Deutscher Bundestag Drucksache 18/1421 18. Wahlperiode 15.05.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Tom Koenigs und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/1049 – Aktuelle Situation in Burundi Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Burundi gehört zu den ärmsten Ländern weltweit und belegte im Jahr 2012 Platz 178 von 187 des Human Development Index. Nach Ende des Bürgerkriegs zwischen Hutu und Tutsi ist die politische Lage im Land nach wie vor fragil. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung sind von der Landwirtschaft abhängig , dabei herrscht Landknappheit und rückkehrende Flüchtlinge müssen wiederangesiedelt werden. Im Jahr 2006 wurde in Burundi die „Commission Nationale des Terres et Autres Biens“ (CNTB) gegründet, mit dem Ziel, Landkonflikte zu regeln, die im Zusammenhang mit der Rückkehr von Flüchtlingen stehen. Seit Mai 2013 gibt es Berichte über Enteignungen und gewaltsames Vorgehen. Durch eine Gesetzesänderung im Januar 2014 ist die Unabhängigkeit der Kommission infrage gestellt. Die Vorgehensweise der CNTB und die Politik der Regierungspartei CNDD-FDD drohen zu einem erneuten Aufkommen ethnischer Konflikte beizutragen. Der Präsident Pierre Nkurunziza entließ im Februar 2014 den Vizepräsidenten Bernard Busokoza, Mitglied der Partei UPRONA, woraufhin alle Minister des Koalitionspartners UPRONA die Regierung verlassen haben. Der Versuch einer Verfassungsänderung zugunsten des amtierenden Präsidenten, um diesem eine dritte Präsidentschaftskandidatur zu ermöglichen, führte zu öffentlichen Demonstrationen. In der Folge wurde die oppositionelle Partei MSD, die sich an den Protesten beteiligte, für vier Monate suspendiert. Eine Resolution des VN-Sicherheitsrates vom 13. Februar 2014 prangert deutlich Menschenrechtsverletzungen, Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit sowie der Versammlungsfreiheit in Burundi an. Am 13. März 2014 hat sich der VN-Generalsekretär Ban Ki-moon besorgt über die Gewalt in Burundi geäußert und die Regierung und die politischen Parteien zum friedlichen Dialog aufgerufen (www.un.org/News/Press/docs/2014/sgsm15708.doc.htm). Einem Artikel der NZZ (www.nzz.ch/aktuell/international/auslandnachrichten/ Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 13. Mai 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. historischer-kompromiss-in-burundi-unter-druck-1.18268700) vom 23. März 2014 zufolge verurteilte ein Gericht in Bujumbura 70 Aktivisten der außerparlamentarischen Opposition. 21 der Angeklagten wurden zu lebenslänglicher und zehn weitere zu zehnjähriger Haft verurteilt. Die Beschuldigten waren Anfang Drucksache 18/1421 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode März 2014 bei einer nicht bewilligten Demonstration auf die Straße gegangen. Das burundische Parlament hat mit einer äußerst knappen Mehrheit von einer Stimme verhindern können, dass der Minderheitenschutz für die Tutsi aus dem Jahr 2000 aufgehoben wird. Die Bundesrepublik Deutschland unterhält seit den 60er-Jahren entwicklungspolitische Beziehungen mit Burundi und ist ein wichtiger Partner für das Land. Angesichts der zugespitzten Lage und der Resolution des VN-Sicherheitsrates, stellt sich die Frage, wie die Bundesregierung die aktuellen Entwicklungen im Vorwahljahr 2015 und deren Auswirkungen auf Demokratie und Rechtsstaat bewertet und welche Konsequenzen sie daraus zieht. 