Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 4. August 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/13266 18. Wahlperiode 07.08.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Pau, Jan Korte, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/13160 – Antisemitische Straftaten im zweiten Quartal 2017 V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Zahl der antisemitischen Straftaten bewegt sich in der Bundesrepublik Deutschland weiter auf einem hohen Niveau. Es ist zu beobachten, dass der militante Rechtsextremismus unverhohlen zur Schändung jüdischer Einrichtungen aufrufen und jüdische Personen offen bedrohen kann. Der ehemalige NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt äußerte sich beispielsweise über das Holocaust-Mahnmal in Berlin: „Für uns ist das kein Holocaust -Gedenkmal, sondern wir bedanken uns dafür, dass man uns dort jetzt schon die Fundamente der neuen deutschen Reichskanzlei geschaffen hat“ (ARD-Sendung REPORT MAINZ vom 4. Oktober 2004). Es ist aber auch zu beobachten, dass immer mehr Personen und Organisationen aus dem konservativen Lager und aus der Grauzone zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus offen dazu übergehen, den Holocaust zu leugnen und antisemitische Hetze zu betreiben. In seiner Abschiedsvorlesung am 21. Oktober 2010 im Lichthof der Technischen Universität Berlin äußerte Prof. Dr. Wolfgang Benz zu anderen Formen des Antisemitismus: „Akut ist der Antizionismus, der an sich nicht mit Antisemitismus gleichgesetzt werden darf, sich aber durch fanatische Parteinahme gegen Israel und durch die Übernahme von judenfeindlichen Stereotypen und Argumentationsmustern (‚Weltherrschaftsstreben‘, Verschwörungsphantasien) zu einer aktuellen Sonderform der Judenfeindschaft entwickelt hat, die derzeit größte Verbreitung findet. Der Nahost-Konflikt hat mit der zweiten Intifada eine Dimension weitab vom eigentlichen Schauplatz Israel/Palästina erhalten. Die Solidarisierung junger Muslime mit den Palästinensern in Frankreich und Belgien , den Niederlanden und Großbritannien, Staaten mit einem verhältnismäßig großen Bevölkerungsanteil arabisch-islamischer Herkunft, äußert sich nicht nur in israelfeindlicher Propaganda und in Demonstrationen bis hin zu Ausschreitungen , es wird dabei auch traditioneller Antisemitismus instrumentalisiert.“ Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13266 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass sich alle Zahlen aufgrund von Nachmeldungen und Korrekturen noch (teilweise erheblich) verändern werden, zumal Meldeschluss für die von den Ländern erhobenen Fallzahlen gegenüber dem Bundeskriminalamt erst der 31. Januar 2018 ist. Seit dem 1. Januar 2017 werden auf Beschluss der Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder politisch motivierte Straftaten in nunmehr fünf Phänomenbereichen erfasst. Auf Empfehlung der Bund-Länder Arbeitsgruppe Kriminalpolizeilicher Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität wird der bisherige Phänomenbereich PMK-Ausländer in zwei Phänomenbereiche – PMK-Ausländische Ideologie und PMK -Religiöse Ideologien – ausdifferenziert. Hintergrund dieser Anpassung ist folgender: Der Phänomenbereich PMK-Ausländer soll die wesentlichen aus dem Ausland stammenden ideologischen Hintergründe der Tat abbilden. Da für die Zuordnung die Herkunft der Ideologie und nicht die Nationalität/Herkunft des Täters maßgebend ist, war diese begriffliche Anpassung angezeigt. Neben weltlichen Ideologien sind Straftaten mit religiös motiviertem/legitimiertem Hintergrund in den besonderen Fokus der öffentlichen und sicherheitsbehördlichen Wahrnehmung gerückt. Da dieses Phänomen sich erheblich von den anderen Phänomenbereichen der PMK unterscheidet, ist eine gesonderte Abbildung entsprechender Straftaten in einem eigenständigen Phänomenbereich erforderlich (Differenzierungen hinsichtlich der Religion bzw. Religionsgruppe sind weiterhin über die unterschiedlichen Themenfelder ersichtlich ). 1. Wie viele antisemitische Straftaten wurden im zweiten Quartal 2017 verübt (bitte nach Anzahl, Art und Motivation der Straftat und Bundesländern aufschlüsseln )? Im zweiten Quartal 2017 wurden insgesamt 183 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund gemeldet. Darunter waren sechs Gewalttaten und 29 Propagandadelikte . