Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 6. September 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/13543 18. Wahlperiode 08.09.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, Katja Kipping, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/13374 – Reformbedarf bei der Anerkennung von Berufskrankheiten V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) gelten eng eingegrenzte Erkrankungen als Berufskrankheiten (BK). Zwingend vorausgesetzt werden hierfür stets die Prüfung und Feststellung besonderer Gefährdungen am Arbeitsplatz . Diesen Einwirkungen müssen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt gewesen sein. Erkenntnisse aufgrund der Erkrankung einer Einzelperson genügen nicht. Die derzeit anerkennungsfähigen und ggf. zu entschädigenden Berufskrankheiten finden sich in der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung. Als zuständige Träger der Unfallversicherung sind es die Berufsgenossenschaften, die festzustellen haben, ob die betreffende Erkrankung durch versicherte berufliche Tätigkeiten verursacht wurde. Das ist die Voraussetzung für die Gewährung von Renten und Entschädigungen. Die Kosten der gesetzlichen Unfallversicherung tragen die Arbeitgeber alleine. Hierin begründet sich möglicherweise eine Anfälligkeit, in eigenem finanziellem Interesse möglichst wenigen Anträgen auf Anerkennung als Berufskrankheit stattzugeben. „Dass die Stellen, die für eventuelle Schäden bezahlen sollen, diese auch ermitteln, ist eine absolut einmalige Besonderheit unserer Rechtsordnung “, sagt Hans-Joachim Woitowitz, emeritierter Professor für Arbeitsmedizin der Universität Gießen (s. www.taz.de/!5076530/). Offenkundig jedenfalls ist nach Ansicht der Fragesteller ein Missverhältnis zwischen Verdachtsmeldungen und der Anerkennung von Berufskrankheiten – besonders auch im Zusammenhang mit Asbest. Dabei stellt sich auch die Frage, ob die gesetzlichen Hürden zu hoch sind. Verbleiben die Kosten für Behandlung und Rehabilitation berufsbedingt Erkrankter bei den Kranken- und Rentenversicherungen , bedeutet das eine Umverteilung zulasten der Beschäftigten, weil hierfür auch Arbeitnehmerbeiträge gezahlt werden. Für die Betroffenen kommt als Problematik hinzu, dass „angesichts des häufig fortgeschrittenen Lebensalters der Versicherten Gesamtverfahrensdauern (…) von oft über zehn Jahren rasch zur faktischen Rechtsverweigerung (geraten)“ (s. Soziale Sicherheit 10- 11/2016). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13543 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Welche Kosten haben nach Kenntnis der Bundesregierung berufsbedingte Erkrankungen in den letzten 15 Jahren jeweils verursacht, und welchen Anteil davon tragen die gesetzlichen Krankenkassen bzw. die Berufsgenossenschaften (bitte einzeln aufschlüsseln)? Hinsichtlich der folgenden Tabellen ist vorab darauf hinzuweisen, dass es in der gesetzlichen Unfallversicherung zwei Verbände gibt, die organisatorisch unabhängig voneinander sind und getrennte Statistiken führen: Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV) ist der Verband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand. Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft ist seit dem Jahr 2013 Teil der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), die u. a. als Unfallversicherungsträger tätig ist und zugleich Verbandsaufgaben wahrnimmt. Die Datenlage der SVLFG ermöglicht eine valide statistische Auswertung erst ab dem Jahr 2013, dem Errichtungsjahr der SVLFG, in der die bis dahin selbständigen regionalen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften aufgegangen sind. Ab diesem Zeitpunkt steht für die landwirtschaftliche Unfallversicherung eine bundesweite einheitliche Datenbank zur Verfügung. Hinsichtlich „berufsbedingten“ Erkrankungen findet weder in der gesetzlichen Krankenversicherung noch in den Arbeitsunfähigkeitsstatistiken eine Aufschlüsselung nach „berufsbedingten“ und „nicht berufsbedingten“ Erkrankungen statt. Der Bundesregierung liegen daher keine Erkenntnisse zu den Kosten „berufsbedingter “ Erkrankungen vor. Für die gesetzlich definierten Berufskrankheiten weist die folgende Tabelle der DGUV die von ihren Unfallversicherungsträgern vollständig getragenen Kosten aus: Berufskrankheiten-Kostenerhebung (BK-KOST)* - Gewerbliche Wirtschaft und öffentlicher Dienst** Kosten für Leistungsfälle - alle Berufskrankheiten Geschäftsjahr 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Leistungen insgesamt (Betrag in Mio. Euro) Gesamt 1.252,5 1.270,9 1.271,1 1.264,6 1.264,4 1.221,4 1.228,7 1.365,2 1.438,1 1.413,1 1.429,6 1.428,1 1.489,0 1.513,2 1.577,0 * Ein Teil der Konten des Kontenrahmens für die UV-Träger sind nur auf aggregierter Ebene verfügbar und daher nicht Teil der Berufskrankheiten-Kostenerhebung . ** Erfassung der UV-Träger der öffentlichen Hand (UVTöH) ab 2010. © DGUV Referat Statistik; erstellt am 24. August 2017 Neben diesen Ausgaben tragen die Unfallversicherungsträger auch die Kosten der Verhütung von Berufskrankheiten. Im Jahr 2016 betrugen diese 221,6 Mio. Euro. Die Gesamtausgaben für anerkannte Berufskrankheiten in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung in den Jahren 2013 bis 2016 sind in der nachfolgenden Übersicht der SVLFG dargestellt (gerundete Beträge in Euro): Jahr Gesamtausgaben 2013 41.827.994 2014 43.228.535 2015 44.111.093 2016 44.494.530 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13543 2. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Anerkennungsquote der Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit in den letzten 15 Jahren entwickelt , und wie erklärt sich die Bundesregierung diese Entwicklung? Verdachtsanzeigen zum Vorliegen einer Berufskrankheit können in jedem Fall einer möglichen oder (subjektiv) vermuteten berufsbedingten Verursachung einer Erkrankung abgegeben werden, nicht erst bei einem (sachlich) begründeten Verdacht . Dementsprechend ist die Qualität der Anzeigen sehr heterogen, sowohl nach Person der Anzeigenden als auch bei den unterschiedlichen Berufskrankheiten . Da aber jede Anzeige eine Chance zur Prävention bieten kann, ermuntert die gesetzliche Unfallversicherung zu großzügigem Anzeigeverhalten – auch wenn dadurch die Zahl der Ablehnungen potentiell überproportional steigt. Eine auf die bloße Anzahl der Verdachtsmeldungen abstellende Anerkennungsquote kann somit für die statistische Betrachtung des Berufskrankheitengeschehens kein signifikantes Kriterium darstellen und wird daher nicht gebildet. Die Entwicklung der Berufskrankheiten-Anzeigen stellt sich nach Angaben der DGUV wie folgt dar: Geschäfts- und Rechnungsergebnisse der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand Berufskrankheiten insgesamt (inkl. DDR-BKVO) Jahr BK-Verdachtsanzeigen Anzahl 2002 68.196 2003 62.130 2004 60.965 2005 59.919 2006 61.457 2007 61.150 2008 60.736 2009 66.951 2010 70.277 2011 71.269 2012 70.566 2013 71.579 2014 71.685 2015 76.991 2016 75.491 © DGUV Referat Statistik; erstellt am 31. August 2017 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13543 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die DGUV weist darauf hin, dass nach einer Umstellung der statistischen Erfassung in Abstimmung mit dem damals zuständigen Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung ab dem Jahr 2005 Hautarztberichte als Berufskrankheiten -Verdachtsanzeigen gelten. Da also ein Großteil der Verdachtsanzeigen auf die Berufskrankheit Nummer 5101 (Hautkrankheiten) mit Unterlassungszwang entfällt und bei diesen dann häufig die verschiedenen Merkmale nicht alle erfüllt sind, können diese zwar nicht als BK anerkannt werden, erhalten aber trotzdem aufgrund der bestätigten beruflichen Verursachung – zum Teil umfangreiche – Leistungen auf Kosten der Unfallversicherung im Rahmen von § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung. Nachfolgend wird daher die Entwicklung der letzten 15 Jahre bei den Fällen dargestellt , in denen die berufliche Verursachung bestätigt wurde und daher ggf. auch Leistungen der Unfallversicherung erbracht wurden. Geschäfts- und Rechnungsergebnisse der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand Berufskrankheiten insgesamt (inkl. DDR-BKVO) Jahr BK-Verdacht bestätigt Anzahl 2002 25.942 2003 24.877 2004 24.942 2005 25.022 2006 23.019 2007 23.663 2008 23.028 2009 25.570 2010 31.219 2011 34.573 2012 35.293 2013 36.202 2014 36.754 2015 37.149 2016 40.056 © DGUV Referat Statistik; erstellt am 28. August 2017 Die Steigerungen wurden im Wesentlichen zum einen durch die Erweiterungen der Berufskrankheitenliste (Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung) sowie zum anderen durch Änderungen in der Erfassung von Hautarztberichten verursacht . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13543 Die Entwicklung zu den Anerkennungen stellt sich folgendermaßen dar: Geschäfts- und Rechnungsergebnisse der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand Berufskrankheiten insgesamt (inkl. DDR-BKVO) Jahr Anerkannte BKen Anzahl 2002 17.722 2003 16.778 2004 16.784 2005 15.920 2006 14.156 2007 13.383 2008 12.972 2009 16.078 2010 15.461 2011 15.262 2012 15.291 2013 15.656 2014 16.112 2015 16.802 2016 20.539 Nach Angaben der SVLFG stellt sich die Zahl der Verdachtsmeldungen und der Anerkennungen in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung für die Jahre 2013 bis 2016 wie folgt dar; valide Angaben für die Zeit vor 2013 sind nicht möglich (s. Antwort zu Frage 1): Jahr Verdachtsmeldungen Anerkennungen 2013 3.199 762 2014 3.513 867 2015 4.798 1.248 2016 4.788 1.807 3. Wie lange dauerte nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils der Aufnahmeprozess der einzelnen Berufskrankheiten (BK) von den ersten begründeten Verdachtsfällen bis zur Aufnahme in Anlage 1 der BK-Verordnung (bitte einzeln angeben)? Die Aufnahme neuer Berufskrankheiten in die Berufskrankheitenliste erfordert nach § 9 SGB VII wissenschaftliche Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Krankheitsentstehung. Die Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13543 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode wissenschaftliche Prüfung erfolgt durch den Ärztlichen Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). Der Beratungsprozess beginnt damit, dass nach Auffassung des Sachverständigenbeirats hinreichende Anhaltspunkte für die nach dem Gesetz erforderlichen Erkenntnisse vorliegen könnten und ein Beschluss zur Erarbeitung einer wissenschaftlichen Empfehlung getroffen wird; die Prüfung wird abgeschlossen mit Veröffentlichung der Empfehlung. Die Betroffenen können dann nach § 9 Absatz 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – SGB VII (sog. Wie-Berufskrankheit ) entschädigt werden. Daran anschließend erfolgt die Umsetzung der Empfehlung durch die rechtsförmliche Aufnahme der Krankheit in die Berufskrankheitenliste durch eine Änderungsverordnung zur