1. Wie beurteilt die Bundesregierung die aktuelle politische Situation in Burundi? Die Bundesregierung teilt die Besorgnis der internationalen Gemeinschaft über die jüngsten politischen Entwicklungen in der Republik Burundi. Sie stellt, nach einer Phase eines ermutigenden Dialogs in den letzten Monaten, eine Zunahme von politischen Spannungen zwischen der Regierung und den Oppositionsparteien und eine Zunahme politisch motivierter Gewalt fest. Kennzeichnend für diese Entwicklung war eine Reduzierung der Freiheitsgrade der parlamentarischen und nicht-parlamentarischen Opposition durch Maßnahmen der Regierung wie z. B. die Einflussnahme auf die Besetzung von Spitzenpositionen in Oppositionsparteien, die gewaltsame Auflösung von Demonstrationen bzw. Versammlungen, sowie eine unzureichende Ahndung von Gewalt und Einschüchterung Andersdenkender durch Parteijugendorganisationen. Die Bundesregierung hält es für dringend erforderlich, dass im Vorfeld der für das Jahr 2015 vorgesehenen Wahlen die Rahmenbedingungen für freie und demokratischen Standards entsprechende Wahlen geschaffen werden. Dies schließt entsprechende Betätigungsmöglichkeiten für die politische Opposition und auch für die Zivilgesellschaft ein. 2. Wie bewertet die Bundesregierung die Menschenrechtssituation in Burundi – insbesondere im Hinblick auf Pressefreiheit, freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit? Bezüglich der Menschenrechtslage in Burundi teilt die Bundesregierung die Besorgnis der internationalen Gemeinschaft. Nach Ansicht der Bundesregierung eröffnet die neue Mediengesetzgebung aus dem Jahr 2013 der Regierung Möglichkeiten zu einer weitergehenden Einschränkung der Presse- und Medienfreiheit . Zu Einschränkungen der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. In den Bereichen der außergerichtlichen Tötungen, der Misshandlung von Inhaftierten und der Einschränkung von bürgerlichen Freiheiten gibt die Menschenrechtslage trotz Bemühungen der burundischen Regierung weiter Anlass zur Besorgnis. Dies gilt insbesondere für Gewalttaten, die von Jugendorganisationen politischer Parteien ausgehen und zumeist nicht strafrechtlich geahndet werden . 3. Inwieweit steht die Bundesregierung in Kontakt mit der burundischen Regierung im Hinblick auf die politische und menschenrechtliche Situation (zum Vergleich siehe Bundestagsdrucksache 17/10687, Frage 8)? Die Bundesregierung thematisiert die politische und menschenrechtliche Situa- tion in Burundi im Rahmen der politischen Kontakte, wie aktuell beim Besuch des burundischen Außenministers Laurent Kavakure in Berlin vom 12. bis Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1421 14. Mai 2014. Im Rahmen der Regierungskonsultationen im November 2013 äußerte sich die Bundesregierung gegenüber der burundischen Regierung deutlich zur Wahrung demokratischer und rechtsstaatlicher Prinzipien und der Menschenrechte sowie zur Entwicklungsorientierung staatlichen Handelns. Sie verwies darauf, dass dies entscheidende Kriterien für Finanzierungsentscheidungen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) sind. Hierauf hat die Bundesregierung auch auf der Geberkonferenz in Genf im Jahr 2012 hingewiesen . Bei dieser hat sich die burundische Regierung explizit zu Anstrengungen und Reformen u. a. im Bereich der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Bekämpfung der Straflosigkeit sowie zur Stärkung der Demokratie, der Grundfreiheiten und zur Schaffung eines offenen und inklusiven politischen Klimas verpflichtet. Auch im Rahmen des Artikel-8-Dialogs der Europäischen Union (Abkommen von Cotonou) werden politische und menschenrechtliche Entwicklungen mit der burundischen Regierung erörtert. Dieser wird durch die Leiter der Botschaften der EU-Mitgliedstaaten in Bujumbura unter Beteiligung des Deutschen Botschafters geführt, zuletzt am 14. März 2014 mit dem burundischen Außenminister sowie dem Innenminister. 