Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 18. September 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/13607 18. Wahlperiode 20.09.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner, Nicole Gohlke, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/13482 – Das Attentat am Olympia-Einkaufszentrum vom 22. Juli 2016 und Hinweise auf dessen rassistischen Hintergrund V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 22. Juli 2016 ermordete David S. am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München neun Menschen, viele weitere wurden durch das Attentat zum Teil schwer verletzt. Die Opfer waren größtenteils Jugendliche, alle hatten einen Migrationshintergrund . Bereits kurz nach der Tat häuften sich Meldungen über einen rechtsextremen bzw. rassistischen Hintergrund des Täters (vgl. „Amokläufer von München war Rechtsextremist“, Frankfurter Allgemeine vom 27. Juli 2016, www.faz.net/aktuell/politik/inland/f-a-z-exklusiv-amoklaeufer-vonmuenchen -war-rechtsextremist-14359855.html). Mit den fortschreitenden Ermittlungen wurden zahlreiche weitere Details bekannt, die sehr deutlich für eine rassistische Motivation des Täters sprechen. Laut den Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden empfand der Attentäter „einen Hass und Rachegefühle gegenüber Personen mit ausländischen Wurzeln bzw. Migrationshintergrund, insbesondere gegenüber türkisch-, albanisch- und balkanstämmigen Jugendlichen“, äußerte sich der Attentäter im Vorfeld der Tat „mehrfach fremdenfeindlich und rassistisch, wobei er sich auch in Hasstiraden und Wutausbrüche hineinsteigerte “, zeigte der Attentäter in der Vergangenheit Sympathien für Adolf Hitler bzw. den Nationalsozialismus, war David S. AfD-Sympathisant, wählte der Täter als Datum des Attentats bewusst den 5. Jahrestag des Attentats von Anders Breivik, kann beim Attentäter „von einer rechten bzw. rechtsextremen Gesinnung (…) ausgegangen werden“ Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13607 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode (vgl. „Bericht des Inspekteurs der Bayerischen Polizei, im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport des Bayerischen Landtags vom 26. April 2017“). In den von David S. verfassten Manifesten ist zudem von „ausländischen Untermenschen “ sowie von „Kakerlaken, Untermenschen und Menschen, die er exekutieren werde“ die Rede (vgl. Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten im Bayerischen Landtag Katharina Schulze, Landtagsdrucksache 17/17018). Nach Auskunft der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 22 der Abgeordneten Martina Renner auf Bundestagsdrucksache 18/13255 wurde dem Bundeskriminalamt (BKA) das Attentat seitens des Bundeslandes Bayern nicht als politisch motivierte Straftat gemeldet. In der Folge gehen die Opfer nicht in die Statistik als Todesopfer rechter Gewalt ein und die Tat wird offiziell als unpolitisch bewertet. 1. Welche Definition Politisch motivierter Kriminalität -rechts- (PMK-rechts) liegt der o. g. Antwort der Bundesregierung bzw. liegt grundsätzlich der Einordnung von Straf- und Gewalttaten durch die Bundesregierung zugrunde? Der Begriff der Politisch motivierten Kriminalität -rechts- ist im Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität (PMK; Stand: 8. Dezember 2016) bestimmt. Politisch motivierter Kriminalität -rechts- werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Betrachtung (z. B. nach Art der Themenfelder) einer rechten Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elementes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (Extremismus) zum Ziel haben muss. Der wesentliche Kerngedanke einer rechten Ideologie ist die Annahme einer Ungleichheit /Ungleichwertigkeit der Menschen. Insbesondere sind Taten dazuzurechnen , wenn Bezüge zu völkischem Nationalismus, Rassismus, Sozialdarwinismus oder Nationalsozialismus ganz oder teilweise ursächlich für die Tatbegehung waren. Diese politisch motivierten Straftaten sind in der Regel als rechtsextremistisch zu qualifizieren. 2. Welche Definition von Rassismus liegt dem Definitionssystem PMK zugrunde ? Rassistisch ist der Teil der Hasskriminalität, der aufgrund der zugeschriebenen oder tatsächlichen ethnischen Zugehörigkeit oder Hautfarbe des Opfers verübt wird. 3. Ist die Ausprägung eines persönlichen, aber verallgemeinerten Feindbildes gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund laut der Rassismusdefinition , die dem Definitionssystem PMK zugrunde liegt, als rassistisch zu bewerten ? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13607 4. Ist die Überschrift des Abschiedsbriefs des OEZ-Attentäters („Ich werde jetzt jeden Deutschen Türken auslöschen egal wer“) nach Einschätzung der Bundesregierung als rassistisch bzw. rechtsextremistisch zu qualifizieren (bitte die Einschätzung begründen)? 5. Wie bewertet die Bundesregierung die in der Vorbemerkung zitierten Erkenntnisse zum Weltbild des David S.? 7. Sind der Bundesregierung die Chatprotokolle des David S. bekannt, und wie schätzt sie diese, insbesondere im Hinblick auf darin enthaltenes rechtes und rassistisches Gedankengut, ein? Die Fragen 4, 5 und 7 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Klassifizierung von Straftaten als Taten der Politisch motivierten Kriminalität obliegt den zuständigen Polizeidienststellen der Länder. Bei der hier in Rede stehenden Tat erfolgte durch die sachbearbeitende Dienststelle keine Einstufung des Tatgeschehens als Politisch motivierte Kriminalität. 6. Welche Dokumente des David S. sind der Bundesregierung bekannt, und wie schätzt sie diese, insbesondere im Hinblick auf darin enthaltenes rechtes und rassistisches Gedankengut, ein? Das Bundeskriminalamt war und ist in diesem Fall auf Ersuchen der bayerischen Polizei in seiner Funktion als Zentralstelle für den kriminalpolizeilichen Informationsaustausch tätig. Die bayerische Polizei übermittelt die für die Erfüllung dieser Aufgabe als Zentralstelle erforderlichen Informationen, Erkenntnisse und Dokumente . Eine Einschätzung im Hinblick auf das Gedankengut des David S. obliegt der bayerischen Polizei und nicht dem Bundeskriminalamt. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse zu David S. vor. Ebenfalls sind keine Anhaltspunkte bekannt, denen zufolge David S. in rechtsextremistische Strukturen – insbesondere in ein rechtsterroristisches Netzwerk – eingebunden war. 8. Welchen Wortlaut bzw. konkreten Inhalt hatte die dringende Warnung, die das Bayerische Landeskriminalamt am 27. Juli 2017 u. a. an das Bundeskriminalamt aufgrund der auf der Festplatte des David S. sichergestellten Chatprotokolle und der darin erwähnten weiteren Anschlagspläne verschickte, und welche Konsequenzen zog diese Warnung nach sich (vgl. DER SPIE- GEL, Ausgabe 30/2017, S. 42)? Die Frage bezieht sich auf ein laufendes Ermittlungsverfahren, das von einer Landesstaatsanwaltschaft geführt wird. Aufgrund der vom Grundgesetz vorgegebenen Kompetenzordnung kann daher zu dieser Frage keine Auskunft erteilt werden . 9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung – u. a. vor dem Hintergrund der sichergestellten Chatprotokolle – über ein mögliches Terrornetzwerk im Umfeld des OEZ-Attentäters? 10. Inwiefern versuchen die Sicherheitsbehörden nach Kenntnis der Bundesregierung , den anonymen Zeugen („blab“) ausfindig zu machen, der sich beim Zoll gemeldet und behauptet haben soll, der Waffenhändler Philipp K. habe David S. Tipps für die Tat gegeben (vgl. DER SPIEGEL, Ausgabe 30/2017, S. 44)? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/13607 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 11. Inwiefern laufen derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung Ermittlungen zu den weiteren Kunden bzw. illegalen Geschäften des Waffenhändlers Philipp K., und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über damit zusammenhängende rechtsterroristische Bezüge bzw. Bestrebungen? Die Fragen 9 bis 11 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Sachleitungsbefugnis und die Informationshoheit obliegen der ermittlungsführende Dienststelle im Land bzw. der sachleitenden Staatsanwaltschaft. Die Bundesregierung äußert sich hierzu nicht. 12. Inwiefern war das Bundeskriminalamt nach dem Attentat vom 22. Juli 2016 in die Ermittlungen einbezogen (bitte unter Angabe des Zeitraums, der Anzahl der eingesetzten Beamten, von deren Aufgabe und Abteilungszugehörigkeit beantworten)? Das Bundeskriminalamt wurde auf Ersuchen der bayerischen Polizei in seiner Funktion als Zentralstelle tätig. Dies beinhaltet die Koordinierung und Steuerung des kriminalpolizeilichen Informationsaustausches mit dem Ausland einschließlich kriminaltechnischer gutachterlicher Unterstützungsleistung. Aufgrund fehlender statistischer Erhebungen können keine detaillierteren Angaben zum Zeitraum, Anzahl der eingesetzten Beamten bzw. deren Aufgabe im Einzelnen getroffen werden. 