Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 15. August2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/13337 18. Wahlperiode 17.08.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Drucksache 18/13185 – Neue Befunde in den belgischen Atomkraftwerken Tihange 2 und Doel 3 (Nachfragen zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/13125) V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat am 29. Juni 2017 eine Kleine Anfrage zu den neuen Befunden in den belgischen Atomkraftwerken (AKW) Tihange 2 und Doel 3 eingereicht (Bundestagsdrucksache 18/13042), die die Bundesregierung am 12. Juli 2017 beantwortet hat (Bundestagsdrucksache 18/13125). Aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller besteht noch weiterer Klärungsbedarf. Das Atomkraftwerk Tihange ist nicht einmal 60 km und das Atomkraftwerk Doel nur rund 115 km von der deutsch-belgischen Grenze entfernt. Für das Rheinland und insbesondere für die grenznahe StädteRegion Aachen besteht deswegen ein starkes öffentliches Interesse an den Atommeilern. Im Sommer 2012 wurden in Doel 3 und Tihange 2 mehrere tausend Ultraschallanzeigen im Grundmaterial der geschmiedeten Reaktordruckbehälter (RDB) festgestellt. Der RDB ist das Herzstück des Reaktors. In dem Behälter befinden sich die Brennelemente , dort entsteht die nukleare Kettenreaktion. Er ist eine von mehreren Barrieren, die das Austreten radioaktiver Stoffe verhindern sollen. Beide Atommeiler sind weiterhin in Betrieb. Unklar sind nach wie vor der Verbleib von Bestandteilen der entsprechenden Herstellungsdokumentation und die Frage, ob die Reaktoren mit diesem Materialzustand überhaupt genehmigungsfähig gewesen wären. 1. Welche konkreten Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Anzahl bewertungspflichtiger und nicht bewertungspflichtiger Anzeigen in Tihange 2 und Doel 3? Die Kenntnisse der Bundesregierung zu den Anzeigen in den Reaktordruckbehältern von Tihange 2 und Doel 3 beruhen auf den von der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde FANC (Federaal Agentschap voor Nucleaire Controle) seit dem Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13337 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Jahr 2012 veröffentlichten Berichten (www.fanc.be/nl/page/doel-3-tihange-2- indications-de-defauts-dans-l-acier-des-cuves/1488.aspx). 2. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu den unterschiedlichen Bewertungskriterien von bewertungspflichtigen und nicht bewertungspflichtigen Anzeigen aus den Jahren 2014 und 2016/2017, und warum wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die Bewertungskriterien zwischen 2014 und 2016/2017 verändert? Der Bundesregierung liegen keine Kenntnisse über eine Veränderung von Bewertungskriterien zwischen den Untersuchungen im Jahre 2014 und in den Jahren 2016 bis 2017 vor. Da es sich um Wiederholungsuntersuchungen handelt, wurden diese auch unter möglichst unveränderten Prüfbedingungen durchgeführt. Die Bundesregierung verweist im Übrigen auf die Antwort zu Frage 2 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/13125. 3. Warum liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse darüber vor, warum und in welchem konkreten Umfang die Herstellungsdokumentation der RDB der Reaktoren Doel 3 und Tihange 2 fehlt oder unvollständig ist (vgl. Antworten der Bundesregierung zu den Fragen 7 und 8 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/13125)? 4. Beabsichtigt die Bundesregierung, durch Fragen an die belgische Atomaufsicht zu klären, aus welchem konkreten Grund (fehlerhaft/unvollständig dokumentiert etc.) die Anzeigen nicht bei der Abnahmeprüfung der RDB- Schmiederinge gefunden oder dokumentiert wurden und warum dies von der belgischen Atomaufsicht aus der vorliegenden Herstellungsdokumentation nicht mehr nachvollzogen werden kann (wenn nein, bitte erläutern; vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 7 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/12295)? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Die alleinige Zuständigkeit zur Prüfung der Herstellungsdokumentation der Reaktoren Doel 3 und Tihange 2 liegt bei der belgischen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde FANC. Die Bundesregierung verweist im Übrigen auf die Antwort zu Frage 7 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/12295. Weitere Fragen der Bundesregierung haben zu keinen anderen Aussagen von FANC geführt. 5. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass eine vollständige RDB- Herstellungsdokumentation für die aktuelle Sicherheitsbeurteilung der RDB von Doel 3 und Tihange 2 zwingend notwendig ist (wenn nein, bitte erläutern ; vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 11 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/13125)? Die Sicherheitsbeurteilung der Reaktordruckbehälter von Doel 3 und Tihange 2 durch die zuständige atomrechtliche Aufsichtsbehörde FANC beruht nach Kenntnis der Bundesregierung auf den zum Zeitpunkt der Beurteilung vorliegenden Kenntnissen. Die Bundesregierung verweist insoweit auch auf die Antwort zu Frage 9 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/13125. 6. Wie bewertet die Bundesregierung aus sicherheitstechnischer Sicht, dass die Dokumente der RDB-Herstellung unvollständig sind? Welches sind nach Kenntnis der Bundesregierung die sicherheitsrelevanten Bestandteile der RDB-Herstellungsdokumentation, die nicht mehr auffindbar sind (bitte vollständige Angabe)? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13337 7. Warum ist die Bundesregierung noch nicht der Frage nachgegangen, ob die Anzeigen trotz heute fehlender RDB-Herstellungsdokumentation bei der Errichtungs - und/oder Inbetriebnahmegenehmigung berücksichtigt worden sind (bitte erläutern; vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 12 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/13125)? 8. Welche anderen Genehmigungsunterlagen können nach Ansicht der Bundesregierung Hinweise enthalten, ob die Anzeigen bei der Errichtung des AKW berücksichtigt wurden? Sind z. B. die sog. Acceptance reports aus den 1970er Jahren dahingehend geprüft worden (vgl. (2013): Doel 3 – Tihange 2 RPV issue. International Expert Review Board Final Report; www.fanc.fgov.be/GED/00000000/ 3300/3393.pdf)? Sind diese oder andere Unterlagen ebenfalls nicht auffindbar? Falls nein, wurde nach Kenntnis der Bundesregierung der Frage nachgegangen , ob und ggf. welche Hinweise sie hierzu enthalten, und falls ja, mit welchen konkreten Ergebnissen? 9. Wird die Bundesregierung durch Fragen an die belgische Atomaufsicht der Frage nachgehen, ob und ggf. in welchem Umfang die Anzeigen bei der Errichtungs - und/oder Inbetriebnahmegenehmigung berücksichtigt worden sind (wenn nein, bitte erläutern)? Die Fragen 6, 7, 8 und 9 werden gemeinsam beantwortet. Wie bereits in der Vorbemerkung auf Bundestagsdrucksache 18/2670 erläutert, erfüllt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) seinen Schutzauftrag in der Bundesrepublik Deutschland für die Sicherheit der Bevölkerung unter Achtung der alleinigen Zuständigkeit anderer Staaten für Anlagen in dortiger Verantwortung. Die Bundesregierung kann die Vollständigkeit der Genehmigungsunterlagen für belgische Atomkraftwerke nicht bewerten. Dies liegt in der alleinigen Verantwortung der zuständigen belgischen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde FANC. Es wird im Übrigen auf die Antworten zu den Fragen 3, 4 und 5 verwiesen. 10. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Anmerkung eines von der belgischen Atomaufsicht eingesetzten Expertenpanels, dass bereits Zwischenringe aufgrund von Wasserstoffflocken abgelehnt worden sind („Furthermore, it is documented that some other parts, like the transition rings, were rejected exactly because of these hydrogen flakes“, vgl. (2013): Doel 3 – Tihange 2 RPV issue. International Expert Review Board Final Report , www.fanc.fgov.be/GED/00000000/3300/3393.pdf)? 11. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über diese verworfenen Zwischenringe (z. B. Anzahl, Größe und räumliche Verteilung der Anzeigen) und insbesondere über die Unterschiede zwischen den verworfenen Zwischenringen mit Wasserstoffflocken und den ebenfalls von Wasserstoffflocken betroffenen, aber im RDB verbauten Schmiederingen? Die Fragen 10 und 11 werden gemeinsam beantwortet. Nach Kapitel 4.4.4 des von FANC veröffentlichten Berichtes „Safety Case Report , Reactor Pressure Vessel Assessment“ vom 5. Dezember 2012 hat die Bundesregierung Kenntnis über einen verworfenen Übergangsring für Tihange-2. Dies wurde dem Bericht nach auf Wasserstoffflocken zurückgeführt. Darüber hinausgehende Kenntnisse liegen der Bundesregierung hierzu nicht vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13337 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwiefern die belgische Atomaufsichts- und Genehmigungsbehörde in der Errichtungszeit der AKW Tihange 2 und Doel 3 darüber informiert war oder nicht, dass Zwischenringe aufgrund von derartigen Befunden verworfen wurden? Wenn sie darüber informiert war, a) geschah das Verwerfen dieser Zwischenringe nach Kenntnis der Bundesregierung sogar auf Veranlassung der belgischen Atomaufsichts- und Genehmigungsbehörde , b) welche weiteren Konsequenzen zog die belgische Behörde nach Kenntnis der Bundesregierung hinsichtlich anderer RDB-Teile, wie beispielsweise der Anordnung von konkreten Prüfungen anderer RDB-Teile auf Betroffenheit ähnlicher Befunde? 