Berufskrankheiten-Verordnung. Die Dauer der beiden Verfahrensschritte für die in den letzten 15 Jahren neu in die Liste aufgenommenen Erkrankungen ist in der nachstehenden Tabelle dargestellt (Reihenfolge entsprechend der BK-Nummer in der Liste). BK-Nummer der Anlage 1 zur BKV Berufskrankheiten- Kurzbezeichnung Beratungszeit im Ärztlichen Sachverständigenbeirat 1 Zeit bis zur Aufnahme in die BK-Liste2 BK-Nr. 1318 Blutkrebs durch Benzol 7 Jahre 9 Monate 1 Jahr 7 Monate BK-Nr. 1319 Kehlkopfkrebs durch Schwefelsäure 3 Jahre 11 Monate 3 Jahre 4 Monate BK-Nr. 1320 Leukämie durch 1,3-Butadien 1 Jahr 11 Monate 11 Monate BK-Nr. 1321 Blasenkrebs durch PAK 1 Jahr 9 Monate 11 Monate BK-Nr. 2106 Druckschädigung der Nerven 4 Jahre 2 Monate 1 Jahr BK-Nr. 2112 Kniegelenkarthrose 4 Jahre 8 Monate 3 Jahre 8 Monate BK-Nr. 2113 Carpaltunnelsyndrom 4 Jahre 4 Monate 5 Jahre 6 Monate BK-Nr. 2114 Hypothenar-Hammer-Syndrom 1 Jahr 11 Monate 2 Jahre 6 Monate BK-Nr. 2115 Fokale Dystonie bei Berufsmusikern 2 Jahre 11 Monate 11 Monate BK-Nr. 4104 Erweiterung auf Eierstockkrebs durch Asbest 2 Jahre 2 Monate 6 Monate BK-Nr. 4112 Lungenkrebs durch Quarzstaub 1 Jahr 10 Monate 1 Jahr BK-Nr. 4113 Lungenkrebs durch PAK 1 Jahr 10 Monate 11 Jahre 2 Monate3 BK-Nr. 4113 Erweiterung auf Kehlkopfkrebs durch PAK 3 Jahre 5 Monate 11 Monate BK-Nr. 4114 Lungenkrebs durch Asbest und PAK 1 Jahr 1 Monat 2 Jahre 2 Monate BK-Nr. 4115 Lungenfibrose durch Schweißrauche 4 Jahre 8 Monate 2 Jahre 8 Monate BK-Nr. 5103 Weißer Hautkrebs durch natürliches UV-Licht 6 Jahre 11 Monate 1 Jahr 4 Monate 1 Zeitdauer vom Beginn der Beratungen (Beschluss zur Erarbeitung einer wissenschaftlichen Empfehlung) bis zur Veröffentlichung der Empfehlung 2 Zeitdauer von der Veröffentlichung der Beirats-Empfehlung bis zur Verabschiedung der BKV-Änderungsverordnung 3 Die im April 1998 veröffentliche Empfehlung des Beirats zur BK-Nr. 4113 wurde erst mit der 2. BKV-Änderungsverordnung 2009 rechtsförmlich umgesetzt . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/13543 Die zum Teil erheblichen Unterschiede bei der Beratungszeit im Sachverständigenbeirat erklären sich insbesondere aus dem je nach Krankheitsbild unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad der wissenschaftlichen Prüfung. Die Unterschiede bei der Aufnahme in die Berufskrankheitenliste beruhen darauf, dass jeweils mehrere Beiratsempfehlungen zusammengefasst in einer Änderungsverordnung umgesetzt werden. Durch die zwischenzeitliche Anerkennung als „Wie-Berufskrankheit “ entstehen den Betroffenen hierdurch keine Nachteile. 4. In wie vielen Fällen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung für die Anerkennung als Berufskrankheit in den letzten 15 Jahren auf § 9 Absatz 2 SGB VII („Wie-BK“) zurückgegriffen (bitte jährlich angeben), und wie erklärt sich die Bundesregierung diese Zahlen? Wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Anforderungen des § 9 Absatz 2 SGB VII erfüllen, liegen vor allem dann vor, wenn Empfehlungen des Ärztlichen Sachverständigenbeirats „Berufskrankheiten“ zur Aufnahme neuer Erkrankungen in die BKV vorliegen. Die DGUV verweist hierzu auf eine Auswertung der statistischen Daten der Unfallversicherungsträger : Geschäfts- und Rechnungsergebnisse der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand Jahr Anzahl der Anerkennungen 2002 78 2003 27 2004 29 2005 817 2006 350 2007 76 2008 115 2009 1.064 2010 201 2011 136 2012 120 2013 344 2014 657 2015 211 2016 45 © DGUV Referat Statistik; erstellt am 29. August 2017 Die zum Teil erheblichen Unterschiede bei der Anzahl der Anerkennungen pro Jahr begründen sich wie folgt: Mit der Veröffentlichung der Empfehlung des Sachverständigenbeirats im Gemeinsamen Ministerialblatt werden die Erkenntnisse einem breiteren Kreis bekannt und führen zu mehr Anzeigen und Anerkennungen der entsprechenden Erkrankungen als „Wie-Berufskrankheit“. Mit der späteren Aufnahme in die Berufskrankheiten- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13543 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Verordnung werden diese Erkrankungen dann als sog. Listen-Berufskrankheit und nicht mehr nach § 9 Absatz 2 SGB VII anerkannt und die Zahl der „Wie-Berufskrankheiten “ geht wieder zurück, bis neue Empfehlungen vorliegen. Die Zahl der Anerkennungen nach § 9 Absatz 2 SGB VII in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung stellt sich für die Jahre 2013 bis 2016 wie folgt dar; valide Angaben für die Zeit vor 2013 sind nicht möglich (s. Antwort zu Frage 1): Jahr Anerkennungen Berufskrankheiten § 9 Abs. 2 SGB VII 2013 155 2014 278 2015 99 2016 3 5. Wie viele Klagen gab es nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten 15 Jahren aufgrund einer Ablehnung auf Anerkennung als Berufskrankheit, und wie viele dieser Klagen waren für den Kläger/die Klägerin erfolgreich (bitte jeweils nach Jahren aufschlüsseln)? Die Statistik der Sozialgerichtsbarkeit enthält nach Angaben der DGUV die folgenden Daten: Statistik der Sozialgerichtsbarkeit (Verfahren 1. Instanz) Berichtsjahr Erledigte Sozialgerichtsverfahren aufgrund von Erkrankungen Anteil der erledigten Sozialgerichtsverfahren aufgrund von Erkrankungen mit Erfolg für Versicherte / Hinterbliebene Anzahl in Prozent 2001 6.882 9,2% 2002 6.917 8,6% 2003 6.937 8,2% 2004 6.561 7,9% 2005 5.995 9,2% 2006 5.362 10,6% 2007 5.083 10,1% 2008 4.518 11,2% 2009 4.541 10,8% 2010 4.662 12,0% 2011 4.389 10,5% 2012 4.312 10,6% 2013 4.047 12,0% 2014 4.418 11,0% 2015 4.178 13,1% 2016 4.015 12,6% © DGUV Referat Statistik; erstellt am 24. August 2017 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/13543 In den „Sozialgerichtsverfahren aufgrund von Erkrankungen“ sind nicht nur die Streitigkeiten, ob eine Krankheit anzuerkennen ist, enthalten, sondern auch z.B. Fragen zur Minderung der Erwerbsfähigkeit, zum Rentenbeginn, zum Umfang der Berufskrankheiten-Folgen, zur Höhe des Jahresarbeitsverdienstes oder zum Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder nach § 3 Absatz 2 der Berufskrankheiten-Verordnung (Minderverdienst). Von den 505 im Jahr 2016 mit Erfolg für Versicherte / Hinterbliebene erledigten Sozialgerichtsverfahren aufgrund von Erkrankungen führten 275 Verfahren zur Anerkennung des Versicherungsfalls (113 mit und 162 ohne nachfolgende Rentengewährung). Bei den übrigen Fällen handelt es sich um erstmalige Feststellung von Rente, Abfindung oder Sterbegeld bei durch die Unfallversicherung bereits anerkannten Versicherungsfällen bzw. um sonstige Renten- oder Leistungsfeststellungen. Landessozialgerichtsverfahren sind nicht Teil der obigen Tabelle. Im Jahr 2016 wurden 841 Landessozialgerichtsverfahren aufgrund von Erkrankungen wirksam abgeschlossen, davon 10,7 Prozent mit Erfolg für Versicherte/Hinterbliebene. Nach Angaben der SVLFG hat die in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung geführte Statistik der Klageverfahren bislang nicht nach Versicherungsfällen (Berufskrankheiten und Arbeitsunfällen) unterschieden. Erst mit Beginn dieses Jahres wird differenziert erfasst. Daher ist für die zurückliegenden Jahre keine Auswertung im Sinne der Fragestellung möglich. 6. Wie viele dieser Klagen gelangten nach Kenntnis der Bundesregierung bis vor das Bundessozialgericht (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 7. Wie lange dauerte ein Anerkennungsverfahren durchschnittlich und im Median ? Nach den statistischen Angaben der DGUV dauert es bis zur ersten versicherungsrechtlichen Entscheidung, die dem Versicherten mitgeteilt wird, durchschnittlich 5 Monate, im Median 2,7 Monate. In dieser Zeit sind die notwendigen medizinischen und technischen Ermittlungen durchzuführen und ggf. auch die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen gemäß § 4 der Berufskrankheiten -Verordnung zu beteiligen. Statistische Angaben aus dem Bereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung liegen hierzu nicht vor. 8. Wie oft dauerte nach Kenntnis der Bundesregierung das Verfahren zur Anerkennung einer Berufskrankheit in den letzten 15 Jahren unter einem Jahr, zwischen einem und zwei Jahren, zwischen zwei und fünf Jahren, zwischen fünf und zehn Jahren und über zehn Jahren bzw. ist noch offen (bitte auch nach Krankheiten aufschlüsseln)? Nach den statistischen Angaben der DGUV lag der Anteil der erstmals im Jahr 2016 entschiedenen Fälle mit einer Verfahrensdauer von höchstens einem Jahr bei 89,3 Prozent. Im Jahr 2015 lag der Anteil bei 88,6 Prozent. Darüber hinaus liegen der DGUV keine statistischen Daten vor. Statistische Angaben der SVLFG für den Bereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung liegen nicht vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13543 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Bei welchen drei Berufskrankheiten dauerte nach Kenntnis der Bundesregierung das Verfahren zur Anerkennung in den letzten 15 Jahren durchschnittlich am längsten, und welches sind die Ursachen? Nach den statistischen Angaben der DGUV waren dies im Jahr 2016 die Berufskrankheit Nummer 2107 mit 14,9 Monaten, die Berufskrankheit Nummer 1109 mit 12,3 Monaten und die Berufskrankheit Nummer 1315 mit 11,1 Monaten durchschnittlicher Verfahrensdauer. Im Jahr 2015 waren dies die Berufskrankheiten Nummern 1311, 1308 und 1310 und im Jahr 2014 die Berufskrankheiten Nummern 1309, 4108 und 2104. Darüber hinaus liegen der DGUV hierzu keine statistischen Daten vor. Die Berufskrankheiten, die besonders lange Bearbeitungszeiten haben, sind in der Regel relativ selten, d. h. pro Berufskrankheit erfolgen häufig deutlich weniger als 25 Anzeigen pro Jahr insgesamt, so dass schon Schwierigkeiten in wenigen Fällen bei den notwendigen Ermittlungen zu wesentlichen Änderungen bei der durchschnittlichen Laufzeit führen. Statistische Angaben der SVLFG für den Bereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung liegen nicht vor. 10. Sieht die Bundesregierung an dieser Stelle Handlungsbedarf – insbesondere mit Blick auf § 17 Absatz 1 Nummer 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I): „Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält“ (bitte begründen)? Vor dem Hintergrund der oft aufwendigen medizinischen und technischen Ermittlungen bei der Anerkennung einer Berufskrankheit und der überschaubaren Verfahrensdauer sieht die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf. Gesetzeslage 11. Inwiefern hält es die Bundesregierung für gerechtfertigt, dass sehr strenge Anforderungen an den wissenschaftlichen Nachweis gelten, wie die monokausale Verursachung einer BK und den Vollbeweis (bitte jeweils begründen )? Das Berufskrankheitenrecht als Teil der gesetzlichen Unfallversicherung ist vom Kausalitätsprinzip geprägt. Nur wenn die Ursache einer Erkrankung auf die berufliche Tätigkeit der Versicherten zurückzuführen ist, kann dies Leistungsansprüche gegen die Unfallversicherung auslösen. Dies entspricht Aufgabe und Charakter der Unfallversicherung als Haftpflichtversicherung der Arbeitgeber und der alleinigen Finanzierung durch die Arbeitgeber. Dementsprechend müssen für die Aufnahme einer Krankheit in die Berufskrankheitenliste gesicherte medizinische Erkenntnisse über ihre Verursachung vorliegen . Dies gilt gleichermaßen für monokausal und multikausal verursachte Berufskrankheiten (s. hierzu auch Antwort zu Frage 61). Die Feststellung des Ursachenzusammenhangs gilt auch für die Anerkennung im konkreten Einzelfall. Allerdings müssen hierzu nur die objektiv feststellbaren Tatsachen (die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die Krankheit ) im Sinn des Vollbeweises, d. h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit , vorliegen. Für den Ursachenzusammenhang genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit; die bloße Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs reicht nicht aus. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/13543 Wollte man auf den Nachweis der allgemeinen und individuellen Tatsachen und Ursachenzusammenhänge verzichten, wäre eine Abgrenzung zwischen beruflich und privat erworbenen Erkrankungen nicht mehr möglich und damit die Haftung der Arbeitgeber nicht zu rechtfertigen. 12. Welcher genaue Wert wird nach Kenntnis der Bundesregierung in der Praxis für die gesetzliche Norm des gruppentypischen Erkrankungsrisikos „in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung“ (§ 9 Absatz 1 SGB VII) verwendet, und warum? Die Ermächtigungsnorm des § 9 Absatz 1 SGB VII verlangt für die Aufnahme einer Erkrankung in die Berufskrankheitenliste, dass „bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung“ gefährdet sein müssen. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 6. Dezember 1977 – 1 BvR – 920/77 –) und ihm folgend Rechtsprechung und Rechtslehre hat hierzu formuliert: „Die Voraussetzung einer höheren Gefährdung bestimmter Personengruppen bezieht sich auf das allgemeine Auftreten der Krankheit, nicht dagegen auf die Verursachung der Krankheit durch die gefährdende Tätigkeit. Ob eine Krankheit in einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftritt als bei der übrigen Bevölkerung, erfordert den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung derartiger Krankheitsbilder, um mit Sicherheit daraus schließen zu können, dass die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt“. Für diese sog. gruppentypische Risikoerhöhung wird demnach vorausgesetzt, dass die berufstypisch exponierte Personengruppe „in erheblich höherem Grad“ als die Vergleichsgruppe der übrigen Bevölkerung einer bestimmten Einwirkung ausgesetzt ist. Die besondere Gefährdung muss sich in der empirisch ermittelten Überhäufigkeit des Auftretens „gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen“ manifestieren. Was „erheblich“ in diesem Sinn ist, ist im Gesetz nicht quantifiziert oder auf andere Weise festgelegt. Für die Aufnahme neuer Erkrankungen in die Berufskrankheitenliste wird seit mehreren Jahrzehnten in der Regel eine Verdoppelung des relativen Risikos, d. h. eine Verdoppelung der Erkrankungshäufigkeit der exponierten Personengruppe im Verhältnis zur Vergleichsgruppe, zugrunde gelegt. Hierdurch wird erreicht, dass für den allgemeinen Ursachenzusammenhang zwischen der Einwirkung und der Krankheitsentstehung eine zumindest überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht. Dies entspricht dem Kausalitätsprinzip der gesetzlichen Unfallversicherung. 13. Welche Krankheiten wurden in den letzten zehn Jahren bei welcher Berufsgruppe nach Kenntnis der Bundesregierung nicht anerkannt, weil das Erkrankungsrisiko nur 10 Prozent bzw. nur 20 Prozent über dem durchschnittlichen Wert lag? Hierzu liegen der Bundesregierung mangels statistischer Angaben der DGUV und der SVLFG keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13543 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 14. Wie erklärt sich die Bundesregierung die hohe Zahl von Berufskrankheiten, bei denen eine berufliche Verursachung festgestellt wurde, aber die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt waren (vgl. Bundestagsdrucksache 18/10620, Abb. 12)? Sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf, wie etwa die Streichung des Unterlassungszwanges nach § 9 Absatz 1 (bitte begründen)? Neun von derzeit 80 Berufskrankheiten erfordern als Anerkennungsvoraussetzung die Aufgabe der schädigenden Tätigkeit durch den Versicherten – sog. Unterlassungszwang . Geben die Betroffenen die Tätigkeit nicht auf, kann die Erkrankung nicht anerkannt werden. In diesen Fällen wird lediglich die berufliche Verursachung festgestellt. Das Kriterium wurde in früheren Jahrzehnten aus unterschiedlichen Gründen, wie z. B. zur Vermeidung einer weiteren Schädigung der Betroffenen (Präventionswirkung), verwendet. Seit rund 25 Jahren macht der Verordnungsgeber davon keinen Gebrauch mehr. In rund 97 Prozent der Fälle (20 021 von 20 550 – Tab. TC 6 im Bericht der Bundesregierung über den Stand von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit - Bundestagsdrucksache 18/10620) handelt es sich hierbei um Hauterkrankungen, für deren statistische Erfassung mehrere Besonderheiten gelten. Insbesondere werden hier mehrere Tausend Fälle miterfasst, in denen noch gar kein Berufskrankheiten -relevantes Krankheitsbild vorliegt, aber aus präventiven Gründen bereits im Vorfeld Leistungen erbracht werden, um die Entstehung der Berufskrankheit zu verhindern. Eine Anerkennung als Berufskrankheit scheidet hier von vorneherein aus. 15. Teilt die Bundesregierung die Forderung, dass für die Arbeitsanamnese fehlende Unterlagen durch Erklärung der Betroffenen zu ersetzen sind, damit die Betroffenen nicht unter den Versäumnissen ihrer Arbeitgeber leiden müssen (vgl. Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung )? Was unternimmt die Bundesregierung hinsichtlich der Problematik des Beweisnotstandes konkret? Das Berufskrankheitenrecht als Teil der gesetzlichen Unfallversicherung ist geprägt vom Kausalitätsprinzip. Die Versicherten selbst haben hierbei keine Darlegungs - oder Beweisführungspflichten. Sie sollen und haben im Anerkennungsverfahren zwar im Rahmen ihrer Möglichkeiten mitzuwirken, müssen aber selbst keine Ermittlungen anstellen oder Beweise beibringen. Vielmehr haben die Unfallversicherungsträger die notwendigen Voraussetzungen von Amts wegen festzustellen (§ 20 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – SGB X). Nur wenn alle Möglichkeiten der Ermittlung erschöpft sind, ohne dass ein Ursachenzusammenhang festgestellt werden kann, und auch eine umfassende Würdigung der vorliegenden Beweise die Ungewissheit nicht beseitigt hat, gilt – wie in den anderen Sozialversicherungszweigen - auch in der Unfallversicherung der Grundsatz der objektiven Beweislast. In einem solchen Fall können keine Leistungen erbracht werden. In diesem Rahmen bestehen bereits erhebliche Beweiserleichterungen zugunsten der Versicherten, zum einen beim Beweismaßstab (nur die zugrundeliegenden Tatsachen müssen im Vollbeweis festgestellt werden, für den Ursachenzusammenhang reicht die überwiegende Wahrscheinlichkeit; in bestimmten Fällen gilt eine Vermutungsregelung – § 9 Absatz 3 SGB VII), zum anderen bei der Tatsachenfeststellung . Hier haben die Unfallversicherungsträger die Beweislage zugunsten der Versicherten insbesondere durch die Errichtung von Gefährdungs- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/13543 oder Arbeitsplatzkatastern verbessert. Diese lassen Rückschlüsse auf Art und Ausmaß der mit bestimmten Tätigkeiten verbundenen Gefährdungen zu, auch wenn am Arbeitsplatz des Betroffenen selbst keine Ermittlungen mehr möglich sind, etwa weil das Unternehmen nicht mehr existiert, Produktionsverhältnisse sich geändert haben oder Unterlagen nicht mehr vorhanden sind. Darüber hinaus hat das Bundessozialgericht bereits im Jahr 1997 in einer Grundsatzentscheidung zur Frage der Beweislast in der gesetzlichen Unfallversicherung ausgeführt (Urteil vom 27. Mai 1997 – 2 RU 38/96 –): „Es bleibt dem Tatsachengericht im Rahmen seiner freien richterlichen Beweiswürdigung überlassen, je nach den Besonderheiten des maßgeblichen Einzelfalls schon einzelne Beweisanzeichen , im Extremfall ein Indiz ausreichen zu lassen für die Feststellung einer Tatsache oder der daraus abgeleiteten Bejahung der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs.“ Vor diesem Hintergrund besteht in der gesetzlichen Unfallversicherung kein Anlass für weitergehende Beweiserleichterungen. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung bestehen ausreichende Möglichkeiten, zugunsten von Versicherten auch außergewöhnlichen Ermittlungs- und Beweissituationen Rechnung zu tragen . In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Nichtanerkennung von Berufskrankheiten regelmäßig nicht auf Beweisfragen, sondern auf andere Gründe (zu geringe Expositionszeiten, fehlende medizinischen Voraussetzungen etc.) zurückgeht. Recherchen des BMAS bei der DGUV, staatlichen Gewerbeärzten und auf Gewerkschaftsseite haben keine relevanten Fälle aufgezeigt, in denen die Anerkennung einer Berufskrankheit durch Maßnahmen, wie sie die Fragesteller vorschlagen, hätte erreicht werden können. 16. Seit wann werden nach Kenntnis der Bundesregierung von dem Ärztlichen Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ keine Merkblätter zur Begutachtung mehr erstellt, und warum nicht? Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, dass eine Übertragung dieser Aufgabe auf die gesetzliche Unfallversicherung („Empfehlungen zu BK“) im Hinblick auf die Objektivität problematisch ist (bitte begründen ) und daher rückgängig gemacht werden sollte? Die Erstellung und Aktualisierung der sogenannten Merkblätter ist im Jahr 2010 eingestellt worden. Sie hatten nicht die Funktion einer verbindlichen Begutachtungsgrundlage . Die vom BMAS zu den einzelnen Berufskrankheiten früher herausgegebenen Merkblätter sollten vornehmlich Hinweise für die Ärzteschaft geben, um auf mögliche Zusammenhänge zwischen Erkrankungen von Patienten und deren Berufstätigkeit aufmerksam zu machen und entsprechende Verdachtsanzeigen an die Unfallversicherungsträger zu veranlassen. In einem neuen Verfahren werden von der DGUV entsprechende Informationen zu einzelnen Krankheitsgruppen (Atemwegserkrankungen, Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, Erkrankungen durch Lärm etc.) zusammengefasst, spezifisch an der jeweiligen Fachärzteschaft ausgerichtet und für die Verbreitung in den einschlägigen Fachmedien, aber auch für die Öffentlichkeit aufbereitet. Die Informationen werden mit dem BMAS unter Beteiligung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats „Berufskrankheiten “ vorabgestimmt. Der Hinweisfunktion kann auf diese Weise gezielter, schneller und aktueller als bisher Rechnung getragen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13543 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Darüber hinaus beobachtet das BMAS zu den bereits bestehenden Berufskrankheiten weiterhin den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt. Sofern sich hier Ergänzungs- oder Korrekturbedarf ergibt, verfasst der Ärztliche Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ „wissenschaftliche Stellungnahmen“, die veröffentlicht werden. 