Deutscher Bundestag Drucksache 18/139 18. Wahlperiode 06.12.2013 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Ernst, Jutta Krellmann, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/75 – Geschäftspolitik der Bundesdruckerei Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In Nordrhein-Westfalen (NRW) ist zum 1. Mai 2012 das Tariftreue- und Vergabegesetz (TVgG-NRW) in Kraft getreten. Demnach sind in NRW die Auftragnehmer öffentlicher Aufträge, wenn nicht günstigere Regelungen greifen, unter anderem verpflichtet, bei der Durchführung des Auftrags einen Mindestlohn von derzeit 8,62 Euro pro Stunde zu zahlen. Wie „RP ONLINE“ berichtet, hat die Stadt Dortmund eine elektronische Aktenarchivierung mit einem Volumen von 300 000 Euro ausgeschrieben (vgl. RP ONLINE vom 18. Oktober 2013). Sie verlangt dem Artikel zufolge in der Ausschreibung gemäß dem Tariftreuegesetz die Zahlung eines Mindestlohns von 8,62 Euro. Es müsse zudem gewährleistet sein, dass der Mindestlohn auch für Subunternehmen im Ausland gilt. Gegen diese Vorgaben geht nun, so wird berichtet, ein Mittelständler vor, der ein polnisches Tochterunternehmen beauftragen wollte. Dieser Mittelständler würde argumentieren, dass das Lohnniveau in Polen niedriger sei, weswegen er keine 8,62 Euro garantieren könne. Vor diesem Hintergrund hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arnsberg am 26. September 2013 ein Nachprüfungsverfahren eröffnet, nachdem der Bieter dies nach erfolgloser Rüge beantragt hat. Die Vergabekammer legt in diesem Zusammenhang dem Europäischen Gerichtshof die Frage vor, ob das TVgG-NRW mit den Vorgaben von Artikel 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen vereinbar ist. Aus Sicht des mittelständischen Bieters beschränkt die gesetzliche Vorgabe zur Zahlung des Mindestlohns in unzulässiger Weise die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung. Nach Auffassung des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen ist der vergabespezifische Mindestlohn dagegen europarechtskonform. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 4. Dezember 2013 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Da zwischenzeitlich über die Datenbank CURIA des Europäischen Gerichtshofes bekannt geworden ist, dass es sich bei dem mittelständischen Bieter um die Bundesdruckerei GmbH und damit ein Unternehmen in öffentlicher Hand handelt, ergeben sich daraus Fragen zur Geschäftspolitik der Bundesdruckerei GmbH. Drucksache 18/139 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Wie viele hundertprozentige Tochterfirmen mit Sitz im In- und Ausland gehören nach Kenntnis der Bundesregierung der Bundesdruckerei, und wie hoch ist der jährliche Umsatz dieser Tochterfirmen (bitte die Tochterfirmen nach Sitz im In- und Ausland aufgeschlüsselt angeben)? Im hundertprozentigen Eigentum der Bundesdruckerei GmbH befinden sich die nachstehend genannten vier Tochterunternehmen, davon eines (iNCO) mit Sitz im Ausland. Der Umsatz dieser Tochterunternehmen betrug im Geschäftsjahr 2012 – mit Sitz im Inland: BIS Bundesdruckerei International Services GmbH 14,7 Mio. Euro; D-Trust GmbH 10,0 Mio. Euro; Maurer Electronics GmbH 10,6 Mio. Euro; – mit Sitz im Ausland: iNCO spolka z o.o. 7,9 Mio. Złoty (ca. 1,9 Mio. Euro). 2. An wie vielen Firmen ist die Bundesdruckerei nach Kenntnis der Bundesregierung in welchem Umfang beteiligt? Die Bundesdruckerei ist neben den unter den in der Antwort zu Frage 1 genannten Gesellschaften an vier weiteren Unternehmen (minderheitlich) beteiligt. Die Anteilsquoten der Bundesdruckerei GmbH liegen dabei jeweils zwischen 25 Prozent und 49 Prozent. 