13. Inwiefern war das Attentat Gegenstand im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) (bitte unter Angabe der Daten der Erörterungen, der beteiligten Behörden und der Ergebnisse beantworten)? Das Attentat war nicht Gegenstand der täglichen Lagebesprechung und des operativen Informationsaustauschs des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ). 14. Inwiefern war der Waffenhändler Philipp K. vor dem Attentat bereits Gegenstand von Ermittlungen seitens des Zolls oder der Polizei (bitte unter Angabe der beteiligten Behörde, des den Ermittlungen zugrunde liegenden Sachverhaltes und des Ergebnisses beantworten)? Phillip K. war vor dem Attentat nicht Gegenstand von Ermittlungen. 15. Inwiefern war der Waffenhändler Philipp K. Gegenstand von Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder (bitte unter Angabe der beteiligten Behörde und der Art der Erkenntnisse beantworten)? 16. Inwiefern war der Waffenhändler Philipp K. Gegenstand des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel oder Methoden seitens der Sicherheitsbehörden (Polizei, Zoll, Verfassungsschutz) (bitte unter Angabe der beteiligten Behörde , des Anlasses, der Art des nachrichtendienstlichen Mittels und der Ergebnisse beantworten)? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13607 17. Inwiefern war der Waffenhändler Philipp K. Gegenstand von Werbungsmaßnahmen oder Quelle der Sicherheitsbehörden (Polizei, Zoll, Verfassungsschutz ) (bitte unter Angabe des Zeitraums, des Ergebnisses der Anwerbung, der Art der Quelle und der Ergebnisse der Quellenführung beantworten)? Die Fragen 15 bis 17 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 18. Wie lässt sich der offenkundige Widerspruch zwischen der Nichteinordnung der Tat als PMK-rechts und der Einschätzung des Inspekteurs der Bayerischen Polizei im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr erklären? 19. Gab es in der Vergangenheit Fälle, in denen die Bundesregierung die Einschätzung eines Bundeslandes im Hinblick auf die politische Motivation revidiert hat, und falls ja, was hat die Bundesregierung dazu bewogen? Die Fragen 18 und 19 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bewertungshoheit der Frage, ob eine Straftat als politisch motiviert eingestuft wird, liegt bei dem jeweils zuständigen Land. Die diesbezüglichen Regelungen sind in den bundesweit gültigen Unterlagen zum Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) niedergelegt. Der angefragte Sachverhalt ist in der Fallzahlendatei des Bundeskriminalamtes nicht erfasst (Abfragedatum 5. September 2017). 20. Inwiefern stellt das Attentat vom 22. Juli 2016 aus Sicht der Bundesregierung ein Ereignis dar, dessen Bewertung auch angesichts der überregionalen /internationalen Aufmerksamkeit, die das Thema Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland nach der Selbstenttarnung der NSU erfährt, nicht allein Ländersache sein kann, sondern ebenfalls einer Beurteilung durch die Bundesregierung unterzogen werden sollte? 21. Plant die Bundesregierung, das Bayerische Landeskriminalamt um eine Überprüfung der Einschätzung des Attentats zu ersuchen? Die Fragen 20 und 21 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Aus dem Grundgesetz leitet sich die Polizeihoheit der Länder ab. Dieser Grundsatz umfasst die Bewertungshoheit der sachbearbeitenden Polizeidienststellen hinsichtlich der Einordnung von Straftaten als Politisch motivierte Kriminalität. Der KPMD-PMK ist ein seit Jahren bewährtes Instrument und wurde wiederholt, zuletzt in den Jahren 2014 bis 2016, durch Bund-Länder-Gremien unter Einbeziehung von Wissenschaft und Zivilgesellschaft eingehend überprüft. Die Bundesregierung sieht aktuell keinen Änderungsbedarf. 22. Hält die Bundesregierung die Einschätzung der Tat als unpolitisch motiviert aufrecht? Die abschließende Klassifizierung einer Tat als Politisch motivierte Kriminalität obliegt der örtlich und sachlich zuständigen Polizeidienststelle. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333