Deutscher Bundestag Drucksache 18/1345 18. Wahlperiode 07.05.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Katrin Kunert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/1132 – Beobachtung der Fraktion DIE LINKE. und ihrer Abgeordneten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat über die Jahre hinweg die Arbeit von Bundestagsabgeordneten der Fraktion DIE LINKE. beobachtet. Das Bundesverfassungsgericht hat Mitte September 2013 hinsichtlich der Beobachtung des früheren Abgeordneten Bodo Ramelow eine Verletzung des Grundgesetzes festgestellt (2 BvR 2436/10). Die Begründung der Verfassungsrichter erforderte aus Sicht der Fragesteller die sofortige Einstellung jeglicher, gegen Abgeordnete der Partei DIE LINKE. gerichteten Beobachtungen. Dieser Forderung ist das Bundesministerium des Innern laut Schreiben vom 13. März 2014 an den Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE., Dr. Gregor Gysi, nachgekommen, allerdings ohne eine Rechtspflicht dazu anzuerkennen. Außerdem wurde angekündigt, eine solche Beobachtung ggf. wieder aufzunehmen; ebenso müssen Abgeordnete, die vom Geheimdienst „im Zusammenhang mit der Beobachtung von gewaltbereiten oder extremistischen Strukturen … auffällig werden“, weiterhin damit rechnen , in der einen oder anderen Form in den Akten des Verfassungsschutzes aufzutauchen . Die Fragestellerinnen und Fragesteller sehen daher ihre Sorge, der Geheimdienst verletze durch seine Praxis das Prinzip des unabhängigen Mandats und damit eine tragende Säule der demokratischen Grundordnung, nicht ausgeräumt, ebenso wenig wie die Einschätzung, es gehe bei der geheimdienstlichen Beobachtung im Wesentlichen um die öffentlichkeitswirksame Diffamierung linker, antikapitalistischer und antimilitaristischer Politik. Zum Ende der 17. Legislaturperiode wurden nach Informationen des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ (2. Juni 2013) 25 Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE. beobachtet. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat festgestellt, dass die Beobachtung von Abgeordneten, auch wenn sie ausschließlich auf Auswertung öffentlich zugänglicher Quellen basiert, einen Eingriff in das freie Mandat darstellt. Es Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 5. Mai 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. verwies dabei auf die mögliche Stigmatisierung der Beobachteten: „Die bloße Möglichkeit einer staatlichen Registrierung von Kontakten kann eine abschreckende Wirkung entfalten und schon im Vorfeld zu Kommunikationsstörungen und Verhaltensanpassungen führen.“ Ebenfalls zurückgewiesen wurde Drucksache 18/1345 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode die Behauptung der Bundesregierung, das freie Mandat umfasse ausschließlich unmittelbar parlamentarische, nicht aber außerparlamentarische Aktivitäten der Abgeordneten. Die legalen Möglichkeiten zur Beobachtung von Abgeordneten hat das BVerfG klar eingeschränkt. Sie komme insbesondere dann in Betracht, „wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Abgeordnete sein Mandat zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht oder diese aktiv und aggressiv bekämpft“. Damit legitimiert nicht schon die bloße Zugehörigkeit von Abgeordneten zu einer vom Verfassungsschutz als „extremistisch“ eingestuften Parteiströmung die Beobachtung, vielmehr muss der Nachweis erbracht werden, dass diese Abgeordneten ihr Parlamentsmandat dazu nutzen, die Demokratie zu bekämpfen . Einen solchen Vorwurf hat, zumindest nach Kenntnis der Fragesteller, die Bundesregierung bislang noch gegenüber keinem Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE. erhoben. Die Beobachtung der Partei und Fraktion DIE LINKE. bzw. der PDS wurde bislang von Bundesregierungen verantwortet, denen sowohl CDU, CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angehörten (wenn auch letztere an dieser Praxis immer wieder Kritik geübt haben) und hat nach Auffassung der Fragesteller vor allem die Funktion, eine linke politische Konkurrenz zu