Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 24. August 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/13424 18. Wahlperiode 28.08.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Harald Weinberg, Birgit Wöllert, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/13306 – Möglicherweise rechtswidrige wiederholte Zuzahlungen für Hilfsmittel V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Wird ein nicht zum Verbrauch bestimmtes Hilfsmittel verordnet, fällt die gesetzliche Zuzahlung an, deren Höhe zwischen 5 und 10 Euro beträgt. Die AOK Baden-Württemberg (AOK BW) hat in mindestens einem Fall fünf Jahre nach der erstmaligen Verordnung eines Rollators im Jahr 2011 im Jahr 2016 erneut eine Zuzahlung eingefordert. Begründet wurde das mit vertraglichen Regelungen zwischen den Sanitätshäusern und der AOK BW. Diese beinhalteten Fünfjahres-Versorgungspauschalen an die Sanitätshäuser (Schreiben liegt den Fragestellenden vor). Die „erste Pauschale“ sei 2016 abgelaufen, weshalb „das Sanitätshaus ein neues Rezept für den vorhandenen Rollator angefordert “ habe. Die neue ärztliche Verordnung sei „notwendig, damit das Sanitätshaus den nächsten 5-Jahres Zeitraum abrechnen kann. Alle 5 Jahre fällt auch eine neue Zuzahlung an. Dies ist vertraglich so geregelt“. Im März 2016 wurde daher der Versicherte durch das Sanitätshaus, welches 2011 den Rollator zur Verfügung gestellt hatte, aufgefordert, ein neues Rezept beizubringen sowie eine erneute Zuzahlung zu leisten. Nachdem alle Widersprüche bei der Krankenkasse erfolglos blieben, reichte der Versicherte Klage gegen die AOK BW ein (AZ.: S 17 KR 4287/16). Mit Schreiben vom 22. Februar 2017 teilte die AOK mit, dass „sie bereit ist, auf die Zuzahlung zu verzichten und auch für weitere Versorgungszeiträume keine Zuzahlung verlangen wird“. Der Versicherte hat die Klage daraufhin für erledigt erklärt . Aus diesem Grund gab es keine gerichtliche Klärung des Sachverhalts. Deshalb stellt sich weiterhin die Frage nach der gesetzlichen Grundlage der Forderung wiederholter Zuzahlungen bzw. ob und wie derartige Forderungen von gesetzlichen Krankenkassen künftig unterbunden werden sollen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13424 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Gemäß § 33 Absatz 8 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) gilt auch im Bereich der Hilfsmittelversorgung die allgemeine Zuzahlungspflicht des § 61 SGB V. Demnach leisten Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, zu jedem zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgegebenen Hilfsmittel zehn Prozent des Abgabepreises, mindestens jedoch fünf Euro und höchstens zehn Euro, jedoch nicht mehr als die Kosten des Hilfsmittels. Um eine übermäßige Belastung der Versicherten zu verhindern, die regelmäßig Hilfsmittel in großer Anzahl benötigen, wurde mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26. März 2007 in § 33 Absatz 8 Satz 3 SGB V bestimmt, dass bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln die Zuzahlung höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf beträgt. Zudem haben sich die Spitzenverbände der Krankenkassen darauf verständigt, dass Hilfsmittel, die wie zum Beispiel Einlagen , Gehstützen oder Kompressionsstrümpfe im Regelfall als Paar abgegeben werden, als Versorgungseinheit anzusehen und nur mit einer Zuzahlung zu belegen sind (s. Ergänzung zu der Gemeinsamen Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen zur Umsetzung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung im Hilfsmittelbereich vom 25. November 2003 – Aktualisierung der Zuzahlungsregelung 30. März 2004). Zuzahlungen werden auch erhoben auf Versorgungspauschalen, die die Krankenkassen an Leistungserbringer entrichten, um den Versorgungsbedarf ihrer Versicherten für einen vertraglich vereinbarten Zeitraum sicherzustellen. Die Pauschalen erfassen im Regelfall neben dem Produkt auch alle im Versorgungszeitraum erforderlichen Dienstleistungen. Insoweit sich die Fragen der Fragestellenden auf die AOK Baden-Württemberg beziehen, ist festzustellen, dass gemäß § 90 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) die Aufsicht über die landesunmittelbaren Versicherungsträger die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder oder die von den Landesregierungen durch Rechtsverordnung bestimmten Behörden führen. Zuständige Aufsichtsbehörde für die AOK Baden-Württemberg ist das Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg. Die Bundesregierung kann sich daher nicht im konkreten Fall, sondern nur allgemein zu den bestehenden rechtlichen Regelungen äußern. 