4. Welche Rolle misst die Bundesregierung der UN-Peacebuilding Commission in Burundi bei (zum Vergleich siehe Bundestagsdrucksache 17/10687, Frage 15)? Die Bundesregierung misst der „Peacebuilding Commission“ der Vereinten Nationen eine wichtige Rolle bei der Friedenskonsolidierung in Burundi bei. Burundi ist einer von sechs Staaten, zu denen die „Peacebuilding Commission“ eine sogenannte Länderkonfiguration eingerichtet hat. In der Länderkonfiguration beschäftigen sich die Mitglieder des Organisationskomitees der „Peacebuilding Commission“ sowie weitere interessierte Staaten einschließlich des betroffenen Staates und internationaler Organisationen mit friedenskonsolidierenden Maßnahmen. Deutschland ist Mitglied der Länderkonfiguration Burundi, den Vorsitz führt die Schweizerische Eidgenossenschaft. In der gegenwärtigen Lage in Burundi sind vor allem die Bestrebungen der Länderkonfiguration wichtig, den Dialog sowohl mit der Regierung als auch der Opposition aufrechtzuerhalten und zu intensivieren. Dies geschieht u. a. durch regelmäßige Reisen ihres Vorsitzes, Botschafter Seger, nach Burundi. Sie dienen dem Ziel, bestehende Spannungen abzubauen und tragen damit zur Vertrauensbildung und Friedenskonsolidierung bei. Auch dem regelmäßigen Austausch, den die Länderkonfiguration mit weiteren VN-Organisationen und internationalen Organisationen sowie einzelnen Staaten zur Lage in Burundi unternimmt, kommt eine wichtige Rolle zur besseren Abstimmung des internationalen Handelns zu. 5. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherige Umsetzung des Strategic Framework for Peacebuilding in Burundi bezüglich der aktuellen Lage (zum Vergleich siehe Bundestagsdrucksache 17/10687, Frage 13)? Seit dem Jahr 2012 erfolgt die Umsetzung des „Strategic Framework for Peacebuilding in Burundi“ im Rahmen der Umsetzung des „second generation Poverty Reduction Strategy Paper“ (PRSP-II) der burundischen Regierung. Die Bundesregierung teilt die Einschätzung des Vorsitzenden der Burundi-Länderkonfiguration aus seinem Bericht im Januar 2014, dass für die Friedenskonsolidierung die Abhaltung freier und fairer Wahlen im Jahr 2015 entscheidend für die Transformation Burundis in einen demokratisch gefestigten und stabilen Staat ist. Drucksache 18/1421 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. Welche Rolle werden die Bundesregierung, die Europäische Union und die Vereinten Nationen zur Stabilisierung und Friedensbildung in Burundi und zur Sicherung von freien, demokratischen Wahlen im Jahr 2015 übernehmen ? Die Vereinten Nationen sind derzeit in Burundi durch die politische Mission BNUB (Bureau des Nations Unies au Burundi) unter Leitung des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs, Parfait Onanga, vertreten. Gemäß der Resolution des VN-Sicherheitsrates 2137 (2014) vom 13. Februar 2014 endet das Mandat von BNUB Ende 2014. Ab dem Jahr 2015 wird die Präsenz der Vereinten Nationen durch ein „UN Country Team“ fortgesetzt. Daneben sieht die Resolution des VN-Sicherheitsrates 2137 (2014) den Einsatz einer Mission zur Beobachtung der für das Jahr 2015 geplanten Wahlen vor (UN electoral observer mission ). Die EU plant, sich an einem vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) zu verwaltenden Wahl-Trust Fund mit einem Betrag von 8 Mio. Euro zu beteiligen. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Vorbereitung und die Durchführung der Wahlen in Burundi zu unterstützen und der burundischen Wahlkommission bis zu 240 000 Euro zweckgebunden zur Verfügung zu stellen. In den zuständigen Gremien der EU wird sich die Bundesregierung für die Entsendung einer vollwertigen EU-Wahlbeobachtermission zu den Wahlen im Jahr 2015 einsetzen. Die Bundesregierung unterstützt zudem den burundischen Friedensprozess über die EZ-Organisation „Ziviler Friedensdienst“, der mit seinen Projekten zur Versöhnung und zur Prävention neuer Gewalt beiträgt. 