diffamieren. Aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller wäre es überfällig, nicht nur die Beobachtung von 25 Abgeordneten endlich einzustellen, sondern auch die der Partei als solcher und ihrer unterschiedlichen Strömungen. Antikapitalismus, Antimilitarismus und enge Verbindungen mit außerparlamentarischen Organisationen sind keine Verstöße gegen das Grundgesetz . Die Fragesteller bitten darum, bei den Antworten zur Beobachtungstätigkeit, soweit möglich jeweils getrennt, sowohl den Stand zum Ende der 17. Legislaturperiode (unmittelbar vor der Entscheidung des BVerfG) als auch zu Beginn der 18. Legislaturperiode (unter Berücksichtigung der neuen Zusammensetzung der Fraktion DIE LINKE.) anzugeben. Falls der Rechercheaufwand bei einzelnen Fragen eine Beantwortung nicht in der üblichen Antwortfrist erlaubt, wird gebeten , die Antwort hierzu nachzureichen. 1. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung Landtags- oder Bundestagsabgeordnete der Partei DIE LINKE. von Landesämtern für Verfassungsschutz beobachtet, und wenn ja, a) um welche Landesämter handelt es sich dabei, b) wie viele Abgeordnete sind davon betroffen, c) welche Schlussfolgerungen hat man in den Ländern nach Kenntnis der Bundesregierung aus dem Urteil des BVerfG gezogen? Die Bundesregierung vermag diese Frage nicht zu beantworten. Die Tätigkeit der Landesbehörden für Verfassungsschutz (LfV) erfolgt in Wahrnehmung eigener Zuständigkeiten auf der Grundlage landesrechtlicher Regelungen und fällt in den alleinigen Verantwortungsbereich der jeweiligen Landesregierung . Die mit der Frage angesprochene konkrete Tätigkeit der Landesbehörden für Verfassungsschutz unterliegt auch nicht der Koordinierungsfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Es wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 17 der Kleinen Anfrage „Überwachung von Mitgliedern des Deutschen Bundestages sowie der Fraktion DIE LINKE. durch den Verfassungsschutz (dritte Nachfrage)“, auf Bundestagsdrucksache 16/13990 (neu) vom 7. September 2009, verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1345 2. Hat das Bundesamt für Verfassungsschutz in der Vergangenheit Abgeordnete der Partei DIE LINKE. im Europäischen Parlament oder in Landtagen beobachtet, und wenn ja, wie viele (bitte pro Legislaturperiode angeben)? Ja. In der Vergangenheit wurden auch Informationen zu einzelnen Abgeordneten der Partei DIE LINKE. im Europäischen Parlament und in Landtagen durch das BfV gemäß §§ 3 und 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) gesammelt . Mit Stand November 2012 hatte das BfV elf Abgeordnete in den Landtagen (MdL) beobachtet. Danach ist aus Gründen der Priorisierung die Beobachtung von MdEP und MdL der Partei DIE LINKE. eingestellt worden. Zum Ende der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages beobachtete das BfV vier Mitglieder des Europäischen Parlaments (MdEP). Eine vollständige Aufschlüsselung der beobachteten Abgeordneten nach Legislaturperioden kann wegen des erheblichen Rechercheaufwandes in der Kürze der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit und wegen rechtmäßig vorgenommener Löschungen nach Ablauf von gesetzlichen Speicherfristen nicht erfolgen. a) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Entscheidung des BVerfG hinsichtlich der Beobachtung von Abgeordneten der Partei DIE LINKE. im Europäischen Parlament oder in Landtagen? b) Gilt die Mitteilung, dass im Zuge einer „Beobachtungspriorisierung“ und mit Blick auf den besonderen Status bis auf Weiteres die Beobachtung von Abgeordneten des Deutschen Bundestages ausgesetzt wird, auch für Abgeordnete des Europäischen Parlaments und von Landtagen, und wenn nein, warum nicht? Die Entscheidung, Abgeordnete der Partei DIE LINKE. in den Landtagen nicht mehr vom BfV zu beobachten, wurde bereits im November 2012 im Rahmen einer damaligen Umstellung der Beobachtungspraxis aus Gründen der Umpriorisierung und damit vor dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom September 2013 getroffen. Die