Deutscher Bundestag Drucksache 18/1369 18. Wahlperiode 08.05.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/1206 – Zukunft des Optionszwangs (Ergänzung zur Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/956) Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r „Ich werde der SPD keinen Koalitionsvertrag vorlegen, in dem die doppelte Staatsbürgerschaft nicht drin ist.“ Mit diesem Versprechen sicherte sich Sigmar Gabriel auf einem SPD-Parteitag Ende 2013 die Zustimmung seiner Partei für die Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU. Der schwarz-rote Koalitionsvertrag sah vor: „Für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern“ – so heißt es da – „entfällt in Zukunft der Optionszwang.“ Und weiter: „Im Übrigen bleibt es beim geltenden Staatsangehörigkeitsrecht.“ Das heißt: die Große Koalition lehnt die überfällige generelle Hinnahme von Mehrstaatigkeit ab. Aber selbst das ging der Union zu weit. Der Bundesminister des Innern versuchte daher, dem sozialdemokratischen Koalitionspartner eine restriktive Interpretation des Koalitionsvertrags aufzuzwingen. Mit Erfolg. Ende März dieses Jahres hat er sich mit dem Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz auf einen Gesetzentwurf geeinigt, der im Grundsatz das Fortbestehen des Optionszwangs vorsieht. Optionspflichtig soll nach dem im Gesetzentwurf vorgeschlagenen § 29 Absatz 1 Satz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) fortan sein, wer die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Absatz 3 oder § 40b StAG erworben hat, nicht nach § 29 Absatz 1a StAG im Inland aufgewachsen ist, keine Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt und innerhalb eines Jahres nach Vollendung des 21. Lebensjahres einen Hinweis nach § 29 Absatz 5 Satz 5 StAG über seine Erklärungspflicht erhalten hat. Nach einem neuen § 29 Absatz 1a StAG sollen deutsche Staatsangehörige dann „im Inland aufgewachsen“ sein, wenn sie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres acht Jahre gewöhnlich im Inland aufhältig waren, Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 6. Mai 2014 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. sechs Jahre im Inland eine Schule besucht haben oder über einen im Inland erworbenen Schulabschluss bzw. eine im Inland abgeschlossene Berufsausbildung verfügen. In einem neuen § 29 Absatz 1a Satz 2 StAG wird ergänzt: „Als im Inland aufgewachsen nach Satz 1 gilt auch, wer im Einzelfall einen Drucksache 18/1369 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode vergleichbar engen Bezug zu Deutschland hat und für den die Optionspflicht nach den Umständen des Falles eine besondere Härte bedeuten würde.“ Wesentliche Änderungen soll auch § 29 Absatz 5 StAG erfahren: Sofern optionspflichtige deutsche Staatsangehörige die Feststellung des Fortbestands der deutschen Staatsangehörigkeit nicht zuvor beantragen, soll die Feststellung nach Vollendung des 21. Lebensjahrs anhand der Meldedaten von Amts wegen erfolgen. Die Beteiligung der Meldebehörden soll in § 34 StAG geregelt werden . Sofern der Abgleich mit den Meldedaten die Feststellung nicht ermöglicht , sollen die Betroffenen auf die Möglichkeit hingewiesen werden, die Erfüllung der Voraussetzungen des Fortbestands der deutschen Staatsangehörigkeit nachzuweisen; anderenfalls sollen sie auf ihre im Zusammenhang mit der Durchführung des Optionszwangs entstehenden Verpflichtungen und die möglichen Rechtsfolgen hingewiesen werden. Die Einigung wird von vielen Seiten kritisiert. Aus Sicht der Integrationsministerin von Rheinland-Pfalz, Irene Alt, wird die angestrebte Regelung einen unbeschreiblichen bürokratischen Aufwand zur Folge haben (http://mifkjf.rlp.de/ aktuelles/einzelansicht/archive/2014/march/article/ministerin-alt-zu-berlinergesetzentwurf -zur-optionspflicht/), da die Staatangehörigkeitsbehörden weiterhin jeden Einzelfall prüfen und jeweils die Meldebehörden beteiligen müssen . Dies sei – so Irene Alt – eine Abwertung binationaler Lebenserfahrung und führe zur Diskriminierung junger Deutscher, die die genannten Bedingungen der Bundesregierung unter Umständen nur knapp verfehlen. Eine Bundesratsinitiative (Bundesratsdrucksache 90/14) von Rheinland-Pfalz, SchleswigHolstein und Baden-Württemberg hingegen sieht die bedingungslose Abschaffung des Optionszwangs vor. Darüber hinaus wirft die Einigung auch rechtliche Fragen auf. Denn die Unterscheidung von Doppelstaatlern erfolgt hier letztlich nach den Kriterien von ius sanguinis und ius soli. Darin liegt womöglich eine verbotene Diskriminierung aufgrund der Abstammung. Auch wegen des Gebots der Gleichbehandlung vor dem Gesetz (Artikel 3 des Grundgesetzes – GG) ist es rechtfertigungsbedürftig , dass der Wegfall des Optionszwangs unter gewissen Umständen vom schulischen Erfolg abhängig gemacht wird und das Fortbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit bei manchen deutschen Staatsangehörigen an Bedingungen geknüpft wird, die bei anderen deutschen Staatsangehörigen schlichtweg nicht bestehen. Schließlich ist es zweifelhaft, ob die vorgeschlagene Regelung mit den unionsrechtlichen Grundfreiheiten vereinbar ist, da die Wahrnehmung der Freizügigkeit dazu führen kann, dass eine Person dem Optionszwang unterworfen wird und die Wahrnehmung der Freizügigkeit mithin weniger attraktiv wird. 1. Wie viele Personen, die nach § 4 Absatz 3 oder § 40b StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, werden nach gegenwärtiger Einschätzung der Bundesregierung im Jahr 2015 das 21. Lebensjahr vollenden und damit nach gegenwärtiger Rechtslage grundsätzlich dem Optionszwang unterfallen ? Im Jahr 2015 werden rund 4 500 Kinder, die im Jahr 1994 geboren wurden und die nach der Übergangsregelung des § 40b des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, das 21. Lebensjahr vollenden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1369 2. Wie viele Personen, die 2015 das 21. Lebensjahr vollenden und nach § 4 Absatz 3 oder § 40b StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben , haben sich nach gegenwärtiger Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung weniger als acht Jahre in Deutschland aufgehalten? 3. Wie viele der aufgrund der Frage 2 zu ermittelnden Personen haben nach gegenwärtiger Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung weniger als sechs Jahre eine Schule in Deutschland besucht? 4. Wie viele der aufgrund der Frage 3 zu ermittelnden Personen verfügen nach gegenwärtiger Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung weder über einen im Inland erworbenen Schulabschluss noch über eine im Inland abgeschlossene Berufsausbildung? Die Fragen 2 bis 4 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine statistischen Erhebungen vor (vgl. die Antwort der Bundesregierung zu Frage 4 auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundestagsdrucksache 18/1173 vom 15. April 2014). 5. Falls die Bundesregierung über keine Zahlen zu den Fragen 2 bis 4 verfügt, auf welche anderen quantitativen Überlegungen stützt sie dann die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Neuregelung? Die Bundesregierung geht davon aus, dass deutlich weniger als 10 Prozent der Betroffenen nach den Kriterien des Regierungsentwurfs nicht als in Deutschland aufgewachsen anzusehen sein werden. Sie stützt sich bei dieser Annahme auf die Zahl der derzeit beim Bundesverwaltungsamt anhängigen Optionsverfahren, die aufgrund des Auslandswohnsitzes der Optionspflichtigen in dessen Zuständigkeit fallen. Deren Anteil an den laufenden Optionsverfahren liegt unter 10 Prozent. 