Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 4. August 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/13305 18. Wahlperiode 08.08.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Caren Lay, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/13129 – URENCO-Uran für Dual-Use-Atomreaktoren der USA zur Herstellung von Tritium für Atomwaffen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Medienberichten zufolge (vgl. www.defensenews.com/articles/commentary-thelooming -crisis-for-us-tritium-production) gibt es seit Jahren in den USA eine Diskussion, wie die Tritium-Versorgung für Atomsprengköpfe künftig sichergestellt werden könne, nachdem im Jahr 2013 die letzte nationale Urananreicherungsanlage geschlossen wurde. Tritium ist als Zusatz in den Atomwaffen erforderlich, um deren Wirksamkeit zu steigern. Da Tritium eine Halbwertzeit von nur rund 12 Jahren hat, muss es regel-mäßig erneuert werden. Nachdem diese Tritium-Erzeugung früher in reinen Militärreaktoren erfolgte, wurde in den USA im Jahr 2002 entschieden, die künftige Tritium-Erzeugung in dem Block 1 des zivilen bzw. zur Stromerzeugung betriebenen AKW Watts Bar 1 der Tennessee Valley Authority (TVA) durchzuführen. Damit wurde ein kommerzieller Atomreaktor von den USA gleichzeitig auch für das Atomwaffenprogramm (Dual Use) genutzt und die Trennung zwischen militärischer und „friedlicher“ Nutzung aufgehoben. Im April 2017 teilte die TVA nunmehr mit, dass künftig die Tritium-Erzeugung in den je zwei Reaktor-Blöcken der Atommeiler Watts Bar und Sequoyah stattfinden solle (vgl. www.tva.gov/file_source/TVA/Site%20Content/Environment/ Environmental%20Stewardship/Environmental%20Reviews/Production%20of %20Tritium%20in%20a%20Commercial%20Light%20Water%20Reactor/2017- 06463.pdf). Hintergrund dieser Entscheidung ist offenbar auch, dass es bei der Tritium-Erzeugung durch die besonderen Brennstäbe zu erhöhten Abgaben von Tritium in das Kühlwasser und an die Umwelt kommt, sodass zur Einhaltung der Grenzwerte eine Verteilung der Tritium-Produktion auf mehrere Reaktoren erforderlich ist. Außerdem teilte die TVA mit, dass für die Belieferung der je zwei Atomreaktoren Watts Bar und Sequoyah künftig angereichertes Uran von der Firma URENCO bezogen werden soll. Dazu ist ein Vertrag im Wert von 500 Mio. US-Dollar geschlossen worden. Darüber berichtet u. a. die „Tagesschau“ (vgl. www. tagesschau.de/wirtschaft/uran-usa-deutschland-103.html). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13305 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode In einer Meldung von „Nuclear Intelligence Weekly“ vom 12. Mai 2017 (online nicht verfügbar) heißt es, der Vorstand von TVA „also approved a $500 million enriched uranium product contract with Urenco’s US subsidiary, also through 2030 and for the same four reactors – two at Sequoyah and two at Watts Bar. These are the four reactors that TVA announced last month may host tritiumproducing burnable absorber rods that when irradiated will produce tritium for the US nuclear weapons program (NIW Nov. 21’14).“ Im Rahmen der Diskussion über die künftige Tritium-Versorgung hat laut einem 2014 veröffentlichten Bericht des US-Department of Energy (vgl. www. gao.gov/assets/670/666505.pdf) offenbar die deutsch-niederländisch-britische URENCO, die seit Mitte der 2000er Jahre in New Mexico eine eigene Urananreicherungsanlage aufgebaut hat, eine juristische Prüfung vorgenommen, ob das auf die „friedliche“ Atomenergienutzung beschränkte Unternehmen angereichertes Uran liefern könnte, auch wenn aus dem Einsatz der mit URENCO-Uran hergestellten Brennelemente Tritium für die US-Atomwaffen hergestellt wird. Demnach wird in diesem juristischen Gutachten im Jahr 2005 festgestellt, dass URENCO trotz der Tritium-Erzeugung als Lieferant in Frage kommt. Das Joint Committee – ein im Rahmen des Vertrages von Almelo eingerichtetes Kontrollorgan über die URENCO, in dem die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland, der Niederlande und Großbritanniens vertreten sind, soll nach dem genannten Bericht des US-Department of Energy dieser Rechtsauffassung bereits im Jahr 2005 zugestimmt haben. Nach Artikel 2 Satz 2 des Vertrags von Almelo besteht im Joint Committee das Einstimmigkeitsprinzip und damit ein Veto-Recht für die drei Staaten. In dem genannten „Tagesschau“-Bericht heißt es: „Der frühere URENCO-Chef Helmut Engelbrecht hatte 2015 in einem Interview mit der Wirtschaftswoche erklärt: ‚Alles, was mit angereichertem Uran und mit der Anreicherungstechnologie zu tun hat, ist Gegenstand der Überwachung und Kontrolle durch die Regierungen .