1. Welche Hilfsmittel zählen nach Kenntnis der Bundesregierung zu den nicht zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln? Die Unterscheidung zwischen zum Verbrauch und nicht zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln erfolgt mit Blick auf die in der Vorbemerkung beschriebene Sonderregelung in § 33 Absatz 8 Satz 3 SGB V für Zuzahlungen auf zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel. Eine Auflistung der zum Verbrauch bestimmten Hilfsmittel befindet sich in der Anlage zur Gemeinsamen Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen zur Umsetzung des GKV-Wettbewerbsstärkungs -gesetzes vom 27. März 2007. Diese umfasst rund 150 verschiedene Produktarten und Abrechnungspositionen. Eine vergleichbare Auflistung der nicht zum Verbrauch bestimmten Hilfsmittel existiert nicht. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass nicht zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel mehrmals von einem Versicherten oder im Wiedereinsatz von verschiedenen Versicherten verwendet werden, z. B. Rollstühle, Beatmungsgeräte sowie Absauggeräte. Es handelt sich auch dann um nicht zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel, wenn sie nach mehrmaligem Gebrauch verschleißen oder abnutzen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13424 2. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren die verordneten und eingelösten Mengen der einzelnen in Frage 1 erfragten Hilfsmittel entwickelt? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Daten vor. 3. Wie hoch waren die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für die in Frage 1 erfragten Hilfsmittel nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils in den vergangenen zehn Jahren? Die Ausgaben der GKV für die nicht zum Verbrauch bestimmten Hilfsmittel werden in der Statistik der GKV nicht separat erfasst. Die in der Statistik der vorläufigen Rechnungsergebnisse (KJ45) und der Statistik der endgültigen Rechnungsergebnisse (KJ1) enthaltene Kategorie „Hilfsmittel zum Verbrauch (Homecare)“ umfasst nur einen Teil der zum Verbrauch bestimmten Hilfsmittel, auf die sich § 33 Absatz 6 SGB V bezieht. Daher sind keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die Ausgaben für nicht zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel möglich. Die Ausgabenentwicklung für alle von der GKV erstatteten Hilfsmittel stellt sich von 2007 bis 2016 wie folgt dar: Tabelle 1: Ausgaben der GKV für Hilfsmittel 2007 – 2016 in Mio. Euro mit Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahreszeitraum 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 5106 5303 5510 5593 6284 6486 6834 7444 7629 7823 4,7% 3,9% 3,9% 1,5% 12,4% 3,2% 5,4% 8,9% 2,5% 2,5% Quelle: GKV-Statistiken KJ1 4. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Gesamthöhe der Zuzahlungen entwickelt, die mit den in Frage 1 verbundenen Hilfsmitteln jeweils verbunden sind (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Die Zuzahlungen in der GKV für Hilfsmittel werden gemeinsam mit den Zuzahlungen für Heilmittel erfasst: Tabelle 2: Zuzahlungen in der GKV für Heil- und Hilfsmittel 2010 – 2016 in Mio. Euro 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 575 602 618 668 691 714 785 Quelle: GKV-Statistiken KJ1 5. Wie oft wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren Versicherte nach geleisteter erster Zuzahlung zur erneuten Zuzahlung für Hilfsmittel nach Frage 1 aufgefordert? 