17. Was spricht aus Sicht der Bundesregierung dagegen, eine Härtefallklausel, die das Listenprinzip ergänzt (vgl. Prof. Dr. Wolfgang Spellbrink in Soziales Recht 4/2014 und 1/2015), einzuführen, etwa um Arbeitnehmer, die in einem seltenen Beruf arbeiten, oder solche mit einer höchst spezifischen Einzelfallkombinationen von Stoffen, für die es keine jeweils spezifische Berufskrankheit aufgrund von wissenschaftlichen Studien geben kann, nicht zu benachteiligen ? Eine sog. Härtefallklausel für seltene Erkrankungen oder seltene Berufe ist im Berufskrankheitenrecht nicht erforderlich. Das Bundessozialgericht (zuletzt Urteil vom 18. Juni 2013 – B 2 U 3/12 R – m. w. N.) und ihm folgend die Rechtslehre und Rechtspraxis haben bereits vor vielen Jahren Ausnahmen von dem Erfordernis des epidemiologisch belegten Ursachenzusammenhangs zugelassen: „Fehlt es an einer im Allgemeinen notwendigen langfristigen zeitlichen Überwachung von Krankheitsbildern, da aufgrund der Seltenheit einer Erkrankung medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse durch statistisch abgesicherte Zahlen nicht erbracht werden können, kommt … auch ein Rückgriff auf Einzelfallstudien, auf Erkenntnisse aus anderen Staaten und auf frühere Anerkennungen entsprechender Erkrankungen … in Betracht“. Auf Basis dieser Rechtsprechung ist in Fällen seltener Erkrankungen oder Tätigkeiten die gesamte Bandbreite medizinisch-wissenschaftlicher Methoden heranzuziehen , um auch bei schwacher oder fehlender Epidemiologie eine entsprechende Risikoerhöhung und damit der erforderliche Ursachenzusammenhang mit hinreichender Sicherheit feststellen zu können. Über die Regelung des § 9 Absatz 2 SGB VII (sog. Wie-Berufskrankheit) ist dieser Maßstab auch in Fällen anzulegen, in denen die Krankheit nicht in der Berufskrankheitenliste bezeichnet ist. Sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen als auch deren praktische Umsetzung enthalten daher keinen Ausschluss seltener Erkrankungen oder Tätigkeiten von der Anerkennung als Berufskrankheit. 18. Welche Überlegungen gibt es in der Bundesregierung, psychische Erkrankungen in die BK-Liste aufzunehmen (bitte begründen)? Psychische Erkrankungen können unter bestimmten Voraussetzungen bereits heute als Versicherungsfall (Arbeitsunfall) der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannt werden, wenn sie Folge eines einmaligen, feststellbaren Ereignisses sind: als psychoreaktive Störung nach einem Arbeitsunfall mit körperlichen Verletzungen , als posttraumatische Belastungsstörung ohne körperliche Verletzungen, z. B. als Überfahrtrauma bei Lokführern, nach Raubüberfällen bei Bankangestellten oder nach einer Extrembelastung bei Rettungskräften. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/13543 Eine Aufnahme von psychischen Erkrankungen in die Berufskrankheitenliste, z. B. als Folge von Mobbing oder Stress, ist derzeit nicht möglich, da die erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Mobbing oder Stress als solche stellen selbst keine Krankheit dar, sondern können nur eine Vielzahl völlig unterschiedlicher Symptome und Beschwerden auslösen, die von Person zu Person in verschiedenster Art und Intensität auftreten. Stress kann sich in vielfältigsten Formen manifestieren (Zeitdruck, Arbeitspensum, Überforderung, Arbeitsplatzverhältnisse etc.), die sich genauso im privaten Umfeld darstellen können . Stress tritt deshalb in den unterschiedlichsten Betätigungsfeldern in und außerhalb des Arbeitslebens auf. Krankheitsbilder, die eine nur mögliche Folge verschiedenster beruflicher oder privater Belastungssituationen darstellen, können nicht als Berufskrankheit anerkannt werden. Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) 19. Besteht nach Kenntnis der Bundesregierung eine gesetzliche Verankerung des Ärztlichen Sachverständigenbeirates „Berufskrankheiten“, und wenn nein, warum nicht? Eine gesetzliche Verankerung des Ärztlichen Sachverständigenrats „Berufskrankheiten “ besteht derzeit nicht. Der Beirat für Berufskrankheiten wurde vor rund 40 Jahren eingerichtet und ist ein internes, weisungsunabhängiges Beratungsgremium , das das BMAS in medizinisch-wissenschaftlichen Fragen bei seiner Entscheidungsfindung unterstützt. Aufgabe des Beirates ist die Sichtung und Bewertung des wissenschaftlichen Erkenntnisstands im Hinblick auf die Aktualisierung bestehender oder die Aufnahme neuer Berufskrankheiten in die Berufskrankheiten -Verordnung. Der Beirat gibt gegenüber dem Ministerium auf Basis bestehender Erkenntnisse Stellungnahmen und Empfehlungen ab; er führt keine eigene Forschung durch und hat keine eigenständige Entscheidungskompetenz nach außen. Über die nachfolgende Ergänzung der Berufskrankheiten-Verordnung entscheidet die Bundesregierung als Verordnungsgeberin. 20. Welche Dokumentations- und Protokollpflichten bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung für o. g. Sachverständigenbeirat (bitte begründen), und wie wird Transparenz hergestellt über die Beratungen und darüber, welche Erkrankungen und Forschungsergebnisse Anlass von Beratungen werden (bitte begründen)? Nach § 6 Absatz 5 der Geschäftsordnung des Ärztlichen Sachverständigenbeirates „Berufskrankheiten“ fertigt das BMAS Ergebnisniederschriften über die Beratungen , die den Mitgliedern des Beirates und den ständigen Beratern zu übersenden sind; darüber hinaus können sie den externen Sachverständigen und den Gästen übersandt werden. Das BMAS informiert auf seiner Internetseite über die grundsätzliche Art und Weise des Beratungsverlaufs im Beirat und veröffentlicht eine Liste mit den Beratungsthemen , die jeweils aktuell vom Sachverständigenbeirat geprüft werden (www.bmas.de/DE/Themen/Soziale-Sicherung/Gesetzliche-Unfallversicherung/ der-aerztliche-sachverstaendigenbeirat-berufskrankheiten.html). Die vom Sachverständigenbeirat beschlossenen wissenschaftlichen Empfehlungen und Stellungnahmen werden im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlicht und anschließend auf der Internetseite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin eingestellt (www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische- Regeln/Berufskrankheiten/Merkblaetter.html). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13543 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 21. Nach welchen Kriterien trifft das BMAS die Auswahl der Mitglieder des Sachverständigenbeirates „Berufskrankheiten“? Der Beirat hat insgesamt zwölf Mitglieder, die vom BMAS frei berufen werden. Maßgeblich sind ihre wissenschaftliche Kompetenz und Unabhängigkeit. Dem Beirat gehören acht Hochschullehrer/Hochschullehrerinnen der Fachrichtung Arbeitsmedizin bzw. Epidemiologie, zwei Staatliche Gewerbeärzte/Gewerbeärztinnen und zwei Ärzte/Ärztinnen aus dem betriebsärztlichen Bereich an. Bei den Hochschullehrern/Hochschullehrerinnen handelt es sich überwiegend um die Leiter/Leiterinnen der Institute für Arbeits- und Umweltmedizin der jeweiligen Hochschulen. Sie verfügen durch ihre Anbindung an die Universitätskliniken darüber hinaus über eigene klinische Erfahrung. Bei den beiden Staatlichen Gewerbeärzten handelt es sich um langjährig tätige Arbeitsmediziner, die sich neben der gewerbeärztlichen Tätigkeit in hohem Maß am wissenschaftlichen Diskurs in Fachgremien und Symposien beteiligen. Die in Leitungsfunktionen tätigen Betriebsärzte /Betriebsärztinnen verfügen über ein breites Erfahrungsspektrum aus der Praxis. Die grundsätzliche Zusammensetzung des Beirats aus den Bereichen Hochschule, gewerbeärztlicher Dienst und betriebsärztliche Tätigkeit hat sich seit Jahrzehnten bewährt. Die wissenschaftlichen Empfehlungen des Gremiums werden allgemein akzeptiert. Sie sind bisher ohne Ausnahme durch entsprechende Erweiterungen der Berufskrankheiten-Verordnung rechtlich umgesetzt worden. 22. Wird die finanzielle und organisatorische Unabhängigkeit der ehrenamtlich tätigen Mitglieder des Ärztlichen Sachverständigenbeirates zu den Berufsgenossenschaften nach Kenntnis der Bundesregierung überprüft, und inwiefern gilt eine Abhängigkeit als Ausschlussgrund (bitte begründen)? Nach § 2 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Ärztlichen Sachverständigenbeirates „Berufskrankheiten“ ist die Mitgliedschaft im Beirat ein persönliches Ehrenamt . Bei der Ausübung dieses Ehrenamtes sind die Mitglieder nur ihrem Gewissen verantwortlich und zu unparteiischer und unabhängiger Erfüllung ihrer Aufgaben sowie zur Verschwiegenheit verpflichtet. Gemäß § 4 Absatz 5 der Geschäftsordnung gibt ein Mitglied, das sich aufgrund eines Interessenkonflikts zu einem Beratungsthema für befangen hält, eine Befangenheitserklärung gegenüber dem Beirat ab und nimmt an der Beratung oder Beschlussfassung nicht teil. Hält sich ein Mitglied aufgrund eines Interessenkonflikts für möglichweise befangen, erklärt es dies gegenüber dem Beirat, der über einen Ausschluss von der Beratung oder Beschlussfassung entscheidet. 23. Warum nehmen nach Kenntnis der Bundesregierung an den Beratungen stets auch zwei Vertreter der gesetzlichen Unfallversicherung, also der Arbeitgeberseite , als ständige Gäste teil (s. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, www.bundestag.de/blob/511130/2f0763dc6360b77b6b05b4c 0730e3e4a/wd-6-024-17-pdf-data.pdf, WD 6 – 3000 – 024/17, S. 5), aber niemand von der Arbeitnehmerseite? Haben diese ein Rederecht (bitte begründen)? In beratender Funktion (ohne Stimmrecht) nehmen an den Sitzungen des Sachverständigenbeirats Vertreter/Vertreterinnen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) sowie der DGUV teil. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 17 – Drucksache 18/13543 Die DGUV ist der Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallkassen. Organisiert ist die DGUV als rechtsfähiger Verein. Im Gegensatz zur gesetzlichen Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zahlen die Versicherten in der Regel zwar selbst keine Beiträge; vielmehr kommen ihre Arbeitgeber oder die öffentliche Hand für die Kosten der Versicherung auf. In den Entscheidungsgremien der DGUV sitzen allerdings zu gleichen Teilen Vertreter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Arbeitgeber. Der Verband vertritt damit die Interessen beider Seiten, auch im Sachverständigenbeirat . 24. Seit wann sind nach Kenntnis der Bundesregierung die derzeitigen Mitglieder des Sachverständigenbeirates im Einzelnen bereits für den Sachverständigenrat tätig? Die derzeitigen Mitglieder sind im Durchschnitt seit rund zwölf Jahren im Sachverständigenbeirat tätig; die jeweilige Dauer der Mitgliedschaft liegt dabei zwischen vier Jahren und 26 Jahren. 