‘“ 1. Welches Ressort der Bundesregierung verantwortet Angelegenheiten in Bezug auf URENCO federführend, und – sofern dies nicht deckungsgleich ist – welches Ressort entsendet jeweils den oder die deutschen Vertreterinnen und Vertreter in das Joint Committee? Innerhalb der Bundesregierung ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Sachen URENCO federführend. 2. Gibt es innerhalb der Bundesregierung ein Gremium (bzw. eine Runde von Vertreterinnen und Vertretern der befassten Ressorts), die die deutsche Position für anstehende Entscheidungen im Joint Committee vorab festlegt? Wenn ja, welche Bundesministerien sind mit wie vielen Vertreterinnen und Vertretern auf welcher Ebene (Referatsleiterin/Referatsleiter, Abteilungsleiterin /Abteilungsleiter u. Ä.) dabei vertreten? Wenn nein, nach welchem Verfahren wird dann eine deutsche Position gefunden ? Es gibt innerhalb der Bundesregierung kein gesondertes Gremium zur Vorbereitung des Gemeinsamen Ausschusses. Dort behandelte Themen werden in den zwischen den Ressorts laufenden Kontakten und Geschäftsgängen je nach Bedarf erörtert und abgestimmt. Die Verfahren dafür sind in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien geregelt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13305 3. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung zutreffend, dass URENCO ein Rechtsgutachten über die Möglichkeit erstellt hat, angereichertes Uran an die USA bzw. an die TVA zu liefern, auch wenn damit in einem zivilen Reaktor Tritium für Atomwaffen erzeugt wird? Wenn nein, worauf beziehen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die genannten US-Quellen dann? Wenn ja, wann ist dieses Gutachten aus welchem Grund und mit welchen rechtlichen Begründungen angefertigt worden? 4. Aus welchen Gründen hat nach Kenntnis der Bundesregierung URENCO ein solches Gutachten bzw. eine solche Stellungnahme angefertigt, und hatte das Joint Committee bzw. der Ständige Ausschuss vor der Erstellung dieses Gutachtens bzw. der Stellungnahme Kenntnis davon, dass URENCO ein solches Gutachten anfertigen will? Wenn ja, welche? Wenn nein, wäre das nicht angesichts der Problematik erforderlich gewesen? 5. Zu welchem Zeitpunkt lag welchen Ressorts der Bundesregierung das Gutachten jeweils vor? 6. Zu welchem Zeitpunkt haben sich die mit URENCO befassten Ressorts in welcher Form (gemeinsame Sitzung, Umlaufverfahren o. Ä.) mit dem Gutachten befasst? 7. Hat die Bundesregierung über das URENCO-Gutachten hinaus noch ein eigenes Gutachten erstellt bzw. erstellen lassen, und kam dieses Gutachten zu den gleichen Schlüssen wie das URENCO-Gutachten? Wenn nein, an welchen Punkten unterschieden sich die beiden Gutachten in den Schlüssen (bitte detailliert ausführen)? 8. Wann genau und mit welchem Ergebnis hat sich das Joint Committee bzw. der Gemeinsame Ausschuss (Vertrag von Almelo) mit dieser rechtlichen Stellungnahme der URENCO befasst? 9. Ist die Bundesregierung bereit, das Rechtsgutachten von URENCO den Mitgliedern des Deutschen Bundestages zugänglich zu machen? Wenn ja, wann? Wenn nein, welche Gründe macht die Bundesregierung dabei geltend? Die Fragen 3 bis 9 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Bundesregierung liegt kein solches Rechtsgutachten vor. Ihr ist nicht bekannt , worauf sich die in der Vorbemerkung von den Fragestellern genannten US- Quellen beziehen. Über die Beratungen der Regierungen im Gemeinsamen Ausschuss wurde mit den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich bei der völkerrechtlichen Konstituierung dieses Gremiums gemäß dem Vertrag von Almelo strenge Vertraulichkeit vereinbart. Dementsprechend kann die Bundesregierung auch keine etwaigen Gutachten oder Stellungnahmen kommentieren, die dem Regierungsausschuss seinerzeit vorgelegen haben könnten. Eine Weitergabe von Informationen aus dem Gemeinsamen Ausschuss bedarf der vorherigen Zustimmung der genannten Länder; eine Zustimmung konnte in der Kürze der Zeit nicht erfolgen. Die Bundesregierung hat kein entsprechendes Gutachten erstellt oder erstellen lassen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13305 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. War zusätzlich zum Kontrollgremium im Rahmen des Vertrags von Almelo auch das Kontrollgremium im Rahmen des Vertrags von Washington mit dieser Thematik befasst? Wenn ja, wann, und mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Es besteht kein vergleichbares Kontrollgremium im Rahmen des Vertrags von Washington. 