6. Von welchen Krankenkassen sind der Bundesregierung wiederholte Zuzahlungsforderungen für Hilfsmittel nach Frage 1 bekannt (bitte auflisten)? Die Fragen 5 und 6 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Bundesregierung liegen keine Daten zu der Frage vor, wie häufig und durch welche Krankenkassen Zuzahlungen auf Folgepauschalen erhoben werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13424 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Inwiefern sind nach Einschätzung der Bundesregierung mehrmalige Zuzahlungsforderungen für die in Frage 1 erfragten Hilfsmittel rechtswidrig? In Bezug auf die Zuzahlungspflicht der Versicherten gelten für Hilfsmittelversorgungen die gesetzlichen Regelungen gemäß § 33 Absatz 8 Satz 1 i. V. m. §§ 61, 62 SGB V. Das „Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen zugleich handelnd als Spitzenverbände der Pflegekassen zur Versorgung mit Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln“ vom 18. Dezember 2007 konkretisiert, was seitens der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung im Hinblick auf die Erhebung von Zuzahlungen zu beachten ist. In Kapitel 7.2.6 ist festgelegt, wie die Zuzahlung zu berechnen ist, wenn Versorgungspauschalen vereinbart werden. Dort heißt es: „Auf jede fällig werdende Miet- oder Pauschalzahlung ist eine Zuzahlung von 10 % zu berechnen, mindestens 5 Euro, aber nicht mehr als die Höhe des fälligen Miet- bzw. Pauschalbetrages. Da sich die Zuzahlung auf das eingesetzte Hilfsmittel bezieht, konnten je Hilfsmittel für den gesamten Versorgungszeitraum maximal 10 Euro erhoben werden, auch wenn mehrere (Folge-)Verordnungen zugrunde liegen. Sofern der vertraglich festgelegte Versorgungszeitraum die übliche Lebensdauer eines Produktes widerspiegelt, entsteht bei Fälligwerden einer weiteren Pauschale eine neue Zuzahlung.“ Diese Empfehlung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Gemäß § 33 Absatz 1 Satz 4 SGB V gehören zum Leistungsanspruch der Versicherten im Hilfsmittelbereich nicht nur das Produkt, sondern auch die zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringenden, notwendigen Leistungen. In der Folge werden mit einer Versorgungspauschale in der Regel sowohl das Produkt als auch die damit im Zusammenhang stehenden Dienst- und Serviceleistungen entgolten. Dazu gehören u. a. die Beratung, Lieferung, Anpassung, Einweisung, Erprobung, Wartung , sicherheitstechnische Kontrollen, Reparatur, Montage, Abholung und ggf. notwendiger Austausch des Hilfsmittels einschließlich der dabei entstehenden Personal- und Sachkosten. Diese Aufwendungen entstehen auch dann, wenn ein Versicherter das Hilfsmittel über den vertraglich vereinbarten Vergütungszeitraum hinaus verwendet. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass nicht zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel, die durch eine Vergütungspauschale entgolten werden, üblicherweise im Besitz des Leistungserbringers verbleiben. Damit umfasst die Zahlung der Krankenkasse an den Leistungserbringer auch eine Leihgebühr , die bei der Zahlung einer weiteren Vergütungspauschale erneut anfällt. Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung der Bundesregierung eine erneute Zuzahlung des Versicherten mit den Zuzahlungsregelungen in § 33 Absatz 8 Satz 1 i. V. m. §§ 61, 62 SGB V vereinbar. 8. Inwiefern stimmt die Bundesregierung der Aussage der AOK BW zu, eine neue ärztliche Verordnung sei notwendig, damit das Sanitätshaus den nächsten Fünfjahreszeitraum abrechnen könne? Auf welcher gesetzlichen Grundlage erfolgt diese Regelung? Gemäß § 33 Absatz 5a Satz 1 SGB V ist eine vertragsärztliche Verordnung von Hilfsmitteln nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Gibt es Hinweise darauf , dass weder der Versorgungsbedarf der Versicherten noch das Behandlungsziel über einen längeren Zeitraum unverändert bleiben, kann ein Arztbesuch zur Abklärung, ob eine weitere Versorgung mit dem jeweiligen Hilfsmittel angezeigt ist, geboten sein. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13424 Darüber hinaus wird den Krankenkassen in § 33 Absatz 5a Satz 2 SGB V die Möglichkeit eingeräumt, eine vertragsärztliche Verordnung als Anspruchsvoraussetzung für die Kostenübernahme zu verlangen, wenn nach den vertraglichen Vereinbarungen mit den Leistungserbringern die Versorgung genehmigungsfrei erfolgen kann. Auf diese Weise kann die Krankenkasse sicherstellen, dass die Wirtschaftlichkeit der Versorgung gewährleistet bleibt. 