im März 2014 getroffene Entscheidung, Abgeordnete der Partei DIE LINKE. aus Gründen der Priorisierung nicht mehr zu beobachten, schließt auch MdEP ein. 3. Wie viele Mitglieder der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag sind am Ende der 17. Legislaturperiode vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet worden? Falls die Bundesregierung die Antwort klassifiziert, wie genau begründet sie diese Klassifizierung angesichts der Tatsache, dass die Zahl von 25 Abgeordneten ohnehin schon in der Öffentlichkeit bekannt ist? Am Ende der 17. Legislaturperiode wurden vom BfV personenbezogene Informationen zu 25 Mitgliedern der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag gemäß §§ 3 und 4 BVerfSchG gesammelt. 4. Wie viele Mitglieder der Fraktion DIE LINKE. in der 18. Legislaturperiode wurden vor Umsetzung der „Beobachtungspriorisierung“ vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beobachtet? Mit Beginn der 18. Legislaturperiode im September 2013 und noch vor der Umsetzung der „Beobachtungspriorisierung“ wurden zu 19 Mitgliedern der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag vom BfV Informationen gemäß §§ 3 und 4 BVerfSchG gesammelt. Drucksache 18/1345 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 5. Wie viele Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE. sind gegenwärtig und waren vor Beginn der „Beobachtungspriorisierung“ im nachrichtendienstlichen Informationssystem gespeichert? Gegenwärtig sind seitens des BfV keine Abgeordneten der Partei DIE LINKE. im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS WN) gespeichert. Zu Beginn der 18. Legislaturperiode waren 19 Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE. gespeichert. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 6. Wann genau ist die Sachakte über die Fraktion DIE LINKE. angelegt worden , und inwiefern handelt es sich tatsächlich um eine Sachakte über die Fraktion bzw. um eine Sachakte zur Partei DIE LINKE.? a) Welche Bezeichnung hat das Bundesamt für Verfassungsschutz dieser Sachakte gegeben? b) Über wie viele Abgeordnete der Fraktion Die LINKE. waren bzw. sind darin Informationen gesammelt? c) Zu wie vielen Mitarbeitern der Abgeordneten bzw. der Fraktion DIE LINKE. waren bzw. sind in der Sachakte Informationen gesammelt? Beim BfV existiert seit Beginn der Beobachtung der Partei im Jahr 1995 eine Sachakte zur Partei DIE LINKE. Die Bezeichnung der Akte folgte der jeweiligen Parteibezeichnung. Darin wurden tatsächliche Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen der „Partei des Demokratischen Sozialismus“ (PDS), der „Linkspartei.PDS“ bzw. der Partei DIE LINKE. festgehalten. Bei der Führung der Sachakte wurde eine thematische Untergliederung vorgenommen. Eine davon betraf die Fraktion der Partei im Deutschen Bundestag. Daher ist davon auszugehen, dass Informationen über Abgeordnete der Partei dort aufgenommen wurden. Dies betrifft jedenfalls die in der Antwort zu den Fragen 3 und 4 genannten 25 bzw. 19 Abgeordneten. Eine weitergehende Angabe , zu welchen weiteren Abgeordneten in den vorangegangenen Legislaturperioden Informationen in die Sachakte aufgenommen wurden, lässt sich wegen des erheblichen Rechercheaufwandes in der Kürze der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht erbringen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Aufnahme von Informationen über Personen nicht gleichzusetzen ist mit der Erhebung von Daten zu einer Person im Sinne einer Beobachtung. Dies betrifft beispielsweise auch Presseartikel und Veröffentlichungen, in denen prominente Politiker erwähnt sind Generell lässt sich die Aussage treffen, dass die Sachakte vereinzelt und beiläufig auch Angaben über Mitarbeiter der Fraktion DIE LINKE. und Mitarbeiter der Abgeordneten enthält. Solche Angaben sind jedoch in der Akte festgehalten worden. Ebenso wurden keine personenbezogenen Speicherungen zu diesem Personenkreis vorgenommen. Das BfV führt zu diesem Personenkreis auch keine Listen. Daher liegen dem BfV keine Angaben zu der Anzahl derartiger Fundstellen in der Sachakte vor. 7. Wird die Sachakte weiter geführt, und wenn ja, warum, und zu welchen Konsequenzen hinsichtlich der Sachakte sieht sich die Bundesregierung durch die Entscheidung des BVerfG veranlasst, insbesondere hinsichtlich der Einschränkung, was die Beobachtung „nicht extremistischer“ Abgeordneter allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Partei bzw. Fraktion DIE LINKE. betrifft? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1345 Falls die Sachakte nicht mehr geführt wird, was ist mit den darin gesammelten Informationen geschehen, und inwiefern stehen diese für eine künftige Nutzung durch das BfV zur Verfügung? Mit Einstellung der Beobachtung im November 2012 wurde die Sachakte zur Partei DIE LINKE. nicht mehr weitergeführt. Die Informationen in der nicht mehr weitergeführten Sachakte können weiter durch das BfV genutzt werden. Davon ausgenommen sind lediglich die thematischen Untergliederungen der Akte zu den offen extremistischen Zusammenschlüssen der Partei. Davon zu unterscheiden sind personenbezogene Informationen zu denjenigen (ehemaligen) Abgeordneten mit anhängigen Gerichtsverfahren auf Löschung bzw. Speicherung . Zu der weiteren Nutzung dieser Informationen kann noch keine abschließende Aussage getroffen werden. 8. Welche Art von Informationen enthielt bzw. enthält diese Sachakte? Handelt es sich ausschließlich um Angaben zur Tätigkeit der Abgeordneten innerhalb oder auch über Tätigkeiten außerhalb des Parlaments sowie über Entwicklungen in der Partei DIE LINKE.? In der Sachakte wurden tatsächliche Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen in der Partei festgehalten. Dazu gehören auch Angaben zur Tätigkeit von Abgeordneten außerhalb des parlamentarischen Bereichs, wenn diese bei der Beobachtung der Gesamtpartei bzw. ihrer offen extremistischen Zusammenschlüsse angefallen sind. 9. Über wie viele Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE. enthielt bzw. enthält die Sachakte personenbezogene Verweise auf bereits bestehende Akten oder Dateien der Betroffenen beim BfV, bei Landesämtern für Verfassungsschutz (LfV) und ggf. bei ausländischen Geheimdiensten? Die Anzahl der Abgeordneten, über die personenbezogene Verweise in der Sachakte des BfV auf Akten anderer Herkunft zu finden wären, lässt sich wegen des Umfangs dieser Akte und des damit verbundenen erheblichen Rechercheaufwandes in dem für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht ermitteln. 10. Welchen Umfang hat die Sachakte, bzw. welchen Umfang hatte sie zum Zeitpunkt ihrer allfälligen Schließung? Der Umfang der Akte lässt sich auf ungefähr 9 600 Aktenstücke beziffern. Ein Aktenstück kann jedoch mehrere Dokumente mit jeweils unterschiedlicher Anzahl von Seiten enthalten. 11. Über wie viele Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE. hat die Sachakte am Ende der 17. Legislaturperiode Informationen enthalten, die über die Angaben im Amtlichen Handbuch des Deutschen Bundestages hinausgingen? Über wie viele Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE. im 18. Deutschen Bundestag enthält die Sachakte Informationen, die über die Angaben im Amtlichen Handbuch des Deutschen Bundestages hinausgehen? Auf die Antwort zu den Fragen 3 und 4 wird verwiesen. Drucksache 18/1345 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 12. Da die Bundesregierung nicht ausschließen konnte, dass in der Sachakte Informationen enthalten sind, die „im Einzelfall“ mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnen wurden (Bundestagsdrucksache 16/13990, Antwort der Bundesregierung zu Frage 2 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE.), kann die Bundesregierung dies inzwischen ausschließen, und wenn nein, wie viele Informationen in der Sachakte wurden mit nachrichtendienstlichen Methoden gewonnen (bitte ggf. angeben, ob das BfV bzw. welches LfV die Informationen mit welchen Methoden erhoben hat)? Sind aus der Sachakte in der Vergangenheit Informationen entnommen worden, die mit