7. Wie bewertet die Bundesregierung die Arbeit der CNTB, und wie bewertet sie die neuesten Entwicklungen im Hinblick auf die veränderte Gesetzesgrundlage ? Nach Kenntnis der Bundesregierung ist die „Commission Nationale des Terres et Autres Biens“ (CNTB) in den ersten Jahren nach ihrer Gründung im Jahr 2006 ihrem Auftrag gerecht geworden und hat weitgehend einvernehmliche Lösungen zwischen den derzeitigen und den früheren Landbesitzern herbeigeführt. Die Politik der Anfangsjahre verfolgte das Ziel der Annäherung zwischen der lokalen Bevölkerung und den Rückkehrern. Inzwischen hat die Kommission in ihren Entscheidungen einseitig einer Restitution früherer Landbesitzer Vorrang gegenüber einvernehmlichen Ausgleichslösungen eingeräumt. Die im Januar 2014 geänderte gesetzliche Grundlage für die CNTB bestätigt diese Entwicklung und birgt nach Auffassung der Bundesregierung die Gefahr einer Vertiefung von Gräben zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen. Gesetzlich vorgesehen ist die Einrichtung eines besonderen Gerichtshofes für Landrechtsfragen . Gegen dessen Urteile sind jedoch keine Rechtsmittel vorgesehen. 8. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung Vorhaben im Bereich der Landund Rückkehrpolitik? Vorhaben im Bereich der Land- und Rückkehrpolitik werden von der Bundesregierung bislang nicht unterstützt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1421 9. Welche internationalen Akteure sind im Bereich der Land- und Rückkehrpolitik tätig? Nach Kenntnis der Bundesregierung fördern die schweizerische staatliche Entwicklungszusammenarbeit , die Europäische Union, der französische internationale Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung und die staatliche belgische und niederländische Entwicklungszusammenarbeit den Aufbau eines Katasterwesens . Im Rahmen dieses Programmes werden in 21 Kommunen Grundstücke erfasst, vermessen und katastermäßig registriert. 10. Inwieweit zieht die Bundesregierung aufgrund der aktuellen Lage gegebenenfalls Konsequenzen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, und wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung hat der burundischen Regierung im Rahmen der am 13./ 14. Mai dieses Jahres stattfindenden Regierungsverhandlungen ihre Sorge über die aktuelle politische Lage in Burundi mitgeteilt. Die Bundesregierung führt bei den Regierungsverhandlungen einen intensiven Politikdialog ohne finanzielle Zusagen. Die Gespräche werden genutzt, um der burundischen Regierung auch mögliche Konsequenzen für die Entwicklungszusammenarbeit aufzuzeigen. Auf die Antwort zu Frage 12 wird verwiesen. 11. Inwieweit plant die Bundesregierung zusammen mit Burundi, die bisherigen Schwerpunkte Wasser- und Sanitärversorgung, Dezentralisierung, Aufbau der burundischen Polizei und Gesundheit fortzuführen? Die Bundesregierung plant, die bisherige bilaterale Zusammenarbeit in den Schwerpunkten Wasser- und Sanitärversorgung, Gesundheit und Dezentralisierung fortzuführen, da sie der Armutsreduzierung der Bevölkerung dient. Auf die Antwort zu Frage 12 wird verwiesen. Die Bundesregierung unterstützt im Rahmen der krisenpräventiven Projektförderung seit dem Jahr 2008 zudem den Aufbau der burundischen Polizei. Das von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) durchgeführte Vorhaben zur Stärkung nationaler Polizeistrukturen soll Burundi dazu befähigen, die Sicherheitslage und die Menschenrechte im eigenen Land zu verbessern. Dies geschieht durch den Aufbau ziviler Polizeikapazitäten in den Bereichen Infrastruktur und Ausrüstung, sowie Training und Weiterbildung, insbesondere zur Verankerung rechtsstaatlicher Standards (2008 bis 2015, ca. 5,2 Mio. Euro). 12. Wann und in welchem Umfang plant die Bundesregierung neue Mittel für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Burundi bereitzustellen, und für welche Schwerpunkte? Die nächsten Regierungsverhandlungen mit finanziellen Zusagen sind für Herbst 2015 angesetzt. Der Rahmenplanungsprozess hierzu läuft, Zusagehöhen stehen noch nicht fest. Die Konzentration auf die drei Schwerpunkte Wasserund Sanitärversorgung, Gesundheit und Dezentralisierung soll fortgesetzt werden . Gesamtherstellung: H. 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