9. Inwiefern ist nach Ansicht der Bundesregierung eine gesetzliche Klarstellung notwendig, um mehrfache Zuzahlungsforderungen für nicht zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel zu unterbinden? Zuzahlungen bei Folgeverordnungen widersprechen nicht dem geltenden Recht. Die Bundesregierung sieht daher keine Veranlassung für eine entsprechende Klarstellung. 10. Ist der von der AOK BW angesprochene Vertag, der eine Vergütungspauschale für eine fünfjährige Versorgung vorsieht, nach Kenntnis der Bundesregierung ein Selektivvertrag? Gemäß § 126 Absatz 1 SGB V dürfen Hilfsmittel nur auf der Grundlage von Verträgen nach § 127 Absatz 1, 2 und 3 SGB V abgegeben werden. Die Verträge werden zwischen den einzelnen Krankenkassen, ihren Landesverbänden oder Arbeitsgemeinschaften mit einzelnen Leistungserbringern oder zu diesem Zweck gebildeten Zusammenschlüssen der Leistungserbringer abgeschlossen. Insoweit findet im Hilfsmittelbereich die Versorgung der Versicherten grundsätzlich über Selektivverträge statt. 11. Inwiefern dürfen nach Rechtsauffassung der Bundesregierung in einem Vertrag , wie er zwischen der AOK BW und den betreffenden Sanitätshäusern geschlossen wurde, Pflichten von Ärztinnen und Ärzten (neue Verschreibung alle fünf Jahre) modifiziert werden? Inwiefern dürfen nach Rechtsauffassung der Bundesregierung in einem solchem Vertrag gesetzlich geregelte Zuzahlungspflichten modifiziert werden? Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen sieht der in Frage stehende Vertrag u. a. vor, dass Versicherte bei Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen gemäß § 33 Absatz 1 SGB V einen Rollator vom Leistungserbringer für einen Versorgungszeitraum von bis zu fünf Jahren im Rahmen einer Versorgungspauschale erhalten. Dafür müssen Versicherte eine ärztliche Verordnung beim Leistungserbringer einreichen; ein zusätzliches Genehmigungsverfahren durch die Krankenkasse ist nicht vorgesehen. Damit ist nach Auffassung der Bundesregierung weder eine Veränderung der Zuzahlungspflichten (s. dazu die Antwort zu Frage 7) noch ein Eingriff in die ärztlichen Pflichten verbunden. Wie bei anderen Versicherten auch, hat der behandelnde Arzt bzw. die behandelnde Ärztin nach pflichtgemäßen Ermessen und unter Beachtung der Vorgaben der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesauschusses über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittel-Richtlinie/HilfsM-RL) den jeweiligen Versorgungsbedarf zu ermitteln und ggf. eine Verordnung auszustellen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13424 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 12. Wie stellen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Pflichten der jeweils die Rechtsaufsicht führenden Behörde gegenüber derartigen möglicherweise rechtswidrigen Praktiken dar? Die Rechtsaufsicht über Krankenkassen (s. Vorbemerkung der Bundesregierung) erstreckt sich auf die Beachtung von Gesetzen und sonstigem für die Krankenkasse maßgebenden Recht. Für die Ausübung des Aufsichtsrechts in der gesetzlichen Krankenversicherung gilt das Opportunitätsprinzip, d. h. es ist in das pflichtgemäße Ermessen der Aufsichtsbehörde gestellt, ob das öffentliche Interesse im Einzelfall ein Einschreiten gegen ein rechtswidriges Verhalten der Krankenkasse erfordert. Die Aufsichtsbehörde hat zur Behebung von Rechtsverstößen in einem gestuften Verfahren vorzugehen (§ 89 SGB IV). Sie hat zunächst beratend darauf hinwirken, dass der Versicherungsträger die Rechtsverletzung behebt. Kommt der Versicherungsträger aufgrund der Beratung nicht innerhalb einer angemessenen Frist der Aufforderung der Aufsichtsbehörde nach und behebt freiwillig die Rechtsverletzung, kann die Aufsichtsbehörde ihn hierzu mit einem Verpflichtungsbescheid verpflichten. 13. Welche Pflichten ergeben sich nach Rechtsauffassung der Bundesregierung aus dem Verzicht der AOK BW auf die bis dahin geforderten, möglicherweise unzulässigen Zuzahlungen für nicht zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel ? Ist die AOK BW verpflichtet, unzulässig geforderte und erhaltene Zuzahlungen von sich aus zurückzuzahlen, und falls ja, wie weit rückwirkend, und in welcher Weise hat sie dabei proaktiv die Versicherten zu informieren? Der Bundesregierung liegen keine Informationen zu der von den Fragestellern erwähnten Klage gegen die AOK Baden-Württemberg vor. Der Vorbemerkung der Fragesteller ist aber zu entnehmen, dass die Klage mittlerweile zurückgezogen wurde und es deshalb zu keinem Urteil gekommen ist. Verpflichtungen würden damit aus dem Vorgang für die Krankenkasse keine entstehen. 