Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 23. August 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/13411 18. Wahlperiode 25.08.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Dr. André Hahn, Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/13285 – Ausweitung von DNA-Analysen in kriminalpolizeilichen Ermittlungen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Drei derzeit geplante Gesetzesanträge würden zusammen zu tiefgreifenden Änderungen in der Strafprozessordnung (StPO), vor allem in § 81 StPO, führen. Alle drei haben mit der Erhebung, Speicherung und Verwendung von DNA- Spuren bzw. -Proben zu tun. Hierbei geht es erstens um die Suche nach „Beinahetreffern“ in polizeilichen DNA-Datenbanken (Entwurf eines Gesetzes zur effektiven und praxistauglichen Ausgestaltung des Strafverfahrens, Bundestagsdrucksache 18/11277). Zweitens geht es um die Bestimmung von äußeren Merkmalen und der sog. biogeografischen Herkunft (Entwurf eines Gesetzes zur Erweiterung des Umfangs der Untersuchungen von DNA-fähigem Material, Bundesratsdrucksache 117/ 1/17). Drittens geht es um eine erhebliche Ausweitung der Datenbasis der DNA-Analyse -Datei (DAD) des Bundeskriminalamtes (BKA), in der die DNA-Identifizierungsmuster (STR-Profile) gespeichert werden. Die Erhebung und Verwendung des sog. genetischen Fingerabdrucks soll der des daktyloskopischen Fingerabdrucks auch erkennungsdienstlich angeglichen und auf alle Deliktarten ausgedehnt werden. Zudem sollen der Richtervorbehalt sowie die Informationsund Begründungspflicht für eine DNA-Entnahme entfallen (Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung von genetischem und daktyloskopischem Fingerabdruck im Strafverfahren, Bundesratsdrucksache 231/17). Die Initiative zur Einführung der erweiterten DNA-Analysen soll laut Medienberichten als Gemeinschaftsprojekt des Bundesministeriums des Innern und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) geplant und ausgestaltet werden. Das BMJV veranstaltete am 21. März 2017 ein interdisziplinär besetztes Symposium, in dem etliche Sachverständige aus wissenschaftlicher , rechtlicher und praktischer Sicht große Bedenken an den Gesetzesänderungen geäußert haben. Sollten alle drei Änderungen dennoch beschlossen werden, würde die Gesetzeslage den Ermittlern weitgehend freie Hand bei der Erhebung und Handhabung von DNA-Proben und -Daten gewähren. DNA-Daten würden dann nicht nur zur Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13411 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Aufklärung von Verbrechen verwendet, sondern auch präventiv zur Gefahrenabwehr . Deutsche Ermittler bräuchten diesen Zugriff weder mit unabhängigen wissenschaftlichen noch mit rechtlichen Instanzen abzustimmen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aller Bürger und Besucher Deutschlands – gerade auch derjenigen ohne Verbindung zu Straftaten – würde damit stark eingeschränkt . Jede der drei Gesetzesänderungen ist aus Sicht der Fragesteller für sich genommen problematisch; aber gerade in ihrem Zusammenwirken bei der Änderung des § 81 StPO erscheinen sie hoch problematisch. Im Folgenden konzentriert sich diese Anfrage hauptsächlich auf die erweiterten DNA-Analyseverfahren, wenngleich vor dem Hintergrund der befürchteten Synergien. Zentrale wissenschaftliche , rechtliche und ethische Probleme der Technologien sowie ihrer Anwendung in polizeilichen Ermittlungen sind zudem derzeit nicht geklärt (vgl. hierzu u. a. Nature: Staubach F et al. (2017), Note limitations of DNA legislation (www. nature.com/nature/journal/v545/n7652/full/545030c.html?foxtrotcallback=true). In