Deutscher Bundestag Drucksache 18/1413 18. Wahlperiode 14.05.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/1262 – Ausbildung in und Nutzung der Reid-Methode durch deutsche Bundesbehörden Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Jahr 1947 entwickelte der US-Amerikaner John E. Reid eine Verhörmethode die unter dem Namen „Reid-Methode“ bekannt wurde. Die Privatfirma John E. Reid & Associates, Inc. arbeitete die Methode weiter aus und bietet bis heute Schulungen darin an. Zu ihren Kunden zählen unter anderen das FBI (Federal Bureau of Investigation), die CIA (Central Intelligence Agency), die DEA (Drug Enforcement Administration) sowie die US-Armee, was sich auf der Webseite der Firma Reid nachlesen lässt. Auch in Deutschland hat das Unternehmen nach eigenen Angaben Ausbildungsverträge geschlossen und Schulungen durchgeführt, etwa mit den „law enforcement communities“ in Bayern und Berlin (www.reid.com). In den Ausbildungsunterlagen der Bundespolizei (Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Bundespolizei, Fachgruppe Kriminalistik , 23. Oktober 2008, „Vernehmung in der Bundespolizei“) heißt es, „Ziel der Reid-Methode ist es, durch einen strukturierten Aufbau der Vernehmung den Täter auf Grund seines verbalen, nonverbalen und paralinguistischen Verhaltens von einer unschuldigen Person zu unterscheiden, teilweise durch Angaben von Unwahrheiten.“ Laut einer kritischen Analyse des Journalisten Douglas Starr in der Zeitschrift „THE NEW YORKER“ sei das primäre Ziel dieser Verhörtechnik , Geständnisse zu erreichen. Zu diesem Zweck würden im Verhör durch Ermittler die moralischen Konsequenzen einer Straftat heruntergespielt, die negativen Folgen eines Geständnisses für den Verdächtigen vernachlässigt und die Angst vor dem Leugnen verstärkt. Die Ermittler würden mitunter auch Beweise oder Zeugenaussagen erfinden, um aus der Reaktion des Verdächtigen Erkenntnisse zu gewinnen (THE NEW YORKER, 9. Dezember 2013, Douglas Starr, „The Interview“, www.newyorker.com/reporting/2013/12/09/131209fa_ fact_starr). Die Reid-Methode ist äußerst umstritten. Nach Ansicht von Douglas Starr in Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 12. Mai 2014 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. der Zeitschrift „THE NEW YORKER“, der sich auf verschiedene Studien beruft, führt sie zu einer hohen Rate an falschen Geständnissen. Das zeige sich anschaulich an dem Fall Darrel Parker, der im Jahr 1955 von John Reid persönlich vernommen wurde und einen Mord gestand, den er nicht begangen hatte. Für Drucksache 18/1413 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Darrel Parker resultierte daraus eine lebenslange Freiheitsstrafe, für John Reid war die Verurteilung Darrel Parkers der Grundstein seiner Karriere. Erst im Jahr 1970 kam Darrel Parker aus der Haft frei, im Jahr 1991 wurde er schließlich vom Gouverneur von Illinois begnadigt. Im Jahr 2011 entschuldigte sich der Generalstaatsanwalt von Illinois öffentlich bei Parker und zahlte ihm eine Wiedergutmachungszahlung von 500 000 US-Dollar für die erlittene Haft (THE NEW YORKER, 9. Dezember 2013, Douglas Starr, „The Interview“, www.newyorker.com/reporting/2013/12/09/131209fa_fact_starr). Auch in Deutschland wird momentan ein Fall aus dem Jahr 2001 erneut untersucht. Im Jahr 2004 wurde der geistig behinderte Ulvi K. für den Mord an der neunjährigen Peggy K. vor dem Landgericht Hof verurteilt (DER TAGESSPIEGEL, 10. Dezember 2013, „Fall Peggy wird neu aufgerollt“, www.tagesspiegel.de/ weltspiegel/der-fall-peggy-wird-neu-aufgerollt/9194124.html). Ulvi K. war von der „Soko Peggy II“ unter Leitung von Wolfgang Geier verhört worden und hatte den Mord gestanden (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. April 2014, Karin Truscheit, „Falsche Wahrheit, richtige Wahrheit“, www.faz.net/ aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/wiederaufnahmeverfahren-im-fall-peggyfalsche -wahrheit-richtige-wahrheit-12889938-p3.html). Derselbe Wolfgang Geier übernahm später die Leitung der BAO „Bosporus“ (BAO = Besondere Aufbauorganisation), die erfolglos in der sogenannten Ceska-Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes ermittelte (Frankenpost, 8. April 2014, Joachim Dankbar, „Die Vernehmung“, www.frankenpost.de/regional/ oberfranken/laenderspiegel/Die-Vernehmung;art2388,3263713). Die Ausbildungsunterlagen der Bundespolizei (Fachhochschule des Bundes, Fachbereich Bundespolizei, Fachbereich Kriminalistik, 23. Oktober 2008, „Vernehmung in der Bundespolizei“) schätzen die Reid-Methode kritisch ein. Sie werde zwar in einigen Bundesländern bereits geschult und angewandt, sei aber umstritten. Besonders die Methode der „akzeptablen Täuschung“ des Verdächtigen sei problematisch. Deutschen Polizisten sei es laut § 136a der Strafprozessordnung (StPO) verboten, durch Täuschung von Verdächtigen, Aussagen zu provozieren. 1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu Schulungen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen von Bundesbehörden in der Reid-Methode (bitte nach Datum, Ort, Angaben zu den Teilnehmern nach Bundes- und Landesbehörden und Anzahl aufschlüsseln)? Wer waren die Ausbilder? Mit welchen Zielvorstellungen wurden die Schulungen durchgeführt? Mitarbeiter von Bundesbehörden wurden nicht in der Reid-Methode geschult und Bundesbehörden wenden diese Methode auch nicht an. 2. Wie bewertet die Bundesregierung die Reid-Methode und deren Einsatz durch deutsche Bundesbehörden? Die Bundesregierung sieht die Reid-Methode im Hinblick auf § 136a der Strafprozessordnung (StPO) kritisch. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu den Kosten für die Schulungsveranstaltungen in der Reid-Methode? Wie hoch waren die Referenten-, Reise- oder sonstigen Kosten für die jeweiligen Schulungsveranstaltungen? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1413 4. Gibt es Evaluationen zur Anwendung der Reid-Methode durch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen deutscher Bundesbehörden? Wenn ja, wer hat die Evaluationen in Auftrag gegeben, und durch wen wurden sie ausgeführt? Wann sind die Evaluationen erfolgt, und zu welchen Ergebnissen kamen sie? Zu Bundesbehörden wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Im Übrigen liegen der Bundesregierung dazu keine Erkenntnisse vor. 5. Unter welchen Voraussetzungen kommt die Reid-Methode bei Mitarbeitern deutscher Bundesbehörden zum Einsatz? Für Bundesbehörden wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Im Übrigen liegen der Bundesregierung hierzu keine Erkenntnisse vor. 6. Wie bewertet die Bundesregierung den Konflikt zwischen Techniken der Reid-Methode und der StPO, besonders hinsichtlich des § 136a StPO (Täuschung des/der Verdächtigen im Verhör)? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 7. Waren nach Kenntnissen der Bundesregierung Beamte des Bundeskriminalamts (BKA) und anderer Behörden, die zur BAO „Bosporus“ abgeordnet waren, in der Reid-Methode ausgebildet? Und wenn ja, wurde die Reid-Methode in den Ermittlungen zur CeskaMordserie eingesetzt? Für Mitarbeiter von Bundesbehörden wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen . Im Übrigen liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 8. Gab bzw. gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung auf europäischer und internationaler Ebene Fortbildungsveranstaltungen zu Verhörmethoden, in deren Rahmen die Reid-Methode vorgestellt und ggf. geschult wird (bitte mit Datum, Zahl und Status der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Thema und Module der jeweiligen Veranstaltung angeben)? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob es auf europäischer und internationaler Ebene Fortbildungsveranstaltungen zur Reid-Methode gab bzw. gibt. 9. Ist die Reid-Methode nach Kenntnis der Bundesregierung Bestandteil der Lehrinhalte an der Europäischen Polizeiakademie (EPA) oder an der Mitteleuropäischen Polizeiakademie (MEPA)? Wenn ja, werden dort nach Kenntnis der Bundesregierung Dozenten oder Trainer der John E. Reid & Associates, Inc oder einer ihrer Partner- oder Subfirmen eingesetzt? Nach Erkenntnissen der Bundesregierung war die Reid-Methode weder bei der Europäischen Polizeiakademie (EPA) noch bei der Mitteleuropäischen Polizeiakademie (MEPA) Bestandteil der Lehrinhalte. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333