13. Hat die Bundesregierung Kenntnis über weitere Teile, die damals aufgrund von Wasserstoffflocken verworfen wurden? Die Fragen 12 und 13 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Kenntnisse vor. 14. Welche Teile des RDB der AKW Tihange 2 und Doel 3 mit Wasserstoffflockenbefunden hätten nach Kenntnis der Bundesregierung nach damaligem belgischen Regelwerk verworfen werden müssen, wenn sie bei den herstellungsbegleitenden Prüfungen bzw. den betreffenden Prüfungen vor der Inbetriebnahme des AKW Tihange 2 aufgefallen wären? 15. Sofern der Bundesregierung keine Kenntnisse hierzu vorliegen, hat sie die belgische Atomaufsicht hierzu jemals befragt? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wollte die belgische Atomaufsicht betreffende Fragen nicht beantworten , oder konnte sie es nicht (bitte mit der Begründung der belgischen Atomaufsicht, soweit bekannt)? Die Fragen 14 und 15 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung verweist auf die alleinige Zuständigkeit der belgischen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde FANC. Entsprechend der Antwort der Bundesregierung zu Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 18/12295 ließ sich die Frage zu den Befunden bei der Abnahmeprüfung der Schmiederinge aus der vorliegenden Herstellungsdokumentation nicht mehr nachvollziehen. Es wird im Übrigen auf die Antwort zu den Fragen 3 und 4 verwiesen. 16. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob es im belgischen Atomrecht Regelungen gibt, die vergleichbar zu § 17 Absatz 2 bis 5 des Atomgesetzes sind, und wenn ja, welche genau sind dies? Laut belgischem Bericht für die 7. Überprüfungskonferenz der Convention on Nuclear Safety (CNS) (abrufbar unter http://www-ns.iaea.org/downloads/ni/ safety_convention/7th-review-meeting/belgium-nr-7th-rm.pdf) gibt es im belgischen Recht Vorschriften zu Rücknahme und Suspendierung der Genehmigung. Der Bericht enthält insbesondere auf den Seiten 26, 34 und 37 weitere Informationen hierzu. Im Übrigen stellt die Bundesregierung keine Bewertung hinsichtlich der Vergleichbarkeit mit § 17 Absatz 2 bis 5 des Atomgesetzes an. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13337 17. Wird die Bundesregierung alle angesprochenen offenen Fragen zur Herstellungsdokumentation , so, wie sie sich aus dem deutschen Regelwerk ergeben, an die belgische Atomaufsichtsbehörde stellen und auf klare Antworten drängen? Bis wann soll dies ggf. geschehen (wenn nein, bitte erläutern)? Die sicherheitstechnische Bewertung der belgischen Atomkraftwerke liegt in der alleinigen Verantwortung der zuständigen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde FANC. Es ist dabei das belgische Regelwerk zu Grunde zu legen. Die von der Bundesregierung und der Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) gesehenen Fragen beziehen sich nicht auf die Herstellungsdokumentation. Insoweit verweist die Bundesregierung auch auf die Antwort zu Frage 13 auf Bundestagsdrucksache 18/12295. 18. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob nach wie vor nur in Doel 3 das Notkühlwasser vorgewärmt wird, und wenn ja, welche Kenntnisse hat sie darüber, warum das Notkühlwasser in Tihange 2 nicht vorgewärmt wird? Nach Kenntnis der Bundesregierung wird nach wie vor in der Anlage Doel-3, nicht aber in Tihange-2 das Notkühlwasser vorgewärmt. FANC hat die Bundesregierung darüber informiert, dass für keinen der beiden Reaktoren Doel-3 und Tihange-2 eine Erhöhung der Temperatur des Notkühlwassers erforderlich sei, um jeweils den Sicherheitsnachweis nach dem belgischen Regelwerk zu erbringen . Aufgrund des Werkstoffzustandes des Reaktordruckbehälters von Doel 3 sei eine Vorwärmung als Vorsorgemaßnahme festgelegt worden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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