befürwortenden Darstellungen werden die Möglichkeiten der neuen Ermittlungsinstrumente weit überschätzt und zugleich die negativen Nebeneffekte marginalisiert oder ganz verschwiegen. Bereits 2008 ergab eine Stichprobenuntersuchung des Datenschutzbeauftragten des Landes Baden-Württemberg, dass 42 Prozent der in der DAD des BKA gespeicherten Datensätze nicht den Speicherungskriterien des Gesetzes entsprachen (s. Klingbeil 2011: 5 ff., http:// fingerwegvonmeinerdna.blogsport.eu/files/2011/01/GID_204kl.pdf). 1. Wie viele Einträge befinden sich aktuell in der DAD des BKA, und wie hat sich der Aufbau der DAD seit 1998 entwickelt (bitte jeweils nach Jahr, Personendatensätzen und Spurendatensätzen auflisten)? Mit Stand vom 31. Juli 2017 befanden sich insgesamt 1.183.290 DNA-Muster in der DNA-Analysedatei des Bundeskriminalamts (BKA – DAD). Die nach Personen - und Spurendatensätzen gegliederte Verlaufsliste seit 1998 (jeweils Stand vom 31. Dezember) stellt sich wie folgt dar: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13411 Jahr gesamt Personendatensätze Spurendatensätze 1998 643 403 240 1999 25.204 22.632 2.572 2000 81.214 72.354 8.860 2001 163.398 145.698 17.700 2002 243.496 211.094 32.402 2003 323.637 274.426 49.211 2004 386.899 320.101 66.798 2005 449.115 366.294 82.821 2006 541.405 438.574 102.831 2007 648.644 524.782 123.862 2008 756.989 611.867 145.122 2009 835.275 668.721 166.554 2010 895.941 711.159 184.782 2011 948.867 746.912 201.955 2012 998.661 775.648 223.013 2013 1.048.771 805.856 242.915 2014 1.097.542 832.695 264.847 2015 1.133.973 849.907 284.066 2016 1.167.087 864.630 302.457 2017* 1.183.290 869.435 313.855 * (bis 31. Juli 2017) 2. Wie viele Spur-Spur-Treffer traten seit 1998 auf, und aus welchen Deliktbereichen stammten sie jeweils (bitte nach Jahr, Anzahl und Deliktbereich aufführen )? Zu Spur-Spur-Treffern wird vom BKA nur eine rein zahlenmäßige Statistik geführt , nicht untergliedert nach Delikten. Anderenfalls würde es zu Mehrfachzählungen kommen, wenn beispielsweise eine Spur aus dem Bereich Diebstahlsdelikte auf eine Spur aus dem Bereich Körperverletzung trifft. Dies wäre zahlenmäßig nur ein Treffer, es müssten jedoch beide Deliktsarten gezählt werden, was zu einer verfälschten Statistik führen würde. Die jährliche Anzahl der Spur-Spur-Treffer seit 1998 ist nachfolgend aufgelistet: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13411 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Jahr Spur-Spur-Treffer 1998 12 1999 116 2000 471 2001 814 2002 1.539 2003 1.913 2004 2.543 2005 2.307 2006 2.669 2007 2.821 2008 2.746 2009 2.772 2010 3.054 2011 3.069 2012 3.455 2013 3.917 2014 4.182 2015 5.082 2016 5.642 2017* 3.247 * (bis 30. Juni 2017) 3. Wie viele Spur-Personen-Treffer traten seit 1998 auf, und aus welchen Deliktbereichen stammten sie jeweils (bitte nach Jahr, Anzahl und Deliktbereich aufführen)? Die Übersicht zu den Spur-Personen-Treffen, gegliedert nach Deliktbereichen, ist als Anlage beigefügt. 4. Wie viele Personendatensätze von Personen, die aufgrund eines Verdachtes auf Beleidigung eine DNA-Probe abgeben mussten, befinden sich aktuell in der DAD? Gemäß § 81g Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 5 der Strafprozessordnung (StPO) ist die Speicherung in der DAD anlässlich des Verdachts einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung möglich, wenn wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Die wiederholte Begehung sonstiger Straftaten kann im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen. Bei diesen „sonstigen Taten“ muss es sich nicht um gleichartige Taten handeln. Der Verdacht einer Beleidigungstat kann daher entweder in Zusammenhang mit weiteren Beleidigungstaten oder mit weiteren Taten anderer Art den Anlass zu einer Speicherung geben. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13411 Mit Stand vom 31. Juli 2017 befanden sich DNA-Muster von insgesamt 5 914 Personen aufgrund eines Verdachtes auf Beleidigung in der DAD. 5. In wie vielen Fällen wurde einer Speicherung in der DAD gemäß § 81g Absatz 3 StPO durch einen Richtervorbehalt stattgegeben, und in wie vielen Fällen wurde widersprochen? Angaben dazu, ob eine DNA-Probe freiwillig erfolgte oder durch einen Richter angeordnet wurde und ob einer solchen richterlichen Anordnung widersprochen wurde, werden in der DAD nicht erfasst. Es existiert daher hierzu auch keine Statistik . 6. Welche Konsequenzen hatte nach Kenntnis der Bundesregierung die Stichprobenuntersuchung durch den Landesdatenschutzbeauftragten in Baden- Württemberg, und wie wurde mit den festgestellten Fehlern in der DAD konkret verfahren? Der Bundesregierung liegen zu der datenschutzrechtlichen Kontrolle des Landesdatenschutzbeauftragten in Baden-Württemberg keine Informationen vor. Zu möglichen Konsequenzen der festgestellten Fehler kann daher keine Aussage getroffen werden. 7. Sind seither weitere Stichprobenuntersuchungen und Kontrollen durchgeführt worden, und wenn ja, von welcher Institution, und mit welchem jeweiligen Ergebnis? Wenn nein, weshalb nicht? Da die Speicherungen in der DAD nahezu ausschließlich durch die Länderdienststellen eingestellt werden sind die jeweiligen Datenschutzbeauftragten für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Speicherungen verantwortlich. Im Bundeskriminalamt sind seitens der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), die für die Kontrolle der Datenerfassung durch das Bundeskriminalamt zuständig ist, keine Stichprobenuntersuchungen oder Kontrollen im Sinne der Untersuchung des Landesbeauftragten für Baden- Württemberg durchgeführt worden. Der behördliche Datenschutzbeauftragte des BKA ist stets bei Änderungen oder datenschutzrechtlichen Fragen mit Bezug zur DAD eingebunden. 8. Wie und von wem wurde und wird bezüglich der DAD die Einhaltung der in § 32 des Bundeskriminalamtgesetzes (BKAG) vorgeschriebenen Löschfristen von zehn Jahren bei Erwachsenen und fünf Jahren bei Jugendlichen kontrolliert ? Jeder Datensatz in der DAD beinhaltet ein Pflichtdatenfeld, in das ein nachvollziehbares Aussonderungsprüfdatum eingetragen werden muss. Dies ist eine technische Absicherung zur Sicherstellung der Prüfung eines solchen Datums. Nach Erreichen dieses Datums wird der entsprechende Datensatz der Erfassungsstelle automatisch zur Prüfung übermittelt. Diese Aussonderungsprüfungen sind fester Bestandteil der täglichen Arbeit der Erfassungsstellen. Die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Regelungen, zu denen auch die Löschfristen zählen, unterliegt der Kontrolle des behördlichen Datenschutzbeauftragten Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13411 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode des BKA sowie der BfDI. Diese überprüfen, ob die Aussonderungsprüffristen plausibel, nachvollziehbar und rechtskonform sind. 9. Wie viele Daten wurden entsprechend in den letzten fünf Jahren in der DAD gelöscht oder berichtigt (bitte nach Jahr, Art der Daten, Anzahl der Löschung bzw. Berichtigung auflisten)? In der DAD werden nur Löschungen statistisch erfasst, jedoch keine Berichtigungen . In den Jahren 2012 bis 2017 wurde jährlich folgende Anzahl an