6. Aufgrund welcher Erwägungen hält es die Bundesregierung angesichts der aufgrund der Fragen 1 bis 4 zu ermittelnden Zahlen für angemessen, dass nach der vorgeschlagenen Regelung in § 29 Absatz 5 StAG weiterhin in jedem einzelnen Fall die Voraussetzungen des Fortbestands der deutschen Staatsangehörigkeit geprüft werden müssen? Nach dem Regierungsentwurf soll die Optionspflicht in Zukunft für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern entfallen. Damit muss sich der Großteil der Ius-soli-Deutschen nicht mehr zwischen der deutschen und der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern entscheiden. Die meisten dieser Fälle werden sich bereits im Meldedatenverfahren klären lassen. Da es sich beim Aufwachsen in Deutschland um ein differenzierendes Tatbestandsmerkmal handelt, ist sein Vorliegen zu überprüfen. 7. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Verwaltungsaufwand für die Feststellung ein, dass jemand sich vor Vollendung des 21. Lebensjahres mindestens acht Jahre in Deutschland aufgehalten hat (bitte Kosten und Arbeitsaufwand konkret beziffern)? 8. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Verwaltungsaufwand für die Feststellung ein, dass jemand vor Vollendung des 21. Lebensjahres mindestens sechs Jahre im Inland eine Schule besucht hat (bitte Kosten und Arbeitsaufwand konkret beziffern)? Drucksache 18/1369 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Verwaltungsaufwand für die Feststellung ein, dass jemand vor Vollendung des 21. Lebensjahres im Inland einen Schulabschluss erworben bzw. eine Berufsausbildung abgeschlossen hat (bitte Kosten und Arbeitsaufwand konkret beziffern)? Die Fragen 7 bis 9 werden gemeinsam beantwortet. Der Verwaltungsaufwand lässt sich zwar konkret erst nach Inkrafttreten der Neuregelung ermitteln (vgl. die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Bundestagsdrucksache 18/1173 vom 15. April 2014 zu Frage 15). Es liegt aber auf der Hand, dass insbesondere Meldedaten, Schulzeugnisse und Abschlusszeugnisse eine betroffenen- und verwaltungsfreundliche Prüfung möglich machen. 10. Wie steht der aufgrund der Fragen 7 bis 9 zu ermittelnde Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum Verwaltungsaufwand, der bei der Durchführung der bislang bestehenden Regelung des Optionszwangs entsteht? Hält die Bundesregierung dieses Verhältnis für angemessen (bitte begründen )? 11. Wie steht der aufgrund der Fragen 7 bis 9 zu ermittelnde Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum Verwaltungsaufwand, der bei einer vollständigen Abschaffung des Optionszwangs zu erwarten wäre? 12. Aufgrund welcher Erwägungen hält die Bundesregierung unter Berücksichtigung ihrer Antwort zu Frage 11 die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Neuregelung für angemessen? Die Fragen 10 bis 12 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich der Verwaltungsaufwand im Vergleich zur derzeitigen Rechtslage erheblich verringern wird, weil in Zukunft nicht mehr jedes Ius-soli-Kind angeschrieben und ausführlich informiert werden muss. Die aufwändigen Prüfungen, ob die ausländische Staatsangehörigkeit aufgegeben worden ist oder ob eine Beibehaltungsgenehmigung erteilt werden muss, obliegt der Verwaltung künftig nur noch für die relativ kleine Gruppe von Iussoli -Kindern, die nicht in Deutschland aufgewachsen ist. Dass einer vollständigen Abschaffung der Optionspflicht der mit ihr verbundene Verwaltungsaufwand gänzlich entfallen würde, versteht sich von selbst. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 13. Hat die Bundesregierung den Nationalen Normenkontrollrat mit dem Gesetzentwurf zur modifizierten Beibehaltung des Optionszwangs befasst ? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Der Normenkontrollrat wurde befasst und geht in seiner Stellungnahme von einer Entlastung der Verwaltung aus. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 5 bis 7 und 15 auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundestagsdrucksache 18/1173 vom 15. April 2014 verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1369 14. Wie viele Menschen haben nach Kenntnis der Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufgrund der bislang bestehenden Regelung des Optionszwangs bis heute ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren oder ihre ausländische Staatsangehörigkeit aufgegeben oder verloren? Auf die in der Antwort der Bundesregierung zur Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundestagsdrucksache 18/1173 zu Frage 3 vom 15. April 2014 wird verwiesen. 