Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 4. August 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/13268 18. Wahlperiode 07.08.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Martina Renner, Dr. André Hahn und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/13164 – Bilanz des Aussteigerprogramms für Linksextremisten des Bundesamtes für Verfassungsschutz 2014 bis 2016 V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit 2011 betreibt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ein sogenanntes Aussteigerprogramm für Linksextremisten. Der Arbeitsaufwand, den die dafür zuständigen Nachrichtendienstmitarbeiter mit der umworbenen Klientel haben, war in der Vergangenheit recht übersichtlich. Bis Anfang 2014 wurden lediglich insgesamt 41 Kontaktaufnahmen über die Hotline verzeichnet (vgl. Bundestagsdrucksachen 17/11412 und 18/572). Davon ging allerdings fast die Hälfte unmittelbar nach Einrichtung des Aussteigertelefons ein, meist handelte es sich dabei um Journalisten oder Off-Topic-Querulanten. Die Zahl der Anrufer sank 2012 auf 15 und 2013 auf 5. In den ersten zweieinhalb Jahren seines Bestehens konnte das Aussteigerprogramm in einem einzigen Fall vermelden, es habe zum Ausstieg einer Person aus der autonomen Szene beigetragen, ohne dass die Art der behördlichen Beihilfe hierzu umfangreich dargelegt wurde. Die Fragestellerinnen und Fragesteller sehen sich durch diese Zahlen in ihrer bereits dargelegten Annahme bestätigt, dass Personen, die aus linken Organisationen aussteigen wollen, dies einfach tun. Dafür genügt es in der Regel, Gruppenplena zu vermeiden, woanders als in der „Volxküche“ zu speisen oder das „junge Welt“-Abo zu kündigen – dies sind Handlungen, zu denen Personen, die in der linken Szene aktiv waren, offenbar auch ohne Hilfe des Inlandsnachrichtendienstes imstande sind. Wer sein Engagement in linken Zusammenhängen beenden will, will offenbar auch nicht die Hilfe des Nachrichtendienstes beim Aufbau eines neuen Freundeskreises oder bei der Suche nach einem Arbeitsplatz in Anspruch nehmen. Wenn die Bundesregierung ausführt, es handele sich bei diesem Aussteigerprogramm ohne Aussteiger „trotz der zahlenmäßig überschaubaren Anzahl von ernsthaften Anrufern […] um eine sinnvolle Komponente einer mehrdimensionalen Bekämpfungsstrategie und zur Wiedereingliederung von ausstiegswilligen Linksextremisten in die Mehrheitsgesellschaft“, interpretieren die Fragestellerinnen und Fragesteller dies als Wunschdenken. Für die Aufrechterhaltung des Programms sind aus ihrer Sicht eher zwei andere Punkte wichtig: Zum einen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13268 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode das Prinzip, am „extremismustheoretischen“ Ansatz festzuhalten, der eine Gleichbehandlung von islamistischem sowie neofaschistischem „Extremismus“ mit vermeintlichem „Linksextremismus“ auch dann vorgibt, wenn er offensichtlich keinen konkreten Nutzen hat, zum anderen die Hoffnung, den einen oder anderen V-Mann in der linken Szene anzuwerben. In der Annahme, dass angesichts geringer Fallzahlen der Arbeitsaufwand leicht zu bewältigen sein wird, bitten die Fragestellerinnen und Fragesteller um eine umfassende, vollständige und einzelfallbezogene Beantwortung der nachfolgenden Fragen. 1. Wie viele Kontaktaufnahmen hat das Aussteigerprogramm seit Beantwortung der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/572 verzeichnet (bitte nach Jahren aufgliedern)? Im Jahr 2014 gab es sieben Kontaktaufnahmen zum Aussteigerprogramm für Linksextremisten (AP LEX). Im Jahr 2015 gab es vier Kontaktaufnahmen zum AP LEX. Im Jahr 2016 gab es sieben Kontaktaufnahmen zum AP LEX. Im bisherigen Verlauf des Jahres 2017 gab es zehn Kontaktaufnahmen zum AP LEX. a) Wie erfolgten diese Kontaktaufnahmen (bitte Medium angeben, ob telefonisch oder per E-Mail oder anderweitig)? Die Kontaktaufnahmen erfolgten ausschließlich per E-Mail oder Telefon. b) Wie viele Kontaktaufnahmen erfolgten von Personen, bei denen eine Ausstiegsbereitschaft angenommen wurde, und wie viele von Angehörigen solcher Personen (bitte für den Fall von Mehrfachtreffern angeben, um wie viele ausstiegswillige Personen es sich bei sämtlichen Kontaktaufnahmen insgesamt handelte)? Bei 19 Kontaktaufnahmen konnte von einer Ausstiegsbereitschaft ausgegangen werden. Eine Kontaktaufnahme erfolgte von einem Angehörigen einer ausstiegsbereiten Person. c) Wie viele Kontaktaufnahmen erfolgten aus anderen Gründen (Journalistenanfragen , Off-Topic usw.)