Personen- und Spurendatensätzen aus der DAD gelöscht: Jahr Personen Spuren 2012 26.300 21.878 2013 27.624 21.402 2014 28.542 23.595 2015 35.721 27.833 2016 42.282 33.616 2017* 23.288 15.158 * (bis 30. Juni 2017) 10. Wie viele Spuren, die in der DAD gespeichert sind, wurden in den letzten Jahren nach Überprüfung durch das BKA wieder gelöscht (bitte entsprechend nach Jahr und Anzahl aufführen)? Die DAD ist eine Verbundanwendung, in der jede Erfassungsstelle (je eine pro BKA und Landeskriminalämter) die Überprüfungen und Löschungen nach dem Besitzerprinzip in eigener Zuständigkeit vornehmen muss. Vom BKA wurde in den Jahren 2012 bis 2017 jährlich folgende Anzahl an (eigenen ) Personen- und Spurendatensätzen gelöscht: Jahr Personen Spuren 2012 214 415 2013 326 406 2014 339 464 2015 458 661 2016 977 728 2017* 635 327 * (bis 30. Juni 2017) Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/13411 11. Hätte nach Ansicht der Bundesregierung z. B. im Rahmen der Ermittlungen nach dem Mord an Maria L. am 16. Oktober 2016 in Freiburg eine umfassendere Auswertung von DNA-Spuren der Polizei bei der Tätersuche helfen können? Wenn ja, wie genau? Wenn nein, warum nicht? Die Ermittlungen sind durch die Strafverfolgungsbehörden des Landes Baden- Württemberg geführt worden. Ob in diesem Fall eine umfassendere Auswertung von DNA-Spuren bei der Tätersuche hätte helfen können, kann die Bundesregierung nicht beurteilen. 12. In welchen Fallkonstellationen wäre nach Ansicht der Bundesregierung ein Einsatz der erweiterten DNA-Analysen überhaupt sinnvoll? Die Bundesregierung prüft, in welchen Fällen der Einsatz der erweiterten DNA- Analysen sinnvoll sein könnte. 13. Was bedeutet es für die Einführung der Technologien, wenn sie nur in besonderen Einzelfällen sinnvoll angewendet und dann nur mit hoher Sachkompetenz angemessen interpretiert werden können? Unter Einzelfallanwendung wird eine Beschränkung auf Sachverhalte verstanden , bei denen Aufwand und Nutzen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Das bedeutet auch, dass dadurch in seriöser Form validierte Erfahrungen zum Einsatz dieser Technologie gesammelt werden können. 14. Weshalb enthielt die Beschlussvorlage der 206. Innenministerkonferenz (IMK) (www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/ 2017-06-14_12/beschluesse.pdf?__blob=publicationFile&v=2) dann keinerlei Anhaltspunkte aus dem interdisziplinär besetzen BMJV-Symposium , wo zahlreiche offene Fragen und Problematiken diskutiert wurden, sondern stützt sich allein auf ein Konzeptpapier aus dem BKA (www. innenministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/2017-06-14_12/ anlage-zu-top-27.pdf?__blob=publicationFile&v=2), in dem trotz der wissenschaftlichen Komplexität der Thematik gerade mal auf eine wissenschaftliche Publikation Bezug genommen wird? Auch die Bundesregierung ist sich der wissenschaftlichen Komplexität bewusst. Unter anderem das von den Fragestellern genannte Symposium beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) diente dazu, das Thema von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Welche Expertisen die Ständige Konferenz der Innenminister und-senatoren der Länder (IMK) für ihre Beschlussfassung heranzieht unterliegt der Verantwortung der IMK. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13411 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 15. Wer wird die DNA-Analysen in der Praxis durchführen, und aus welchem Budget werden die Kosten dafür jeweils gedeckt? Aufgrund der bestehenden Regelungen sind DNA-Analysen von akkreditierten Laboren durchzuführen. Um die Anschaffungskosten für die Untersuchungsgeräte und die laufenden Kosten für die Untersuchungskits in einem angemessenen Rahmen zu halten, wäre es sinnvoll, eine Kooperation mehrerer Bedarfsträger, auch bundesländerübergreifend , anzustreben. 