14. Was unternimmt die Bundesregierung, um generell die Rückzahlung von möglicherweise unrechtmäßig erhaltenen Zuzahlungen aller gesetzlich Versicherten zu erreichen? 15. An welche Fristen sind die Versicherten nach Kenntnis der Bundesregierung gebunden, wenn sie unrechtmäßig geforderte Zuzahlungen rückerstattet haben wollen? Welche Unterlagen sind beizubringen? Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung dabei noch zu beachten? 16. Welche Folgen ergeben sich nach Rechtsauffassung der Bundesregierung generell für die Krankenkassen in der Bundesrepublik Deutschland, sofern sie wiederholte Zuzahlungen für nicht zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel gefordert haben? 17. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über bereits entschiedene Gerichtsverfahren gegen wiederholte Zuzahlungen zu einem nicht zum Verbrauch bestimmten Hilfsmittel? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/13424 18. In welcher Weise ist die Bundesregierung inzwischen tätig geworden, um derartige Praktiken zu unterbinden? Sieht die Bundesregierung den Bedarf für eine bundesrechtliche Klarstellung hinsichtlich der Voraussetzungen für Zuzahlungen? Die Fragen 14 bis 18 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Sofern die Krankenkassen eine neue Zuzahlung aufgrund des Fälligwerdens einer weiteren Versorgungspauschale fordern, ist dieses Vorgehen mit den allgemeinen Zuzahlungsregelungen in § 33 Absatz 8 Satz 1 i. V. m. §§ 61, 62 SGB V vereinbar und somit rechtmäßig. Die Bundesregierung sieht daher keinen Bedarf für eine gesetzliche Klarstellung. Generell ist anzumerken, dass unberechtigt erhobene und zu viel gezahlte Zuzahlungen von den Krankenkassen zu erstatten sind. Der Rechtsanspruch des Versicherten auf Erstattung des für ungerechtfertigte Zuzahlungen aufgewendeten Betrages ergibt sich in der Regel aus dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch . In einem solchen Fall kann sich der Versicherte innerhalb der allgemeinen sozialrechtlichen Verjährungsfristen formlos an seine Krankenkasse wenden. Ein vorgegebenes förmliches Verfahren existiert hier nicht. Sollte sich die Krankenkasse weigern eine unberechtigte Zuzahlung zu erstatten, kann der Versicherte Klage auf Erstattung der unberechtigt erhobenen Zuzahlung vor dem Sozialgericht erheben. 19. Hat die Bundesregierung das Bundesversicherungsamt (BVA) angehalten, unrechtmäßiges mehrmaliges Einfordern von Zuzahlungen bei bundesunmittelbaren Krankenkassen zu unterbinden? Das Bundesversicherungsamt wurde von der Bundesregierung bisher nicht angehalten , ein mehrmaliges Einfordern von Zuzahlungen bei bundesunmittelbaren Krankenkassen zu unterbinden. Diesbezügliche Eingaben liegen dem Bundesversicherungsamt bisher nicht vor. 20. Wird das BVA künftig versuchen, den Umfang von unrechtmäßig ausgestellten Zuzahlungsforderungen zu erfassen, und falls ja, wie? Die Erhebung von Zuzahlungen ist und bleibt Gegenstand der turnusgemäßen Prüfungen nach § 274 SGB V bei den Krankenkassen. Darüber hinaus siehe Antwort zu Frage 19. 21. Wird die Bundesregierung auf die Bundesländer zugehen und auf eine stringente Überwachung gegen unrechtmäßige Zuzahlungsforderungen hinwirken ? Im Rahmen der zweimal im Jahr unter Beteiligung des BMG und des BMAS stattfindenden Aufsichtsbehördentagung werden auch Fragen der Umsetzung der gesetzlichen Zuzahlungsregeln erörtert. 22. Unter welchen Voraussetzungen haben Krankenkassen nach Rechtsauffassung der Bundesregierung die Möglichkeit, von Versicherten zu verlangen, dass diese erneut eine Verordnung bzw. ein Rezept für auf Dauer verordnete und nicht zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel vorlegen? Es wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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