15. Warum enthält die vorgeschlagene Regelung keine dem Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 18/185 (neu)) vergleichbare „Altfallregelung“ für Menschen, die aufgrund der bislang bestehenden Regelung des Optionszwangs entweder ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren oder ihre ausländische Staatsangehörigkeit aufgegeben oder verloren haben, aber nach neuem Recht dem Optionszwang nicht mehr unterfallen würden? Bereits nach geltendem Recht können die das Staatsangehörigkeitsrecht vollziehenden Länder im Rahmen der Ermesseneinbürgerung (§ 8 StAG) und das für Auslandsfälle zuständige Bundesverwaltungsamt im Rahmen des § 13 StAG ehemalige Deutsche auch unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit wieder einbürgern oder vor einem Wiedererwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit eine Beibehaltungsgenehmigung nach § 25 Absatz 2 StAG erteilen. 16. Aufgrund welcher Überlegungen hält die Bundesregierung es für sachgerecht , Personen, die nach § 4 Absatz 3 oder § 40b StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben und ihr Leben lang in Deutschland gelebt haben, die doppelte Staatsangehörigkeit zu ermöglichen, während sie bei der Einbürgerung von Personen, die trotz ihres langen Aufenthalts und ihrer sozioökonomischen Integration in Deutschland aufgrund eines vorangehenden Aufenthalts in ihrem Herkunftsland mit diesem verbunden bleiben, grundsätzlich nicht hingenommen wird? Bei den Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Absatz 3 oder § 40b StAG erworben haben, handelt es sich grundsätzlich um Deutsche, die seit ihrer Geburt zugleich auch die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern besitzen. Sie wachsen bis zum Erreichen des Optionsalters mit diesen beiden Staatsangehörigkeiten auf. Nach dem Regierungsentwurf soll ein großer Teil dieser jungen Menschen sich nicht mehr zwischen der deutschen und der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern entscheiden müssen. 17. Welche sachlichen Gründe rechtfertigen nach Ansicht der Bundesregierung die grundsätzliche Beibehaltung des Optionszwangs bei einem Aufenthalt in Deutschland von weniger als acht Jahren bzw. einem Schulbesuch in Deutschland von weniger als sechs Jahren gegenüber einer längeren Dauer des Aufenthalts bzw. Schulbesuchs? Auf welche empirischen Grundlagen sind die entsprechenden Erkenntnisse der Bundesregierung gestützt? Nach dem Regierungsentwurf reicht neben einem achtjährigen Inlandsaufenthalt oder einem sechsjährigen Schulbesuch auch ein deutscher Schul- oder Berufsabschluss zum Nachweis aus, dass der Betroffene im Inland aufgewachsen ist. Dabei wird ein Zeitraum von acht Jahren auch bei sonstigen Regelungen, wie z. B. § 4 Absatz 3 und § 10 Absatz 1 StAG, als ein für die Integration maßgeblicher Zeitraum angesehen. Dies gilt auch für den sechsjährigen Schul- besuch, bei dessen Vorliegen z. B. gemäß § 25a AufenthG von einer guten Integration eines Jugendlichen oder Heranwachsenden ausgegangen wird. Er deckt Drucksache 18/1369 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode insoweit die überwiegende Zeit der Schulpflicht ab, deren Erfüllung für die Prägung junger Menschen in deutschen Lebensverhältnissen von erheblicher Bedeutung ist. Sind diese Voraussetzungen gegeben, liegt nach dem Regierungsentwurf im Interesse einer betroffenen- und verwaltungsfreundlichen Lösung ein Aufwachsen in Deutschland vor. Daneben gilt gemäß der Härtefallregelung als im Inland aufgewachsen, wer einen vergleichbar engen Bezug zu Deutschland hat. 18. Welche Fallkonstellationen soll die Härteklausel in der vorgeschlagenen Regelung des § 29 Absatz 1a Satz 2 StAG erfassen? 