16. Ist ein Straftatenkatalog für den Einsatz erweiterter DNA-Analysen vorgesehen , und wenn nein, was würde ein massenhafter Einsatz für das zu berücksichtigende Spurenaufkommen, für die einzusetzenden Ressourcen und die Durchführung der DNA-Analysen bedeuten? Bei dem in der Vorbemerkung zitierten Gesetzentwurf zur Erweiterung des Umfangs der Untersuchungen von DNA-fähigem Material handelt es sich um einen Gesetzesantrag der Länder Bayern und Baden-Württemberg im Bundesrat. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen. 17. Wie viel Prozent der in Deutschland verübten Morde und Vergewaltigungen bleiben unaufgeklärt? Wie ist die Aufklärungsrate bei Verbrechen, für die die erweiterte DNA- Analyse zum Einsatz kommen soll (bitte entsprechend aufschlüsseln)? Aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2016 geht hervor, dass 5,4 Prozent aller Morde und 21,4 Prozent aller Vergewaltigungen unaufgeklärt blieben. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen. 18. Von wie vielen Fällen, in denen erweiterte DNA-Analysen zum Einsatz kommen werden, geht die Bundesregierung gegenwärtig pro Jahr aus? Eine Einschätzung hierzu wäre derzeit rein hypothetisch, da der Einsatz von verschiedenen Faktoren des Einzelfalls abhängen würde. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen. 19. Welche Aufwendungen entstehen nach Kenntnis der Bundesregierung jenseits der Kosten für die rein technischen Vorgänge – etwa für Schulungen und für die notwendigen Regulierungsinstitutionen (bitte entsprechend aufschlüsseln )? Der Bundesregierung liegen hierzu derzeit keine Erhebungen vor. 20. Welche Sachverständigengutachten hat die Bundesregierung zur Ausweitung der DNA-Analyse in Auftrag gegeben, und zu welchem Ergebnis sind die Gutachten jeweils gekommen? Welche Kosten sind dadurch entstanden? Die Bundesregierung hat keine solchen Gutachten in Auftrag gegeben. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/13411 21. Auf welche wissenschaftliche Expertise stützen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die in dem Gesetzesantrag der Länder Baden-Württemberg und Bayern (Bundesratsdrucksache 117/1/17) angeführten Vorhersagegenauigkeiten , und welche wissenschaftliche Definition von ,,biogeografischer Herkunft “ liegt dem Gesetzesantrag zugrunde? Nach Kenntnis der Bundesregierung berücksichtigt der Gesetzesantrag der Länder Baden-Württemberg und Bayern die Veröffentlichung von Prof. Dr. Kayser. Unter der Definition von „biogeografische Herkunft“ ist danach die Differenzierung der Ursprungspopulationen der verschiedenen Kontinentalregionen zu verstehen . 22. Wurde in den Sachverständigengutachten das im Einzelfall durchzuführende Verfahren der statistischen Ermittlung der „posterior odds“ als notwendig angeführt oder empfohlen? Auf die Antwort zu Frage 20 wird verwiesen. 23. Auf Patente und Technologieanwendungen welcher Unternehmen sollen deutsche Ermittlungsbehörden nach Kenntnis der Bundesregierung für erweiterte DNA-Analysen zurückgreifen? Durch welche Wissenschaftler werden diese beraten, bzw. welche Wissenschaftler sind an diesen Unternehmen beteiligt? Insgesamt gibt es bei der forensischen Nutzung molekulargenetischer Methoden eine Vielzahl von Patentrechten, die einfließen. Nach derzeitiger Einschätzung der Bundesregierung ist die Patentrechtssituation für phänotypische Analysen nicht komplexer. 