nachrichtendienstlichen Methoden gewonnen worden waren, und wenn ja, um wie viele Informationen handelte es sich dabei, welche Behörde hat diese Informationen mit welchen Methoden erhoben, und was war der Grund für ihre Herausnahme? Es kann auch weiterhin nicht ausgeschlossen werden, dass vereinzelt Informationen , die in der Sachakte enthalten sind, mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnen wurden. Wie in gerichtlichen Verfahren mehrfach vom BfV vorgetragen und in mehreren Gerichtsentscheidungen (hierzu etwa Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Februar 2009 – 16 A 845/08 – Rn. 21 f., hieran anschließend auch BVerfG, Beschluss vom 17. September 2013 – 2 BvR 2436/10 – Rn. 130) bestätigt, hat das BfV Abgeordnete des Deutschen Bundestages nicht zielgerichtet mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet, sondern Informationen über diese allein aus allgemein zugänglichen Quellen erhoben . Auch die Gesamtpartei wurde vom BfV nicht zielgerichtet mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet. Soweit Daten von LfV unmittelbar in gemeinsame Dateien (wie insbesondere NADIS WN) eingegeben werden, trägt jede Verfassungsschutzbehörde Verantwortung nur für die von ihr eingegebenen Daten (§ 6 Satz 5 Halbsatz 1 BVerfSchG). Das BfV hat lediglich zu prüfen, ob es die übermittelten Daten für seine Aufgabenerfüllung benötigt, nicht hingegen, ob die von anderen Landesbehörden für Verfassungsschutz eingegebenen Daten (zulässigerweise) mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben wurden. Der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass aus der im BfV geführten Sachakte Stücke bzw. Informationen entnommen worden sind. 13. Haben Behörden bzw. Dienststellen in der 17. Legislaturperiode Informationen aus der Sachakte erhalten, und wenn ja, welche Behörden waren dies, und um welche Informationen hat es sich gehandelt? Ja. Vorrangig handelte es sich dabei um zwei Arten von Übermittlungen von Informationen : Einerseits an das Bundesministerium des Innern zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen bzw. zur Vorbereitung auf Sitzungen im parlamentarischen Bereich , andererseits an die LfV im Rahmen der Zentralstellenfunktion des BfV. 14. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die Sachakte dazu verwendet wurde oder wird, andere Akten oder Dateien des BfV oder der Landesämter über einzelne Abgeordnete oder die Fraktion DIE LINKE. als solche anzureichern , zu ergänzen oder abzugleichen (bitte ggf. die Mechanismen erläutern und nach Abgeordneten/Fraktionen im Deutschen Bundestag, in den Landtagen und dem Europäischen Parlament differenzieren)? Nein. Auf die Antworten zu den Fragen 9 und 13 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/1345 15. Gibt es Sachakten zu den vom BfV als „extremistisch“ eingestuften Strömungen und Zusammenschlüssen der Partei DIE LINKE., und wenn ja, zu welchen genau, seit wann, und welche Informationen werden darin gesammelt ? Ja. Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. Das BfV sammelt in den entsprechenden thematischen Untergliederungen der Sachakte tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen zu folgenden offen extremistischen Zusammenschlüssen innerhalb der Partei DIE LINKE. (bzw. ihrer Vorläuferparteien ): ● Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE (KPF) seit dem Jahr 1990 ● Marxistisches Forum (MF) seit dem Jahr 1995 ● Arbeitsgemeinschaft Cuba Si (Cuba Si) seit dem Jahr 1993 ● Geraer/Sozialistischer Dialog in der Partei DIE LINKE (GoSD) seit dem Jahr 2003 ● Antikapitalistische Linke (AKL) seit dem Jahr 2006 ● Sozialistische Linke (SL) seit dem Jahr 2006 ● marx21 seit dem Jahr 2007 (bis in das Jahr 2013 noch als eigenständiger extremistischer Zusammenschluss). Die dort enthaltenen relevanten tatsächlichen Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen werden zusammenfassend im jährlichen Verfassungsschutzbericht des Bundes (VSB), zuletzt im VSB für das Jahr 2012 ab Seite 209 ff., dargestellt . 