? Bei drei Kontaktaufnahmen handelte es sich um Scherzanrufe. Fünf Kontaktaufnahmen erfolgten aus anderen Gründen (drei Kontaktaufnahmen von Journalisten , jeweils eine Kontaktaufnahme von Schülern und von einem Angehörigen einer Universität). 2. Wie viele der ausstiegswilligen Personen, die Kontakt aufnahmen bzw. deren Angehörige Kontakt aufnahmen, waren zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme mit Ermittlungsverfahren konfrontiert oder befanden sich in Haft? Eine ausstiegswillige Person befand sich zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme in Haft. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13268 3. Welches sind „überzeugende Gründe“ für den Ausstieg aus der linken Szene (vgl. Antwort zu Frage 1d der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/11412), und wie ermitteln die Mitarbeiter des BfV, ob diese Gründe vorliegen? Überzeugende Gründe für den Ausstieg liegen vor, wenn sich ein Ausstiegswilliger glaubhaft von Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung distanziert und entsprechende Personen- und Organisationsstrukturen der linken Szene verlassen will. Die für den Phänomenbereich Linksextremismus zuständigen Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) überzeugen sich, ggf. in mehreren Gesprächen, von der Ernsthaftigkeit der Motivation der ausstiegswilligen Person. 4. Welche Gründe haben die ausstiegswilligen Personen bzw. deren Angehörige für die Kontaktaufnahme mit dem BfV angegeben? Welchen konkreten Hilfsbedarf haben sie genannt? Sofern die Gründe von der einer ausstiegswilligen Person angegeben worden sind, waren es psychische oder soziale Probleme. Hilfsbedarf wurde bei Fragen im Zusammenhang mit Wohnortwechseln oder der Arbeitssuche genannt. 5. Welche Angaben machten ausstiegswillige Personen – falls es sie gab –, warum sie nicht einfach aussteigen, sondern um Hilfestellung des BfV bitten? a) Worin genau liegt bei diesen Anrufern die Hilfebedürftigkeit (bitte vollständig aufzählen)? Sofern ausstiegswillige Personen hierzu Angaben gemacht haben, bestand bei den Anrufern Bedarf nach intensiver Beratung insbesondere zu Angeboten zur Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII). Vereinzelt fühlten sich Ausstiegswillige auch durch Bekannte aus dem linksextremistischen Personenspektrum bedroht. b) Welche Angebote hat das BfV gemacht, praktische Hilfe zu leisten? Das BfV hat in persönlichen Gesprächen die Vermittlung geeigneter Gesprächspartner angeboten. c) Inwiefern wurden diese Angebote in der Folge auch tatsächlich umgesetzt (bitte Fallzahlen nennen und Art der Hilfestellung konkret darlegen)? d) Welche Kosten sind dabei entstanden (inkl. Fahrtkostenerstattung für die kontaktierenden Personen)? e) Sofern keine praktische Umsetzung erfolgte, warum nicht? Zu der Frage, inwiefern die Angebote in der Folge auch tatsächlich umgesetzt wurden, liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 6. Wie viele Erstkontaktaufnahmen führten zu Folgegesprächen? Sechs Erstkontaktaufnahmen führten zu Folgegesprächen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13268 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Wie viele Personen sind letztlich – nach Einschätzung der Bundesregierung – mit Hilfe des BfV aus der linken Szene ausgestiegen, und worin lag in diesen Fällen die Rolle des Aussteigerprogramms? a) Aus welchen Bundesländern stammen diese Personen, wie viele sind weiblich oder männlich, und welche Angaben kann die Bundesregierung zur Altersstruktur machen? b) Wie viele dieser Personen waren zum Zeitpunkt ihrer Kontaktaufnahme mit Ermittlungsverfahren konfrontiert bzw. in Haft (bitte Gründe angeben und darlegen, inwiefern das Ermittlungsverfahren zu einer Strafe führte)? c) In welchen Spektren waren diese Personen zuvor aktiv, und was ist deren politisches Markenzeichen? d) Welche Funktion hatten diese Personen in diesen Spektren? e) Wie lange hatten sie diesen Spektren angehört? f) Worin genau lag in diesen Fällen der Unterstützungsbedarf, inwiefern wurde diesem entsprochen, und welche Kosten sind dabei entstanden (bitte vollständig anführen)? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, in welchen Fällen der Kontakt zum BfV zu einem dauerhaften Ausstieg geführt hat. 8. Ist der Bundesregierung bekannt geworden, dass es im Bereich der linken Szene zu Fememorden oder Aufrufen dazu gegen Aussteiger kommt (bitte ggf. darlegen)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 9. Konnten manche der Personen, die Kontakt aufnahmen, als V-Leute angeworben werden, und wenn ja, wie viele? Keine der Personen, die im Kontext des Aussteigerprogramms Kontakt zum BfV aufnahmen, wurde als V-Person angeworben. Dies würde den Zielen des Aussteigerprogramms widersprechen und wird nicht praktiziert. 10. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der bisherigen Arbeit des Aussteigerprogramms für dessen weitere Konzipierung bzw. Arbeit ? Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 8 der Kleinen Anfrage „Erfahrungen mit dem „Aussteigerprogramm für Linksextremisten“ des Bundesamtes für Verfassungsschutz ein Jahr nach seinem Start“ der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/11412 wird verwiesen. 11. Ist der Bundesregierung bekannt, dass laut Analysen des Bundeskriminalamtes ein hoher Anteil von Straftaten z. B. gegen Flüchtlingsunterkünfte von Personen unternommen werden, die nicht pauschal dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen sind? Wie bewertet sie in diesem Zusammenhang Tendenzen zu Rassismus und Gewaltbereitschaft in der sogenannten Mitte der Gesellschaft? Aus dem Lagebild Nr. 13 „Straftaten gegen Asylunterkünfte“ des Bundeskriminalamtes mit Stand vom 7. April 2017 geht hervor, dass der überwiegende Anteil der im Jahr 2016 festgestellten Tatverdächtigen den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder vor Begehung des relevanten Deliktes gegen eine Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13268 Asylunterkunft nicht als Rechtsextremisten bekannt waren. Eine darüber hinaus gehende Beantwortung der Frage kann seitens der Bundesregierung nicht erfolgen , da aus der Fragestellung nicht ersichtlich ist, welche weiteren Analysen des Bundeskriminalamtes gemeint sind. Die Asylthematik ist Gegenstand des gesellschaftlichen Diskurses sowie der medialen Berichterstattung. Die Entwicklung der Asylantragszahlen und der damit verbundenen Verteilung von Asylbewerbern kann zu einer Erhöhung des Konfliktpotenzials im direkten Umfeld führen. Die Problematik ist geeignet, vermeintlich „Betroffene“ des bürgerlichen Spektrums zu mobilisieren – daher sind in Einzelfällen auch Straftaten emotionalisierter Einzeltäter, die keinerlei ideologische Anbindung an rechte Strukturen haben, einzukalkulieren. Die Bundesregierung verurteilt Anschläge auf Asylbewerber und auf Einrichtungen , in denen Asylbewerber oder Flüchtlinge unterkommen, aufs Schärfste. Menschen , die aus ihrer Heimat geflohen sind und in Deutschland Schutz suchen, können zu Recht erwarten, dass sie sicher untergebracht sind. Alle in unserer Gesellschaft und auch die Politik tragen die gemeinsame Verantwortung, sich gegen ein stilles Einverständnis oder auch bloß stilles Hinnehmen solcher Anschläge durch eine Minderheit in unserer Gesellschaft deutlich zu positionieren. 12. Erwägt die Bundesregierung, ein Aussteigerprogramm für Extremisten der Mitte aufzulegen (bitte begründen)? In der Bundesrepublik Deutschland obliegt den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder die Beobachtung sämtlicher extremistischer Bestrebungen , also Aktivitäten mit der Zielrichtung, die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu beseitigen. Dazu gehört auch die Durchführung von Aussteigerprogrammen . Verfassungsfeindliche Aktivitäten werden in den Phänomenbereichen Links- und Rechtsextremismus, der „Reichsbürger und Selbstverwalter“, des Islamismus/islamistischen Terrorismus, der extremistischen Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) und der Scientology-Organisation bearbeitet. Für die Einrichtung eines weiteren Phänomenbereichs sieht die Bundesregierung derzeit keine Erforderlichkeit. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333