3. Wie sieht die Eigentümerstruktur der Bundesdruckerei und ihrer Tochterfirmen nach Kenntnis der Bundesregierung aus, und welches Bundesministerium beaufsichtigt das Unternehmen? Die Bundesrepublik Deutschland ist Alleingesellschafterin der Bundesdruckerei GmbH. Die Beteiligungsführung (Ausübung der Gesellschafterrechte des Bundes ) liegt beim Bundesministerium der Finanzen. 4. An wie vielen Ausschreibungen hat sich die Bundesdruckerei nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren als möglicher Auftragnehmer beteiligt, und wie viele Aufträge hat sie erhalten (bitte nach Ausschreibungen der öffentlichen Hand und privaten Unternehmen differenzieren )? 5. In wie vielen Fällen hat die Bundesdruckerei nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren an Ausschreibungen teilgenommen , bei denen es um Aufträge zur Akten- bzw. Datendigitalisierung ging, wie viele Aufträge hat sie erhalten, und welche (Tochter-)Firmen wurden mit der Erfüllung beauftragt? Die Fragen 4 und 5 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesdruckerei GmbH beteiligt sich laufend an Ausschreibungen der öffentlichen Hand wie auch von privatwirtschaftlichen Unternehmen und stellt darüber hinaus laufend Angebote. Die Bücher der Bundesdruckerei GmbH werden gemäß den einschlägigen handels- und steuerrechtlichen Vorgaben und den Erfordernissen eines Industriebetriebs geführt. Statistiken oder Übersichten zu den angefragten Angaben liegen demgemäß nicht vor. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/139 6. Orientiert sich die Geschäftspolitik der Bundesdruckerei nach Kenntnis der Bundesregierung am Gemeinwohl? Welche Rolle nehmen hierbei die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat ein? Nach dem Gesellschaftsvertrag der Bundesdruckerei GmbH ist Unternehmensgegenstand die Entwicklung, die Herstellung, die Bearbeitung, der Vertrieb und die Anwendung von Produkten und Sicherheitssystemen im Bereich der Authentifizierung von Personen, Sachen, Werten und Zugangsberechtigungen sowie im Bereich des Sicherheitsdrucks und hochwertiger Sicherheitskarten. Die Bundesdruckerei GmbH handelt gemäß ihrem Gesellschaftsvertrag. Der Aufsichtsrat übt seine Tätigkeit nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen , des Gesellschaftsvertrags und der Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat aus und ist in seinen Entscheidungen ausschließlich dem Unternehmenswohl verpflichtet. Seine Mitglieder – somit auch die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat – haben die gleichen Rechte und Pflichten. 7. Gilt nach Kenntnis der Bundesregierung für die Beschäftigten der Bundesdruckerei und ihren Tochterfirmen ein Tarifvertrag, und wenn ja, welcher? Für die Bundesdruckerei GmbH gilt ein Haustarifvertrag, der an den Flächentarifvertrag Druck (Berlin-Brandenburg) angelehnt ist. Für die Tochtergesellschaften bestehen keine Tarifverträge. 8. Wie sieht nach Kenntnis der Bundesregierung die Entgeltstruktur bei der Bundesdruckerei und ihren Tochterfirmen aus? Für die Bundesdruckerei GmbH ist die Vergütung gemäß geltendem Tarifvertrag nach Lohn- und Gehaltsgruppen geregelt. Hinzukommen übertarifliche Komponenten . Im übertariflichen Bereich sowie bei den Tochtergesellschaften bestehen individuelle Vereinbarungen. 9. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Durchschnittslohn, und wie hoch sind die Entgelte in der untersten Tarifgruppe bei der Bundesdruckerei und bei den Tochterfirmen? Für die Bundesdruckerei GmbH legt der geltende Tarifvertrag in der untersten Tarifgruppe eine monatliche Vergütung von 1 544 Euro (zuzüglich tariflicher Jahres- und Nebenleistungen) fest. Die Durchschnittsvergütung (inkl. übertariflicher Bestandteile) in der Bundesdruckerei GmbH sowie die Vergütungen in den nicht tarifgebundenen Tochtergesellschaften sind Betriebs-und Geschäftsgeheimnisse der Bundesdruckerei GmbH. Eine Offenlegung wäre für die Bundesdruckerei GmbH mit wettbewerblichen Nachteilen um Fachpersonal wie auch um Aufträge am Markt verbunden. Generell liegen Vergütungen im Bereich der Bundesdruckerei-Gruppe aber oberhalb etablierter Mindeststandards. 10. Welche Wochenarbeitszeit ist nach Kenntnis der Bundesregierung für die Beschäftigten bei der Bundesdruckerei und bei ihren Tochterfirmen vereinbart ? Die tarifliche Wochenarbeitszeit in der Bundesdruckerei GmbH beträgt 35 Stun- den. In den Tochtergesellschaften beträgt die regelmäßige Wochenarbeitszeit 40 Stunden. Drucksache 18/139 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 11. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Bundesdruckerei und bei allen ihren Tochterfirmen einen Betriebsrat oder andere betriebliche Arbeitnehmervertretungen? In der Bundesdruckerei GmbH sowie in den Tochtergesellschaften BIS Bundesdruckerei International Services GmbH und D-Trust GmbH besteht auf Unternehmensebene jeweils ein eigener Betriebsrat. Der Konzernbetriebsrat der Bundesdruckerei GmbH ist ebenfalls für die Maurer Electronics GmbH (welche keinen eigenen Betriebsrat besitzt) zuständig. Die iNCO spolka z o.o. hat einen Betriebsrat gemäß polnischem Recht. 12. Fühlen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Bundesdruckerei und andere Unternehmen der öffentlichen Hand dem Ziel verpflichtet, etablierte Mindeststandards zum Schutz der Beschäftigten, wie zum Beispiel länderspezifische Regelungen zur Tariftreue und Vergabe, zu wahren? Die Bundesdruckerei GmbH ist selbstverständlich verpflichtet, nach Recht und Gesetz zu handeln. Sie kommt dieser Verpflichtung uneingeschränkt nach. 13. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Vorgehen der Bundesdruckerei, sich an einer Ausschreibung zur Aktendigitalisierung der Stadt Dortmund zu beteiligen, zur Erfüllung dieses Auftrages eine polnische Tochtergesellschaft einsetzen zu wollen und vor diesem Hintergrund vor dem Europäischen Gerichtshof gegen das TVgGNRW sowie den dort festgeschriebenen vergabespezifischen Mindestlohn zu klagen? Die Bundesdruckerei GmbH nimmt im Rahmen ihres operativen Geschäfts an einer Vielzahl von Vergabeverfahren teil. Die Durchführung des operativen Geschäfts und damit verbundener Entscheidungen liegen im Verantwortungsbereich der Geschäftsführung. Einzelne Aspekte bzw. Vorgänge des operativen Geschäfts sind nicht Gegenstand einer Bewertung durch die Bundesregierung. 14. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Bemühungen verschiedener Bundesländer, Regelungen zur Tariftreue und Vergabe und damit Mindeststandards und vergabespezifische Mindestlöhne zu etablieren? Die Bundesregierung bewertet grundsätzlich keine landesgesetzlichen Regelungen . 15. Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu einem Vergabegesetz auf Bundesebene ein? Die neuen EU-Richtlinien zum Vergaberecht werden voraussichtlich im Februar 2014 in Kraft treten und sind dann in deutsches Recht umzusetzen. Im Rahmen der Umsetzung sind unter anderem auch die gesetzlichen Grundlagen des Vergaberechts anzupassen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333