25. Welche wissenschaftliche Zuarbeit gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung von Seiten des BMAS für den Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten “? 26. Wie viele Mitarbeiter arbeiten nach Kenntnis der Bundesregierung im BMAS bzw. in der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zu Berufskrankheiten? Die Fragen 25 und 26 werden gemeinsam beantwortet. Grundsätzlich arbeitet nicht das BMAS dem Sachverständigenbeirat zu, vielmehr ist der Ärztliche Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ das Beratungsgremium , das dem Ministerium medizinisch-wissenschaftlich zuarbeitet und damit das BMAS bei dessen sozialpolitischer Entscheidungsfindung insbesondere durch Sichtung und Bewertung des arbeitsmedizinischen und epidemiologischen Erkenntnisstands unterstützt. In personeller Hinsicht sind von der BAuA zwei Personen als ständige Berater (ohne Stimmrecht) im Sachverständigenbeirat wissenschaftlich tätig. Eine Person ist speziell für die wissenschaftliche Unterstützung des Beirats eingestellt worden . Die zweite Person arbeitet zu ca. 50 Prozent für den Beirat. Darüber hinaus unterstützt eine weitere Person der BAuA den Sachverständigenbeirat in organisatorischer Hinsicht. Die wissenschaftliche Arbeit der BAuA, ist u. a. darauf ausgerichtet, arbeitsassoziierte Gesundheitsrisiken zu erkennen. Sofern sich im Rahmen von Forschungsprojekten signifikante Risiken ergeben, welche auch eine quantitative Expositions -Risiko-Beziehung ermöglichen, fließen diese Erkenntnisse auch in die Arbeit des Sachverständigenbeirats ein. So arbeitet z. B. eine Fachgruppe an Untersuchungen zu arbeitsbedingten Muskel-Skelett-Erkrankungen. In einer anderen Fachgruppe wurden z. B. auf Basis der Daten des Gesundheitsdatenarchives Wismut Studien zum Effekt von Quarzstaub und Radon durchgeführt. Eine Abschätzung der wissenschaftlichen Arbeit ergibt, dass ca. zehn Mitarbeiter in der BAuA an Themen arbeiten, welche (je nach Ergebnis) Berufskrankheitenrelevant werden können. Im BMAS sind mehrere Organisationseinheiten mit dem Thema Berufskrankheiten befasst, insbesondere das Referat Unfallversicherung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13543 – 18 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Gutachterwesen/Berufsgenossenschaften (BGen) 27. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu Mängeln bei Arbeitsanamnese und Begutachtung, welche Beschwerden gab es diesbezüglich, wie wurde diesen nachgegangen, und welchen Reformbedarf sieht die Bundesregierung ? Die Arbeitsanamnese wird durch die Präventionsdienste der Berufsgenossenschaften u. a. im Gespräch mit den Versicherten erhoben, um Einwirkungen während des Erwerbslebens festzustellen. Daraus resultierend kommen nach Angaben des für die Rechtsaufsicht über die bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträger zuständigen Bundesversicherungsamts (BVA) ggf. Differenzen zwischen den Feststellungen des Präventionsdienstes und der Ansicht der Versicherten hinsichtlich der Höhe der Einwirkung in Betracht, grundsätzlich nicht hinsichtlich der Art und Dauer. So wurde in zwei Eingaben an das BVA beanstandet, dass die schädigende Belastung im Rahmen der Arbeitsplatzanamnese fehlerhaft oder nicht umfassend genug ermittelt worden sei. Die wenigen beim BVA eingegangenen Beschwerden zu Mängeln bei Begutachtungen befassten sich zum einen mit der Dauer des Verfahrens von der Beauftragung des Gutachters bis zur Gutachtenerstattung. Des Weiteren beanstandeten Versicherte eine vermutete Abhängigkeit der Gutachter vom Unfallversicherungsträger . In zahlenmäßig zu vernachlässigenden Fällen bemängelten Versicherte eine fehlende Begutachtung oder die unterschiedliche medizinische Beurteilung des gleichen Sachverhalts in verschiedenen Gutachten. Das BVA ist solchen Beschwerden dergestalt nachgegangen, dass die Stellungnahmen der Versicherungsträger zu den erhobenen Vorwürfen unter Heranziehung deren Verwaltungsakten im Wege der Rechtsaufsicht überprüft wurden. Soweit bei der aufsichtsrechtlichen Prüfung des Einzelfalles ein Rechtsverstoß festgestellt wurde, ist dieser gegenüber dem betroffenen Unfallversicherungsträger beanstandet und der Träger zu künftiger Beachtung des geltenden Rechts aufgefordert worden. Vor diesem Hintergrund der wenigen Beanstandungen wird ein Reformbedarf bei Arbeitsanamnese und Begutachtung von der Bundesregierung nicht gesehen. 28. Wie wird die Objektivität der Gutachter nach Auffassung der Bundesregierung sichergestellt, und gibt es eine externe Qualitätssicherung der Gutachter (bitte begründen)? 29. Wie wird nach Auffassung der Bundesregierung konkret verhindert, dass ein finanzieller Anreiz für Berufsgenossenschaften und Gutachter (mit Blick auf Folgeaufträge) besteht, Ansprüche von Versicherten abzuweisen (vgl. www.taz.de/!519136/ und www.taz.de/!5186434/: „Die Berufsgenossenschaften führen Listen von ihnen genehmen Gutachtern. Und die Sozialgerichte würden die gelisteten Fachleute fast immer als Gerichtsgutachter bestimmen “), und welchen Reformbedarf sieht die Bundesregierung diesbezüglich (bitte begründen)? Die Fragen 28 und 29 werden gemeinsam beantwortet. Die DGUV führt Verzeichnisse über Gutachter (öffentlich einsehbar über http:// lviweb.dguv.de/faces/partner-task-flow/SDLG_PartnerSuchen?_adf.ctrl-state= udhqf7rcb_9), die mit medizinischen Fachgesellschaften und der SVLFG abgestimmte und veröffentlichte Kriterien zur persönlichen Qualifikation sowie Anforderungen an die Praxiseinrichtung erfüllen. Jeder Arzt bzw. Ärztin, der/die die Anforderungen erfüllt und entsprechend qualifiziert ist, kann die Aufnahme in die Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 19 – Drucksache 18/13543 Liste beantragen. Medizinisch-wissenschaftliche Leitlinien und Begutachtungsempfehlungen fassen den aktuellen Stand der Wissenschaft zusammen und können sowohl bei der Erstellung von Gutachten als auch bei ihrer Auswertung genutzt werden. Zur Objektivität trägt u.a. auch das Gutachterauswahlrecht der Versicherten nach § 200 SGB VII bei. Danach soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen. In der Praxis der Unfallversicherungsträger können Versicherte außerdem einen Gutachter ihrer Wahl benennen. Sofern dieser grundsätzlich qualifiziert ist, wird dieser in der Regel auch beauftragt, auch wenn er nicht im Gutachterverzeichnis gelistet ist. Auch vor diesem Hintergrund wird ein Reformbedarf bei Begutachtungen von der Bundesregierung nicht gesehen. 30. Wie viele der Gutachter stehen nach Kenntnis der Bundesregierung etwa über Beraterverträge bei den Berufsgenossenschaften oder eine Anstellung an von BGen betriebenen Kliniken in vertraglicher Beziehung zum Unfallversicherungsträger ? Wie wird dies erfasst, bzw. warum wird dies nicht erfasst, und wird die Bundesregierung das ändern (bitte begründen)? Bei der DGUV liegen entsprechende Daten nicht vor. Eine Erfassung findet wegen der Vielzahl individueller Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten nicht statt. Die Unfallversicherungsträger ziehen Beratungsärzte auf verschiedenen Ebenen (Hauptverwaltungen, Kompetenzzentren, Bezirksverwaltungen) und zu unterschiedlichsten Zwecken (z. B. Mitwirkung bei der Heilverfahrenssteuerung, Plausibilitätsprüfungen bei Gutachten, Unterstützung bei der Steuerung von Ermittlungsverfahren , etc.) hinzu. Auch die SVLFG verfügt über keine umfassenden und validen Informationen zu der dargestellten Thematik, die es ihr ermöglichen würden, die Frage über mögliche Einzelfälle hinaus umfänglich zu beantworten. Sofern im Berufskrankheitenverfahren ein Versicherungsträger im Einzelfall einen Gutachter vorschlägt, der in anderen Fällen vom Versicherungsträger als Beratungsarzt in Anspruch genommen wird, wird der Versicherte bei der Gutachterwahl ausdrücklich auf diesen Umstand hingewiesen. 31. Teilt die Bundesregierung die Forderung, dass die Gutachter ihre Nebeneinkünfte offenlegen sollen (bitte begründen)? Die Bundesregierung sieht keinen Anlass, dass Gutachter ihre Haupt- oder ihre Nebeneinkünfte offenlegen sollten. 32. Teilt die Bundesregierung die Forderung, dass Gutachter, die entsprechend Frage 27 in vertraglicher Beziehung zum Unfallversicherungsträger stehen, als befangen zu erklären sind (bitte begründen)? Nein. Zur Begründung wird auf die Antwort zu den Fragen 28 und 29 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13543 – 20 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 33. Wie viele Gutachten wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten 15 Jahren im Zusammenhang mit der Anerkennung von Berufskrankheiten ausgestellt (bitte jährlich aufschlüsseln), welcher Anteil der Feststellungsverfahren stützte sich in den letzten 15 Jahren auf Gutachten, die im Auftrag der Berufsgenossenschaften erstellt wurden, und welcher Anteil an Gutachten wurde von staatlichen Gewerbeärzten erstellt (bitte nach Jahren und Bundesländern aufschlüsseln)? Bei der DGUV liegen statistische Daten hierzu nicht vor. Auch bei der SVLFG lässt die bestehende Datenlage eine statistische Auswertung im Sinne der Fragestellung nicht zu. 34. Teilt die Bundesregierung die Kritik daran, dass § 200 Absatz 2 SGB VII kein verbindliches Gegenvorschlagsrecht bzgl. der Gutachterauswahl enthält , was zur Folge hat, dass die Geschädigten eigene Gutachter selbst zahlen müssen, wozu viele nicht in der Lage sind (vgl. www.taz.de/!5186434/)? Sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf (bitte begründen)? In der Praxis der Unfallversicherungsträger können Versicherte einen Gutachter ihrer Wahl benennen. Sofern dieser grundsätzlich qualifiziert ist, wird dieser in der Regel auch beauftragt, auch wenn er nicht im Gutachterverzeichnis gelistet ist. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 28 und 29 verwiesen. 35. Wie viel verdient nach Kenntnis der Bundesregierung ein Gutachter durchschnittlich pro Gutachten, und wie viele Gutachten haben die 20 Ärzte mit den meisten Gutachtenaufträgen jährlich ausgestellt? Die Vergütung von Gutachten in der gesetzlichen Unfallversicherung ist in der Gebührenordnung für Ärzte Gesetzliche Unfallversicherung (UV-GOÄ) geregelt. Sie ist grundsätzlich nach Schwierigkeitsgrad gestaffelt. Die Spanne geht von 230,32 Euro für ein Formulargutachten zur Lärmschwerhörigkeit, über 280 Euro für freie Gutachten mit normalem Schwierigkeitsgrad bis zu 700 Euro für „Begutachtungsmaterie mit hohem Schwierigkeitsgrad und sehr hohem zeitlichen Aufwand zu speziellen Kausalzusammenhängen und/oder differentialdiagnostischen Problemstellungen.