Deutscher Bundestag Drucksache 18/1426 18. Wahlperiode 15.05.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, Ralph Lenkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/1229 – Industrieprivilegien Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bundesregierung befreit die energieintensive Industrie weitgehend von den Kosten der Energiewende, etliche Firmen verdienen gar daran. In der Folge zahlen private Haushalte und kleine Firmen über den Strompreis zusätzlich bzw. es gehen dem Bundeshaushalt Einnahmen verloren. Beispiele dafür sind die abgesenkte Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), der Spitzenausgleich bei der Ökosteuer oder Befreiungen bei Netzentgelten und der Umlage nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG-Umlage). Hinzu kommt die weitgehend kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für die Industrie im Emissionshandel in der Europäischen Union (EU). In der Summe führen die Begünstigungen zu einer enormen Umverteilung. Nach einer Studie von arepo consult für die Fraktion DIE LINKE. vom Februar 2013 hätten sie im Jahr 2013 voraussichtlich ca. 16,2 Mrd. Euro betragen. Dabei wurde als Vergleichsszenario zugrunde gelegt, wie die Kostenverteilung ausgesehen hätte, hätte eine Gleichverteilung der jeweiligen Belastungen auf alle Endverbraucher stattgefunden bzw. wäre der volle Steuersatz bzw. die volle Abgabe erhoben worden. Die größte Subvention im Jahr 2013 stellten nach der Studie die Industrieprivilegien der Besonderen Ausgleichsregelung und des Eigenstromverbrauchs im EEG dar. Auf sie entfielen demnach mit etwa 5,5 Mrd. Euro ein Drittel der Gesamtentlastung im Jahr 2013. Vom Volumen der Begünstigung folgten der damaligen Prognose zufolge die Ausnahmen von der Ökosteuer (5,1 Mrd. Euro) und von den Konzessionsabgaben (3,6 Mrd. Euro). Auf die Vorteile durch die kostenlose Zuteilung der CO2-Zertifikate im EU-Emissionshandel entfielen aufgrund der niedrigen Zertifikatepreise „nur“ 1,1 Mrd. Euro. Dazu kamen weitere Begünstigungen beim Netzentgelt und dem Kraft-WärmeKopplungsgesetz sowie bei der Haftungsregelung für Versäumnisse der Netzbetreiber beim Anschluss von Offshore-Windanlagen. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 8. Mai 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Im Zuge der Novellierung des EEG und weiterer diesbezüglich relevanter Gesetze dürfte – unabhängig von der Debatte um die Berechtigung des Ausmaßes der Industrieprivilegien – von Interesse sein, inwieweit sich diese Zahlen aus Sicht der Bundesregierung bestätigt haben, und wie hoch die Bundes- Drucksache 18/1426 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode regierung die entsprechenden Entlastungswirkungen für das Jahr 2014 schätzt, legt sie als Vergleichsszenario zugrunde: jeweils eine fiktive Gleichverteilungsumlage bzw. einen vollen Steuer- bzw. Abgabesatz, auktionierte statt kostenlos vergebene Emissionszertifikate und einen Verzicht auf eine Strompreiskompensation im EU-Emissionshandel. Bei der EEG-Umlage sollte dabei zunächst die Rechtslage des geltenden EEG 2012 für das gesamte Jahr 2014 zugrunde gelegt werden. Anschließend sind die Auswirkungen der von der Bundesregierung geplanten EEG-Reform einzubeziehen. 1. Wie hoch waren im Begrenzungsjahr 2013 und wie hoch werden wahrscheinlich für das Begrenzungsjahr 2014 die Entlastungen der Wirtschaft innerhalb des EEG ausfallen, aus a) der Besonderen Ausgleichsregelung und b) dem Eigenstromprivileg, und um welchen Cent-Betrag stieg bzw. steigt dadurch für nicht privilegierte Endverbraucher die EEG-Umlage? Im Jahr 2013 wurde die Wirtschaft um 4 Mrd. Euro (2014: 5,1 Mrd. Euro) entlastet . Dadurch erhöhte sich die EEG-Umlage für nicht privilegierte Endverbraucher um 1,04 ct/kWh (2014: 1,35 ct/kWh). Der Bundesregierung liegen keine Daten zu den Strommengen, die selbst erzeugt und selbst verbraucht werden, für die Wirtschaft vor. Aus diesem Grund ist eine Berechnung der Entlastungen der Wirtschaft durch das Eigenstromprivileg innerhalb des EEG nicht möglich. 