16. Welche weiteren Konsequenzen will die Bundesregierung bzw. nach ihrer Kenntnis das BfV sowie die LfV aus der Entscheidung des BVerfG ziehen, bzw. inwiefern sind sie bereits gezogen worden? Als Konsequenz aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat die Bundesregierung aus Gründen der Priorisierung die Beobachtung von MdB und MdEP der Partei DIE LINKE. eingestellt. Wegen möglicher Folgerungen der LfV zur Entscheidung des BVerfG wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen . 17. Wie ist die Ankündigung des Bundesministeriums des Innern (BMI) (Brief vom 13. März 2014) zu verstehen, das BfV werde Informationen über Abgeordnete, die „im Zusammenhang mit der Beobachtung gewaltbereiter oder extremistischer Strukturen wie etwa der autonomen Szene oder der PKK auffällig werden“, „bei den Sachakten mitaufnehmen und berücksichtigen“? a) Was bedeutet in diesem Zusammenhang „auffällig werden“ (bitte Kriterien nennen)? b) Umfasst ein „auffällig werden“ auch schon das Verfassen von Artikeln für eine Zeitschrift der für „extremistisch“ erklärten Organisationen oder politischen Spektren? c) Genügt es für ein „auffällig werden“, eine Demonstration anzumelden, an der sich Angehörige von für „extremistisch“ erklärten Organisationen beteiligen? d) Genügt es für ein „auffällig werden“, einen Redebeitrag auf einer Kundgebung oder einen Vortrag auf einer Veranstaltung einer für „ex- tremistisch“ erklärten Organisation zu halten? Drucksache 18/1345 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode e) Genügt es für ein „auffällig werden“, sich für eine Aufhebung des Betätigungsverbots der PKK einzusetzen und diesbezügliche Erklärungen abzugeben oder zu unterzeichnen? f) Welche anderen türkischen bzw. kurdischen Organisationen stehen im Fokus des BfV, und welche Kriterien gelten hierbei für ein „auffällig werden“? Der Umstand, dass die Beobachtung von Abgeordneten der Partei DIE LINKE. eingestellt wurde, schließt nicht aus, dass bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für andere extremistische Bestrebungen gemäß der §§ 3 und 4 BVerfSchG, zu denen auch die in den Fragen 17b bis 17e aufgeführten Handlungen gehören können, solche Informationen vom BfV festgehalten und in den zu der jeweiligen Bestrebung geführten Sachakten abgelegt werden. Die wichtigsten einschlägigen türkischen bzw. kurdischen Organisationen sind im Kapitel „Ausländerextremismus“ des VSB aufgeführt. Hinsichtlich der Kriterien für die Sammlung von Informationen durch das BfV gelten auch hier die voranstehenden Ausführungen. 18. Bei welchen Sachakten genau werden diese Informationen aufgenommen (bitte mit Bezeichnungen angeben)? Die Erfassung solcher Informationen würde jeweils in der Sachakte der maßgebenden Bestrebung im Sinne der §§ 3 und 4 BVerfSchG erfolgen. 19. Wie soll sichergestellt werden, dass bei der angekündigten weiteren Beobachtung so genannter offen extremistischen Zusammenschlüsse der Partei DIE LINKE. nicht auch zugleich Abgeordnete des Deutschen Bundestages , die diesen inkriminierten Zusammenschlüssen angehören, beobachtet werden? Wie wird das BfV mit Erkenntnissen über die Tätigkeit dieser Zusammenschlüsse umgehen, wenn sich herausstellt, dass diese Tätigkeiten bzw. die Erkenntnisse einen Bezug zu Bundestagsabgeordneten haben? Die auch im Schreiben des Bundesministers des Innern vom 13. März 2014 an den Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag mitgeteilte neue Beobachtungspraxis bedeutet, dass seitens des BfV zu MdB und MdEP dieser Partei keine gezielte Beobachtung erfolgt, keine Personenakten geführt werden und keine Speicherung im System „NADIS WN“ erfolgt. Davon unberührt bleibt, dass im Rahmen der Beobachtung der in der Antwort zu Frage 15 genannten offen extremistischen Zusammenschlüsse innerhalb der Partei DIE LINKE. gesammelte Informationen, die einen Bezug zu Abgeordneten des Deutschen Bundestages aufweisen, vom BfV in den thematischen Untergliederungen der Sachakte aufgenommen werden können. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333