“ Zum zweiten Teil der Frage liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 21 – Drucksache 18/13543 36. Wie entwickelte sich die Anzahl der Gewerbeärzte nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten 15 Jahren in den einzelnen Bundesländern (bitte jeweils einzeln aufschlüsseln)? Wie erklärt sich die Bundesregierung ggf. diesen Trend, und warum werden deren Aufgaben nicht an eine Bundeseinrichtung wie die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin übertragen (bitte begründen)? Die Angaben können den folgenden zwei Tabellen entnommen werden: Bundesland 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Baden-Württemberg 14 15 15 15 15 13 13 11 Bayern 28 27 27 27 28 27 26 26 Berlin 13 11 12 10 9 9 7 6 Brandenburg 9 9 9 8 8 7 6 5 Bremen 2 2 2 2 1,5 1 2 1,5 Hamburg 6 6 6 6 4 4 4 3 Hessen 8 8 11 9 7 6 7 7 Mecklenburg-Vorpommern 8 9 9 8 5 4 4 3 Niedersachsen 8 8 8 8 6 6 6 6 Nordrhein-Westfalen 14 14 13 11 11 10 10 8 Rheinland-Pfalz 5 5 5 5 5 5 5 5 Saarland 4 4 4 4 4 4 5 5 Sachsen 8 8 8 5 5 5 5 5 Sachsen-Anhalt 10 10 8 8 6 3 2 2 Schleswig-Holstein 3 3 3 3 3 3 3 3 Thüringen 7 7 7 4 3 3 4 2 Summe 147 146 147 133 120,5 110 109 98,5 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13543 – 22 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Bundesland 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Baden-Württemberg 11 9,5 7,7 7,75 7,75 7,75 7,75 10,1 Bayern 27 26 23 23 24 21 21 23 Berlin 7 3 6 5 5 4,5 4,5 3,2 Brandenburg 4 5 5 5 5 5 5 4,7 Bremen 1,5 1,5 1,5 2 2 1,5 0,75 0 Hamburg 2,9 3 2,9 2 2 3 3 2 Hessen 5 5 5 5 6 5 3,9 3,9 Mecklenburg-Vorpommern 3 3 3 2 2 1,8 2,8 2,8 Niedersachsen 5 6 6 5 4 4 4 3 Nordrhein-Westfalen 8 7 8 7 6,1 6,6 5,3 5,5 Rheinland-Pfalz 4 4 4 4 4 4 3 4 Saarland 4 4 4 4 4 4,5 4,5 2,5 Sachsen 5 5 5 5 5 5 3 3 Sachsen-Anhalt 3 3 3 3 2 2 2 2 Schleswig-Holstein 2 2 2 2 2 0,75 1 1 Thüringen 3 3 4 4 3 2,5 2,5 2,5 Summe 95,4 90 90,1 85,8 83,8 78,9 74,0 73,2 Für die Kontrolle der Einhaltung arbeitsschutzrechtlicher Anforderungen einschließlich des medizinischen Arbeitsschutzes sind nach der föderalen Struktur in Deutschland die Arbeitsschutzbehörden der Länder zuständig. Die Länder entscheiden eigenverantwortlich über die hier eingesetzten Personalressourcen. 37. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Anerkennungsrate der BK 1317 seit deren Einführung entwickelt (vgl. www.baua.de/DE/Angebote/ Publikationen/Praxis-kompakt/F3.pdf?__blob=publicationFile) (bitte einzeln aufschlüsseln und auch absolute Zahlen angeben)? Über die Anzahl der Berufskrankheiten-Verdachtsanzeigen, der anerkannten Berufskrankheiten und der von den Unfallversicherungsträgern entschiedenen Fälle zur Berufskrankheit Nummer 1317 liegen folgende statistische Angaben vor: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23 – Drucksache 18/13543 Geschäfts- und Rechnungsergebnisse der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand BK-Nr. 1317 Jahr BK-Verdachtsanzeigen Anerkannte BKen Entschiedene Fälle Anzahl Anzahl Anzahl 1997 34 0 4 1998 326 15 196 1999 377 14 341 2000 362 17 370 2001 345 15 358 2002 328 10 350 2003 315 14 330 2004 328 13 327 2005 331 18 312 2006 308 19 329 2007 285 25 313 2008 266 12 289 2009 277 9 256 2010 234 8 257 2011 303 9 303 2012 239 8 233 2013 175 2 200 2014 155 9 152 2015 164 6 148 2016 143 11 164 © DGUV Referat Statistik; erstellt am 28. August 2017 Geschäfts- und Rechnungsergebnisse der SVLFG Jahr Anerkennungen BK 1317 2013 0 2014 0 2015 0 2016 0 Ausweislich der Geschäfts- und Rechnungsergebnisse lassen sich auch für die Vorjahre keine Anerkennungen feststellen (zu den statistischen Auswertungsmöglichkeiten s. Antwort zu Frage 1). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13543 – 24 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die Anzahl der entschiedenen Fälle in der Tabelle der DGUV bezieht sich auf die in dem jeweiligen Jahr entschiedenen Verfahren, unabhängig vom Zeitpunkt der Verdachtsanzeige; die Anzahl ist deshalb nicht identisch mit der Anzahl der Verdachtsanzeigen in demselben Jahr. Aus diesem Grund können auch keine „Anerkennungsquoten “ im Hinblick auf die Verdachtsfälle gebildet werden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 38. Wie oft dauerte nach Kenntnis der Bundesregierung die Anerkennung der BK 1317 unter einem Jahr, zwischen einem und zwei Jahren, zwischen zwei und fünf Jahren, zwischen fünf und zehn Jahren und über zehn Jahren bzw. ist noch offen? Nach den statistischen Angaben der DGUV lag die durchschnittliche Verfahrensdauer bis zur ersten versicherungsrechtlichen Entscheidung im Jahr 2016 bei 9,8 Monaten und der Median bei 8,3 Monaten. Darüber hinaus liegen der DGUV hierzu keine statistischen Daten vor. Statistische Angaben aus dem Bereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung liegen hierzu nicht vor. 39. Ist der Bundesregierung bekannt, dass das 1998 von der Bundesregierung veröffentlichte Merkblatt zur BK 1317 bis 2005 falsche Angaben enthielt, da die zugrunde liegenden Quellen „systematisch verfälschend zitiert“ wurden (s. die tageszeitung vom 24./ 25. August 2013) und auf dieser Grundlage Anträge auf Anerkennung als BK abgelehnt wurden, und welchen Handlungsbedarf leitet die Bundesregierung daraus ab, um solche Manipulationen zu verhindern und Richtigstellungen zu beschleunigen (bitte begründen)? Die Berufskrankheit Nummer 1317 „Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische“ ist durch Verordnung vom 31. Oktober 1997 in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden. Die Aufnahme beruhte auf einer wissenschaftlichen Empfehlung, die der Ärztliche Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ beim damaligen Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung erarbeitet hatte. Entsprechend damaliger Übung bei neuen Berufskrankheiten ist parallel zur Aufnahme in die Liste ein Merkblatt zu der Berufskrankheit erstellt worden. Da in dem Merkblatt eine im Vergleich zu der wissenschaftlichen Empfehlung divergierende Aussage über den Krankheitsverlauf nach Ende der Lösungsmitteleinwirkung bestand, ist diese Passage vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat nach entsprechenden Hinweisen überprüft und im Jahr 2004 an die Empfehlung angepasst worden. Die praktische Bedeutung der unzutreffenden Aussage in der Erstfassung des Merkblattes war nach Kenntnis der Bundesregierung sehr gering. Der ganz überwiegende Teil der zwischenzeitlich entschiedenen Fälle, in denen sich der angezeigte Verdacht auf das Vorliegen der Berufskrankheit nicht bestätigt hatte, beruhten darauf, dass entweder bei den Betroffenen keine berufliche Einwirkung von Lösemittel vorhanden war oder festgestellt werden konnte oder dass eine andere als die in der Berufskrankheiten-Definition bezeichneten Erkrankungen vorlag . Der Krankheitsverlauf nach Expositionsende war nur ausnahmsweise von Bedeutung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 25 – Drucksache 18/13543 Da seit dem Jahr 2010 keine Merkblätter zu Berufskrankheiten mehr erstellt werden , ist ein vergleichbarer Fall ausgeschlossen. Wissenschaftliche Grundlage für neue Berufskrankheiten sind ausschließlich die vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat erarbeiteten Empfehlungen. Diese werden vom Gesamtgremium in einem intensiven Beratungsprozess erarbeitet und abgestimmt. Sie werden anschließend vom BMAS veröffentlicht und können vor Übernahme der Erkrankung in die Berufskrankheitenliste von allen potentiell Beteiligten eingesehen und überprüft werden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Merkblattkorrektur zur Berufskrankheit Nummer 1317 um den bisher einzigen derartigen Fall in der fast einhundertjährigen Entwicklung des Berufskrankheitenrechts gehandelt hat. 40. Wie viele Fälle zur BK 1317 wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seitdem neu aufgerollt? Aufgrund der Neufassung des Merkblattes zur Berufskrankheit Nummer 1317 hatte der damalige Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (Vorläufer der DGUV) seinerzeit beschlossen, alle entsprechenden Ablehnungen von Amts wegen zu überprüfen. Es sind ca. 1200 Fälle von Amts wegen überprüft worden. Die Ermittlungen führten in drei Fällen zu einer abweichenden Beurteilung des Ursachenzusammenhangs und der Anerkennung. Für den Bereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung sind nach Aussage der SVLFG für die Jahre bis 2005 retrospektiv keine Angaben möglich. Valide statistische Aussagen zum Berufskrankheitengeschehen sind erst ab 2013, dem Jahr der Errichtung der SVLFG, möglich. Ab diesem Zeitpunkt steht für den Bereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung eine bundesweite einheitliche Datenbank zur Verfügung (vgl. Antwort zu Frage 1). 41. Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung jemals Ermittlungen bzw. Verfahren aufgrund von Gutachtenfälschungen im Bereich Berufskrankheiten, und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Beim BVA als Rechtsaufsichtsbehörde über die bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträger sind bislang keine Beschwerden (Eingaben und Petitionen) über Gutachtenfälschungen im Zusammenhang mit Feststellungsverfahren zum Vorliegen von Berufskrankheiten eingelegt worden. Im Jahr 2000 hat das BVA eine umfangreiche Aufsichtsprüfung zur Geeignetheit von Gutachten und Gutachtern durchgeführt, deren Prüfergebnisse unauffällig waren. Auch im Rahmen weiterer Aufsichtsprüfungen auf der Basis von stichprobenweise überprüften Berufskrankheitenverfahren waren keine Auffälligkeiten festzustellen , die Hinweise für die Annahme von Gutachtenfälschungen nahegelegt hätten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13543 – 26 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 42. Welche Rolle hat nach Kenntnis der Bundesregierung in dieser Hinsicht das Bundesversicherungsamt, wie sieht die Rechtsaufsicht konkret aus, und inwiefern sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, die Rechtsaufsicht auf eine Fachaufsicht auszudehnen? Dem BVA obliegt nach § 87 Absatz 1 und § 90 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) u. a. die Rechtsaufsicht über die bundesunmittelbaren Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Rechtsaufsicht erstreckt sich dabei auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht, das für die Unfallversicherungsträger maßgebend ist. Zu diesem Zweck überprüft das BVA anhand von Stellungnahmen und der Verwaltungsakten konkrete Maßnahmen der Träger auf die Einhaltung geltenden Rechts. Eigene Beweiserhebungen oder medizinische Ermittlungen werden nicht durchgeführt. Zudem nimmt das BVA seine Funktion als Rechtsaufsichtsbehörde durch Aufsichtsprüfungen wahr (§ 88 Absatz 1 SGB IV). Im Rahmen dieser Prüfungen werden nach dem Zufallsprinzip Fälle ausgewählt, die je nach Art der Prüfung entweder offen und themenmäßig nicht eingeengt auf Rechts- bzw. Verfahrensfehler geprüft werden, oder es finden Prüfungen zu bestimmten erfahrungsgemäß fehlerträchtigen Schwerpunkten statt. Gemäß § 87 Absatz 1 SGB IV erstreckt sich die Aufsicht über Versicherungsträger auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht, das für die Versicherungsträger maßgebend ist (Rechtsaufsicht). Es besteht keine Veranlassung, von diesem Grundsatz abzuweichen. Im Übrigen haben die Versicherten die Möglichkeit, gegen die Entscheidungen der Berufsgenossenschaften Widerspruch einzulegen sowie diese gerichtlich überprüfen zu lassen. Im Bereich der Berufskrankheiten sowie Krankheiten nach § 9 Absatz 2 SGB VII wirken bei deren Feststellung zudem die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen mit (§ 4 der Berufskrankheiten-Verordnung ). 