2. Wie hoch werden wahrscheinlich für das Begrenzungsjahr 2015 die Entlastungen der Wirtschaft innerhalb des EEG ausfallen, aus a) der Besonderen Ausgleichsregelung und b) dem Eigenstromprivileg, legt man die Vereinbarung zwischen der Europäischen Kommission und der Bundesregierung zu den Industrieprivilegien sowie den Kabinettsentwurf des EEG 2014 zugrunde, und um welchen Cent-Betrag steigt dadurch für nicht privilegierte Endverbraucher die EEG-Umlage? Die von der Europäischen Kommission beschlossenen Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien führen zu erheblichen strukturellen Änderungen der Besonderen Ausgleichsregelung des EEG, die eine Abschätzung der Auswirkungen erheblich erschweren. Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Beitrag der bisher begünstigten Unternehmen zur Finanzierung des EEG durch die Neuregelung in geringem Umfang ansteigt. Zugleich wird mit der Anhebung der Eintrittsschwelle , die zur Inanspruchnahme der Besonderen Ausgleichsregelung berechtigt (Anteil der Stromkosten an der Bruttowertschöpfung), von bisher 14 Prozent auf künftig 16 Prozent in 2015 bzw. 17 Prozent ab 2016 darauf hingewirkt , dass – anders als in den letzten Jahren – keine (bzw. allenfalls in begrenztem Umfang) zusätzlichen Unternehmen begünstigt werden, nur weil aufgrund der steigenden EEG-Umlage die Stromkostenintensität der Unternehmen steigt. Im Ergebnis kann somit erreicht werden, dass der in der Vergangenheit zu beobachtende kontinuierliche Anstieg des Entlastungsvolumens gestoppt wird. Allerdings hängt dies entscheidend auch von Parametern außerhalb der Besonderen Ausgleichsregelung ab. So steigt das rechnerische Entlastungsvolumen der stromintensiven Industrie auch dann, wenn die begünstigten Unternehmen einen unverändert hohen oder sogar steigenden Beitrag zur Finanzierung der EEG-Differenzkosten leisten, gleichzeitig aber die EEG-Differenzkosten Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1426 insgesamt steigen (z. B. wegen eines sinkenden Börsenpreises oder steigender EEG-Vergütungszahlungen). Zum Eigenstromprivileg wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Wie hoch waren im Jahr 2013 und wie hoch werden wahrscheinlich im Jahr 2014 die Entlastungen der Wirtschaft im Rahmen der allgemeinen Energieund Stromsteuerentlastung nach § 9b des Stromsteuergesetzes (StromStG) und § 54 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) sein, die zu entsprechend hohen Einnahmeausfällen des Bundeshaushalts führten bzw. führen? Der Bundesregierung liegen derzeit noch keine endgültigen statistischen Auswertungen über die im Jahr 2013 von den Hauptzollämtern gewährten Energieund Stromsteuerentlastungen nach § 9b StromStG bzw. § 54 EnergieStG vor. Das Entlastungsvolumen der Wirtschaft aus diesen Begünstigungen wird auf Grundlage des 24. Subventionsberichts der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 17/14621 vom 19. August 2013) für die Jahre 2013 und 2014 auf jeweils 1 170 Mio. Euro geschätzt. 