24. Sieht die Bundesregierung Interessenskonflikte, falls Wissenschaftler, die das BKA und andere Sicherheitsbehörden beraten, Patente und Rechte an Technologieanwendungen für erweiterte DNA-Analysen besitzen und/oder an Unternehmen beteiligt sind, die künftig erweiterte DNA-Analysen durchführen würden (bitte begründen)? Die Bundesregierung hat keine Kenntnis darüber, dass solche Interessenskonflikte bestehen könnten. 25. Welche öffentlich geförderten Forschungsprojekte zu erweiterten DNA- Analysen laufen derzeit in Deutschland bzw. unter Beteiligung von Wissenschaftlern , wissenschaftlichen Einrichtungen und Ermittlungsbehörden in Deutschland (bitte jeweils nach Titel, Beteiligten, Laufzeit und Kosten des Forschungsprojekts aufführen)? Der Bundesregierung ist derzeit nur ein größeres Projekt in diesem Themenfeld bekannt. Es handelt sich um das EU-geförderte Projekt VISAGE (Visible attributes through genomics: Broadened forensic use of DNA for constructing composite sketches from traces, www.cordis.europa.eu/project/rcn/210214_en.html, fünf Jahre, 5 Mio. Euro). Deutsche Projektbeteiligte sind die Universität Köln, das Universitätsklinikum Köln sowie das BKA. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13411 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 26. Welche DNA-Reihenuntersuchungen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit 1998 aus welchem Grund von wem durchgeführt, und wie viele Personen nahmen daran teil (bitte entsprechend nach Jahr, Fall, durchführender Behörde und Anzahl der Personen auflisten)? In Deutschland erfolgt keine statistische Erfassung der durchgeführten Reihenuntersuchungen . Von Bundesbehörden wurden nie eigene Reihenuntersuchungen durchgeführt. 27. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zum Auftreten absichtlich falsch gelegter DNA-Spuren? In welchen Fällen wurden diese aus welchen Gründen bemerkt, und wie kann und soll die Gefahr von bewusst gelegten falschen DNA-Spuren für die Ermittlungsarbeit ausgeschlossen werden? Der Bundesregierung sind keine Fälle bekannt, in denen nachgewiesenermaßen DNA-Spuren absichtlich falsch gelegt wurden. Die Gefahr bewusst gelegter falscher DNA-Spuren kann für die Ermittlungsarbeit nie ganz ausgeschlossen werden. Da aber die Strafverfolgungsbehörden zur objektiven Sachverhaltsaufklärung verpflichtet sind, müssen sie allen Widersprüchen bei ihren Ermittlungen nachgehen und bei DNA-Spuren auch immer in Betracht ziehen, dass diese bewusst falsch gelegt worden sein könnten. 28. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass DNA-Mischungen von bis zu 100 Personen im Internet bestellbar sind, und wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? Der Bundesregierung liegen hierüber keine Erkenntnisse vor. Allerdings sind DNA-Mischungen leicht herstellbar und auch nicht illegal. Der Bundesregierung ist die grundsätzliche Missbrauchsmöglichkeit solcher DNA-Mischungen bewusst . 29. Welche unabhängige Institution wird die wichtige Aufgabe der Kontrolle und Regulierung polizeilicher DNA-Datenerhebung und -nutzung in Zukunft übernehmen und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der vielen, noch nicht einmal von einem Verdacht betroffenen Menschen gewährleisten , deren DNA-Daten künftig in forensischen und erkennungsdienstlichen Kontexten erhoben und gespeichert werden? Die Kontrolle polizeilicher Datenerhebungen einschließlich der bisher rechtlich zulässigen DNA-Datenerhebung und -nutzung obliegt den jeweiligen behördlichen Datenschutzbeauftragten sowie den Beauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit, eine