19. Aus welchem sachlichen Grund soll nach Ansicht der Bundesregierung jemand, der nach § 4 Absatz 3 oder § 40b StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, sieben Jahre in Deutschland gelebt und fünf Jahre in Deutschland die Schule besucht hat, ansonsten aber in Österreich gelebt und dort die Matura erworben hat, weiterhin unter den Optionszwang oder allenfalls unter die Härteklausel des § 29 Absatz 1a Satz 2 StAG fallen? 20. Aus welchem sachlichen Grund soll nach Ansicht der Bundesregierung jemand, der nach § 4 Absatz 3 oder § 40b StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, sieben Jahre in Deutschland gelebt und fünf Jahre in Deutschland die Schule besucht hat, ansonsten aber eine deutsche Auslandsschule besucht und dort eine deutsche Hochschulzugangsberechtigung erworben hat, weiterhin unter den Optionszwang oder allenfalls unter die Härteklausel des § 29 Absatz 1a Satz 2 StAG fallen? 21. Aus welchem sachlichen Grund soll nach Ansicht der Bundesregierung jemand, der nach § 4 Absatz 3 oder § 40b StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, sieben Jahre in Deutschland gelebt und fünf Jahre in Deutschland die Schule besucht hat ohne einen Abschluss zu erwerben , aber mit einem französischen Schulabschluss vor Vollendung des 21. Lebensjahres in Deutschland ein Bachelorstudium in Germanistik aufnimmt und erfolgreich abschließt, weiterhin unter den Optionszwang oder allenfalls unter die Härteklausel des § 29 Absatz 1a Satz 2 StAG fallen? 22. Aus welchem sachlichen Grund soll nach Ansicht der Bundesregierung jemand, der nach § 4 Absatz 3 oder § 40b StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, sieben Jahre in Deutschland gelebt und fünf Jahre in Deutschland die Schule besucht hat, aber voraussichtlich erst einen Monat nach Vollendung des 21. Lebensjahres einen Schulabschluss im Inland erwerben bzw. eine Berufsausbildung im Inland abschließen wird, weiterhin unter den Optionszwang oder allenfalls unter die Härteklausel des § 29 Absatz 1a Satz 2 StAG fallen? Die Fragen 18 bis 22 werden gemeinsam beantwortet. Nach § 29 Absatz 1a Satz 1 des Entwurfs gilt als in Deutschland aufgewachsen, wer die dort genannten Kriterien erfüllt. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass die Betroffenen enge Bindungen an Deutschland entwickelt und sich in die deutschen Lebensverhältnisse eingefügt haben, wie es mit einem Aufwachsen in Deutschland regelmäßig verbunden ist. Sofern im Einzelfall diese Voraussetzungen nicht erfüllt werden, gilt auch derjenige nach § 29 Absatz 1a Satz 2 des Entwurfs als in Deutschland aufgewachsen, der im Einzelfall einen vergleichbar engen Bezug zu Deutschland hat und für den die Optionspflicht nach den Umständen des Einzelfalles eine besondere Härte bedeuten würde. Vor diesem Hintergrund könnten auch die in den Fragen geschilderten Konstellationen unter die „Härtefallklausel“ fallen. Ob dies der Fall ist, lässt sich jedoch nur jeweils im konkreten Einzelfall unter Einbeziehung aller relevanten Umstände beurteilen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/1369 23. Aufgrund welcher Erwägungen hält die Bundesregierung die modifizierte Beibehaltung des Optionszwangs für vereinbar mit dem Verbot der Diskriminierung aufgrund der Abstammung (Artikel 3 Absatz 3 GG), angesichts dessen, dass der Optionszwang ausschließlich deutsche Staatsangehörige betrifft, deren Eltern zum Zeitpunkt ihrer Geburt nicht deutsche Staatsangehörige waren? 24. Wie rechtfertigt die Bundesregierung die Differenzierung zwischen Personen , die die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Absatz 3 oder § 40b StAG erworben haben, und Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Absatz 1 StAG erworben haben, vor dem Hintergrund, dass ein entscheidender Vorwurf des Bundesrates an die NPD im aktuellen Verbotsverfahren ihr „ethnischer Volksbegriff“ (Antragsschrift, S. 115, abrufbar auf: www.bundesrat.de/SharedDocs/downloads/DE/themen/ 20140124-npd-antragsschrift.pdf?