4. Wie hoch waren im Jahr 2013 und wie hoch werden wahrscheinlich im Jahr 2014 die Entlastungen der Wirtschaft aus §§ 9a, 10 StromStG und §§ 51, 55, 26, 37, 44 sowie 47 EnergieStG sein, die zu entsprechend hohen Einnahmeausfällen des Bundeshaushalts führten bzw. führen? Der Bundesregierung liegen derzeit noch keine endgültigen statistischen Auswertungen über im Jahr 2013 gewährte Energie- und Stromsteuerbegünstigungen vor. Das Entlastungsvolumen der Wirtschaft aus den §§ 9a, 10 StromStG und den §§ 51, 55, 26, 37, 44 sowie 47 EnergieStG wird auf Grundlage des 24. Subventionsberichts der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 17/14621 vom 19. August 2013) für die Jahre 2013 und 2014 wie folgt geschätzt: Anzumerken ist, dass in der Aufstellung keine Steuerentlastungstatbestände enthalten sind, durch die im Ergebnis eine Doppelbesteuerung von Energieerzeugnissen vermieden werden soll (§ 47 Absatz 1 Nummer 1, 2, 5 und 6 EnergieStG) Bezeichnung der Steuervergünstigung Steuermindereinnahmen – in Mio. € – 2013 2014 Stromsteuerbegünstigung für bestimmte Prozesse und Verfahren (§ 9a StromStG) 720 720 Spitzenausgleich bei der Stromsteuer (§ 10 StromStG) 2 000 2 000 Energiesteuerbegünstigung für bestimmte Prozesse und Verfahren (§§ 37, 51 EnergieStG) 615 615 Spitzenausgleich bei der Energiesteuer (§ 55 EnergieStG) 180 180 Herstellerprivileg (§§ 26, 37, 44, 47 EnergieStG) 300 300 Energiesteuerbefreiung für Kohle zur Stromerzeugung (§ 37 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 EnergieStG) 800 800 oder der allgemeine Grundsatz der Energiebesteuerung umgesetzt wird, dass Energieerzeugnisse nur bei einer Verwendung als Kraft- oder Heizstoff besteuert Drucksache 18/1426 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode werden sollen (§ 37 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, § 47 Absatz 1 Nummer 3 und 5 EnergieStG). Über die Steuerbefreiungen nach § 37 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 und § 44 Absatz 2a und 2b EnergieStG liegen keine Daten vor, die eine belastbare Schätzung für die Jahre 2013 und 2014 ermöglichen. 5. Wie hoch waren im Jahr 2013 (nach Anwendung der rückwirkenden Änderungen vom 14. August 2013) und wie hoch werden wahrscheinlich im Jahr 2014 die Entlastungen der Wirtschaft sein, die sich aus der sogenannten § 19-StromNEV-Umlage (StomNEV = Stromnetzentgeltverordnung ) bei den Netzentgelten ergeben, aufgeschlüsselt nach a) Entlastungen für Stromspeicher, b) Entlastungen für sonstige Stromverbraucher, und um welchen Cent-Betrag stieg bzw. steigen dadurch für nicht privilegierte Endverbraucher die Netzentgelte? Der Bundesregierung liegen hinsichtlich der Differenzierung zwischen den Entlastungen für Stromspeicher und für sonstige Stromverbraucher keine Daten vor. 6. Wie hoch waren im Jahr 2013 und wie hoch werden wahrscheinlich im Jahr 2014 die Entlastungen der Wirtschaft sein, die sich aus der Entlastung bei den Konzessionsabgaben ergeben, die zu entsprechend hohen Einnahmeausfällen der kommunalen Haushalte führten bzw. führen? Konzessionsabgaben sind privatrechtliche Gegenleistungen für die Nutzung kommunaler Verkehrswege zur Versorgung von Letztverbrauchern mit Strom und Gas im Gemeindegebiet. Zur Höhe der Entlastungen für die Wirtschaft wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 3 und 4 auf Bundestagsdrucksache 17/14489 hingewiesen. 7. Wie hoch waren im Jahr 2013 und wie hoch werden wahrscheinlich im Jahr 2014 die Entlastungen der Wirtschaft sein, die sich aus Ermäßigungen bei der Offshore-Haftungsumlage nach § 17f des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ergeben, und um welchen Cent-Betrag stieg bzw. steigt dadurch für nicht privilegierte Endverbraucher die Offshore-Haftungsumlage? Der Bundesregierung liegen keine Daten vor zu den Strommengen, die durch § 17f Absatz 5 Satz 2 ff. EnWG erfasst werden. Aus diesem Grund sind keine Abschätzungen zu den Entlastungen der Wirtschaft nach § 17f EnWG möglich. Die Summe aller wälzbaren Kosten der Offshore-Entschädigungszahlungen in Deutschland wurden nach den Erhebungen der Übertragungsnetzbetreiber für 2014 mit 764,5 Mio. Euro beziffert. 