/13/EU überarbeitet. Diese sah bislang bereits eine Regelung zur Berücksichtigung der Barrierefreiheit vor. In der zuständigen Ratsarbeitsgruppe „Kultur “ haben sich die MS mehrheitlich dafür ausgesprochen, die Regelung zur Barrierefreiheit in der AVMD Richtlinie neu zu regeln. Die MS sind der Auffassung, dass hier mit einer sektorspezifischen Regelung ein angemessener Interessensausgleich zwischen den Belangen behinderter Menschen und der audiovisuellen Medienindustrie besser gestaltet werden kann. Der zeitgleich zum EAA in der Ratsarbeitsgruppe „Telekommunikation“ verhandelte Richtlinienvorschlag zur Überarbeitung des EECC sieht ebenfalls Vorschriften mit Bezug zu Nutzerinnen und Nutzern mit Behinderungen vor, wie z. B. die Gleichwertigkeit hinsichtlich des Zugangs und die Wahlmöglichkeit für Endnutzer mit Behinderung. 7. Welche Vorgaben im Vorschlag der Barrierefreiheits-RL enthalten nach Ansicht der Bundesregierung Regelungen, die den Barrierefreiheitsanforderungen anderer EU-Rechtsakte widersprechen, und wo führt der RL-Vorschlag zu Konkretisierungen und Ergänzungen? Bis auf die bereits geschilderte Problematik hinsichtlich des EECC (siehe Antwort zu den Fragen 4 und 6) enthält die Barrierefreiheits-RL in der derzeit vorliegenden Textfassung grundsätzlich keine Regelungen zur Barrierefreiheit, die schon in anderen EU-Rechtsakten geregelt wurden. Es wird darauf ankommen, bei den weiteren Beratungen noch bestehende kleinere Regelungskonflikte auszuräumen . 8. Wird sich die Bundesregierung in den weiteren Verhandlungen für Änderungen im Bereich audiovisueller Mediendienste einsetzen, und wenn ja, für welche? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung sieht gegenwärtig keine Notwendigkeit für weitere Änderungen im Bereich audiovisuelle Mediendienste (AVMD), nachdem klargestellt wurde, dass Barrierefreiheit im Bereich AVMD in der AVMD-RL geregelt wird, während die Barrierefreiheits-RL den Zugang zu diesen Diensten regelt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13258 9. Bevorzugt die Bundesregierung einen sektoralen (Regelungen in einzelnen Bereichen) oder einen horizontalen Ansatz (alle Bereiche umfassend), um Barrierefreiheitsanforderungen rechtlich zu verankern (bitte begründen)? Für die Bundesregierung ist entscheidend, den Anwendungsbereich der Richtlinie angemessen und wirksam zu gestalten. Fragen der Barrierefreiheit, die bereits in anderen EU-Rechtsakten geregelt wurden oder derzeit geregelt werden, sollten aus Gründen der Rechtsklarheit dort betrachtet und nötigenfalls verbessert werden . Anderenfalls würde es eine Doppelung von Regelungen zum gleichen Sachverhalt geben. Dies würde sowohl die Anwendung als auch die Durchsetzung von Recht erschweren, was nicht im Sinne von Menschen mit Behinderungen sein kann. Im Übrigen spricht auch das im Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der VN-Behindertenrechtskonvention durchgesetzte Disability Mainstreaming für einen sektoralen Ansatz, da die Bundesressorts und die Bundesverwaltung die Belange von Menschen mit Behinderungen im jeweils eigenen Zuständigkeitsbereich berücksichtigen sollen. Nur so kann gewährleistet werden, dass Fragen der Barrierefreiheit durchgehend ressortübergreifend beachtet werden. 10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass für kurzlebige Produkte, wie beispielsweise Mobiltelefone, der vorgesehene Zeitraum von sechs Jahren zur tatsächlichen Anwendung der Barrierefreiheitsanforderungen (Artikel 27 Barrierefreiheits-RL) zu lang ist? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht, da auch Mobiltelefone einen entsprechenden Entwicklungszeitraum benötigen, insbesondere wenn es sich um völlig neue Anforderungen handelt, mit denen die Hersteller bisher noch nicht konfrontiert waren. 