43. In wie viel Prozent der Fälle werden nach Kenntnis der Bundesregierung Verwaltungsentscheidungen der Berufsgenossenschaften von den Sozialgerichten ganz oder teilweise zugunsten von klagenden Versicherten abgeändert oder aufgehoben (bitte nach den letzten 15 Jahren aufschlüsseln)? Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 44. Wie viele Befangenheitsanträge gegen Gutachter lehnten die Gerichte nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten 15 Jahren ab (bitte nach Jahren aufschlüsseln und absolut im Verhältnis zu den gestellten Anträgen angeben )? Hierzu liegen der Bundesregierung mangels statistischer Angaben der DGUV und der SVLFG keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27 – Drucksache 18/13543 45. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung die Beteiligung der Unfallversicherungsträger an der Forschung gemäß § 9 Absatz 8 SGB VII in den letzten zehn Jahren in absoluten Zahlen (bitte jährlich aufschlüsseln)? Und wie hoch war die staatliche Förderung der unabhängigen arbeitsmedizinischen Forschung jeweils in diesen Jahren? Die Aufwendungen der DGUV zur Förderung externer Forschungsprojekte sind in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt. Die geförderten Projekte befassen sich in der Regel mit Forschungsthemen, die für mehr als einen Unfallversicherungsträger von Interesse sind. Jahr Ausgaben BK-Bereich (in Tausend Euro) 2006 930 2007 630 2008 630 2009 1.330 2010 630 2011 650 2012 360 2013 710 2014 700 2015 490 2016 290 Summe: 7.350 Darin nicht enthalten sind Forschungsprojekte, die dem Bereich Prävention zugeordnet wurden. Hier gibt es allerdings sehr große Schnittmengen, insbesondere bei der Forschung zu Wirkmechanismen o. Ä. Ebenfalls nicht enthalten sind die Aufwendungen der eigenen Forschungsinstitute der DGUV (insbesondere Institut für Arbeitsschutz und Institut für Prävention und Arbeitsmedizin) und der Unfallversicherungsträger , die sich auch direkt und indirekt über der Prävention zugeordnete Themen mit Berufskrankheiten beschäftigen. Auch sind Förderaufwendungen einzelner Unfallversicherungsträger zur Förderung externer Forschungsprojekte in den Angaben nicht enthalten. Bei den dargestellten Aufwendungen handelt es sich daher nur um einen kleinen Bruchteil der Gesamtaufwendungen der Unfallversicherung für Forschung mit Bezug zu Berufskrankheiten. Weitere Angaben sind nach Aussage der DGUV nicht verfügbar. Für den Bereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung hat die SVLFG Folgendes mitgeteilt: Auf dem Gebiet der Forschung ist die SVLFG eng mit der DGUV und den angeschlossenen Institutionen verbunden. Sie ist auf Verbandsebene Mitglied im Arbeitskreis Forschung der DGUV, in dem über Forschungsvorhaben beraten und entsprechende Aktivitäten auch initiiert werden. Daher hat die Antwort der DGUV auf diese Frage auch für die landwirtschaftliche Unfallversicherung Gültigkeit . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13543 – 28 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung wurde die arbeitsmedizinische Forschung in den letzten zehn Jahren mit insgesamt rund 4,66 Mio. Euro gefördert. Auf die einzelnen Jahre verteilt ergeben sich folgende Beträge: Jahr Fördersumme in Euro 2007 516.963 2008 368.511 2009 30.655 2010 21.068 2011 247.272 2012 97.934 2013 175.921 2014 344.505 2015 1.365.294 2016 1.498.890 Asbest 46. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Anzahl der Anzeigen auf Verdacht der asbestbedingten Berufskrankheit 4103, 4104 bzw. 4105 und der jeweiligen Anerkennungsbescheide in den letzten zehn Jahren entwickelt (bitte einzeln angeben), und worin begründet sich nach Auffassung der Bundesregierung diese Diskrepanz? Über die Anzahl der Berufskrankheiten-Verdachtsanzeigen und der jeweiligen Anerkennungen zu den Berufskrankheiten Nummern 4103, 4104 und 4105 liegen folgende statistische Angaben vor: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29 – Drucksache 18/13543 Angaben der DGUV: Geschäfts- und Rechnungsergebnisse der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand BK-Nr. 4103 inkl. DDR-BK-Nr. 41 Anzeigen Anerkennungen Anzahl Anzahl Jahr 2007 3.679 2.050 2008 3.847 1.888 2009 3.971 1.986 2010 3.732 1.750 2011 3.662 1.820 2012 3.470 1.847 2013 3.604 1.920 2014 3.559 1.956 2015 3.674 1.995 2016 3.607 2.183 BK-Nr. 4104 inkl. DDR-BK-Nr. 93 Anzeigen Anerkennungen Anzahl Anzahl Jahr 2007 3.524 828 2008 3.587 764 2009 3.909 708 2010 3.709 719 2011 3.824 799 2012 3.996 810 2013 3.979 793 2014 4.218 832 2015 4.375 771 2016 4.368 912 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13543 – 30 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode BK-Nr. 4105 Anzeigen Anerkennungen Anzahl Anzahl Jahr 2007 1.365 948 2008 1.415 987 2009 1.474 1.030 2010 1.479 931 2011 1.312 980 2012 1.362 982 2013 1.398 970 2014 1.358 1.040 2015 1.397 951 2016 1.304 1.031 © DGUV Referat Statistik; erstellt am 28. August 2017 Angaben der SVLFG: Jahr BK 4103 BK 4104 BK 4105 2013 Verdachtsmeldungen 33 102 27 Anerkennungen 6 1 8 2014 Verdachtsmeldungen 43 126 22 Anerkennungen 11 2 8 2015 Verdachtsmeldungen 39 107 22 Anerkennungen 7 2 7 2016 Verdachtsmeldungen 48 112 33 Anerkennungen 6 3 11 Valide Angaben für die Zeit vor 2013 liegen nicht vor (vgl. Antwort zu Frage 1): Das unterschiedliche Verhältnis zwischen Verdachtsanzeigen und Anerkennungen bei diesen drei Berufskrankheiten ist im Wesentlichen durch die Unterschiedlichkeit der Erkrankungen begründet. Während etwa das Mesotheliom (Berufskrankheit Nummer 4105) medizinisch fast ausschließlich asbestverursacht entsteht , handelt es sich bei Lungenkrebs/Kehlkopfkrebs (Berufskrankheit Nummer 4104) um Erkrankungen, die zu einem hohen Prozentsatz auch durch außerberufliche Ursachen wie z. B. Tabakkonsum entstehen können. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 31 – Drucksache 18/13543 47. Welche Kosten haben diese gemeldeten Erkrankungen bisher in den letzten zehn Jahren nach Kenntnis der Bundesregierung insgesamt verursacht? Über die Aufwendungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger für anerkannte Berufskrankheitenfälle der Berufskrankheiten Nummern 4103, 4104 und 4105 liegen folgende statische Angaben vor: Angaben der DGUV: Berufskrankheiten-Kostenerhebung (BK-KOST) - Gewerbliche Wirtschaft und öffentlicher Dienst** Kosten für Leistungsfälle - BK-Nr. 4103, 4104 und 4105 Leistungen insgesamt Betrag in Mio. Euro Geschäftsjahr 2007 218,8 2008 224,8 2009 235,2 2010 252,4 2011 255,4 2012 275,8 2013 281,3 2014 299,0 2015 304,5 2016 323,7 Gesamt 2.670,8 * Ein Teil der Konten des Kontenrahmens für die UV-Träger sind nur auf aggregierter Ebene verfügbar und daher nicht Teil der Berufskrankheiten-Kostenerhebung . ** Erfassung der UVTöH ab 2010 © DGUV Referat Statistik; erstellt am 24. August 2017 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13543 – 32 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Angaben der SVLFG: Jahr Gesamtausgaben davon Sachleistungen davon Geldleistungen 2013 BK 4103 453.741 61.458 392.283 BK 4104 966.749 72.898 893.851 BK 4105 1.427.494 490.273 937.221 2014 BK 4103 568.067 177.163 390.904 BK 4104 986.318 133.688 852.630 BK 4105 1.617.083 602.190 1.014.893 2015 BK 4103 484.279 93.150 391.129 BK 4104 1.097.753 157.488 940.265 BK 4105 1.803.920 731.171 1.072.749 2016 BK 4103 488.106 98.625 389.481 BK 4104 890.024 141.992 748.032 BK 4105 2.163.025 898.902 1.264.123 Valide Angaben für die Zeit vor 2013 liegen nicht vor (vgl. Antwort zu Frage 1): 48. Wie viele Klagen erfolgten nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren aufgrund der Ablehnung auf Anerkennung als Berufskrankheit Nr. 4103, 4104 und 4105, und wie viele dieser Klagen waren für den Kläger/die Klägerin erfolgreich (bitte jeweils nach Jahren, Sozial- und Landessozialgerichten aufschlüsseln)? 49. Wie viele dieser Klagen gelangten nach Kenntnis der Bundesregierung schließlich bis vor das Bundessozialgericht (bitte nach Jahren aufschlüsseln )? Die Fragen 48 und 49 werden gemeinsam beantwortet. Hierzu liegen der Bundesregierung mangels statistischer Angaben der DGUV und der SVLFG keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 33 – Drucksache 18/13543 50. Wie oft dauerte nach Kenntnis der Bundesregierung das Verfahren zur Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 4103, 4104 bzw. 4105 in den letzten zehn Jahren, unterteilt nach weniger als einem Jahr, zwischen einem und zwei Jahren, zwischen zwei und fünf Jahren, zwischen fünf und zehn Jahren und über zehn Jahren (bitte aufschlüsseln)? Wie viele dieser Verfahren sind derzeit noch offen? Zur Dauer der Anerkennungsverfahren der Berufskrankheiten Nummern 4103, 4104 und 4105 liegen folgende statistische Angaben vor: Angaben der DGUV: Bei der Berufskrankheit Nummer 4103 dauerte es im Jahr 2016 bis zur ersten versicherungsrechtlichen Entscheidung durchschnittlich 8,3 Monate, im Median waren es 6,4 Monate. Bei der Berufskrankheit Nummer 4104 dauerte es im Jahr 2016 bis zur ersten versicherungsrechtlichen Entscheidung durchschnittlich 7,2 Monate, im Median waren es 5,8 Monate. Bei der Berufskrankheit Nummer 4105 dauerte es im Jahr 2016 bis zur ersten versicherungsrechtlichen Entscheidung durchschnittlich 5,5 Monate, im Median waren es 4,1 Monate. Darüber hinaus liegen der DGUV hierzu keine statistischen Daten vor. Statistische Angaben aus dem Bereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung liegen hierzu nicht vor. 51. Wurde nach Kenntnis der Bundesregierung die gesonderte Erfassung der einzelnen Ablehnungsgründe (s. Abbildung 4 in Dokumentation des Berufskrankheiten -Geschehens in Deutschland, BK-DOK 2005) aufgegeben bzw. nicht mehr veröffentlicht, und wenn ja, wann, und warum? Bei der „BK-DOK“ handelt es sich um eine Datei zur Dokumentation des Berufskrankheiten -Geschehens, die von der DGUV geführt wird. Die DGUV hat zur Frage der Erfassung und Dokumentation von Ablehnungsgründen in dieser Datei Folgendes mitgeteilt: Die Erhebung einzelner Merkmalsausprägungen, die in Übersicht 4 dargestellt sind, wurde durch die DGUV bereits zum 1. Januar 2007 eingestellt. Dies hat inhaltliche und technische Gründe: Die Gründe für einen ablehnenden Verwaltungsakt ergeben sich aus der Bewertung des Einzelfalls durch den Unfallversicherungsträger; sie können sehr unterschiedlich sein (siehe erläuternden Text zu Übersicht 4 und Aufzählung auf Seite 79 in Dokumentation des Berufskrankheiten-Geschehens in Deutschland BK-DOK 2005). Die Übersicht 4, die auf der bei der DGUV geführten Gesamtstatistik basiert, kann insofern nur einen groben Anhaltpunkt für die verschiedenen Ablehnungsgründe bieten. Die Interpretation der dort ausgewiesenen Zahlen ist ‒ ohne umfangreiche Zusatzinformationen und Hintergrundwissen ‒ schwierig (siehe ebenfalls erläuternden Text). Insbesondere geht aus der Übersicht nicht hervor, dass oftmals gleichzeitig weder die Einwirkung eines BK-auslösenden Stoffes nachgewiesen werden kann noch eine BK-typische Erkrankung vorliegt. Eine schematische Erfassung und valide Darstellung der Ablehnungsgründe gestaltet sich daher sehr komplex. Die DGUV arbeitet aktuell an einer Verbesserung der Datenlage in der bei ihr geführten Gesamtstatistik. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13543 – 34 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 52. Wie stellen sich die Ablehnungsgründe, bezogen auf die Berufskrankheit- Nr. 4104 nach Kenntnis der Bundesregierung dar (bitte aufschlüsseln und einzeln angeben für die letzten 15 Jahre, in denen die Ablehnungsgründe einzeln erfasst wurden)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Auf die Antwort zu Frage 51 wird verwiesen. 53. Wie viele Aufträge zur Begutachtung eines Antrags auf Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 4103, 4104 bzw. 4105 gingen in den letzten 15 Jahren nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils in den entsprechenden Instituten in Bochum, Gießen, Heidelberg und München (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14465, Antwort zu Frage 5) ein (bitte einzeln aufschlüsseln)? 54. Wie viele dieser Gutachten empfahlen nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten 15 Jahren eine Anerkennung als Berufskrankheit, und wie viele wurden auf Grundlage der Asbestkörper-Zählmethode abgelehnt (bitte nach Ort, Jahr und Berufskrankheit aufschlüsseln)? Die Fragen 53 und 54 werden gemeinsam beantwortet. Hierzu liegen der Bundesregierung mangels statistischer Angaben der DGUV und der SVLFG keine Erkenntnisse vor. 55. Inwiefern kann die Bundesregierung bei der Georgius-Agricola-Stiftung- Ruhr angesichts der Finanzierungsbeteiligung durch die gesetzliche Unfallversicherung inhaltliche Einflüsse ausschließen? Die „Georgius-Agricola-Stiftung-Ruhr“ ist als Institut für Pathologie Teil der medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Es handelt sich um eine gemeinnützige , rechtlich selbständige Stiftung des bürgerlichen Rechts; als solche unterliegt sie allgemein der Stiftungsaufsicht der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg. Die Stiftung ist im Stiftungsverzeichnis des Landes Nordrhein-Westfalen eingetragen. Sie kann unter der Ordnungsnummer 21.13.01.02-547 eingesehen werden. Gelenkt wird die Stiftung von einem Stiftungsrat. Vorstand der Stiftung ist Frau Professor Andrea Tannapfel, Professorin der Ruhr-Universität Bochum, die den Lehrstuhl für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum innehat. Die Stiftung verantwortet den Betrieb des Instituts für Pathologie und des mit ihm verbundenen Deutschen Mesotheliomregisters. Das Mesotheliomregister wurde ursprünglich von der gesetzlichen Unfallversicherung ins Leben gerufen. Die DGUV fördert das Deutsche Mesotheliomregister im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags, die Ursachen von Berufskrankheiten zu erforschen. Aus den Mitteln wird ferner die Stelle der wissenschaftlichen Leitung finanziert. Diese Stelle ist nicht in die medizinische Befundung/Begutachtung bei Versicherungsfällen einbezogen . Der wissenschaftliche Aufgabenbereich des Instituts umfasst das gesamte Spektrum der pathohistologischen Diagnostik insbesondere der Molekularpathologie. Es bestehen wissenschaftliche Kooperationen mit anderen Einrichtungen, insbesondere Tumorzentren. Aufgrund ihrer Rechtsstellung, der Finanzierungskonstruktion in Stiftungsform sowie der Vernetzung im allgemeinen Wissenschaftsbetrieb handelt es sich um eine unabhängige medizinische Forschungseinrichtung . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 35 – Drucksache 18/13543 56. Wie entwickelte sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl (absolut) der Todesfälle asbestbedingter Berufserkrankter in den letzten zehn Jahren (bitte nach BK-Nummer und Jahren aufschlüsseln), wie erklärt sich die Bundesregierung diese Entwicklung, und mit welcher weiteren Entwicklung ist nach Meinung der Bundesregierung zu rechnen? Die Zahl der Todesfälle asbestbedingter Berufskrankheiten hat sich nach den statistischen Angaben der DGUV in den letzten zehn Jahren wie folgt entwickelt: Geschäfts- und Rechnungsergebnisse der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand BK-Todesfälle BK-Nr. 4103 inkl. DDR-BK-Nr. 41 BK-Nr. 4104 inkl. DDR-BK-Nr. 93 BK-Nr. 4105 Anzahl Anzahl Anzahl Jahr 2007 84 601 740 2008 95 591 793 2009 112 513 747 2010 102 497 694 2011 131 581 759 2012 113 585 832 2013 161 558 730 2014 153 595 815 2015 165 595 811 2016 166 620 857 Bei den Asbest-Berufskrankheiten hat sich in den letzten Jahren teilweise ein immer noch leichter Anstieg bzw. eine Stagnation der Fälle gezeigt. Grund für diese Entwicklung ist das mit einer langen Latenzzeit verbundene späte Auftreten von Erkrankungen, die auf die massive Verwendung von Asbest in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückgehen. Ein eindeutiger Trend ist daraus noch nicht ableitbar. Prognosen zur konkreten weiteren Entwicklung können nicht abgegeben werden. Da die Asbestverwendung in Deutschland durch zunehmende Verbote (weitgehendes Verbot seit 1993) unterbunden wurde, ist langfristig mit einer Abnahme der Fälle zu rechnen. 57. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass es sich bei mehr als 90 Prozent der Arbeitsplätze mit Asbestkontakt um Kontakt mit Weißasbest (Chrysotil) handelte (vgl. Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie, Ausgabe 4/2016, S. 234)? Aus den zu dieser Thematik vorliegenden publizierten Angaben geht hervor, dass 96 Prozent der Masse des in Deutschland verwendeten Asbests Chrysotil (Weißasbest ) war. Die Verwendung von Amphibolasbesten (im Wesentlichen Krokydolith und Amosit) war auf bestimmte Produkte beschränkt. Die Annahme, dass es sich bei 90 Prozent der Arbeitsplätze mit Asbestkontakt um Kontakt mit Weißasbest handelte, erscheint daher nach Einschätzung der DGUV realistisch. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13543 – 36 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 58. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass es international wissenschaftlicher Konsens ist, dass sich die Fasern von Weißasbest mit der Zeit verflüchtigen und damit die Asbestkörper-Zählmethode in diesen Fällen irrelevant ist und keine Rolle für eine Nichtanerkennung als BK spielen darf (vgl. z. B. Falkensteiner Empfehlung, S. 49)? 59. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass demnach bei einer Chrysotil- Exposition eine Ablehnung auf Anerkennung als Berufskrankheit auf Grundlage der Asbestkörper-Zählmethode unzulässig war und ist? Die Fragen 58 und 59 werden gemeinsam beantwortet. Die Zählung von Asbestkörpern ist bei der Prüfung des Vorliegens einer asbestbedingten Berufskrankheit kein Tatbestandsmerkmal im Sinne eines Grenz- oder Schwellenwertes für die Anerkennung einer Berufskrankheit, sondern eine von mehreren Bestandteilen in der Diagnostik der sogenannten Minimalasbestose. Zu den weiteren Einzelheiten, insbesondere der Methodik und Bedeutung für das berufskrankheitenrechtliche Feststellungsverfahren wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 3 und 4 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN betreffend „Lage der Asbesterkrankten in Deutschland“, Bundestagsdrucksache 17/14465, verwiesen. 60. Wie viele Betroffene einer Ablehnung unter Bezugnahme auf die „1 000- Asbestkörperchen-Hypothese“ haben nach Kenntnis der Bundesregierung eine Überprüfung der Entscheidung nach den §§ 44 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) beantragt (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14465, Antwort zu Frage 4; bitte nach Jahren aufschlüsseln), wie viele dieser Widersprüche hatten Erfolg, und welche weiteren Wege sieht die Bundesregierung , das entstandene Unrecht wiedergutzumachen? Hierzu liegen der Bundesregierung mangels statistischer Angaben der DGUV und der SVLFG keine Erkenntnisse vor. 61. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass es zahlreiche synkanzerogene Stoffe gibt, die in die Berufskrankheitenliste aufgenommen werden müssten? Die Aufnahme neuer Berufskrankheiten in die Berufskrankheitenliste erfordert wissenschaftliche Erkenntnisse über entsprechende Ursachenzusammenhänge zwischen der schädigenden Einwirkung und der Krankheitsentstehung. Dies gilt für monokausal und multikausal verursachte Krankheiten gleichermaßen. Der Verordnungsgeber hat sich bereits vor einigen Jahren mit der Frage des Zusammenwirkens verschiedener Stoffe befasst. Die Berufskrankheitenliste ist im Jahr 2009 erstmals um eine Berufskrankheit ergänzt worden, die als schädigende Einwirkung auf das synergistische Zusammenwirken zweier Stoffe abstellt (Asbestfaserstaub und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe). Hier lagen spezifische wissenschaftliche Erkenntnisse nicht nur über die Einzelwirkung der beiden für den Menschen gesichert gentoxisch krebserzeugenden Stoffe, sondern auch über die Wechselwirkung mit dem jeweils anderen Stoff vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37 – Drucksache 18/13543 Die Frage der Synkanzerogenese hängt daher von der wissenschaftlichen Erkenntnislage ab. Hierzu liegen bisher keine endgültigen Ergebnisse vor. National wie international laufen aber zahlreiche Forschungsvorhaben. Beispielhaft sei auf das Projekt „SYNERGY“ verwiesen, eine Untersuchung zur Synkanzerogenese von beruflichen Karzinogenen bei der Entwicklung von Lungenkrebs, das das Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV in Kooperation mit der Internationalen Agentur für Krebsforschung der WHO sowie zahlreichen weiteren Einrichtungen durchführt. 62. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass eine Verschärfung der Technischen Regel für Gefahrstoffe TRGS 519 zum Gesundheitsschutz im Bauhandwerk beitragen würde? Der Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei Tätigkeiten im Bauhandwerk ist umfassend über die Gefahrstoff- und die Baustellenverordnung geregelt. Konkretisierungen der GefStoffV zu erlaubten Tätigkeiten mit Asbest enthält die TRGS 519. Diese spiegelt den Stand der Technik wider. Der Gesundheitsschutz der Beschäftigten in der Bauwirtschaft ist bei Einhaltung der zuvor genannten Regelungen sichergestellt. Die technische Regel wird regelmäßig auf Aktualität überprüft und bei Bedarf ergänzt und fortgeschrieben. In diesem Rahmen ist auch zu entscheiden, ob Ergebnisse aus dem Nationalen Asbestdialog zu berücksichtigen sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333