8. Wie hoch waren im Jahr 2013 und wie hoch werden wahrscheinlich im Jahr 2014 die Entlastungen der Wirtschaft sein, die sich aus Ermäßigungen bei der KWKG-Umlage ergeben, und um welchen Cent-Betrag stieg bzw. steigt dadurch für nicht privilegierte Endverbraucher die KWKG-Umlage? Der Bundesregierung liegen keine Daten zu den Entlastungen der Wirtschaft, die sich aus den Ermäßigungen bei der KWKG-Umlage ergeben, vor. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1426 Die Aufschläge auf die Netzentgelte für alle Letztverbräuche der Letztverbrauchskategorien A, B und C stellen sich nach den Prognosen der Übertragungsnetzbetreiber wie folgt dar: 9. Wie hoch waren im Jahr 2013 und wie hoch werden wahrscheinlich im Jahr 2014 die Entlastungen der Wirtschaft infolge der kostenlosen Zuteilung für Prozessemissionen an das produzierende Gewerbe im Rahmen des EU-Emissionshandels sein, welche zu entsprechenden Einnahmeausfällen im Bundeshaushalt führen? Die emissionshandelspflichtigen Anlagen in Deutschland haben für das Jahr 2013 kostenlose Zuteilungen von insgesamt rund 169 Millionen Emissionszertifikaten erhalten. Für das Jahr 2014 sind noch rund 163 Millionen Emissionszertifikate zur kostenlosen Zuteilung vorgesehen. Die Berechnung der kostenlosen Zuteilungen für die Anlagen in Deutschland beruht jedoch auf EU-weit einheitlichen Zuteilungsregeln, so dass die Bundesrepublik Deutschland insoweit keinen Handlungsspielraum hätte, die kostenlosen Zuteilungen zugunsten der Versteigerungsmengen zu verringern. Einnahmewirkungen einer kostenpflichtigen Vergabe der Zertifikate hängen u. a. von den Preiswirkungen einer derartigen Umstellung ab und wären daher rein spekulativ. 10. Wie hoch waren im Abrechnungsjahr 2013 und wie hoch werden wahrscheinlich im Abrechnungsjahr 2014 die Entlastungen der Wirtschaft sein, die sich aus der Strompreiskompensation im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems ergeben, und die zu entsprechend hohen Belastungen des Bundeshaushalts führten bzw. führen? Abschätzungen zum Gesamtumfang der Strompreiskompensation für das Abrechnungsjahr 2013 können erst nach Abschluss der Antragsverfahren gemacht werden. Beihilfeberechtigte Unternehmen können die Anträge für das Abrechnungsjahr 2013 jedoch noch bis Ende Mai 2014 stellen. Daher sind derzeit keine Angaben zum Gesamtumfang der Strompreiskompensation für die Abrechnungsjahre 2013 und 2014 möglich. 11. Wie hoch waren im Jahr 2013 und wie hoch werden wahrscheinlich im Jahr 2014 insgesamt die Entlastungen der Wirtschaft sein, die sich aus der Entlastung bei den Tatbeständen nach den Fragen 1 bis 10 ergeben? Es wird insoweit auf die Antworten zu den Fragen 1 bis 10 verwiesen. In der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Auftrag gegebenen Studie zur „Überprüfung der Ausnahmeregelungen für die Industrie“ werden von Ecofys und Fraunhofer ISI demnächst Ergebnisse zur Quantifizierung der Entlastungen für einzelne energieintensive Branchen veröffentlicht. Erste Ergebnisse finden sich unter www.ecofys.com/de/veroeffentlichung/vergleichvon -industriestrompreise/. 2013 2014 Letztverbraucherkategorie A 0,126 ct/kWh 0,178 ct/kWh Letztverbraucherkategorie B 0,060 ct/kWh 0,055 ct/kWh Letztverbraucherkategorie C 0,025 ct/kWh Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die genannten Regelungen im Allgemeinen dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der entlasteten Unternehmen Drucksache 18/1426 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode dienen, insbesondere von Unternehmen aus energieintensiven und im internationalen Wettbewerb stehenden Branchen. Sie verhindern somit die bei einer Abwanderung oder einer mangelnden Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen zu befürchtenden Arbeitsplatzverluste sowie Einnahmeausfälle bei Steuern und Abgaben des Bundes, der Länder und der Kommunen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333