__blob=publicationFile&v=3) ist und nach Auffassung des Bundesrates zwar gilt, dass die „Zugehörigkeitskriterien […] sich durch den demokratischen Prozess ändern [lassen]“, aber auch gilt, dass – sofern die Zugehörigkeitskriterien „einmal auf eine bestimmte Art und Weise ausgestaltet [sind], […] gegen deutsche Staatsangehörige keine anderen Zugehörigkeitskriterien mehr ins Feld geführt werden [können]“ (Antragsschrift, S. 114)? Die Fragen 23 und 24 werden gemeinsam beantwortet. Der mit dem Gesetz zur Reform des StAG zum 1. Januar 2000 neu eingeführte Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 4 Absatz 3 und § 40 b StAG ist – anders als der Abstammungserwerb nach § 4 Absatz 1 StAG – regelmäßig mit dem Auftreten von Mehrstaatigkeit verbunden. Auch in den verbleibenden wenigen Fällen einer Optionspflicht ist der Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit allein der Entscheidung des Betroffenen überlassen. 25. Wie rechtfertigt es die Bundesregierung im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vor dem Gesetz (Artikel 3 GG), dass jemand, der nach § 4 Absatz 3 oder § 40b StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, vor Vollendung des 21. Lebensjahres sieben Jahre in Deutschland gelebt und fünf Jahre in Deutschland die Schule besucht hat ohne einen Schulabschluss zu erwerben, nach Vollendung des 21. Lebensjahres aber weiterhin in Deutschland lebt, weiterhin unter den Optionszwang oder allenfalls unter die Härteklausel des § 29 Absatz 1a Satz 2 StAG fällt, während dies für jemanden, der nach § 4 Absatz 3 oder § 40b StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat und bis zur Vollendung des achten Lebensjahres in Deutschland gelebt hat, danach aber ins Ausland verzogen ist, nicht der Fall ist? Auf die Antwort zu den Fragen 18 bis 22 wird verwiesen. 26. Wie rechtfertigt es die Bundesregierung im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vor dem Gesetz (Artikel 3 GG), dass der Optionszwang nur Personen betrifft, die nach § 4 Absatz 3 oder § 40b StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, nicht aber Personen, die nach § 4 Absatz 1 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, aber neben der deutschen Staatsangehörigkeit ebenfalls Angehörige eines weiteren Staates sind (etwa als Kinder binationaler Eltern oder durch Geburt auf dem Gebiet eines Staates, dessen Staatsangehörigkeit aufgrund ius soli erworben wird)? Auf die Antwort zu den Fragen 23 und 24 wird verwiesen. Drucksache 18/1369 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 27. Wie rechtfertigt es die Bundesregierung im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vor dem Gesetz (Artikel 3 GG), dass der Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit bei Personen, die nach § 4 Absatz 3 oder § 40b StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, unter Umständen von ihrem Erfolg in Schule bzw. Ausbildung abhängig gemacht wird, während dies bei anderen deutschen Staatsangehörigen nicht der Fall ist? Der Regierungsentwurf stellt auf das Aufwachsen ab. Der Schulerfolg ist lediglich eine Möglichkeit, aus der sich das Aufwachsen ergeben kann. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 23 und 24 verwiesen. 28. Wie rechtfertigt es die Bundesregierung, dass die vorgeschlagene Regelung den Wegfall des Optionszwangs von einer bestimmten Aufenthaltsdauer im Inland abhängig macht, angesichts dessen, dass Artikel 21 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union jeder Maßnahme entgegensteht, die „geeignet ist, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen“ (EuGH, Urteil vom 16. April 2013, Rs. C-202/11, Rn. 20 m. w. N.)? Eine Optionspflicht besteht abgesehen von einer bestimmten Aufenthaltsdauer im Inland auch dann nicht, wenn der Betroffene eine der anderen Voraussetzungen des § 29 Absatz 1a des Regierungsentwurfs erfüllt. Gesamtherstellung: H. 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