weitere oder andere Kontrollinstitution zu beauftragen. Die Aussage, dass sich die erweiterte DNA-Analyse auf nicht von einem polizeilichen Verdacht betroffene Menschen bezieht, ist im Übrigen nicht korrekt. Auch die diskutierte erweiterte DNA-Analyse würde nur bei polizeilichen Ermittlungen im Rahmen einer Straftat bei vorliegenden Tatortspuren durchgeführt, bezöge sich also ausschließlich auf einen mutmaßlichen Straftäter. Nur von solchen Verdächtigen würden im Zusammenhang mit der strafprozessualen DNA-Analyse DNA-Daten erhoben und gespeichert. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse würden überwiegend zu Fahndungszwecken eingesetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/13411 30. Wie gestaltet sich die molekulargenetische, statistische und rechtssoziologische Grundlagenausbildung von Ermittlern, Richtern, Staatsanwälten und Verteidigern aktuell im Detail? Sieht die Bundesregierung diesbezüglich Klärungs- und Nachbesserungsbedarf , und wenn ja, in welcher Form? Die juristische Ausbildung ist für alle reglementierten juristischen Berufe, mithin Richter/in, Staatsanwalt/in, Rechtsanwalt/in, einheitlich ausgestaltet. Orientiert an der föderalen Aufgabenverteilung gibt das Bundesrecht im Deutschen Richtergesetz (§§ 5 ff. DRiG) den Ländern hinsichtlich der Ausgestaltung der juristischen Ausbildung im Studium und juristischem Vorbereitungsdienst (Referendariat ) sowie den juristischen Prüfungen einen durch Landesrecht auszufüllenden Gestaltungsrahmen vor. Das Strafrecht ist nach § 5a Absatz 2 Satz 3 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) ein Pflichtfach des Studiums und berücksichtigt die rechtsprechende, verwaltende und rechtsberatende Praxis einschließlich der erforderlichen Schlüsselqualifikationen . Das Referendariat umfasst gemäß § 5b Absatz 2 Nummer 2 DRiG eine Ausbildungsstation bei einer Staatsanwaltschaft oder einem Gericht in Strafsachen. Im Rahmen des universitären Studiums sowie während des Referendariats werden nach den Stoffkatalogen der Länder Kenntnisse der Strafprozessordnung und der strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen vermittelt, die im Rahmen von – interdisziplinären – Seminaren vertieft werden können. Zudem werden für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten regelmäßige Fortbildungen angeboten, die auch neuere Erkenntnisse im Rahmen der DNA-Analyse zum Inhalt haben. 31. Welche Kontrollmechanismen gibt es bereits, und welche neuen Kontrollmechanismen müssten nach Auffassung der Bundesregierung mit einer Gesetzesänderung eingeführt werden, um sicherzustellen, dass Voreingenommenheiten gegenüber Minderheiten nicht zu einseitigen Interpretationen und vorschnellen Festlegungen der Ermittler führen, wie dies im Fall des „Heilbronner Phantoms“ (vgl. www.swr.de/swraktuell/bw/heilbronn/zehn-jahre-nachdem -polizistinnenmord-in-heilbronn-wattestaebchen-pleite/-/id=1562/did= 19388580/nid=1562/1mvh34n/index.html) geschah? Für die Anwendung der DNA-Analyse in der Praxis wurden Regelungen und Handlungsanweisungen geschaffen. Darüber hinaus ist es erforderlich, die Beschäftigten regelmäßig zu schulen. Die bestehenden Handlungsanweisungen, Regelungen und Standards für den DNA-Bereich werden regelmäßig auf Aktualität geprüft und angepasst. Dabei kommt der Beratung durch forensisch-genetische Experten eine besondere Bedeutung zu. Entsprechende Kontrollmechanismen würden auch für eventuelle künftige Regelungen gelten. 