11. Wird sich die Bundesregierung in den weiteren Verhandlungen dafür einsetzen , dass Telefondienstleistungen einschließlich der Notrufdienste weiterhin im Geltungsbereich der Richtlinie bleiben (Artikel 3 Absatz 4)? Wenn nein, warum nicht? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 4 und 6 verwiesen (EECC). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lassen die sektorspezifischen Verhandlungen zum EECC einen höheren Detaillierungsgrad erkennen. Wenn sichergestellt ist, dass es zu keiner Doppelregulierung kommt, wäre es aus Sicht der Bundesregierung vertretbar , dass Telefondienstleistungen einschließlich der Notrufdienste im Geltungsbereich der Richtlinie verbleiben. 12. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die in der Barrierefreiheits- RL genannten Bestimmungen zur Durchsetzung der Bestimmungen der Richtlinie (Artikel 25), wie die Einrichtung von Beschwerdestellen, konkretisiert werden müssen, um eine Umgehung der Vorgaben zu verhindern? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung wird sich im Rahmen der künftigen Verhandlungen für eine sachgerechte Konkretisierung der Bestimmungen in Artikel 25 Absatz 2 des Richtlinienvorschlags einsetzen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13258 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 13. An welche Gerichte oder Verwaltungsbehörden werden sich Verbraucherinnen und Verbraucher im Falle einer Annahme der Richtlinie mit Beschwerden wenden können, wenn Vorschriften der Richtlinie nicht eingehalten werden ? Wer in Deutschland über Klagen bzw. Beschwerden aufgrund mangelnder Umsetzung der Vorgaben aus der Richtlinie entscheiden wird, bestimmt sich nach nationalem Recht unter Einschluss der noch zu erlassenden Umsetzungsrechtsakte . Anknüpfungspunkt werden die bewährten Regelungen des Rechtsschutzes in Deutschland sein. 14. Ist es aus Sicht der Bundesregierung notwendig, Artikel 12 der Barrierefreiheits -RL, welcher besagt, dass „die Barrierefreiheitsanforderungen den betreffenden Wirtschaftsakteuren keine unverhältnismäßige Belastung auferlegen dürfen“, weiter zu konkretisieren? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, auf welche Weise? 15. Welche konkrete Ausgestaltung plant die Bundesregierung für die in der Barrierefreiheits-RL genannten Maßstäbe (Größe, Ressourcen und Art der Wirtschaftsakteure) zur Sicherstellung der Verhältnismäßigkeit von Barrierefreiheitsanforderungen , um eine Balance zwischen den Rechten behinderter Menschen auf Barrierefreiheit und den Bedürfnissen der Wirtschaft und den Unternehmen herzustellen? Die Fragen 14 und 15 werden gemeinsam beantwortet. Es ist derzeit unklar, in welcher Höhe Mehraufwand noch als verhältnismäßig gilt. Die Bundesregierung hat diese Frage bereits mehrfach in den Sitzungen der Ratsarbeitsgruppe Sozialfragen an die Europäische Kommission gestellt, ohne bislang eine zufriedenstellende Antwort zu erhalten. Diese Problematik wird daher auch Gegenstand der weiteren Verhandlungen sein. 16. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu Kosten der Entwicklung neuer barrierefreier Produkte im Vergleich zur Entwicklung nichtbarrierefreier Produkte? Grundsätzlich können Entwicklungskosten mit jedem zu berücksichtigendem Parameter steigen, ebenso wie die Konformitätsbewertung Ressourcen in Anspruch nimmt. Die Höhe der Kosten hängt dabei von vielen Faktoren ab, unter anderem auch davon, inwieweit die jeweiligen Produkte bereits jetzt einzelne barrierefreie Funktionen beinhalten. Über das Ausmaß solcher Mehrkosten aufgrund der vorgeschlagenen Anforderungen liegt der Bundesregierung keine fundierte Erkenntnis vor. Die Bundesregierung hat daher wiederholt eine aussagekräftigere und auf solider Faktenlage basierende Folgenabschätzung gefordert. Bisherige Bilanz der Novelle des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) 17. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher eingeleitet, um sicherzustellen , dass die von ihr institutionell geförderten Zuwendungsempfängerinnen und Zuwendungsempfänger gemäß § 23 der Bundeshaushaltsordnung die Grundzüge des BGG anwenden? 18. Wie viele und welche Zuwendungsempfängerinnen und Zuwendungsempfänger gemäß § 23 der Bundeshaushaltsordnung werden vom Bund institutionell gefördert? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/13258 19. Welche der institutionell geförderten Zuwendungsempfängerinnen und Zuwendungsempfänger haben bereits Schritte zum Abbau von Barrieren unternommen ? Die Fragen 17, 18 und 19 werden gemeinsam beantwortet. Derzeit erhalten 100 Empfängerinnen und Empfänger institutionelle Zuwendungen des Bundes. Hinsichtlich der Benennung wird auf den Bundeshaushaltsplan verwiesen. Das Erreichen von Barrierefreiheit ist, weder in den Bundesbehörden selbst, noch bei den institutionell geförderten Zuwendungsempfängerinnen und -empfängern ein Ziel, welches sich vollumfänglich von heute auf morgen erreichen lässt. Daher verpflichtet das Bundesgleichstellungsgesetz (BGG) auch die Bundesbehörden selbst schrittweise (z. B. im Hinblick auf die Bereiche Bau und Informationstechnik ) zum Abbau von Barrieren. Es bedarf sowohl für diese aber ebenso für Zuwendungsempfängerinnen und -empfänger gemäß § 1 Absatz 3 BGG, die die Grundzüge des BGG anwenden sollen, längerfristiger Anstrengungen, denen sich die Bundesregierung mit Überzeugung stellt. § 1 Absatz 3 BGG regelt selbst als zu ergreifende Maßnahme, dass bei Erteilung neuer Zuwendungsbescheide die geförderten Institutionen zur Anwendung der Grundzüge des BGG verpflichtet werden. Diese Regelung wird seitens der Bundesregierung so umgesetzt, dass durch den Bund institutionell geförderte Einrichtungen bei der Erteilung neuer Bescheide verpflichtet werden, die Grundzüge des BGG anzuwenden. Bereits aus den Gesetzesmaterialien zum BGG ergibt sich, dass die Frage, welche Vorschriften im Einzelnen anzuwenden sind, von der jeweiligen institutionellen Zuwendungsempfängerin beziehungsweise dem jeweiligen institutionellen Zuwendungsempfänger abhängt und daher vom Träger öffentlicher Gewalt im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen festgelegt wird (vgl. Bundestagsdrucksache 18/7824, S. 31). Daneben werden hinsichtlich der institutionell geförderten Zuwendungsempfängerinnen und -empfänger weitere Maßnahmen ergriffen, um eine Anwendung der Grundzüge des BGG sicherzustellen. So prüft die Bundesregierung, soweit die institutionell geförderten Zuwendungsempfängerinnen und -empfänger einer Fachaufsicht unterliegen, im Rahmen dieser die Einhaltung der jeweils geltenden Regelungen durch Institutionen. Hierbei wird auch die Anwendung des BGG berücksichtigt . Zur Unterstützung des Umsetzungsprozesses fand eine Informationsveranstaltung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für die Bundesressorts zur Umsetzung des BGG statt, bei der insbesondere über die Bundesfachstelle Barrierefreiheit , die Schlichtungsstelle sowie das Kompetenzzentrum Barrierefreiheit des ITZ Bund informiert wurde. Die Bundesfachstelle Barrierefreiheit steht zudem im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags auch den institutionellen Zuwendungsempfängerinnen und -empfängern des Bundes als kompetente Ansprechpartnerin zu allen Fragen der Barrierefreiheit zur Verfügung. Eine systematische Evaluierung der Schritte zum Abbau von Barrieren bei den Zuwendungsempfängerinnen und -empfängern ist angesichts der Kürze der Zeit seit Inkrafttreten der Novellierung bislang noch nicht erfolgt. Artikel 6 des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts sieht eine Evaluierung innerhalb von sechs Jahren nach Verkündung vor. Eine kurzfristige Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13258 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Abfrage aufgrund der Kleinen Anfrage ergab bislang jedoch, dass die Mehrzahl der geförderten Institutionen bereits Schritte zum Abbau von Barrieren ergriffen hat und kontinuierlich Barrieren abbaut. 