11. Welche Bundesministerien und deren Vertreterinnen und Vertreter waren im Jahr 2005 oder später auf Seiten der Bundesregierung davon informiert, dass URENCO ein solches Rechtsgutachten angefertigt hat, das die Lieferungen von angereichertem Uran für Reaktoren zum Einsatz für die Tritium-Produktion für zulässig erklärte? Auf die Antwort zu den Fragen 3 bis 9 wird verwiesen. 12. Hat es über die Lieferungen von Uran der Firma URENCO zum Einsatz in Watts Bar oder Sequoyah zur Tritium-Erzeugung zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung und Vertreterinnen und Vertretern der US-Regierung Gespräche gegeben, und wenn ja, wann, und wer war daran jeweils beteiligt? Nach Kenntnis der Bundesregierung wird kein von der Firma URENCO geliefertes Material in den Kernkraftwerken Watts Bar oder Sequoyah zur Tritium-Erzeugung genutzt. Die Bundesregierung hat keine gesonderten Gespräche mit der US-Regierung zu diesem Thema geführt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass am Rande anderer Kontakte mit der US-Administration generell das Thema „Tritium“ angesprochen wurde. 13. Ist der Bundesregierung bekannt, dass URENCO mit dem US-amerikanischen Betreiber TVA Verträge zur Lieferung von angereichertem Uran zum Einsatz in den Reaktor-Blöcken Watts Bar 1 und 2 sowie Sequoyah 1 und 2 vereinbart hat? Wenn ja, seit wann, und wie hat die Bundesregierung darüber Kenntnis erlangt ? Nach Kenntnis der Bundesregierung zählt TVA zu den Empfängern von Brennelementen mit von URENCO angereichertem Material und setzt solche Brennelemente nicht zur Herstellung von Tritium ein. 14. Wann waren die zwischen URENCO und der TVA jetzt geschlossenen Verträge zur Lieferung von angereichertem Uran für Watts Bar und Sequoyah Thema im Joint Committee? Fragen des Betriebs, der Aktivitäten und der Kundenbeziehungen von URENCO USA waren und sind verschiedentlich Gegenstand der Aussprachen im Gemeinsamen Ausschuss. Auf die Antwort zu den Fragen 3 bis 9 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13305 15. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund nuklearer Nichtverbreitung , dass die USA die Erzeugung von Tritium zum Einsatz für das militärische Atomwaffenprogramm in zivilen Atomreaktoren betreibt und damit die Grenzen zwischen militärischer und ziviler Nutzung der Atomenergie (Dual Use) mindestens unscharf macht? Die Bundesrepublik Deutschland ist als Vertragsstaat des NVV, des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT) und als Mitglied der IAEO sowie der Nuclear Suppliers Group (NSG) dem Ziel der Nichtverbreitung von Kernwaffen völkerrechtlich verpflichtet. Die IAEO überwacht als internationale Verifikationsbehörde auf Grundlage des USA-IAEO Abkommens von 1977 die zivile Nutzung von Kernmaterial in den USA. Art und Umfang der genauen Verifikation in den USA werden – wie bei anderen zu kontrollierenden Anlagen weltweit – von der IAEO im Detail festgelegt . Die IAEO steht dabei in engem Kontakt mit der Europäischen Kommission (EURATOM Luxemburg). 16. Wann hat die Bundesregierung die Entscheidung getroffen, dass URENCO mit der TVA Verträge zur Belieferung von US-Reaktoren abschließen darf, in denen Tritium für den Einsatz in US-Atomwaffen produziert wird? Die Bundesregierung hat keine solche Entscheidung getroffen. Die weltweite und somit auch die USA umfassende Tätigkeit von URENCO ist gemäß den völkerrechtlichen Vorgaben allein für die friedliche Nutzung der Kernenergie statuiert. Auf die Antwort zu Frage 13 wird verwiesen. Die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) überwacht die mit URENCO-Material belieferten Anlagen im Rahmen ihrer Tätigkeit zur Kernmaterialüberwachung entsprechend dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV). Die amerikanische Regierung ist durch den Vertrag von Washington und Verifikationsabkommen mit der IAEO, einschließlich des USA- IAEO Abkommens von 1977, gebunden. 17. Wann hat das Joint Committee die Verträge zur Lieferung von angereichertem Uran zwischen der TVA und URENCO für den Einsatz in Watts Bar und Sequoyah bewilligt? Ein Aufzeigen der nichtverbreitungspolitischen Parameter war und ist Teil der Erörterungen der Lieferbeziehungen von URENCO USA im Gemeinsamen Ausschuss , aber nicht Bewilligungen im Einzelfall für den US-Markt. Auf die Antworten zu den Fragen 13, 14 und 16 wird verwiesen. 18. Geht die Bundesregierung davon aus, dass das mit Hilfe der URENCO-Lieferungen erzeugte Tritium Verwendung findet in den in Deutschland gelagerten US-Atomwaffen (bitte begründen)? Nach Kenntnis der Bundesregierung gibt es kein mit Hilfe von URENCO-Lieferungen erzeugtes Tritium. Auf die Antwort zu Frage 16 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333