32. Hält die Bundesregierung eine gründliche Prüfung durch ein multidisziplinäres Expertengremium wie etwa in den Niederlanden oder England (vgl. www.faz.net/aktuell/wissen/leben-gene/erweiterte-dna-analyse-neuer-gesetz entwurf-in-der-kritik-14942036.html) für nötig, um zu beurteilen, ob sich ein Fall für den Einsatz der erweiterten DNA-Analysen eignet, wenn ja, wann, und in welcher Form soll dieses Gremium gebildet werden, und was wären seine Befugnisse? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung hat sich hierzu bisher noch nicht positioniert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13411 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 33. Wie können nach Auffassung der Bundesregierung Ermittlungsmaßnahmen, die auf erweiterte DNA-Analysen folgen – insbesondere DNA-Reihenuntersuchungen und Öffentlichkeitsfahndungen –, so gestaltet werden, dass dadurch Minderheiten nicht unter Generalverdacht geraten? 34. Welche Vorkehrungen in Bezug auf Öffentlichkeitsfahndung und Kriminalberichterstattung sind von der Bundesregierung vorgesehen, um sicherzustellen , dass Angehörige von Minderheiten im Rahmen erweiterter DNA- Analysen in der Öffentlichkeit nicht unter Generalverdacht geraten? Die Fragen 33 und 34 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Antwort zu Frage 31 wird verwiesen. 35. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwiefern in Deutschland lebende Menschen Ängste und Bedenken gegenüber der Speicherung ihrer DNA-Daten (in Forschungsdatenbanken, im Gesundheitswesen , im Polizeiwesen) haben, und wie müsste diesen Bedenken im Rahmen rechtlicher Regulierungen Rechnung getragen werden? Der Bundesregierung ist hierüber nichts bekannt. 36. Wie soll möglichem zukünftigem Missbrauch der DNA-Daten(-banken) vorgebeugt werden? Die Bundesregierung kann aktuell keine Entwicklungen zu einem Missbrauch der polizeilichen DNA-Datenbank erkennen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/13411 Anlage Antwort zu Frage 3 Zur Erlassbeantwortung der Kleinen Anfrage der Partei „DIE LINKE“ zur Ausweitung von DNA-Analysen in kriminalpolizeilichen Ermittlungen Auflistung Treffer „Spur-Person / Person-Spur“ (gezählt wird jeweils nur das Delikt der Spur) Deliktsart 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017* Tötungsdelikte 2 7 4 35 66 57 91 63 109 139 145 142 144 168 162 173 156 176 202 107 Sexualdelikte 4 7 13 100 135 118 154 159 203 253 246 222 244 243 230 225 235 266 257 135 Gewaltdelikte - 1 - 10 26 27 41 54 88 186 266 273 286 314 280 295 302 297 399 171 Straftaten gg. d. pers. Freiheit - 2 - 2 5 6 5 6 11 19 14 18 6 19 20 19 29 27 18 12 Diebstahlsdelikte 8 51 212 1.588 3.094 4.750 5.406 5.670 8.200 9.848 9.880 9.911 10029 10029 12046 12560 13191 13178 16125 7086 Raub/Erpressung 2 19 31 149 250 410 493 528 649 776 841 807 918 1.068 1.037 1.001 1.029 1.028 1.075 526 Straftaten gg. d. öffentl. Ordnung - 2 1 12 12 18 18 18 35 49 52 50 49 61 79 56 94 80 103 63 Gemeingefährl. Straftaten - 1 2 10 19 29 37 45 82 108 124 128 120 136 163 182 176 157 230 67 Begünst./Hehler. - - - - - - 4 - 1 3 13 6 4 24 8 37 18 15 35 17 Betrug/Untreue - - - 1 3 9 - 4 6 7 38 49 101 89 80 122 84 81 89 71 Urkundenfälsch. - - - - - 1 - - - 2 1 - - 1 7 1 5 2 20 24 Beleidigung - - - - 1 2 - 1 - 1 - 2 2 3 4 8 11 6 9 3 Sachbeschädig. - - - 2 2 11 4 6 3 28 90 207 252 182 249 278 224 170 253 139 Strafgesetzbuch - - 2 21 45 84 134 149 345 554 706 782 713 697 714 688 636 733 865 360 BtmG - - - 5 10 20 25 45 85 201 299 328 435 488 478 527 701 750 994 529 Andere Nebengesetze - - - 1 5 6 6 12 27 30 33 35 41 30 36 49 49 68 91 47 * (bis 30.06.2017) Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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