20. Bei welchen Verbänden, Einrichtungen oder Unternehmen, an denen der Bund unmittelbar, mittelbar, ganz oder überwiegend beteiligt ist, hat die Bundesregierung bereits darauf hingewirkt, dass sie die Ziele des BGG in angemessener Weise berücksichtigen, und welche Ergebnisse hatten die Bemühungen bisher? 21. An wie vielen und welchen Verbänden, Einrichtungen und Unternehmen ist der Bund ganz oder überwiegend beteiligt? Die Fragen 20 und 21 werden gemeinsam beantwortet. Ausweislich des Beteiligungsberichts 2016 (Stand: 31. Dezember 2015) sind der Bund und seine Sondervermögen unmittelbar an 108 Unternehmen des öffentlichen und des privaten Rechts beteiligt (vgl. Beteiligungsbericht 2016, S. 11). Davon ist der Bund an 62 Unternehmen mit Geschäftstätigkeit, an 16 Genossenschaften und an fünf Unternehmen ohne Geschäftstätigkeit beteiligt, die Sondervermögen verfügen über 25 Beteiligungen (vgl. Beteiligungsbericht 2016, S. 11). Die Beteiligungsgesellschaften sind teilweise zugleich institutionelle Zuwendungsempfängerinnen bzw. -empfänger nach § 23 BHO und damit vom diesbezüglichen Umsetzungsprozess umfasst (vgl. Antwort zu den Fragen 17 bis 19). Eine umfassende Evaluierung von Maßnahmen zur Berücksichtigung der Ziele des BGG in den Beteiligungsgesellschaften kann angesichts der kurzen Geltungsdauer der Novellierung noch nicht vorliegen (vgl. Antwort zu den Fragen 17 bis 19). Eine Ressortabfrage anlässlich der Kleinen Anfrage ergab, dass (zum großen Teil auch bereits vor der Novellierung) von der überwiegenden Zahl der Beteiligungsgesellschaften Maßnahmen zum Abbau von Barrieren ergriffen wurden. Diese reichen von Informationen über die Inhalte der Novellierung des BGG in den Beteiligungsgesellschaften seitens der Gesellschafter bis hin zu umfassenden Programmen zur Barrierefreiheit (hier ist z. B. das inzwischen 3. Programm der Deutschen Bahn AG zur Barrierefreiheit zu nennen). Maßnahmen zur Berücksichtigung der Ziele des BGG wurden insbesondere dann ergriffen, wenn die Belange von Menschen mit Behinderungen offensichtlich in besonderer Weise betroffen sind. Als Beispiel ist hier die Einrichtung der Stiftung Anerkennung und Hilfe zu nennen. Hier wurde vor Errichtung der Stiftung die Meinung von Menschen mit Behinderungen und deren Interessenvertretungen eingeholt. Es fanden Fachgespräche und zwei Anhörungen statt, die wertvolle Hinweise ergaben und im Arbeitsprozess berücksichtigt wurden. Die Leistungen der Stiftung können von den Menschen mit Behinderungen selbstbestimmt eingesetzt werden. Die Voraussetzungen für den Erhalt der Leistungen sind bewusst niederschwellig gestaltet, um auf die besonderen Belange von Menschen mit Behinderungen Rücksicht zu nehmen. Für die Anmeldung auf Leistungen der Stiftung können rechtliche Vertretungen, Betreuer/innen und Vertrauenspersonen als Unterstützung hinzugezogen werden. Das Informationsmaterial der Stiftung, wesentliche Inhalte des Internetauftritts sowie Formulare und Infoblätter sind barrierefrei gestaltet. Der Kontakt mit der Stiftung kann auch über ein Gebärdentelefon sowie eine E-Mail-Adresse für Gehörlose hergestellt werden. Die Anlauf- und Beratungsstellen (AuB-Stellen) sollen von den hierfür zuständigen Ländern barrierefrei gestaltet und barrierefrei erreichbar sein. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/13258 22. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Zwischenbericht der unabhängigen Schlichtungsstelle, wonach bei Konflikten mit Trägern öffentlicher Gewalt, die zwar Bundesgesetze ausführen, aber der Aufsicht nach Landesrecht unterstehen, keine Schlichtung nach §16 BGG möglich ist (Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge : NDV Nr. 97 (6/2017), S. 249 f.)? Dass Träger öffentlicher Gewalt, die der Aufsicht der Länder unterliegen, keine Beteiligten des Schlichtungsverfahrens gemäß § 16 BGG sein können, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, indem § 16 Absatz 2 Satz 1 auf § 1 Absatz 2 Satz 1 BGG Bezug nimmt, und ist Folge des im Grundgesetz festgeschriebenen föderalen Systems. Wie die ersten Erfahrungen der Schlichtungsstelle zeigen, ist die Abgrenzung zwischen Bundes- und Landesverwaltung, insbesondere im Bereich der Sozialversicherungsträger für die Antragstellenden in der Tat oft schwer nachvollziehbar . Soweit Anträge bzw. Anfragen an die Schlichtungsstelle gerichtet werden, die sich gegen Träger öffentlicher Gewalt der Landesverwaltungen richten, bietet die Schlichtungsstelle daher eine Verweisberatung bzw. bei Zustimmung der Antragsteller eine Abgabe an die zuständigen Stellen der Länder an, um den Antragstellern das Ansprechen der zuständigen Stelle zu erleichtern. Die Bundesregierung steht zudem in regelmäßigem Austausch mit den Ländern. Im Rahmen der letzten Bund-Länder-Referentenbesprechung im Juni 2017 fand eine Vorstellung der Schlichtungsstelle statt, bei der auch auf den von den Fragestellern angesprochenen Sachverhalt eingegangen wurde. Die Bundesregierung sieht die Schlichtungsstelle als positives Beispiel einer niedrigschwelligen Möglichkeit für die Betroffenen, ihre Rechte aus dem BGG geltend zu machen. Ob die Länder im Rahmen der anstehenden Novellierungen ihrer Landesgleichstellungsgesetze diesem Beispiel folgen oder andere Möglichkeiten schaffen, ist eine Entscheidung, die diese in eigener Zuständigkeit zu treffen haben. 23. Welche Schwierigkeiten sieht die Bundesregierung insbesondere bei der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung, bei denen sowohl Träger existieren, die unter Aufsicht des Bundes stehen, als auch Träger, die unter Aufsicht der Länder stehen, und wie wird sie diese ggf. beheben? Die Aufteilung der Verwaltungszuständigkeit (und somit auch der Aufsichtszuständigkeiten ) zwischen Bund und Ländern im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung , der gesetzlichen Rentenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung beruht auf verfassungsrechtlichen Vorgaben (Artikel 87 Absatz 2 Grundgesetz). Um möglichst einheitliche Standards in Bund und Ländern zu gewährleisten , stehen das Bundesversicherungsamt und die zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder im ständigen Dialog und sind bemüht, ihre Aufsichtspraxis in den Grenzen des geltenden föderalen Systems zu koordinieren. Zu diesem Zweck werden verschiedene Verfahren genutzt, bei denen das Bundesversicherungsamt eine zentrale Rolle einnimmt. Durch Rundschreiben, gemeinsame Arbeitspapiere und fachspezifische Bund-Länder-Arbeitsgruppen wird auf eine einheitliche Auslegung des geltenden Sozialversicherungsrechts hingewirkt. Insbesondere führen die Aufsichtsbehörden einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch im Rahmen halbjährlicher Tagungen durch. In vielen Fällen kann durch diese Maßnahmen ein abgestimmtes Aufsichtshandeln erreicht werden. Konkrete Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13258 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Divergenzen aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung, die Fragen der Barrierefreiheit betreffen würden, sind der Bundesregierung aktuell nicht bekannt . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333