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13266 Verteilung der Politisch motivierten Kriminalität mit antisemitischem Hintergrund : PMK-rechts PMK-links PMK-Ausländische Ideologie PMK- Religiöse Ideologie PMK- Nicht zuzuordnen Land Gewalttaten Sonstige Straftaten Gewalttaten Sonstige Straftaten Gewalttaten Sonstige Straftaten Gewalttaten Sonstige Straftaten Gewalttaten Sonstige Straftaten BB 0 6 0 0 0 0 1 0 0 2 BE 1 46 0 0 1 1 0 2 0 4 BW 0 10 0 0 0 0 0 1 0 1 BY 0 23 0 0 0 1 0 0 0 0 HB 0 2 0 0 0 0 0 0 0 0 HE 0 5 0 0 0 0 0 0 0 0 HH 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 MV 1 3 0 0 0 0 0 0 0 0 NI 0 19 0 0 0 0 0 0 0 1 NW 0 13 0 0 0 0 0 0 0 0 RP 0 9 0 0 0 0 0 0 0 0 SH 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 SL 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 SN 0 11 0 0 0 1 0 0 0 0 ST 2 8 0 0 0 0 0 0 0 1 TH 0 4 0 0 0 0 0 0 0 1 Summe 4 161 0 0 1 3 1 3 0 10 2. Wie viele Tatverdächtige wurden wegen antisemitischer Straftaten im zweiten Quartal 2017 festgenommen (bitte nach Bundesländern, Art und Motivation der Straftaten aufschlüsseln)? Zu den im zweiten Quartal 2017 erfassten 183 politisch motivierten Straftaten mit antisemitischem Hintergrund wurden insgesamt 91 Tatverdächtige ermittelt. Es gab eine Festnahme und es wurde kein Haftbefehl erlassen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13266 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Verteilung der ermittelten Tatverdächtigen und festgenommenen Personen: PMK-rechts PMK-links PMK-Ausländische Ideologie PMK- Religiöse Ideologie PMK- Nicht zuzuordnen Land T VF H T VF H T VF H T VF H T VF H BB 6 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 BE 6 1 0 0 0 0 2 0 0 1 0 0 2 0 0 BW 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 BY 18 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 HB 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 HE 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 HH 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 MV 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 NI 9 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 NW 6 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 RP 5 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 SH 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 SL 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 SN 13 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 ST 11 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 TH 3 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 Summe 83 1 0 0 0 0 3 0 0 1 0 0 4 0 0 T = Tatverdächtige, VF = vorläufige Festnahme, H = Haftbefehle Eine Auswertung der Verteilung von Tatverdächtigen auf Straf- und Gewaltdelikte erfolgt bei vorläufigen Zahlen nicht. 3. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden wegen antisemitischer Straftaten im zweiten Quartal 2017 eingeleitet (bitte nach Bundesländern, Art und Motivation der Straftaten aufschlüsseln)? 4. In wie vielen Fällen wurden die Ermittlungen eingestellt (bitte nach Bundesländern , Art und Motivation der Straftaten aufschlüsseln)? 5. Wie viele Personen wurden wegen antisemitischer Straftaten in diesem Zeitraum zu welchen Strafen verurteilt (bitte nach Bundesländern, Art und Motivation der Straftaten aufschlüsseln)? Die Fragen 3, 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Hierzu liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. Auf die Antwort der Bundesregierung vom 27. April 2006 zur Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Rechtsextreme Gewalttaten und Ermittlungsverfahren gegen rechtsextremistische Straftäter in den Jahren 2003, 2004 und 2005“ auf Bundestagsdrucksache 16/1353 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13266 6. Wie viele Personen wurden bei Überfällen mit antisemitischer oder zu vermutender antisemitischer Motivation a) leicht verletzt, b) schwer verletzt bzw. c) getötet (bitte nach Bundesländern und Motivation der Straftat aufschlüsseln)? Im zweiten Quartal 2017 wurden drei Personen (Berlin: zwei und Sachsen-Anhalt : eine) infolge von einer politisch rechts motivierten Straftat mit antisemitischem Hintergrund verletzt. Eine Person (Berlin) wurde infolge einer antisemitischen Straftat verletzt, die dem Phänomenbereich PMK-Ausländische Ideologie zugeordnet wurde. Eine weitergehende Differenzierung hinsichtlich des Verletzungsgrades ist den Angaben des kriminalpolizeilichen Meldedienstes „Politisch motivierte Kriminalität “ nicht zu entnehmen. Es wurde kein Todesopfer gemeldet. 7. Welcher materielle Schaden entstand bei den antisemitischen Straftaten (bitte nach Schadenshöhe, Art der Motivation und Bundesländern aufschlüsseln )? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. 8. Welche gezielten bundesweiten Operationen der Polizei hat es wegen überregionaler antisemitischer Straftaten mit welchem Ergebnis gegeben? Die Bundesregierung erteilt keine Auskünfte zu operativen polizeilichen Maßnahmen im Rahmen von Ermittlungsverfahren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333